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1993 - Gustavo

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Er schaute sich zufrieden im Spiegel an. Mit dem dunklen Anzug und der Krawatte sah er richtig offiziell aus, so wie ein vollwertiges, seriöses Mitglied der Gesellschaft. Es hätte ein tolles Gefühl sein können, wäre da nicht das Wissen, dass er nicht derjenige war, dessen Name auf der Heiratsurkunde stehen würde. Im Hinterkopf nagte die ständige Angst vor der Aufdeckung seiner wahren Identität, die nie verschwand. Auch heute nicht, an seinem Hochzeitstag, an dem eigentlich die Glückshormone Salsa tanzen sollten. Wenngleich, es war bereits der zweite in seinem Leben. Der Gedanke an das erste Mal schnürte ihm spontan den Hals zu. Sein Blick verschleierte sich.

Damals hatte er mit Maria in seiner Heimat Honduras vor dem Traualtar gestanden, noch immer total verliebt, obwohl sie schon vier Jahre ein Paar waren, unzertrennlich, aber keusch, wie es sich gehörte. Sie waren einfach nur glücklich, endlich den Segen Gottes zu erhalten für ihren gemeinsamen Lebensweg, den sie von nun an mit all seinen Vorzügen zu genießen gedachten. Maria sah wunderschön aus mit ihrem langen schwarzen Haar, das mit einem kleinen Blumenkranz geschmückt war, und dem einfachen weißen Kleid, das sie sich aus einer alten Gardine genäht hatte, die ihr ihre Arbeitgeberin großzügig überlassen hatte. Ihre Augen strahlten und das Lachen wich den ganzen Tag nicht aus ihrem Gesicht.

Maria war Gustavos Rettung gewesen, denn er war bei ihrer ersten Begegnung drauf und dran, sich einer der großen Jugendbanden anzuschließen, die Maras genannt wurden und die gesamte Gegend terrorisierten. Den meisten männlichen Jugendlichen erschienen sie als einziger Ausweg aus ihrem elendigen Leben, das ansonsten wenig Anlass zu Hoffnung gab. Das Risiko, bei den zunehmend gewalttätigen Auseinandersetzungen der rivalisierenden Gruppen die Gesundheit oder sogar das Leben zu verlieren, wurde als unausweichlich in Kauf genommen. Mehrere von Gustavos Freunden hatten ihre Entscheidung für ein kriminelles Dasein bereits teuer bezahlt und er hatte gezögert sich auf diesen Weg zu begeben. Doch wusste auch er nicht, ob er überhaupt eine Zukunft haben würde und wie er eine solche auf legalem Wege bestreiten könnte.

Er kam aus einer armen Arbeiterfamilie am Rande der Hauptstadt Tegucigalpa mit dreizehn weiteren hungrigen Kindermäulern, die kaum vom unsteten Gehalt seines trunksüchtigen Vaters gefüttert werden konnten. Also musste der Nachwuchs schon frühzeitig, spätestens ab dem zehnten Lebensjahr, zum Familieneinkommen beitragen. Wer Glück hatte, durfte als Schuhputzer arbeiten, viele sortierten mit bloßen Händen den Unrat auf den großen Müllplätzen der Stadt. Gustavo war ein großer, kräftiger Junge und wurde von seinem Vater in den nahen Steinbruch geschickt, wo er mit Hunderten von Kindern für einen Hungerlohn täglich acht Stunden lang riesige Steine mit einem einfachen Pickel zerkleinerte. Sein im Wachstum befindlicher Körper dankte es ihm zunehmend mit unerträglichen Rückenschmerzen, bis er sich weigerte, weiterhin an seinen Arbeitsplatz zu gehen. Sein Vater warf ihn aus dem Haus; er brachte keinen Nutzen mehr. Da war er gerade mal sechzehn Jahre alt. Er fühlte sich mit einem Male allein und verloren, ein leichtes Opfer für die Anwerber der Jugendbanden, die ihm versprachen, ihn wie einen Bruder bei sich aufzunehmen und ihm, mit einer Waffe ausgestattet, sein Selbstvertrauen zurückzugeben. Er brauchte nur über die unsichtbare Schwelle zu treten, auf die er vor seinem geistigen Auge bereits mehrfach einen Fuß gesetzt hatte. Wäre nicht in diesem Moment Maria in sein Leben getreten, ein Geschenk des Himmels.

