Читать книгу Prophezeiung - Melanie Baumann - Страница 7
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Entgegen seines Vorschlags gehe ich in den Gastraum und schiebe dort die Tische zusammen, räume alles weg was nicht hier reingehört und gehe durch die Schwingtür in die Küche. Zunächst bewege ich mich noch verhalten und luge um jede Ecke bis ich wie selbstverständlich zwischen Kühlhaus und Herd hin und her wandere.
Ich habe mich dazu entschlossen eine kräftige Suppe zu zubereiten, die den Jungs wieder Kraft geben soll. So kann ich mich von dem Chaos, welches sich mein Leben schimpft, ablenken.
Ich bin zwar nicht die perfekte Köchin, doch dieses Rezept kenne ich in und auswendig. Mom hat es das erste Mal mit mir gekocht, als ich gerade erst stehen konnte und seitdem habe ich jedes Mal mitgeholfen, bis ich irgendwann selbst in der Lage war den Kochlöffel zu schwingen.
Habe ich mir das gerade eingebildet oder ist die Haustür ins Schloss gefallen?
Unsicher drehe ich das Gas ab und lausche, ob ich noch einmal ein Geräusch vernehmen kann, doch es bleibt still. Eigentlich ist es auch noch viel zu früh. Polizei und Sanitäter haben mit Sicherheit einige Fragen, wie erklären sie denn die Explosion? In meinem Kopf geht es drunter und drüber.
Was kann ich jetzt noch machen? Ich würde sie so gern unterstützen, schließlich stehe ich mehr als nur in ihrer Schuld. Wäre ich nicht gewesen, wäre das alles nicht passiert.
Gerade drehe ich mich vom Herd weg, als ich Lennox im Türrahmen stehen sehe und glaube kurz, Halluzinationen zu haben. Vielleicht habe ich auch einen Hirnschlag erlitten, denn ich bin nicht einmal mehr in der Lage zu atmen.
>> Ich habe mit einer freudigeren Begrüßung gerechnet. << meint er verschmitzt und lächelt mich frech an. Wie von der Tarantel gestochen, stürzte ich mich auf ihn und umarme ihn überschwänglich. Erst ist er überrumpelt, erwidert dann aber meine Umarmung, bevor er sich langsam von mir löst und mich ein Stück von sich schiebt.
>> Geht doch. Ich dachte schon, du würdest dich nicht freuen uns wiederzusehen. << sagt er und ächzt ein wenig, als er sich wiederaufrichtet. Sofort mustere ich ihn und neben den Schrammen und Abschürfungen bin ich mir sicher, dass er bei seinem schmerzverzerrten Gesicht noch weitere Verletzungen hat. Wenn sich jemand damit auskennt, dann bin ich es und er sieht nicht so aus, als sollte er jetzt hier sein.
>> Wieso bist du nicht im Krankenhaus? <<
>> Schmeichelhaft wie eh und je, vielen Dank. <<
>> Hast du dich mal angesehen? Hast du dich überhaupt untersuchen lassen? << frage ich und begutachte ihn genauer.
>> Spiegel gab es in den letzten Stunden nicht so viele, aber wenn ich so aussehe wie ich mich fühle, kann ich es mir gut vorstellen. <<
>> Da bin ich mir nicht so sicher. Du solltest besser in ein Krankenhaus. Wie geht es Akira? Was haben die Ärzte gesagt? <<
>> Papperlapapp, Unkraut vergeht nicht, Prinzessin. Dein Schatz ist im Krankenhaus. Der Arzt konnte noch nicht viel sagen, aber er war stabil. Sobald wir etwas erfahren, sage ich es dir. Wonach riecht es hier eigentlich? Ich habe einen Bärenhunger. <<
Jetzt muss ich lachen, wie kann er jetzt nur ans Essen denken?
>> Ich habe euch Suppe gemacht, aber ich wusste nicht, ob ihr überhaupt Hunger habt. <<
>> Und was für einen. << höre ich Henderson’s Stimme, der irgendwo hinter Lennox stehen muss und prompt habe ich mich an ihm vorbeigeschoben, um auch ihn mit einer Umarmung zu begrüßen.
