Читать книгу Prophezeiung - Melanie Baumann - Страница 3

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2.

Schwer atmend schrecke ich auf und muss gegen das Angstgefühl, welches mir die Luft zu schnürt, ankämpfen. Die Nacht ist bereits angebrochen und ich brauche einen Moment, um mich zu orientieren. Wo bin ich und wie bin ich hierhergekommen? Die Erinnerungen reisen mich mit voller Wucht in die Realität. Die Bettseite neben mir ist leer. Sie ist genauso leer wie ich mich fühle. Er ist nicht hier. Verdammt, es ist kein Albtraum. Preston hat ihn entführt, er hat ihn diesmal wirklich in seiner Gewalt.

Was muss er alles durchstehen? Was wird Preston mit ihm machen?

Mir läuft ein Schauer über den Rücken und sofort spüre ich wieder Übelkeit in mir aufsteigen. Auf dem Nachttisch, neben mir steht ein Teller mit Broten und ein, wahrscheinlich ehemals warmer Tee. Ein Blick genügt und mein Magen beginnt zu rumoren. Schnell wende ich meine Augen wieder ab. Im Moment kann ich mich nicht mit Essen aufhalten, ich muss wissen, wie weit die Jungs sind. Vielleicht haben sie bereits herausgefunden, wo sich Preston versteckt hält. Mit etwas Glück können wir Akira heute noch zurückholen.

Sobald ich an die grauen Augen denke und das Gesicht, welches sie zieren, kommen mir erneut die Tränen und ich streiche, ehe ich aufstehe, mit der Hand über die leere Bettseite. Schluss damit es wird Zeit zu handeln.

Mit durchgedrücktem Kreuz gehe ich in den Flur hinaus, den ich heute Morgen noch, gemeinsam mit Akira entlanggelaufen bin. An der ersten Tür, hinter der Lennox sein sollte, klopfe ich an.

Keiner öffnet oder bittet mich herein.

Unsicher wandre ich die restlichen Türen ab und klopfe, aber nirgendwo regt sich etwas. Es bleibt gespenstisch still.

Was ist los? Wo sind denn alle? Haben sie bereits einen Plan und sind dabei ihn umzusetzen? Bin ich allein?

Entmutigt schlage ich den einzigen Weg ein, der mir noch bleibt und schon auf der Treppe kann ich ihre gedämpften Stimmen hören. Sie sind doch noch hier. Soll ich froh oder traurig darüber sein? Wie viele Stunden sind vergangen, seit wir die Ruinen verlassen haben? Wie lange wird er schon von Preston gequält? Von der letzten Stufe aus sehe ich, wie alle verbliebenen Freunde um die Tische herumsitzen. Sie haben sich über ein Tablet gebeugt und unterhalten sich leise. Nur drei Menschen, außer mir, fehlen in der Runde und ich spüre einen Stich in meinem Herzen. Hoffentlich ist Max bald wieder gesund. Und Tamara? So habe ich sie noch nie erlebt. Sie war so verzweifelt und verletzt. Ob sie mir jemals verzeihen kann?

>> Hallo. << mache ich mich bemerkbar und sehe in die aufgeschreckten Gesichter. Wieder ist es Lennox, der sich als erstes an mich wendet und auf mich zukommt.

>> Prinzessin, was machst du hier? Du solltest dich noch ausruhen. Komm, ich bringe dich wieder nach oben. <<

>> Habt ihr etwas herausgefunden? Wir hatten doch alle einen Peilsender. Wisst ihr, wo er ist? << will ich wissen, ohne auf ihn einzugehen. Ich schaue zu Ian und Jamie, die direkt vor dem Tablett sitzen und bei meiner letzten Frage, meinem Blick ausweichen.

>> Nicht direkt. Wir konnten das Signal zwar verfolgen, doch als wir an dem Standort ankamen, haben wir lediglich seine Jacke, an der der Sender angebracht war, finden könne. << erklärt Jamie und ich schließe für einige Sekunden die Augen.

Verdammt. Das bedeutet, wir haben keine Ahnung, wohin sie ihn verschleppt haben. Was machen sie dann an dem Bildschirm, wenn sie ihn nicht verfolgen?

Ich gehe zu ihnen und schaue auf das Bild, welches sie noch kurz zuvor beobachtet haben. Mit einem flauen Gefühl im Magen, setze ich mich auf die Bank neben sie und schlucke schwer, als ich den Punkt erkenne, an dem er sich wohl zuletzt aufgehalten hat. Hat er die Jacke absichtlich ausgezogen?

War das ein Hinweis von ihm? Hat er versucht uns eine Brotkrume zulegen, der wir folgen sollen oder haben sie den Peilsender gefunden? Das Ding war ziemlich klein, ich kann mir kaum vorstellen, dass sie herausgefunden haben, dass er mit so etwas ausgestattet war.

>> Was machen wir jetzt? Habt ihr einen Plan? << frage ich, während ich um Fassung kämpfe. Nur mit Mühe schaffe ich es, dass meine Stimme nicht beginnt zu zittern.

>> Siehst du die Punkte hier? << will Ian wissen und deutet auf verschieden farbige Punkte. Ich nicke und sehe mir die Markierungen, genauer an.

>> Das sind mögliche Orte, an dem sie sich verkrochen haben könnten. << erklärt er und ich runzle die Stirn. >> Wollen wir jeden einzelnen Punkt abfahren? Ist das der Plan? <<

>> Wir werden damit beginnen, doch um ehrlich zu sein, ist das als würden wir die Nadel im Heuhaufen suchen. << verdeutlicht mir Jamie, dass es nur ein Zufall wäre, wenn wir sie finden würden.

>> Haben wir denn eine andere Möglichkeit? Was können wir denn machen? Wir müssen handeln. Wer weiß, was sie Akira antun. << flüstere ich und balle vor Frust meine Hände zu Fäusten.