An diesem schicksalhaften Tag war Gustavo auf dem Weg zu seinem alten Leidensgenossen Diego aus dem Steinbruch, der sich bereits den Maras angeschlossen hatte und heiß darauf war, mit einem neuen Rekruten sein Standing zu verbessern. In einer Nebenstraße beobachtete er, wie zwei bullige Nachwuchs-Halbstarke eine junge Frau bedrängten. Sie versuchten die Frau zu küssen, die ihnen wütend ins Gesicht spuckte, fassten ihr an die Brust, hielten sie an eine Wand gedrückt und schoben ihren Rock hoch, während sich einer der beiden Attentäter die Hose öffnete. Ohne lange nachzudenken, trat Gustavo hinzu, zückte sein Messer, das er für Notfälle immer bei sich trug, und wies die beiden Angreifer unmissverständlich an, seine angebliche Freundin in Ruhe zu lassen, oder er würde ihnen für ewig das Licht ausblasen. Die offensichtlich noch unerfahrenen Teenager ließen daraufhin eingeschüchtert von der Frau ab und gaben Fersengeld.

Dies war der Beginn der großen Liebe zwischen Gustavo und Maria, die sich seiner nicht nur aus Dankbarkeit annahm und ihm einen besseren Weg aus seiner Verlorenheit wies. Sie kam aus einer streng katholischen Familie, genauso kinderreich und arm wie die Gustavos, aber geprägt von gegenseitiger Zuneigung und dem Willen, die christlichen Werte hochzuhalten. Sie waren lieber mittellos als kriminell, der Vater ein unermüdlicher Arbeiter auf den nahegelegenen Obstplantagen. Er tat alles dafür, seinen Kindern zumindest einen Grundstock an Bildung zu ermöglichen. Er war sich nicht zu schade, auch seinen fast schon erwachsenen Söhnen eine gehörige Tracht Prügel zu verpassen, wenn diese neidvoll von den letzten Errungenschaften ihrer verbrecherischen Bekannten aus der Nachbarschaft erzählten.

„Ihr braucht diese schicken Klamotten so dringend wie eine Kugel im Kopf,“, warnte er sie.

Bisher hatte er mit seiner Taktik Erfolg gehabt, wenngleich die Familie somit weiter in bitterer Armut darbte.

Kurz bevor Gustavo Marias Familie kennenlernte, hatte sich deren ältester Sohn Agustin auf den langen Weg in die USA gemacht, lebte dort zwar ohne gültige Papiere, verdiente aber mit ehrlicher Arbeit gutes Geld, von dem er jeden Monat einen erheblichen Teil nach Hause zu den Eltern schickte, wo es dringend benötigt wurde. Er war Dachdecker und hatte sich die Mittel für die lange Reise unterwegs mit Gelegenheitsjobs besorgt. Seine illegalen Grenzübertritte nach Mexiko und Texas waren zwar schwierig gewesen, aber nicht lebensbedrohlich. Die Kontrollen an den Tausenden von Kilometern langen Zäunen waren Mitte der achtziger Jahre eher sporadisch und die Routen, die zu Fuß zurückgelegt werden mussten, relativ kurz. Schon damals gab es Schleuser, die gegen Bezahlung Emigranten bis nahe an die Grenze brachten und ihnen wertvolle Tipps mitgaben für den Sprung ins gelobte Land.

Agustin war müde, aber unversehrt jenseits der Zäune angekommen. Die ersten Jahre arbeitete er in Texas für einen kleinen Dachdeckerbetrieb, der von einem Mann geleitet wurde, den nur die Leistung seiner Leute interessierte. Er fragte nicht nach Papieren und bezahlte den kargen wöchentlichen Lohn in bar aus, der nicht verhandelbar war. Agustin war sehr gut in seinem Job und begriff bald, dass er auf eigenen Füßen stehen musste, um seine Version des amerikanischen Traums zu leben. Er machte sich auf den Weg nach New York City, wo es angeblich die beste Bezahlung für Handwerker gab. Dort angekommen besorgte er sich gefälschte Dokumente, einen Führerschein und eine Greencard mit der identischen Sozialversicherungsnummer eines unbedarften US-Amerikaners. Er gründete sein eigenes kleines Unternehmen, das er schon bald mit weiteren Arbeitern ausstattete. Er heiratete eine Mexikanerin, die ebenfalls illegal eingereist war, und hatte zwei süße Kinder, deren Bilder die Kommode ihrer stolzen Großeltern in Tegucigalpa schmückten.