Er schaut mich irritiert an, schließt dann aber doch seine Arme um mich und verharrt einen kleinen Moment in dieser Position. Auch ihm sind die Ereignisse der letzten Stunden anzusehen und ich bin mir nicht sicher, ob meine Suppe ausreicht, um ihm wieder Kraft zu geben.
>> Wie war das denn jetzt mit der Suppe? << fragt Lennox und ich löse mich kopfschüttelnd von Henderson, um Suppentassen, Löffel und das Essen selbst auf einen Wagen zu laden.
Als ich wieder durch die Tür trete, sind beinahe alle versammelt und jeder bekommt von mir die gleiche herzliche Begrüßung, wie die anderen Zwei.
Der Inhalt des Topfes ist schnell verteilt und nachdem sich jeder ächzend auf einem Stuhl niedergelassen hat, zähle ich durch.
Außer Akira fehlt auch Logan und ich traue mich beinahe nicht zu fragen. Zum Glück übernimmt das Jamie für mich und ich lächle ich ihm dankbar entgegen.
>> Der war eigentlich schon wieder fit und hat sich mit Händen und Füßen gewehrt, doch der Doc war der Meinung, dass es besser wäre, wenn er zur Beobachtung eine Nacht im Krankenhaus bleibt. So wie ich ihn kenne, terrorisiert er bereits das gesamte Personal, damit er wieder entlassen wird. << klärt Gavin uns auf und ich muss schmunzeln. Lennox steht zwischendrin auf und verlässt den Raum, während sich die anderen über die vergangenen Stunden unterhalten.
Widererwartend leert sich der Suppentopf, während ich selbst eher verhalten den Löffel in den Mund schiebe. Geschmacklich ist sie super, was mir die anderen auch mehrfach zusichern, doch mein Magen scheint einen Knoten zuhaben und ich bekomme einfach nichts herunter.
>> Sobald ich geduscht habe, können wir los. << flüstert Lennox nah an meinem Ohr, als er wieder hereinkommt und ich sehe ihn verständnislos an.
>> Wo willst du denn hin? << frage ich genauso leise und schaue in zwei verwunderte Augen.
>> Ins Krankenhaus. << erklärt er grinsend und ich spüre, wie mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir so schnell zu Akira fahren können. Angst breitet sich in mir aus und es graust mir davor, was ich zu sehen bekomme. Das werde ich ihm aber nicht sagen, also nicke ich und murmle etwas von wegen, wie ungeduldig ich bin.
Er sieht mich misstrauisch an und lässt mich nicht aus den Augen. Selbst als ich aufstehe und beginne das Geschirr abzuräumen, verfolgt mich sein Blick und so verschwinde ich in der Küche, bevor auf den Gedanken kommt, nachzuhaken.
Als ich wieder in den Gastraum trete, hat dieser sich geleert und ich gehe nach oben, um für Akira, Tami und Max ein paar Klamotten einzupacken. Sie ist bestimmt froh, wenn sie ein paar eigene Sachen hat. Wieso habe ich nicht früher daran gedacht? Ich hätte ihr schon längst etwas vorbeibringen können.
Ich bin wirklich eine miserable Freundin. Voll beladen mit dem Gepäck für die Drei wanke ich nach unten und staune, nachdem ich sehe, dass Lennox bereits auf mich wartet. Er sieht mich zwar mit großen Augen an, doch erspart sich jeden Kommentar.
>> Für Max, Tamara und Akira. << erkläre ich, während er mir die Taschen abnimmt und ignoriert meinen Protest.
>> Du bist doch verletzt, lass mich das tragen. <<
>> Du auch, oder bist du schon wieder gesund? Ich hatte Glück. Die Explosion hatte mich kurz umgehauen, doch dafür, dass ich so nah dran war, bin ich sozusagen mit einem blauen Auge davongekommen. << wehrt er mich ab und hängt sich die Taschen über die rechte Schulter.
>> Kommt denn sonst keiner mit? <<
Die anderen wollen sich doch sicher auch davon überzeugen, dass alle gut versorgt sind.