>> Wenn wir eine Möglichkeit hätten mit ihnen Kontakt aufzunehmen, könnten wir sie vielleicht orten oder zumindest den Radius verkleinern. << meint Lennox, der sich hinter mich gestellt hat und mir beruhigend über den Rücken streicht. Kontakt zu Preston aufnehmen, ist das überhaupt möglich? Ich habe das Gefühl, mich an etwas wichtiges Erinnern zu müssen, doch vor lauter Sorgen fällt es mir nicht ein. Nach und nach werden einige Vorschläge gemacht, wie es weiter gehen soll. Die ganze Zeit sitze ich nur da und starre in meine eigenen Gedanken versunken, in den Raum.

>> Hätten wir seine Nummer, wäre es kein Problem sie zu finden. << meint Henderson flapsig und dieser Spruch reicht, um mich zur Besinnung zu bringen. Mit der flachen Hand klatsche ich mir gegen die Stirn, ich Idiotin.

>> Wie kann man nur so dumm sein. << fluche ich laut und ernte verwunderte Blicke.

>> Wir können Kontakt zu ihnen aufnehmen. Preston hat es bestimmt bereits versucht. << rufe ich und stehe auf, um in mein Zimmer zu rennen. Aufgeregt durchwühle ich meine Sachen, danach die Schubladen und zum Schluss suche ich sogar unterm Bett. Verdammt, wo ist es?

>> Wo ist mein Handy? Hat einer von euch mein Handy gesehen? << frage ich eifrig und kann mich kaum zügeln, nachdem ich wieder bei den Jungs bin.

>> Wir haben es mitgenommen. Der Akku war leer. Was willst du denn damit? << fragt Jamie irritiert und scheint sich Gedanken um meinen Geisteszustand zumachen. >> Verdammt, der Akku. Stimmt. << entfährt es mir und noch immer scheinen meine Freunde nicht verstanden zu haben, worauf ich hinauswill.

>> Leute denkt doch mal nach. << fahre ich sie an.

>> Als Preston mich am Flughafen zu sich gelockt hatte, hat er mich angerufen. Er hat es bestimmt wieder versucht. Nur ist jetzt mein verdammter Akku leer. Wo ist es? << erkläre ich und sehe buchstäblich, wie der Groschen fällt.

Ian springt auf und holte von irgendwoher, dass dringend benötigte Gerät. Mit zitternden Fingern nehme ich es entgegen und gebe den Pin ein. Kurz leuchtet das Display auf, doch geht sofort wieder aus.

>> Was? Warum? << wieder tippe ich auf das Gerät ein, aber Jamie zieht es mir aus der Hand. Spinnt der?

>> Lass es noch einen Moment laden, wir hatten es noch nicht angeschlossen. << meint er und schiebt ein Kabelende in die Buchse.

Na toll, wie lange soll das dauern?

>> Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen? << höre ich Lennox Stimme nah bei mir und schüttle geistesabwesend den Kopf.

Wie kann er jetzt nur an Essen denken?

>> Keine Ahnung, ich habe keinen Hunger. <<

Diese Antwort scheint ihm nicht zugefallen. Er zieht mich rigoros an der Schulter zurück und zwingt mich dazu ihn anzusehen. Um mich daran zu hindern, mich wieder dem Mobiltelefon zuzuwenden, stellt er sich zwischen mich und das Gerät.

>> Du musst etwas essen, Sophie. Es ist wichtig, dass du genug Kraft hast, um das alles durchzustehen. Ich will nicht, dass du wieder zusammenklappst. << erklärt er mit fester Stimme und sieht mich eindringlich an.

Sophie? Wenn er nicht meinen Kosenamen verwendet, muss die Sache ernst sein. Widerwillig gebe ich ihm Recht, aber ich kann mich doch jetzt nicht auf so etwas Banales, wie Essen konzentrieren.

>> Wir sollten an einem Plan arbeiten. Wenn Preston sich bei uns meldet, müssen wir vorbereitet sein. Wir müssen dringend versuchen herauszubekommen, wo sie sind. << beharre ich.

>> Nein, du isst etwas und ruhst dich aus. Es hat keinen Sinn, wenn du, sollte uns Preston gegenüberstehen, in Ohnmacht fällst. Sobald dein Handy geladen ist, hole ich dich, versprochen. <<

>> Aber…<<

>> Keine Widerrede! <<

Er packt mich an den Schultern, dreht mich um und schiebt mich zur Treppe, damit ich gar keine andere Möglichkeit habe, als nach oben zugehen. Er begleitet mich bis in mein Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Sein verhalten reizt mich ungemein. Was denkt er sich?

>> Und jetzt? Willst du warten bis ich im Bett liege? << frage ich aufgebracht.

>> Nein, ich leiste dir Gesellschaft beim Essen. Danach hole ich die Salbe meiner Oma und versorge die schlimmsten Stellen, die ich sehen kann. Du siehst aus als wärest du unter einen LKW geraten und ich wette, so fühlst du dich auch. << antwortet er gelassen, ohne sich von meiner Art provozieren zulassen.

Resigniert schließe ich die Augen und atme tief durch.

>> Das ist so dumm. Lass uns an einer Lösung arbeiten statt hier herumzusitzen. << fahre ich ihn an. Noch immer zeigt er keine Regung, schiebt mich nur zum Bett und drückt mich darauf. Na gut, ich gebe auf, an ihm komme ich ohnehin nicht vorbei.

Sobald mein Hintern die Matratze spürt, schreit mein Körper geradezu danach, sich hinzulegen. Meine Rippen sind noch immer geprellt, doch den Schmerz ignoriere ich weitestgehend. Das Schwimmen und die Plackerei unter den Ruinen waren, was meine Genesung anbelangt, nicht gerade hilfreich. Tamara’s Wutanfall hat auch nicht gerade dazu beigetragen, dass ich mich besser fühle. Seine Metapher mit dem LKW ist gar nicht so weit hergeholt, wobei es sich eher wie eine ganze Kolonne anfühlt.

