Читать книгу Prophezeiung - Melanie Baumann - Страница 4
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Ich tippe auf die Anrufliste, 53 Anrufe mit unterdrückter Nummer. Verdammt, 53.
Mir ist speiübel und in meinem Magen rumort es. Ob es dem Gerät viel ausmacht, wenn ich mich darauf übergebe?
>> Brauchst du eine Pause Prinzessin? << fragt Lennox und sieht mich mitfühlend an.
>> Nein, es geht schon. Hier sind auch einige Nachrichten. << sage ich mit zitternder Stimme. Henderson nimmt das Gerät in seine Hände und in diesem Moment bin ich nicht böse darüber. Ich habe keine Ahnung, ob ich es geschafft hätte, die Nachrichten zu öffnen. Er schaut noch einmal zu mir, um sich davon zu überzeugen, dass ich damit einverstanden bin. Ich nicke, nicht im Stande dazu, meine Stimme zu benutzen.
Er drückt die Nachrichten an und allein an seinem entsetzten Gesicht, kann ich ablesen, wie geschockt er von dem ist, was er sieht.
>> Wie schlimm ist es? << krächze ich, doch Henderson bleibt stumm.
Oh Gott, so schlimm?
Er schluckt schockiert und teilt einen Blick mit Lennox, der weiterhin über meinen Rücken streicht. Was auch immer er gerade gelesen hat, egal wie schlimm es ist, ich muss es sehen. Ich muss wissen, was vor sich geht.
Gerade, als ich nachdem Handy greifen will, steht Henderson auf und bewegt sich schnell einige Schritte weg, sodass er außerhalb meiner Reichweite ist. Lennox schiebt sich in Windeseile vor mich und sieht mich eindringlich an.
>> Du solltest dir das besser nicht ansehen. <<
Was? Natürlich sollte ich das. Was wenn dort ein Hinweis steht, den die anderen nicht deuten können? Ich muss das lesen.
>> Ich muss wissen was dort steht. Gib mir das Handy! << fordere ich Henderson auf, der unsicher zwischen mir und dem Gerät in seinen Händen, hin und herschaut.
>> Bist du sicher? Da stehen ein Paar sehr heftige Dinge und ich glaube, es wäre besser, wenn du dir das nicht antust. << versucht er mich davon abzuhalten, an den Inhalt der Nachrichten zukommen.
>> Ich bin mir sicher. <<
>> Prinzessin ich...<<
>> Gib mir mein beschissenes Handy. << befehle ich, mit überraschend fester Stimme und staune über mich selbst.
Nur langsam hebt er seine Hand, hält mir das Gerät entgegen und lässt es zögerlich, nicht ohne Lennox noch einmal einen Blick zuzuwerfen, in meine Finger fallen. Dieser sieht mich abwartend an und ich kann nicht anders als ihm genauso entgegenzublicken.
>> Was? <<
>> Nichts, ich werde aber bei dir bleiben, wenn du dir das wirklich antun willst. << antwortet er gelassen. Ich hebe lediglich die Schultern, drehe mich auf dem Absatz um und stürme nach draußen. Vor der Pension setze ich mich auf eine der Bänke und atme tief durch. Ehe ich mit dem lesen der ersten Nachricht beginnen kann, kommt Lennox zu mir und setzt sich. Er sagt kein Wort und ich bin dankbar dafür, dass er in diesem Moment bei mir ist. Natürlich sind die Nachrichten alle von Preston und ich öffne die Erste.
Hallo Sweetheart, ich hatte gehofft dich zu sehen und wieder in meine Arme schließen zu können, doch leider sollte es nicht sein. Dafür habe ich einen gemeinsamen Freund getroffen und dachte, wir kommen dich gemeinsam abholen. Bis gleich.
Die Nachricht muss er geschrieben haben als er dachte, Akira würde ihn zu mir führen. Die Nächste ist schon nicht mehr ganz so freundlich.
Ich würde dir raten, nicht mit mir Versteck zu spielen. Ich werde dich finden. Wenn du freiwillig zu mir kommst, bin ich vielleicht nett zu IHM.
Mit jedem Satz wird er aggressiver und beginnt mich zu beschimpfen. Ich überfliege die nächsten Nachrichten und stoppe bei etwa der Hälfte.
Du dumme Schlampe, denkst du, du tust ihm einen Gefallen, indem du mich ignorierst? Er vermisst dich schon... Er schreit nur deinen Namen, solltest du mich weiter ignorieren, wird er nicht mehr lange schreien können.