>> Nein, sie bleiben hier und ruhen sich aus. Wahrscheinlich wird sowieso nur eine Person bis zu Akira gelassen, maximal wir beide. Der Rest der Meute geht in den nächsten Tagen ins Klinikum. Nicht das es zu viel für die Vier wird. << klärt er mich auf und ich fühle mich immer unwohler.
>> Mist. Ich habe gar nichts für Logan gepackt. <<
>> Er braucht auch nix. Morgen ist er bestimmt wieder draußen.<<
>> Was ist los, Prinzessin? << fragt er mich als wir im Wagen sitzen und uns auf der verlassenen Straße befinden. Bisher haben wir geschwiegen und ich war mit meinen Gedanken und Schuldgefühlen beschäftigt. Demonstrativ schaue ich aus dem Seitenfenster, ich will nicht, dass er erkennt an was ich gerade noch gedacht habe.
>> Nichts. Wieso? <<
>> Ich dachte, du könntest es nicht erwarten Akira zusehen, aber ich habe den Eindruck, ich würde dich zwingen. <<
>> Quatsch, das bildest du dir ein. Ich bin mir nur nicht sicher, ob es ratsam ist ihn jetzt schon zu besuchen. Ich meine, ist er bei Bewusstsein? Bekommt er es überhaupt mit, wenn wir da sind? Keiner von euch hat über ihn gesprochen und wenn ich ehrlich sein soll, dann sah er nicht besonders gut aus. <<
>> Sah er nicht, da hast du recht. Das ist aber nicht der Grund, weshalb wir nicht über ihn gesprochen haben. Die ganze Aktion zerrt auch an unseren Nerven und wir wollten ein möglichst unverfängliches Thema, über das wir reden können. Hätten wir über Akira gesprochen, hätten wir uns nur Sorgen gemacht. Der Doktor hat vorhin nicht darüber gesprochen, ob er wach ist, aber er meinte, wir könnten ihn besuchen und das sollten wir tun, denkst du nicht? <<
>> Ja, natürlich. Du hast recht. Ich wollte ihm einfach nicht zu viel zumuten. << weiche ich aus und schaue weiter aus dem Fenster.
Lennox geht nicht weiter darauf ein und so verläuft die restliche Fahrt schweigend. Zwar spüre ich, dass er mir ab und zu einen Blick zuwirft, doch spricht er mich nicht mehr an. Ich bin mir nicht sicher was ich sagen soll, also schweige ich und betrachte weiter die vorbeiziehende Landschaft. Nach einer halben Stunde halten wir auf dem Parkplatz eines großen Krankenhauskomplexes und gehen gemeinsam an den Auskunftstresen.
Lennox lässt sofort seinen Charme spielen und versucht die Schwester im mittleren Alter und mit dem Gesicht einer Bulldogge, um seinen Finger zu wickeln.
>> Hallo, ich habe nicht erwartet eine solche Schönheit in einem Krankenhaus zu finden. Wäre es möglich, dass sie uns zu verraten, wo wir Akira Campbell finden? <<
>> Name. << bellt sie ohne aufzublicken und nicht im mindesten beeindruckt von seiner Charmeoffensive.
Meine Güte die Frau könnte seine Mutter sein, kennt er gar keine Grenzen?
>> Lennox und Sophie Campbell, ich bin sein Bruder und sie seine Schwester. << lügt er, ohne rot zu werden. Bruder und Schwester? Hat die Explosion Nachwirkungen? Vielleicht sollte er auch hierbleiben, also nur zur Beobachtung.
Er drückt meine Hand, als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck wahrnimmt und lächelt die Schwester hingebungsvoll an. Die Dame schickt uns, unbewegt auf die Intensivstation, wo wir uns bei einer anderen Schwester melden sollen. Hoffentlich sind hier nicht alle so. Zu unserem Glück nimmt man es mit der Kontrolle, der Besuche nicht so ernst. Lennox zieht mich mit sich und ich stolpere ihm hinterher, bis wir im Aufzug stehen und sich die Türen schließen.
>> Was war das? <<
>> Was denn? Ich wollte schon immer eine kleine Schwester haben, hast du dir noch nie Geschwister gewünscht? <<
Der verarscht mich doch, das kann nicht sein Ernst sein.