>> Tut mir leid, aber für mich ist das Zeitverschwendung. << sage ich versöhnlicher und schaue ihn von unten nach oben an.

>> Verstehe ich, doch darüber diskutiere ich nicht, du musst etwas zu dir nehmen. Die Idee mit deinem Handy, war übrigens fantastisch. Die Ereignisse überschlagen sich gerade so schnell, dass ich gar nicht an so etwas gedacht habe. << meint er und ich fühle mich durch sein Lob gleich noch mieser. Er setzt sich mir gegenüber auf einen der kleinen Stühle, in der Sitzecke.

>> Wenn du etwas gegessen hast, geht’s dir besser. << fordert er mich auf und reckt das Kinn in Richtung Nachttisch. Meinem Schicksal ergebend, greife nach dem ersten Brot und sobald sich der Geschmack in meinem Mund ausbreitet, verschlinge ich es regelrecht. Wow, ich hatte nicht gedacht, dass ein einfaches belegtes Brot so lecker sein kann. Wieso habe ich mich dagegen gewehrt? Essen kann so toll sein.

Er beobachtet mich und ein amüsiertes Lächeln tritt auf seine Lippen. Wenn er jetzt einen dummen Spruch bringt, werfe ich ihm mein Kissen an den Kopf, Schmerzen hin, Schmerzen her.

>> Wie geht es Max und Tamara? Habt ihr was von ihnen gehört? << frage ich, um uns abzulenken. Nicht das er mir seine Wundersalbe verweigert, wenn ich ihn mit einem Daunenkissen verprügle.

>> Den Umständen entsprechend gut. Er hat zwar viel Blut verloren, aber sie päppeln ihn wieder auf. Tamara haben sie direkt mit einkassiert. Sie wollte sich einfach nicht von ihm trennen, noch nicht einmal als sie ihn in den OP gefahren haben, da mussten die Ärzte sie ruhigstellen. Ich denke, es tut ihr ganz gut, nach dem ganzen Drama. Sie war ziemlich fertig.<<

Und dass nur wegen mir.

>> Ja, das war sie. <<

Sofort blitzen die Bilder und ihre Worte wieder auf. Ich sehe ihren Gesichtsausdruck und höre ihre Vorhaltungen, als hätte sie mir diese gerade erst entgegen geschrien.

>> Du weißt, dass du für all das nichts kannst, oder? << fragt mich Lennox, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich kann ihm nicht die Wahrheit sagen, noch nicht und so nicke ich mechanisch. In Wirklichkeit bin ich an alldem Schuld, Schuld an dieser ganzen Misere. Wäre ich damals nicht mit Bella abgehauen, wären wir Preston nie begegnet. Müde reibe ich mir über die Stirn und versuche einen anderen Gedanken zufassen, doch es gelingt mir nicht. Immer wieder höre ich Tamara’s Worte und sehe ihr tränennasses Gesicht vor mir.

>> Ich bin müde, ich werde jetzt schlafen. Du kannst ruhig wieder nach unten gehen, das mit der Salbe können wir auch später noch machen und ein Kühl Akku habe ich sowieso nicht. << sage ich und schiebe mich bereits unter die Decke. Lennox sieht mich erst überrascht und dann argwöhnisch an.

>> Du kannst für all das nichts, Prinzessin. Preston hat sie nicht mehr alle, so einfach ist das. Wäre er dir nicht begegnet, würde er das Leben einer anderen auf den Kopf stellen und hätte wiederum den Freund einer anderen niedergeschossen.<<

Ich weiche seinem viel zu wachsamen Blick aus. Es ist lieb, dass er so etwas sagt, doch wenn er ehrlich zu sich sein würde, würde er es genauso sehen. Wahrscheinlich tut er es auch und versucht nur ein weiteres Problem zu umschiffen. Sobald ich endlich liege, rolle ich mich zu einer Kugel zusammen. Kein Wort kommt mehr über meine Lippen. In meinem Geist schleudere ich ihm dafür entgegen, dass es eben keine Andere war, sondern ich und das es meine Freundin und deren Freund betrifft und niemand anderen.

Lennox kommt auf mich zu und steht unschlüssig vor dem Bett, als ich jedoch nicht weiter auf ihn reagiere, verlässt er mein Zimmer und ich bleibe allein zurück. Die Stille breitet sich schwer um mich aus und scheint mich erdrücken zu wollen. Jetzt kann mein Kopf richtig loslegen, die Gedanken kreisen um Akira, Preston, Tami, Maxwell und diese vermaledeite Prophezeiung. Könnte ich doch nur die Zeit zurückdrehen. Wäre ich nur nie auf Bella abgehauen, dann wäre mir Preston nie begegnet und diese ganze Situation wäre nie entstanden. Kann man seine Gedanken auch abstellen?

Wieso haben wir den anderen nicht einfach gesagt, wo wir hin sind? Weil es keinen Unterschied gemacht hätte, höre ich eine leise Stimme, die sich verdächtig nach Akira anhört. Ich dränge sie in den Hintergrund bis sie beinahe verstummt. Tami will mich bestimmt nie wiedersehen, sie war so wütend. An Max würde ich am liebsten gar nicht denken, aber sobald ich an meine Freundin denke, schiebt er sich ungefragt vor mein geistiges Auge und ich kann es nicht länger ignorieren.

Das Bild, seines Körpers hat sich praktisch in meinen Geist eingebrannt und es schaudert mich. Ich sehe ihn in seinem eigenen Blut, auf der Erde liegen und wie seine Brust sich mühevoll hebt und senkt. Er wird mir nie verzeihen können. Traurig schüttle ich den Kopf und unterdrücke die Tränen, die sich nach oben kämpfen wollen.