Ich muss das Handy zur Seite legen und mich beruhigen, sonst würge ich die kleine Scheibe Brot doch noch nach oben. Er schreit meinen Namen? Was zur Hölle hat er ihm angetan? Ich muss mich bewegen. Ich kann nicht einfach sitzen bleiben, also laufe ich vor der Bank auf und ab bis ich einigermaßen ruhig atmen kann. Lennox sitzt die ganze Zeit reglos und mit verschränkten Armen da. Er beobachtet mich und sieht dabei zu, wie ich kurz vorm hyperventilierten bin. Als ich mich ein kleines bisschen stabiler fühle, setze ich mich wieder und nehme das Handy erneut in meine Finger. Die folgenden Nachrichten sind der Letzen ähnlich, bis sie beinahe nur noch aus Schimpfworten bestehen. Ich schüttle den Kopf über solche Boshaftigkeit und gehe soweit nach unten, bis die Großbuchstaben wieder verschwinden.
Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich hätte nicht solche Worte benutzen sollen, schließlich empfinde ich etwas für dich. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, wieso du dich nicht bei mir meldest. Ich will dir ein Angebot machen, wenn du freiwillig zu mir kommst, werde ich ihn gehen lassen. Ich werde ihn nicht mehr anfassen, bis du dich meldest. Aber wenn du kommst, gehörst du mir.
Es schaudert mich allein bei dem Gedanken, ich müsste wieder in Preston’s Nähe, aber habe ich eine andere Möglichkeit?
Weißt du, wäre ich dir nicht begegnet, wäre all das nie geschehen. Du bist schuld daran, dass ich mein Herz verloren habe. Du bist schuld daran, dass ich deinen Freunden Schmerzen zufügen musste und du bist schuld daran, dass dein Liebling noch immer Qualen erleidet.
Warum ist ausgerechnet er derjenige, der das genauso sieht, wie ich? Ich bin schuld, Schuld an dem, was geschehen ist.
Du bist schuld Sweetheart. Komm zu mir und erleichtere dich mit dem Wissen, dass seine Qualen dadurch beendet werden.
Fuck.
Mir ist schlecht, schlechter als schlecht.
Mein Körper beginnt zu zittern und ich beginne zu würgen. Ich bin schuld, ich wusste es. Ich bin schuld. Lennox ist sofort bei mir und zieht mich in seine Arme. Ich kann nichts mehr tun, als immer wieder an die letzten beiden Nachrichten zu denken. Immer wieder sehe ich die Worte vor mir. Ich bin schuld. Seine Hand streicht mir beruhigend über den Rücken, wobei er mich gleichzeitig fest an sich drückt und aufrecht hält.
>> Du darfst nicht glauben, was dasteht, hörst du. Er hat unrecht, er will dich nur mürbe machen. Du bist nicht schuld, Prinzessin. Du bist nicht schuld. <<
Was weiß er denn schon? Er hat keine Ahnung. Aber Preston hat Ahnung?
Ich löse mich etwas von ihm, auch wenn seine Nähe die Kälte in mir, ein winziges bisschen vertreibt.
>> Ich muss etwas tun. << krächze ich heißer und versuche nun ganz von ihm wegzukommen. Besser ich lasse niemanden mehr so nah an mich herankommen, dann kann ich auch niemanden mehr in Gefahr bringen.
Lennox lässt mir den Freiraum, den ich mir verschafft habe. Aber wie zuvor lässt er mich nicht aus den Augen. Zitternd nehme ich das Handy wieder in die Hand und öffne die Nachrichten, um sie ein zweites Mal zu lesen. Diesmal nimmt Lennox mir das Gerät aus der Hand und legt es wieder auf den Tisch zurück.
>> Du musst gar nichts tun, diesmal nicht. Wir sind ein Team, wir werden gemeinsam eine Lösung finden, hörst du? << drängt er auf mich ein. Leider weiß ich, dass das nicht stimmt. Preston hat es klar und deutlich geschrieben, nur ich kann ihn befreien. Ich muss ihn daraus holen. Selbst wenn das bedeutet, dass ich Preston mal wieder entgegentreten muss. Ich weiß das und Lennox weiß es auch, nachdem er mir in die Augen gesehen hat. Er lässt kurz den Kopf hängen, bevor er ihn wieder anhebt und mir fest in die Augen sieht.
>> Überstürze nichts und lass uns mit den anderen sprechen. Wenn wir dich verwanzt haben und sicher sind, dass wir dir Folgen können, werden wir es zusammen durchstehen. Wir können dich und Akira beschützen. Aber wir müssen wissen, was uns erwartet. << fleht er mich förmlich an und in meine Augen treten Tränen.