>> Lennox. << sage ich scharf und funkle ihn böse an. Er grinst immer noch frech und lehnt sich an die Wand des Fahrstuhls.
>> Gut sie war etwas älter aber…<<
>> Stopp! Bitte. << mich schaudert es, wenn ich an die Frau zurückdenke.
>> Ich will das gar nicht hören, aber ich wüsste gern was hier los ist. << beharre ich und fixiere ihn mit steinerner Miene.
>> Wir müssen auf die Intensiv. Dort wird niemand reingelassen, der nicht mit dem Patienten verwand ist. Gut möglich, dass nicht mehr als eine Person zu ihm gelassen wird, aber um auf Nummer sicher zu gehen, dass wir überhaupt bis zu ihm kommen, habe ich Plan B probiert. Hat doch auch funktioniert, sieh mich nicht so schockiert an. Hattest du vor darauf zu warten, dass er in einem Mehrbettzimmer liegt, um ihn sehen zu können? Wir wissen nicht, wie es ihm geht vielleicht dauert es noch Tage, bis er auf eine andere Station kommt. <<
Um ehrlich zu sein, wäre es nicht das Schlechteste gewesen, wenn ich ihn erst in ein paar Tagen hätte besuchen können, doch das kann ich ihm wohl kaum sagen. Wieder nicke ich stumm, während meine Übelkeit zunimmt.
>> Und wie soll das in den nächsten Tagen ablaufen? Du hast gesagt, dass die anderen ihn auch besuchen wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute hier, es euch ernsthaft abnehmen, wenn weitere 7 Brüder auftauchen. Ihr habt ja noch nicht einmal Ähnlichkeit mit ihm. Wie habt ihr euch das vorgestellt? <<
>> Du hast aber gerade schon mitbekommen, wie die Alte reagiert hat? Selbst wenn wir beide Aliens wären, es wäre ihr nicht aufgefallen. <<
>> Das ist ein Scherz. <<
>> Manchmal bist du ganz schön anstrengend. Hast du schon vergessen, was Jamie alles kann? Er wird schon dafür sorgen, dass alles glatt geht. << gibt er lapidar zurück und damit scheint das Thema für ihn beendet zu sein.
Auf der Intensivstation hat er leichtes Spiel, Schwester Kathrin ist um einiges jünger als die verdrießliche Dame unten und hängt förmlich an Lennox‘s Lippen. Ohne in Frage zu stellen was er ihr erzählt, gibt sie uns zwei Kittel. Wahnsinn wie leicht das geht. In Deutschland hätte das nie und nimmer geklappt. Nachdem wir die grünen Dinger übergezogen haben, begleitet sie uns über einen sterilen Flur, der nach Desinfektionsmittel duftet. Oh Mann, wieso bin ich nur mitgekommen?
Sie ist die Erste, die den Raum betritt in dem Akira liegt und versperrt mir für wenige Sekunden den Blick auf ihn. Sobald ich ihn erblicke, erstarre ich regelrecht und werde von Lennox nach vorn gedrängt bis ich auf einem Plastikstuhl lande, den er neben dem Bett platziert hat. Ich schaue in das mir ehemals vertraute Gesicht, welches unter all den blauen Flecken und Hämatomen, nur schwerlich zu identifizieren ist und muss hart schlucken.
Sein Anblick versetzt mir einen stechenden Schmerz und wieder einmal kommen mir Preston’s Worte in den Sinn.
>> Du bist schuld. <<
Die Schwester hat das Zimmer verlassen, ohne das ich es überhaupt wahrgenommen habe. Lennox greift sich ungeniert die Krankenakte und studiert sie aufmerksam. Gerne würde ich fragen, ob er die überhaupt lesen kann und wie es tatsächlich um Akira steht, doch meine Kehle ist wie zugeschnürt. Nicht ein Wort kommt über meine Lippen. Ich kann ihn einfach nur anstarren, während sich der Wunsch von hier zu verschwinden, immer weiter verstärkt.