Am Tag ihrer Hochzeit erhielten Gustavo und Maria im Büro des Pfarrers einen Anruf von Agustin aus New York.

„Hallo Ihr Turteltäubchen. Ich wünsche euch alles, alles Gute für eure Zukunft. Schade, dass ich heute nicht bei euch sein kann, aber ich habe ein wenig Extrageld für euch auf den Weg gebracht. Ihr könnt es bei Western Union abholen. Es wird allerdings nicht lange reichen. Solltet ihr jemals auf die Idee kommen, auch in die USA auszuwandern, dann seid ihr bei mir jederzeit herzlich willkommen. Ich habe genug Arbeit für alle von uns.“

Die Brautleute lachten sich an und schüttelten den Kopf.

„Danke für dein Angebot, Agustin. Wir lieben unsere Heimat und wollen es erst einmal hier probieren. Aber wer weiß, vielleicht kommen wir später darauf zurück.“

So hatten sie zunächst ernsthaft alles darangesetzt, sich in Honduras ihr Leben aufzubauen, aber Marias Gehalt als Hausmädchen und Gustavos Einnahmen als Tagelöhner reichten nicht aus, eine eigene Wohnung zu finanzieren. Sie lebten weiterhin im kleinen Haus von Marias Eltern, wo von Privatsphäre keine Rede sein konnte und die Enge an den Nerven aller Bewohner zerrte. Als sich dann auch noch Nachwuchs ankündigte, begann das Paar von einer besseren Zukunft in den reichen USA zu träumen, wo es ihnen als ehrliche, fleißige Menschen bestimmt gelingen würde, ihren Kindern eine Chance auf Bildung und einen bescheidenen Wohlstand zu bieten. Nachts lagen sie auf ihrer Matratze und malten sich aus, wie sie abends nach der Arbeit glücklich in ihr kleines, in honduranischem Blau gestrichenes Haus zurückkehrten und die Kinder ihnen fröhlich entgegenliefen, um von ihrem aufregenden Tag in der Schule zu erzählen. Am Wochenende würden sie sich mit Agustin und weiteren Freunden aus der Heimat in einem Park zu einem Picknick treffen und ihr Glück kaum fassen können, so ein schönes Leben zu führen.

Baby Carolina kam gesund zur Welt und entwickelte sich prächtig. Schon bald reichte ihr die Milch ihrer Mutter nicht mehr und sie bestand mit Nachdruck auf ihrem Recht auf feste Nahrung und Kleidung. Maria verlor bald darauf ihre Arbeit, als der Ehemann ihrer Chefin ins Ausland versetzt wurde, und es gab wenig Hoffnung auf neue.

Der Zeitpunkt war gekommen, eine Entscheidung zu treffen. Agustin schickte im nächsten Monat zweitausend Dollar extra, um ihnen die lange Reise mit dem Kleinkind möglichst unter Zuhilfenahme von Transportmitteln zu ermöglichen. Mit klopfendem Herzen und vielen Tränen verabschiedeten sie sich von ihren Familien und ihrer Heimatstadt, denn sie wussten, es würde wahrscheinlich ein Abschied für immer sein.