Das Karussell in meinem Kopf bleibt an Akira und Preston hängen, sodass ich frustriert aufstöhne.

Wie kann ich das abstellen? Ich will jetzt nicht an die beiden denken. Immer wieder überlege ich, ob das alles anders gelaufen wäre, wenn die Zwei miteinander gesprochen hätten. Wäre Preston ein anderer Mensch geworden, wenn dieses Mädchen nicht gewesen wäre? Hätte Akira etwas anders machen können? Ob es ihm gut geht? Bestimmt nicht.

Wieder und wieder baut sich eine grausige Szene nach der anderen vor meinen Augen auf und von Mal zu Mal wird das Bild grausiger. Zurück auf den Rücken gedreht, blinzle ich gegen das Licht an, welches in meinen Augen brennt. Es ist viel zu hell, doch es lässt die Vorstellungen meines Hirns ein wenig verblassen. Mühevoll versuche ich an nichts zu denken, aber wie immer funktioniert es nicht, nicht einmal in dieser hell erleuchteten Umgebung. Die Tür öffnet sich wieder und ich muss mich noch nicht einmal bewegen um zu wissen, dass Lennox wieder da ist. Hätte ich noch einen Funken Kraft in meinem Körper, würde ich ihn anschreien damit er wieder verschwindet, doch selbst das kann ich nicht mehr.

>> So Prinzessin, ich habe hier Salbe, einen Kühl Akku und einen Kräutertee. <<

Meine Reaktion ist die eines Felsblocks, ich starre weiter an die Decke, ohne etwas zu erwidern. Er scheint nicht besonders beeindruckt, kommt auf mich zu und setzt sich einfach neben mich. Er achtet nicht darauf, dass ich mittig liege und für ihn kein Platz mehr ist. Mein Desinteresse übergeht er, indem er den Tiegel aufschraubt und eine Portion der Salbe auf meinen Blessuren verteilt.

>> Morgen um diese Zeit wirst du kaum noch etwas davon sehen, du musst nur darauf achten genug zu kühlen. <<

>> Was soll das? Es ist vollkommen egal, wie ich aussehe. Das einzig Wichtige ist, dass wir Akira befreien. <<

>> Nein. Nur wenn es uns allen gut geht, haben wir eine Chance ihn zu retten. Du musst gesund sein, um es mit Preston aufnehmen zu können. Ich dachte, das wäre dir inzwischen klar. <<

>> Mir geht es ja nicht schlecht, ich habe nur...<<

>> Papperlapapp. Dir kann es nicht gut gehen, so wie du aussiehst. Du hast noch nicht in den Spiegel geschaut, oder? <<

Er bedeckt die mit Creme versorgten Stellen mit einem Tuch und legt vorsichtig das Kühl Akku darauf.

>> So, das hätten wir. Willst du einen Schluck Tee? <<

>> So kann ich mich kaum bewegen, so kann ich michts trinken? <<

>> Du bist zickig, wenn du schlechte Laune hast, hat dir das schon mal jemand gesagt? <<

>> Eins, zweimal vielleicht, ja. <<

Auch wenn ich weiter versuche mein depressives Tief aufrechtzuerhalten, kann ich ein Grinsen bei seinem Gesicht nicht verhindern. Kaum zu glauben, dass ich dazu überhaupt noch in der Lage bin.

>> Na wenigstens etwas. Jamie meinte, das mit dem Handy dauert noch ein bisschen und sie holen uns, sobald es wieder funktioniert. <<

>> Was genau willst du mir damit sagen? <<

>> Für dich gibt es nichts zu tun als dich auszuruhen. <<

Super. Genau das, was ich nicht wollte. Hier herum liegen und mich von meinen Gedanken quälen lassen.

>> Du machst dir Vorwürfe wegen allem was passiert ist, richtig? <<

Woher weiß er das?

>> Nein. <<

>> Gut, es wäre vollkommener Quatsch, wenn du das tun würdest. Weißt du, ich kenne Akira schon lange und bin mir ziemlich sicher, dass er alles wiederholen würde, wenn er die Wahl hätte. <<

>> Das bedeutet aber nicht, dass ich das ebenfalls tun würde.<<

>> Würdest du nicht? Du hättest dich beim ersten Mal also nicht auf Preston’s Spiel eingelassen? <<

>> Doch klar hätte ich das, aber...<<

>> Dann hättest du dich nicht für Akira geopfert, als du dachtest, er wäre gekidnappt worden? <<

>> Das hätte ich natürlich, aber das meine ich nicht und das weißt du. <<

>> Du konntest von all dem, was geschehen ist nichts beeinflussen. Du warst noch nicht einmal anwesend. Als wir uns damals Akira angeschlossen haben, kannten wir die Risiken und jeder von uns würde es wieder tun. << >> Ich denke nicht, dass du für Max sprechen kannst. Der hätte mit Sicherheit anders entschieden. Er konnte nicht wissen, dass er mit einem Loch mehr in seinem Körper auf der Intensivstation landet. Außerdem habt ihr damals nicht mit Preston rechnen können, das hat mit der Prophezeiung nichts zu tun. <<

>> Glaube mir, wir haben mit schlimmeren als Preston gerechnet. << sagt er und ich runzle die Stirn. Was kann schlimmer sein als das?