>> Auch wenn er nicht danach aussieht, geht es ihm soweit ganz gut. Diese Penner haben ihm zwar ganz schön zugesetzt, aber soweit ich das hier sehe, ist nichts kaputt was nicht wieder heilen kann. Du musst dir keine Sorgen machen, er geht uns bald wieder auf die Nerven. << spricht Lennox mit ruhiger Stimme, nachdem er das Klemmbrett wieder an das Bett gehängt hat.
>> Kannst du ein bisschen genauer sein? Er sieht nicht so aus, als würde er bald wieder auf den Füßen stehen.<< bitte ich kaum hörbar. In meinem Kopf geht es drunter und drüber, mir ist abwechseln heiß und kalt. Erst als ich mich Lennox zugewandt habe, fällt mir das Sprechen leichter.
>> Wenn ich das richtig verstehe, hat er zwei gebrochene Rippen, einige Prellungen und wie man sieht, hat er wohl einiges auf den Kopf bekommen aber hey, er hat einen harten Schädel, glaub mir. << versucht er mir meine Sorgen zunehmen und drückt sanft meine Schulter.
>> Ich lass euch dann mal einen Moment allein. Du hast ihm bestimmt einiges zu sagen, von dem ich nicht Zeuge werden will. << er grinst mich verschmitzt an und verschwindet aus dem Raum.
Bitte bleib hier, flehe ich stumm in meinem Kopf und schaue ihm hinterher. Am liebsten wäre ich mit ihm gegangen. Ich will nicht allein hierbleiben. Ich will nicht sehen müssen, wie der Junge, den ich liebe hier liegt. Nicht die Verletzungen sehen, gegen die er kämpfen muss.
Stumm sitze ich auf meinem Stuhl und betrachte jede Beule und Schwellung in seinem Gesicht. Ich bin mit der ganzen Situation überfordert und schwanke zwischen endloser Trauer über das, was geschehen ist und rasender Wut darüber, dass er sich einfach so in Preston’s Hände begeben hat. Kann ich seinen Zustand verschlechtern, wenn ich auf ihn einprügle? Je länger ich ihn betrachte, um so stärker schwelt es in mir, bis ich kaum noch einen anderen Gedanken fassen kann und kurz davor bin ihn anzubrüllen.
>> Alles klar? Wir müssen langsam los. << höre ich hinter mir Lennox’s Stimme, wie aus Watte und entlasse all meinen angestauten Atem. Er kommt zu mir und schaut auf mich herab. Erst begreife ich nicht, was er macht als er seine Arme um mich legt, doch dann erwidere ich seine Umarmung und schließe die Augen.
>> Es ist wirklich nicht so schlimm. Du musst dir keine Sorgen machen, er ist bald wieder fit, ehrlich. << flüstert er leise und streicht mir über den Rücken. Mir laufen Tränen über die Wangen, was mir jetzt erst bewusst wird. Entgegen seiner Annahme weine ich nicht, weil ich mir Sorgen mache.
>> Können wir gehen, bitte. << flehe ich und lasse mich von ihm auf die Beine ziehen. Er sieht mir unsicher in die Augen, anscheinend ist er unschlüssig, wie er mit meiner Reaktion umgehen soll. Er wirft Akira noch einen Blick zu und eilt dann hinter mir aus dem Zimmer. Ich bin schon dabei mir den Kittel abzustreifen als er mich festhält.
>> Was ist denn los? Habt ihr euch gestritten? <<
In seiner üblichen Art versucht er die Situation aufzulockern, verstummt allerdings, als er meinen Gesichtsausdruck wahrnimmt.
>> Ich will nicht darüber sprechen. <<
>> Komm schon. Es geht dir bestimmt besser, wenn du mit mir redest. Gerade siehst du nämlich so aus, als würdest du gleich in die Luft gehen. <<
Ich reiße mich von ihm los und stürme den Flur entlang, ohne auf seinen Protest zu reagieren. Ich halte es einfach nicht länger aus und habe auch keine Lust mit ihm zu reden. Immer wieder sehe ich ihn in diesem Bett liegen, blass und nicht bei Bewusstsein. Es ist, als wäre es eine stumme Anklage, gegen die ich mich nicht wehren kann und wie sollte ich auch, schließlich bin ich der Grund dafür, dass er dort liegt. Lennox kommt kurz nach mir in der Eingangshalle an und baut sich zu voller Größe vor mir auf.