>> Ich kann nicht solange warten. << gestehe ich und kann selbst hören, wie meine Stimme bricht.
>> Das habe ich befürchtet, Prinzessin. Das habe ich befürchtet. << flüstert er und nimmt mich wieder in den Arm. Ich genieße die Nähe, die ich mir ein letztes Mal gönnen will und klammere mich, wie eine Ertrinkende an ihm fest.
>> Ach Prinzessin. << seufzt er leise in mein Ohr. Langsam löst er sich von mir und schaut mir noch einmal tief in die Augen
>> Bist du dir sicher? <<
>> Ganz sicher. << flüstere ich und er haucht mir einen Kuss auf die Wange, bevor er mich loslässt und in der Pension verschwindet. Ich sehe ihm ein paar Sekunden nach und überlege dann, wie ich am besten weiter mache, während ich abwechselnd von Schuldgefühlen gepeinigt werde.
Ob ich Preston einfach anrufen soll?
Wie denn? Ich habe ja nicht einmal eine Nummer.
Ich bin schuld.
Oder doch? Ich habe schließlich die von Akira.
Dann hätten die anderen ihn längst geortet.
Ich bin schuld.
Soll ich einfach darauf warten, bis ich angerufen werde?
Ich bin schuld.
Sollte ich von hier verschwinden?
Aber wenn ja, wo soll ich hin?
Ich bin schuld.
Wird sich Lennox noch einmal von mir verabschieden oder war’s das gerade?
Bevor ich mich wieder dem Telefon widmen kann, kommt er mit Ian und Henderson im Schlepptau zurück nach draußen. Mit großen Augen schaue ich ihn an und er kommt wieder zu mir, um mich in seine Arme zu schließen. Er hat mich doch nicht allein gelassen.
Er setzt sich, zieht mich auf seinen Schoß und ich klammere mich regelrecht an ihn. In Lennox nähe habe ich das Gefühl, besser atmen zu können und nicht von allem erdrückt zu werden. Colin krallt sich mein Handy, verbindet es mit irgendetwas, von dem ich keine Ahnung habe und gibt es mir kommentarlos zurück.
Was jetzt? Was soll ich machen?
>> Wir warten. <<
Er muss mir meine Ratlosigkeit am Gesicht abgelesen haben. Einfach nur warten?
>> Gibt’s denn keine Möglichkeit herauszubekommen, wie die unterdrückte Nummer ist? <<
>> Schon, aber dann würden wir einen Teil unserer Möglichkeiten offenlegen und wir wollen ihm nicht zu viel verraten. Er wird wieder anrufen. Glaub mir. << erklärt Colin, doch ich sehe ihn weiterhin zweifelnd an.
>> Das ist das Beste, was wir machen können Prinzessin. Er meldet sich und dann sind wir bereit. Du schaffst das. Ich weiß, dass du stark genug dafür bist. <<
Das bin ich ganz und gar nicht, aber ich stimme ihm jetzt einfach mal zu. Er muss ja nicht die volle Wucht meiner Ausweglosigkeit abbekommen. Besser er ist noch etwas optimistisch.
Erschreckenderweise bewahrheitet sich Colin’s Aussage nur wenige Augenblicke später, denn das Handy in meiner Hand beginnt nach wenigen Minuten zu klingeln. Das Läuten zerrt an meinen Nerven, doch ich bin wie gelähmt. Ich kann mich nicht mehr bewegen, nicht einmal meinen Daumen. Egal wie sehr ich es versuche, meine Finger wollen sich nicht rühren.
>> Ruhig bleiben Prinzessin. Du gehst jetzt da ran und hältst ihn hin, damit wir ihn orten können. Du kannst das, tief durchatmen und ruhig bleiben. << beschwört mich Lennox.
>> Ich kann das, ja du hast recht. Ich kann das und wir finden dadurch Akira. Das schaffe ich. <<
Wie durch ein Wunder bewegen sich meine Finger wieder. Ich stehe auf und wische mit meinem Finger über Display.
>> Ahh, na endlich. << höre ich seine Stimme und hole zitternd Luft.
>> Ich dachte schon, du hättest kein Interesse mehr an deinen Freund. <<
Allein seine Worte verursachen Übelkeit und ich benötige meine ganze Willenskraft, um nicht einfach aufzulegen.