>> Was Max betrifft, kennst du ihn noch nicht gut genug. Würdest du von einem X beliebigen Menschen sprechen, wären deine Einwände vielleicht berechtigt, aber nicht bei ihm. Der Typ ist aus einem anderen Holz geschnitzt, glaube mir. Tamara ist bei der ganzen Sache so etwas wie ein Bonus. Wusstest du, dass er schon Fallschirmsprünge und Bungejee Jumping gemacht hat? <<

Bitte was? Max? Der ruhige Typ, dem meine Freundin ihr Herz geschenkt hat? Das kann ich nicht glauben. >> Nie im Leben, so etwas würde ich eher dir zutrauen.<<

>> Danke für die Blumen, aber so lebensmüde bin ich nicht. Ich habe zwar auch schon so einiges gemacht, aber ich hätte viel zu viel Angst, dass sich der Fallschirm nicht öffnet. Max würde genauso wie Akira immer wieder so handeln, wie er es getan hat. Selbst wenn es noch drei Löcher mehr bedeuten würde, das ist ihm egal. Was ihm nicht egal ist, ist Tamara und seine Freunde. Naja, irgendwie hast du es auch in die engere Auswahl geschafft, selbst wenn ich noch nicht ganz begreife, wieso. <<

Japsend hole ich Luft, wie gemein ist das denn.

>> Heyyy. <<

>> War nur Spaß, beruhige dich. Dich kann man nur ins Herz schließen. <<

>> Selbst wenn das alles stimmt, gibt es trotz allem noch mindestens eine Person, die mich Abgrund tief hasst und ich kann ihr das nicht mal verübeln. <<

>> Blödsinn! Tamara war am Ende ihrer Kräfte und du warst ein super Ziel, um ihren Frust und ihre Angst loszuwerden. <<

>> Ich habe eher das Gefühl, dass ich der Grund für den Frust und die Angst bin. << sage ich ehrlich und spüre, wie meine Stimme rau und meine Augen feucht werden.

Lennox dreht vorsichtig mein Kinn in seine Richtung, um mir in die Augen sehen zu können. Es scheint, als wolle er bis auf meine gepeinigte Seele hindurch dringen.

>> Du hast sie nicht erlebt als ihr verschwunden wart. Deine nervige Freundin ist ziemlich einschüchternd, wenn sie wie ein Kasten Teufelchen auf und ab springt. Sie hat Befehle, wie einer der größten Kriegsgeneräle erteilt. Sie hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, nur damit ihr wieder auftaucht. Ich glaube, hätte Preston sie statt dir in die Finger bekommen, er hätte sie mit Zinsen zurückgegeben. <<

Im ersten Moment reiße ich zwar die Augen auf, doch irgendwie kann ich mir das alles gut vorstellen und muss grinsen.

>> Gut möglich. << gebe ich zu und kann meine Mundwinkel nicht dazu bewegen sich wieder in ihre Ausgangsposition zurück zu bewegen.

>> Wenn es ihr wieder besser geht, wirst du schon sehen, dass sie es gar nicht so gemeint hat. Du nimmst dir die Worte anderer ziemlich schnell zu Herzen. Wir sollten wohl daran arbeiten, dass du ein dickeres Fell bekommst.<<

>> Ich mag mein Fell so wie es ist und für mein bisheriges Leben, hat es vollkommen ausgereicht. <<

>> Willst du etwas schlafen? Du siehst immer noch ziemlich fertig aus. <<

>> Eigentlich nicht, ich will nicht allein sein. Irgendwie gewöhne ich mich allmählich an dich und ich glaube nicht, dass meine Träume besonders erholsam sein werden. <<

>> Verstehe. Ich bin ein ziemlich beeindruckender Kerl, du wärst nicht die Erste, die ihr Herz an mich verliert. <<

>> Wenn dann eher einen kleinen Teil meines Herzens, aber das Ganze mit Sicherheit nicht. <<

>> Das trifft mich jetzt. Ich bin sensibel. <<

>> Ach ja? <<

>> Ja, wenn du jetzt auch noch frech wirst, überlege ich mir das mit der Wundersalbe noch einmal. <<

>> Das ist jetzt ein bisschen spät, meinst du nicht? <<

>> So wie ich dich kennengelernt habe, wirst du die wohl auch in Zukunft brauchen. Auf dich muss man permanent achten, sonst stellst du Blödsinn an. <<

>> Frechheit. Ich habe noch nie bewusst etwas angestellt. Es ist eher so, als würde mich, seit ich mich euch angeschlossen habe, eine falsche Entscheidung nach der andern verfolgen.<<

>> Möglich, ich glaube aber eher, dass sich mit deinem Herzen auch dein Hirn verabschiedet hat. <<

>> Was? <<

>> Na du und Akira ihr beide habt... <<

>> Sprich besser nicht weiter, auch wenn ich lädiert aussehe, habe ich noch genug Kraft in mir, um dich zu schlagen. <<

>> Ich bin ja schon still. <<

>> Musst du gar nicht. Ich will nicht, dass du still bist, auch wenn du viel Quatsch erzählst. Du lenkst mich ab und das hilft mir dabei, nicht denken zu müssen. <<

>> Ich sag ja, Herz und Hirn. <<

Ich knuffe ihn in die Seite, muss aber wieder einmal grinsen.

>> Idiot. <<

>> Steht's zu Diensten. <<

Um Lennox etwas Platz zu machen, rücke ich zur Seite und er nutzt sofort die Gelegenheit, um sich den neuen Freiraum unter den Nagel zu reißen.

>> Komm her Prinzessin. Trink einen Schluck Tee, der hilft beim nicht denken. <<

Langsam richte ich mich auf und nehme ein paar Schlucke aus der Tasse, die er mir entgegenhält. Die Flüssigkeit ist längst nicht mehr heiß, aber es schmeckt immer noch gut. Tatsächlich scheint der Tee eine beruhigende Wirkung zu haben. Ich kann kaum noch meine Augen offenhalten.

>> Weißt du Prinzessin, im ersten Moment, in dem ich dich gesehen habe wusste ich, dass du etwas ganz Besonderes bist und ich glaube, Akira ist es ganz genauso gegangen. Eigentlich hat es jeder von uns sofort erkannt. <<

Seine Stimme hört sich auf einmal weit weg an und dann doch wieder ganz nah bei mir. Irgendwas stimmt nicht mit mir.