>> Wir gehen nirgendwohin, ehe du mir nicht erklärt hast, was mit dir los ist. Du rennst als wär der Teufel hinter dir her. Wieso verhältst du dich so seltsam? <<
>> Ich verhalte mich nicht seltsam, ich...<<
>> Ach nein? Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich denken, du wolltest gar nicht herkommen. Fast so als wolltest du deinen Freund, dort oben nicht besuchen wollen, aber das kann nicht sein denn ich weiß, was ihr beide füreinander empfindet. << faucht er. Herr Gott nochmal.
>> Du weißt gar nichts. Ich habe jetzt keine Lust auf Erklärungen, geh mir aus dem Weg. << zische ich ihm entgegen.
>> Pech, denn ich wüsste nur allzu gern, was los ist. Du willst nicht zu deinem Freund und an die anderen hast du noch gar nicht gedacht. Haben wir die Klamotten für Max und Tamara nur mitgenommen, damit du noch etwas Zeit herausschinden konntest? <<
Verdammt, die Zwei habe ich tatsächlich vergessen. Mein schlechtes Gewissen bekommt sofort wieder Feuer und ich habe das Gefühl, von meinen Schuldgefühlen verschlungen zu werden.
Lennox zieht mich mit sich nach draußen, in eine ruhige Ecke und drängt mich auf eine eiserne Bank.
>> Prinzessin, dir ist anzusehen, dass es dir schlecht geht. Es wäre besser, wenn du endlich mit mir reden würdest. Dieses Verhalten sieht dir nicht ähnlich, das passt einfach nicht zu dir.<<
>> Lennox bitte, ich will einfach nur fahren und nicht diskutieren. Du verstehst das alles nicht und ich will es dir nicht erklären. Ich bin müde, ich möchte mich hinlegen und zwar im Hotel, in mein Bett und nicht hier.<<
>> Ich will auch nicht diskutieren. Ich will es nur verstehen. Bitte, was verstehe ich nicht, Prinzessin? << fragt Lennox, als er sich vor mich kniet und meinen Blick sucht.
>> Du, du verstehst nicht, dass ich daran schuld bin. Du siehst es nicht, nicht so wie ich und deswegen verstehst du es nicht. Tamara, Maxwell, Logan und vor allem Akira liegen wegen mir hier. Wegen meiner Schuld und ich ertrage es einfach nicht.
Schon der Gedanke daran, was er durchgemacht hat, beschert mir unerträgliche Schmerzen. Ihn jetzt so zu sehen...<<
Meine Stimme bricht und ich schaffe es nicht, noch ein Wort zusagen. Mein Körper erzittert, als er mich wieder in seine Arme zieht, doch das will ich jetzt nicht. Ich will kein Mitleid und keine tröstenden Worte. Das ist alles falsch.
Noch sieht er es nicht, aber sobald er begreift wieso alles geschehen ist und das ich der Grund dafür war, wird er genauso denken.
Ohne etwas zu erwidern, steht er auf und fährt sich mit einer Hand durchs Haar.
>> Komm schon. Lass uns fahren. << stößt er aus und geht stumm neben mir her, als ich aufstehe und den Weg zum Auto einschlage.
Sobald wir die Türen geschlossen haben, dreht er sich zu mir und ich seufze innerlich auf. War klar, dass er meine Erklärung nicht unkommentiert lassen kann.
>> Weißt du, du hast mit so vielem Unrecht, von dem was du da gerade gesagt hast, aber mit einem hattest du definitiv Recht, ich verstehe es wirklich nicht. Du hast nichts getan, was deine Schuldgefühle begründet. Ich weiß nicht, wie ich dich davon überzeugen kann, aber verdammt, so ist es. << er sieht mich noch einmal eindringlich an, wendet sich dann jedoch dem Lenkrad zu, startet den Wagen und wir fahren schweigend zurück zur Pension.