Auf ihrer Flucht vor der Armut, die sie sich selbst innerlich als aufregendes, riesiges Abenteuer verkauften, war zunächst alles gut gegangen. Sie erreichten den Süden Mexikos mithilfe einiger freundlicher Menschen, die sie mit Rat und Tat unterstützten und sie vor habgierigen Menschenausbeutern warnten. Auf dem Weg in die Grenzregion im Norden wurde das Unterfangen fühlbar gefährlicher. Jeder, der ihnen Unterkunft oder Auskunft gewährte, verlangte eine horrende Summe für seinen Dienst. Das Geschäft mit der Angst und Unwissenheit der illegalen Emigranten, die überwiegend aus ländlichen Regionen stammten und ihren Gegenübern schutzlos ausgeliefert waren, blühte und wurde in der Zwischenzeit von mafiaähnlichen Organisationen kontrolliert. Gustavo, der in den Straßen Tegucigalpas in die Lehre gegangen war, ließ sich nicht so schnell einschüchtern. Er suchte gezielt Informationen von einfachen Leuten in kleinen Läden oder auf Baustellen, um den skrupellosesten Kriminellen an den üblichen Anlaufstellen aus dem Weg zu gehen. So bekam er auch den Namen eines Schleusers, der sie zusammen mit etwa zehn weiteren Ausreisewilligen durch unwirtliches, aber für gesunde Fußgänger in vier Tagen machbares Gebiet auf die andere Seite des Zaunes in Arizona bringen würde.

Als sie den Marsch durch die mexikanische Wildnis begannen, sangen Maria und Gustavo alte Volksweisen und wechselten sich ab, Carolina in einem Tuch auf dem Rücken oder vor der Brust zu transportieren. Sie genoss die Nähe ihrer Eltern und gluckste oft vor Vergnügen, wenn sie ordentlich hin- und hergeschaukelt wurde. Sie trugen außerdem einen Rucksack mit ihren wenigen Habseligkeiten und Proviant, der für ca. eine Woche reichte, wenn sie sich auf das Nötigste beschränkten. Der Schleuser hatte offensichtlich Kontakt mit lokalen Bauern, die an bestimmten Punkten Wasserbehälter versteckten, die die Gruppe entlang der Strecke vor Dehydrierung bewahrten.

Sie erreichten den Grenzzaun in einer klaren Nacht im September 1990. Die Sterne standen hoch am Himmel und der Mond schien sichelförmig auf sie herabzulächeln. Der Schleuser schnitt mit einer Drahtschere ein kleines Loch in den Maschendraht und verschwand lautlos auf dem Weg, den sie gekommen waren. Carolina fing an zu weinen, denn die Aufregung der Menschen um sie herum übertrug sich auf die Kleine. Gustavo versuchte sie zu beruhigen, schaffte es aber nicht. Maria nahm das Baby in ihre Arme, gab Gustavo den Rucksack und wies ihn an, als erster von ihnen durch den Zaun zu kriechen. Sie kümmerte sich derweil um das Kind.

Plötzlich gleißendes Licht. Riesige Scheinwerfer schweiften über sie hinweg und sie hörten lautes Hundegebell auf sich zukommen. Maria wickelte Carolina fest ein und reichte sie durch das Loch. Dann kroch sie selbst auf den Boden und schob sich durch die kleine Öffnung. Ihr langer Zopf verfing sich in den Zacken des zerschnittenen Drahtes. Verzweifelt versuchte sie sich zu befreien. Sie schaffte es nicht. Gustavo wollte zurücklaufen, um ihr zu helfen, aber sie schrie ihn an,

„Renn, renn, wir sehen uns in Nogales in der Kirche. Ich liebe dich.“

Dann erfasste sie ein fixer, greller Scheinwerferstrahl und zwei massige Grenzpolizisten in voller Montur mit Knüppeln und Pistolen liefen direkt auf sie zu.

Das war das letzte Mal, dass Gustavo Maria in seinem Leben gesehen hatte. Auch ihre Familie hatte nie mehr von ihr gehört. Ihre Spur verlor sich irgendwo in Mexikos Grenzstadt Sonoyta, wohin man sie zusammen mit vielen weiteren Unglücklichen mit einem Transportbus brachte, nachdem man sie wegen illegalen Grenzübertritts verurteilt hatte und mit zwanzig Jahren Gefängnis bedrohte, sollte sie einen weiteren Versuch unternehmen, in das Gebiet der USA einzudringen.

Einheimische vermuteten, dass sie einem Menschenhändlerring zum Opfer gefallen war, der deportierte Frauen bereits am Busbahnhof abfing, ihnen ihre Ausweispapiere nahm und sie zur Prostitution zwang. Die Opfer wurden unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und geschlagen, bis sie willenlos ihr Schicksal annahmen oder, wenn sie sich als unbeherrschbar erwiesen, einfach ermordet und irgendwo in der Wildnis verscharrt wurden. So wie Gustavo seine Frau einschätzte, war die zweite Variante die wahrscheinlichere. Er konnte nur hoffen, dass sie ihren Frieden gefunden hatte, jeder andere Gedanke verbot sich wie von selbst. Seinen hatten sie ihm für immer genommen.