>> Lennox? Ich, ich glaube...<< ich lalle. Ich weiß, dass ich lalle, aber wieso? Was ist mit mir los? Ist das eine neue Version der Vision?

>> Schon gut Prinzessin, nicht mehr reden. Mach die Augen ein bisschen zu und versuche zu schlafen. <<

>> Nein, dann bin ich allein. <<

>> Ich bleibe bei dir bis du wieder wach bist. Du bist nicht allein, keine Angst. <<

Das ist der Rest, den ich gebraucht habe, um in den Schlaf zu gleiten. Auch wenn ich nie im Leben damit gerechnet habe, bleibe ich von Träumen verschont. Mein Schlaf ist tief und tatsächlich erholsam. Wie kann das sein? Mein Hirn arbeitet doch immer auf Hochtouren.

Wie konnte ich einen so seligen Schlaf haben?

Was war das Letzte, was ich getan habe?

Ach ja, der Tee, da muss etwas drin gewesen sein. Das ist ja der Hammer, Lennox hat mich unter Drogen gesetzt.

Wie kann er nur?

Verschlafen reibe ich mir über die Augen und spüre einen warmen Körper unter mir, der sich hebt und senkt. Schlagartig bin ich hellwach und werde mir bewusst, auf wem ich liege.

Na, wenigstens hat er Wort gehalten. Vorsichtig stemme ich mich in die Höhe und betrachte das schlafende Gesicht von dem miesen Verräter. Je länger ich ihn ansehe, um so weniger kann ich ihm böse sein. Irgendwie hatte er nicht ganz unrecht. Ich fühle mich um einiges besser als gestern und von Nachteil kann es nicht sein, dass ich ausgeschlafen bin. Das Nächste, was ich dringend tun muss bevor ich den Kerl verdient zusammenfalte, ist ein Besuch im Badezimmer. Ich muss dringend auf Toilette und eine Dusche schadet auch nicht, von dem Pelz auf meiner Zunge mal ganz abgesehen.

Ohne einen Blick in den Spiegel zuwerfen, schäle ich mich nach ein paar Minuten aus meinen Kleidern und springe unter die Dusche. Das Wasser ist herrlich, ich gönne mir eine extra Portion Lotion und trete erst wieder aus der Kabine, als meine Haut beginnt sich zu röten. Gewaschen, geföhnt und neu gekleidet schaue ich in den Spiegel vor mir und blicke einer Person entgegen, die nichts mehr mit dem Mädchen aus Deutschland zu tun hat. Die größeren Blessuren sind beinahe verschwunden und die Schürfwunden bleiben unter der Kleidung versteckt. Wer nicht weiß, was in den letzten Tagen geschehen ist, würde durch mein Äußeres niemals darauf schließen können. Ich gönne mir ein gut abdeckendes Make-up, sodass auch die blauen Flecken, darunter verschwinden. Jetzt bin ich optisch, wie neu.

>> Auf in den Kampf. Heute bekommt mich keiner mehr vom Handy weg. << sage ich zu meinem Spiegelbild und gehe mit einer extra Portion Selbstvertrauen ins Zimmer zurück, um Lennox seine verdiente Strafe zu erteilen. Er schläft noch immer und es scheint, als hätte er einen ziemlich guten Traum.

Nicht mehr lange Freundchen.

Lächelnd gehe ich auf das Bett zu und brauche nicht lange überlegen, um zu wissen, wie ich ihn für das Schlafmittel bestrafen kann. Ich nehme die noch fast volle Tasse Tee in die Hand und leere sie über seinem glücklich, grinsenden Gesicht aus.

Schlagartig schießt er in die Höhe und sieht sich panisch im Zimmer um. Nur schwer kann ich mir ein Lachen verkneifen, als die Erkenntnis sich auf seinem Gesicht zeigt.

>> Na? Wach? <<

>> Was soll das? Wieso hast du das gemacht? <<

>> Das sollte ich eher dich fragen, meinst du nicht? <<

Es dauert genau zwei Sekunden bis er versteht, was los ist.

>> Hättest du denn sonst geschlafen? <<

>> Wahrscheinlich nicht, aber das bedeutet noch lange nicht, dass du mir Schlafmittel geben darfst. << erkläre ich erbost.

>> Das hätte ich vielleicht nicht tun sollen, stimmt schon. Ich konnte dich aber auch nicht müde quatschen. Wobei ich ziemlich gerne mit dir rede, dann schnarchst du wenigstens nicht.<<

Was?

>> Spinnst du? Ich schnarche nicht! <<

>> Stimmt, tust du nicht. Trotzdem bleibe ich dabei, es war vielleicht nicht gerade die eleganteste Lösung, aber es hat funktioniert. Du siehst um einiges besser aus. << >> Ich fühle mich auch besser, aber deswegen ist das noch lange nicht in Ordnung. <<

>> Ja ich habe es kapiert, es tut mir leid. <<

>> Na gut, ich verzeihe dir aber wage es nicht, so etwas noch einmal zu machen. <<

Er hebt ergeben die Hände und sieht mich mit großen Augen an.

>> Nie wieder, versprochen. <<

Ich grinse und er schwingt die Beine aus dem Bett.

>> Ich gehe mich erst mal duschen. Das Zeug hat bestimmt besser geschmeckt als es riecht. <<

>> Ja, es war ganz lecker. <<

Er hebt skeptisch eine Augenbraue und begutachtet die Tasse.

>> Für mich ist das höchste der Gefühle Früchtetee und auch nur, wenn es sein muss. <<

>> Wann muss es denn sein? <<

>> Wenn ich krank bin. Das kommt zum Glück eher selten vor, ich habe eine ziemlich gute Konstitution. <<

Ich hebe die Augenbrauen und sehe errötend zur Seite. Ob er weiß, was er da gerade gesagt hat?