>> Wo bist du Preston? Wo ist Akira? Ich will ihn hören. Ich will wissen, ob es ihm gut geht. <<
>> Du willst? Du hast nichts zu wollen, aber um dir meine großherzige Güte zu demonstrieren, es geht ihm, naja sagen wir so, er lebt. Archie war etwas rüde, du kennst ihn ja. Wo ich bin, wirst du noch erfahren, schließlich freue ich mich schon auf dich. <<
>> Preston, du... <<
>> Ahh, es ist so schön deine Stimme zu hören, fast wie Musik. Wann kann ich denn mit deiner Anwesenheit rechnen? Du wirst dich doch bestimmt für ihn opfern wollen, habe ich recht? <<
>> Von mir aus sofort. Wo soll ich hinkommen? <<
Lennox sieht mich mit Entsetzen im Blick an und schüttelt vehement den Kopf. Anscheinend ist ihm mein Vorpreschen nicht recht, doch ich will endlich etwas tun und je früher Akira da rauskommt, um so besser.
>> Oh Sweetheart, du bist so enthusiastisch, das finde ich wirklich erfrischend. Ich gehe davon aus, dass deine kleinen Freunde in der Nähe sind, habe ich recht? Wie geht’s deiner Freundin? Sie sah ziemlich mitgenommen aus und ihr Freund erst. Da war ziemlich viel Blut. Hat er denn noch geatmet, als du bei ihnen ankamst? <<
Kann man sich geräuschlos übergeben? Seine Worte sind wie ein Schlag in die Magengrube. Sofort sehe ich Max vor mir und Tami, die auf mich einschlägt.
>> Dir ist schon klar, dass sie nur so viel Leid ertragen mussten, weil du dich versteckt hast? Genauso wie dein Freund. Wenn du nicht wärst, würde er glücklich und zufrieden durch die Gegend ziehen. <<
Scheiße.
Lennox scheint gerade der Geduldsfaden geplatzt zu sein, er reist mir das Handy vom Ohr und beschimpft Preston, wie ich es nicht besser hätte machen können. Nur leider mit dem Unterschied, dass ich nichts auf seine Vorwürfe erwidert habe. Am Ende seiner Schimpftirade angekommen, drückt er auf den roten Button und beendet das Gespräch, dabei denke ich nicht, dass Preston sich das alles angehört hat.
>> Ich glaube, das war nicht so geplant, oder? << frage ich mit tonloser Stimme und bin überrascht, dass ich mich noch auf den Beinen halten kann.
>> Nicht ganz. Er meldet sich bestimmt wieder. Er ist immer noch scharf darauf, dich in seine Finger zu bekommen. Wir werden Akira da rausholen, ich verspreche es dir. Die Jungs sind schon dabei alle Vorbereitungen zu treffen. <<
Unfähig etwas darauf zu erwidern, sehe ich ihn stumm, aber dafür mit gerunzelter Stirn an. Meine Sicht ist verschwommen und ich begreife erst, dass sich Tränen in meinen Augen gesammelt haben, als er mich in seine Arme zieht und sie über meine Wangen rollen.
>> Wein doch nicht, es wird alles gut. <<
Nichts wird gut. Versteht er das denn nicht? Nicht so. Ich bin schuld an diesem ganzen Schlamassel und nur ich kann ihn da wieder herausholen. Als meine Tränen endlich versiegen, löse ich mich vorsichtig von ihm und trete einige Schritte zurück.
>> Tut mir leid. Du hast recht, wir schaffen das schon irgendwie. Geh rein und hilf den anderen, ich komme gleich nach. <<
Meine Stimme ist fester als ich es erwartet habe und entgegen meinem Inneren, wirke ich vollkommen ruhig und gefasst. Lennox scheint mir meinen neuen Mut abzunehmen, nickt mir zu und wendet sich dann von mir ab, um nach drinnen zu gehen. Ich setze mich noch einmal auf der Bank und starre auf das Handy in meinen Fingern. Kaum das die Tür hinter ihm geschlossen ist, breitet sich eine Gespenstische Stille, um mich herum aus und ich weiß nicht recht, ob ich sie dankend aufnehmen oder lieber schreiend davor weglaufen soll.
Was ist mein nächster Schritt? Wie kann ich Akira befreien, ohne die anderen weiter in die Sache mit hineinzuziehen?
Gerne würde ich Preston anrufen und noch einmal nach dem Treffpunkt fragen, um mich direkt auf den Weg zu machen. Ich habe weiterhin keine Nummer und ich gehe nicht davon aus, dass er in den nächsten Minuten noch einmal anrufen wird.