Gustavo hatte wochenlang auf Maria an der Kirche zum Heiligen Herzen in Nogales gewartet, ständig auf der Hut vor der Polizei oder Grenzbeamten, die auch ihn ohne Aufhebens nach Mexiko deportiert hätten. Er achtete darauf, gut und sauber gekleidet zu sein und allen Menschen freundlich zu begegnen. Agustin hatte ihm über Mittelsmänner mehr Geld zukommen lassen, damit er sich und Carolina versorgen konnte. Er hatte auch Kontakte nach Mexiko geknüpft, um mehr über Marias Schicksal zu erfahren. Aber alle Anstrengungen hatten nichts bewirkt. Maria war und blieb verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.

Schließlich ließ sich Gustavo dazu überreden, zu Agustin nach New York zu kommen. Maria kannte die Adresse ihres Bruders und würde sicher bei ihm auftauchen, sollte sie jemals den Weg in die USA finden. Ansonsten gab es das Haus ihrer Eltern als festen Anlaufpunkt. In Honduras vertrauten die Verwandten auf den Willen Gottes und beteten täglich für Marias Wohlergehen und irgendwann, als sie still die Hoffnung auf ein Wiedersehen aufgegeben hatten, für ihre Seele, die sie unbedingt im Himmel wähnten.

Carolina stürmte zur Tür herein und zeigte sich in ihrem neuen weißen Kleidchen, das sie mit Olivia nach vielem Hin und Her ausgesucht hatte, denn sie wollte das schönste Blumenmädchen aller Zeiten sein. Ihre Ähnlichkeit mit Maria war frappierend und manches Mal fiel es Gustavo schwer, ihren Anblick zu ertragen, auch wenn er sie über alle Maßen liebte. Es machte die Sache auch für Olivia nicht leichter, die sich ständig im Wettbewerb fühlte mit dieser unerreichbaren, idealisierten Frau und Mutter, die überall wie ein wortloser Schatten neben sie trat. Nur viel guter Wille aller Beteiligten, gepaart mit Carolinas Unbedarftheit und sonnigem Gemüt, machten das Zusammenleben der neuen Familie möglich.

„Papa, bin ich so hübsch genug für die Hochzeit? Soll mir Olivia noch einen Zopf machen oder ist es so okay?“ fragte sie.

„Du siehst sehr hübsch und erwachsen aus mit den offenen Haaren. Wenn wir nicht aufpassen, glaubt der Pfarrer, du wärst die Braut und fragt dich, ob du mich heiraten möchtest.“, schmunzelte Gustavo.

„Das geht doch gar nicht. Du bist mein Papa und viel zu alt für mich.“, erwiderte Carolina empört und verschwand so schnell wie sie gekommen war.

Olivia trat lautlos hinter Gustavo und lächelte ihn im Spiegel an. Zuvor hatte sie seinen wehmütigen Blick wahrgenommen, der ihr einmal mehr einen Stich ins Herz versetzte. Würde sie je eine Chance haben gegen Maria, ihre unsichtbare Begleiterin? Er hatte sie nicht kommen hören und war etwas erschrocken, als sie in seinem Blickfeld auftauchte. Dann lächelte auch er.

Wie glücklich war er, dass er diese Frau gefunden hatte, die ihn trotz seiner Macken und häufigen Träumerei bedingungslos liebte und vor allen Dingen Carolina eine sehr gute Ersatzmutter war. Das Mädchen war fröhlich und unbeschwert, neugierig und klug. Das war zu einem großen Teil Olivias Verdienst, die sich rührend um die Kleine kümmerte, ohne aufdringlich zu sein. Ihr Herz war am richtigen Fleck, davon war er überzeugt.

Jetzt würde alles gut werden. Er hatte eine neue Familie, einen guten Job bei Agustin in der Dachdeckerfirma und bald würde er anfangen sein eigenes Haus zu bauen, so wie er sich damals in Honduras erträumt hatte.

Septemberblau

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