>> Wenn du meinst. Ich gehe schon mal runter. <<

>> Schade, ich dachte du springst mit unter die Dusche.<<

Nun leuchtet mein Kopf wahrscheinlich wie eine Ampel.

>> Das bleibt ein nie erfüllbarer Traum von dir. <<

>> Ich wollte nur deine Träume erfüllen Prinzessin, nur deine.<<

Kopfschüttelnd sehe ich ihm hinterher. Sobald er hinter der Tür verschwindet, setze ich mich in Bewegung. Im Gastraum befinden sich nur Ian, Colin und Henderson, die um den Tisch herumsitzen und sich leise miteinander unterhalten.

>> Hallo Jungs. Gibt’s was Neues? << begrüße ich sie.Colin sieht mich mit großen Augen an als wäre ich ein Gespenst und ich bewundere ihn dafür, dass sein Mund nicht offensteht.

>> Gut geschlafen? << fragt Henderson, ohne auf meine Frage einzugehen und sofort reagiert mein inneres Alarmsystem.

>> Im Gegensatz zu euch? Bestimmt. Ihr seht so aus, als hättet ihr kein Auge zugemacht. Was ist los? <<

>> Nichts. Wir haben an dem Plan gearbeitet. Bevor du fragst, dein Handy hat sich nicht gerührt, wir haben es noch nicht angeschaltet. <<

>> Was? Wieso nicht? <<

Warum haben sie nicht längst nachgesehen, ob Preston sich gemeldet hat.

>> Weil wir erst einmal eine Verbindung zum Gerät herstellen mussten, um die Ortung vom Absender zu empfangen. << erklärt Ian und ich muss zugeben, dass das ein berechtigter Grund ist.

Mist, ich muss mich mehr zurückhalten.

>> Und? Habt ihr es denn geschafft? <<

>> Klar, es hat nur ein bisschen gedauert. <<

>> Vergiss es Prinzessin. Jetzt gibt’s erstmal Frühstück. << hält mich Lennox`s Stimme auf, ehe ich auch nur Handy denken kann.

>> Wozu? Kommt es nicht auf jede Minute an? <<

>> Guten Morgen Kameraden. Wenn unsere Prinzessin das Handy angestellt hat, könnt ihr schlafen. Aber erst wird gegessen. <<

Er reagiert überhaupt nicht auf meinen Einwand. Was denkt er, was er hier macht? Ich brauche keinen Babysitter und telefonieren kann ich auch allein.

>> So wie ich das sehe, wirst du Verstärkung brauchen.<<

Henderson beobachtet mich wie ein Luchs und notiert bestimmt jede Einzelne meiner Regungen in einem geheimen Notizbuch.

>> Die anderen stehen gleich auf. Die paar Minuten schaffe ich schon. <<

>> Sicher? <<

>> Was denkt ihr bitte von mir? Ich bin weder gemeingefährlich, noch brauche ich einen Aufpasser. << fahre ich die Vier erbost an.

>> Das hatten wir gestern schon. Unbewusst bringst du dich ziemlich oft in Schwierigkeiten. Deswegen bleibe ich bei dir, wenn sich Preston meldet. <<

>> Ich? Was? Na, hör mal. <<

>> Nix da. Ich habe Hunger und du isst mit, danach schalten wir das Handy ein. <<

Bevor ich mich versehe, greift er nach dem Gerät auf dem Tisch und lässt es in seine Tasche gleiten. Mit funkelnden Augen starre ich ihn an, doch er lässt sich nicht von mir beeindrucken und verschwindet in der Küche. Ehe ich ihm hinterher marschieren kann, werde ich von Ian aufgehalten.

>> Sophie, ich wollte mich bei dir entschuldigen. << beginnt er und ich schaue ihn an, wie ein Auto. Wieso entschuldigt er sich? Was hat er denn getan?

Krampfhaft überlege ich, ob mir etwas einfällt, doch da ist nichts. Kein Grund für ihn so ein betrübtes Gesicht zu machen.

>> Ich war dafür verantwortlich, euch im Auge zu behalten. Ich dachte wirklich, es würde alles funktionieren. Wir haben schon öfter mit diesen Sachen gearbeitet und bisher hat noch nie etwas versagt. Ich kann mir nicht erklären, wieso der Funk nicht standgehalten hat. Wir hätten mit euch in Verbindung bleiben sollen. Wir hätten euch führen sollen, ich hätte das tun sollen. Hätte ich besser auf euch geachtet, wäre all das nie passiert.<< erklärt er und ich fühle mich, wie vor den Kopf gestoßen.

>> Was hättest du denn tun sollen? Du kannst doch die Technik nicht beeinflussen. Selbst wenn du nochmal alles kontrolliert hättest, das Ergebnis wäre das Gleiche geblieben. Wir waren einfach zu tief in den Tunneln. Wahrscheinlich hat uns das Gestein abgeschirmt. So oder so, du solltest dir keine Vorwürfe machen. <<

Ich will nicht, dass er Schuldgefühle wegen all dem hat. Ihn trifft keine Schuld an dem, was geschehen ist und ich will, dass er sich nicht so fertig macht.

>> Das ist lieb von dir. Danke. << man kann förmlich sehen, wie ihm eine unsichtbare Last von den Schultern genommen wird und mir zerspringt beinahe das Herz in der Brust vor Rührseligkeit.

>> Das Gleiche gilt aber auch für dich. Du hättest genauso wenig an der Situation, in der wir uns jetzt befinden, ändern können. Das ist dir klar, oder? <<

Ich nicke mechanisch zu seinen Worten, nicht fähig zu einer anständigen Antwort. Was sollte ich darauf auch erwidern? Das er Unrecht hat? Das ich durch mein vergangenes Verhalten durchaus dafür verantwortlich bin? Eher nicht.

>> Sophie, es ist so wie ich es sage. Keiner macht dir Vorwürfe, bitte mach du dir auch keine. << er nimmt mich unerwartet in die Arme und haucht mir einen Kuss auf die Wange. Diese Geste lässt mich zum einen erstarren und zum anderen puterrot anlaufen. Ehe ich irgendwas erwidern kann, lässt er mich los und verschwindet schnurstracks nach Oben.

>> Was? << ist alles, was ich zu niemand Bestimmten sage.

>> Ich glaube, so habe ich Ian noch nie erlebt. Er mag dich, er mag dich definitiv. << Henderson‘s Stimme ist ungefähr genauso verblüfft, wie meine und er sieht auf die Stelle, an der Ian verschwunden ist.

>> Er kann nicht besonders gut mit Gefühlen umgehen. Das ist seine Art dir zusagen, dass du ihm am Herzen liegst. Er macht sich Sorgen um dich. << übersetzt Colin sein verschwinden.

>> Sorgen? Aber wieso? <<

Statt mir zu antworten wirft er Henderson einen vielsagenden Blick zu, der diesen ebenso stumm erwidert und ich runzle verwirrt die Stirn. Lennox kommt in diesem Augenblick mit einem übervollen Tablett aus der Küche marschiert und ich kann nicht weiter auf die Zwei eingehen.

>> Ich habe einfach mal von allem etwas mitgebracht. << ruft er und grinst mich an.

>> Eigentlich habe ich gar keinen Hunger. << gestehe ich und wieder werden Blicke ausgetauscht, die ich nicht deuten kann.

>> Also ehrlich Leute, was ist los? Was sollen diese Blicke bedeuten?<<

>> Du musst etwas zu dir nehmen, wenigstens ein bisschen. Denke daran, worüber wir gestern gesprochen haben. <<

Widerwillig setze ich mich und schmiere mir die kleinste Scheibe Brot, die ich finden kann. Wenn ich die verputzt habe, kann niemand mehr sagen, ich hätte nichts gegessen. Lennox scheint genau zu verstehen, was ich anstelle und schmunzelt mich kopfschüttelnd an, hält aber klugerweise die Klappe.

>> Also wäre jetzt einer von euch so nett und würde mir verraten, was hier abgeht? Wieso macht sich Ian sorgen um mich und was haben eure Blicke zu bedeuten? << versuche ich es noch einmal und dieses Mal erhalte ich tatsächlich eine Antwort.

>> Um ehrlich zu sein, machen wir uns alle Sorgen um dich. Wir haben das Gefühl, dass du dich mit Selbstvorwürfen quälst, die nicht berechtigt sind. Manch einer hat Angst, dass du sogar depressiv werden könntest. <<

Depressiv? Bin ich depressiv? Gestern Abend vielleicht ein bisschen, aber nach alldem ist das doch auch kein Wunder. Kann denn wirklich niemand nachvollziehen, dass ich tatsächlich schuld an dem bin, was geschehen ist?

>> Du bist nicht für Preston’s Taten verantwortlich…<<

>> Ich weiß, wofür ich verantwortlich bin und wofür nicht. Denkt lieber daran, dass Akira immer noch in Gefangenschaft ist. Jetzt wäre ich gerne für das nächste Telefonat verantwortlich, also her mit dem Handy. <<

>> Vielleicht wäre es besser, wenn du damit wartest bis alle wach sind. << wendet Henderson ein und ich ziehe missbilligend eine Augenbraue in die Höhe.

>> Vielleicht ist es besser, aber das werde ich nicht. Ich habe lange genug gewartet, jetzt wird gehandelt. <<

Auffordernd strecke ich Lennox meine Hand entgegen und wieder grinst er mich wissend an. Der Idiot hat wahrscheinlich schon damit gerechnet, aber es ist mir egal. Wütend funkle ich ihn an. Ich habe keinen Bock mehr auf diese Spielchen und vor allem, habe ich keine Lust mehr darauf noch mehr Zeit verstreichen zu lassen. Es ist wirklich allerhöchste Zeit endlich aktiv zu werden. Er scheint zu spüren, wie ernst es mir ist und reicht mir ohne dummen Kommentar mein Handy. Mit fliegenden Fingern schalte ich es an und starre darauf, als wäre es ein besonderer Schatz.

Kaum das sich der Bildschirm aufgebaut hat, beginnt es ohne Unterlass zu brummen. Eine Nachricht nach der anderen trudelt ein, genauso wie unzählige verpasste Anrufe. Shit.

Shit. Shit. Shit.

Warum verdammt, habe ich nicht früher an mein Handy gedacht? Wieso um alles in der Welt, habe ich mich von den Jungs so lange aufhalten lassen?

Mein Finger beginnen zu zittern und ich lege das Gerät vor mir ab, um meine Hände unter dem Tisch zu verstecken. Wenn sie sich bisher Sorgen gemacht haben, werden sie es nur noch mehr machen, wenn sie mich so sehen.

Die Push Nachrichten werden immer mehr und mir wird immer übler. Wieso habe ich noch gleich etwas gegessen? Ich befürchte, dass das definitiv ein Fehler war. Verdammt, ich habe ja mit einigen Nachrichten gerechnet, aber nicht mit einer solchen Flut.

Am liebsten würde ich auf alles und jeden pfeifen. Von hier abhauen, mich in den nächsten Flieger setzen und mich bis zum Sankt Nimmerleinstag in meinem Bett verkriechen.

Lennox streicht mir beruhigen über den Rücken und sofort fühle ich mich etwas besser. Niemals könnte ich Akira so etwas antun. Nachdem, was ich zu verantworten habe schon gar nicht.

>> Na dann, legen wir mal los. << sage ich mehr zu mir selbst und meine kleine Garde nickt bekräftigend. Ein Zurück gibt es sowieso nicht mehr.

Prophezeiung

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