Als er den Wagen auf einem der Parkplätze abgestellt hat, steigt er aus und geht schnurstracks auf den Eingang zu.
Ich sehe ihm hinterher und begreife erst, dass er mich allein gelassen hat, als er im Haus verschwunden ist. Jetzt habe ich es geschafft, ich habe die letzte Person, die mich ertragen hat, vergrault.
Super Sophie, gut gemacht.
Die Wagentür schlägt ins Schloss und ich wende mich von dem Haus vor mir ab. Ich kann jetzt nicht dort rein, kann jetzt keine klugen Ratschläge und keine mitleidigen Blicke ertragen. Aber wo soll ich hin? Ich bin Mitten im nirgendwo.
Egal. Ich muss mich bewegen, muss hier weg. Die Situation überfordert mich immer mehr und ich muss wieder versuchen einen klaren Kopf zu bekommen.
Auf meinem Weg die Straße entlang, schwirren die Worte von Lennox und Preston abwechselnd durch meinen Kopf und ich fühle mich immer hilfloser. Frustriert stöhne ich laut auf und trete den Rückweg an, bevor es dunkel wird. Als ich vor der Herberge zum Stehen komme, dämmert es bereits und ich setze mich, noch nicht bereit hineinzugehen, auf die kleine Bank, die mir mittlerweile sehr vertraut ist.
Müde stütze ich meinen Kopf in meine Hände und starre gedankenverloren gerade aus. Was mache ich jetzt? Wer hat recht?
Heute Nacht ist das Meer ruhig. Ruhiger als sonst, fast so, als wüsste das Wasser, dass es nicht aufbegehren soll. Mein Mann steckt mit der Fackel das Bett aus Holz und Stroh in Brand, gibt ihn einen kleinen Schubs und es wird hinausgetragen, wo es lichterloh brennt.
Der Anblick fällt mir noch immer schwer und Tränen treten mir in die Augen.
>> Ich hätte irgendetwas tun müssen. << flüstere ich und drücke mich an seine Brust, als er wieder bei mir steht und ihr die letzte Ehre erweist.
>> Du hättest nichts tun können. Alles ist so gekommen, wie es sollte. Wir können das Schicksal nicht ändern, Liebste. <<
Viel zu schnell schrecke ich auf und reibe über meinen steifen Nacken. Das Letzte, was ich jetzt noch gebrauchen kann, sind Visionen aus der Vergangenheit. Was sollte mir das überhaupt sagen? Ich bin doch kein Traumdeuter, verdammt.
Die Fenster vor mir sind jetzt dunkel und so schleiche ich mich auf leisen Sohlen hinein und in mein Zimmer. Wie erhofft begegne ich niemandem und atme tief durch, als ich die Tür hinter mir schließe. Der Raum ist leer, kein Lennox, der das viel zu große Bett mit mir teilt.
Ich vermisse ihn schrecklich, doch ich hätte ihn nicht länger belügen können. Er musste einfach erfahren, wie es wirklich in mir aussieht. Er musste wissen, dass ich an allem schuld bin.
Müde, aber dafür frisch geduscht, lege ich mich ins Bett und bin schlagartig hellwach. Mein Geist will einfach nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder sehe ich Akira vor mir, wie er in diesem weißen Raum, in dem weißen Bett liegt und sich seine Hautfarbe kaum von der Bettwäsche unterscheidet.
Das Bild wechselt, mit dem aus meinem Traum und erst jetzt wird mir erschreckend bewusst, dass sich die Bilder nicht besonders voneinander unterscheiden.
Verdammt, ich hätte es verhindern können. Ich hätte dafür sorgen können, dass er nicht dort liegt, wenn ich schneller gewesen wäre. Heute konnte ich auch nichts tun, ich habe unfähig neben Jamie gesessen, während alle anderen ihren Kopf riskiert haben.
Niedergeschlagen und malträtiert von meinen eigenen Gedanken, rolle ich mich auf der Seite zusammen und starre in die Dunkelheit. Die Strapazen des Tages machen sich bemerkbar und ich gleite in den Schlaf, ohne es zu bemerken.
Er liegt vor mir. Wie immer blutüberströmt und ich knie vor ihm, nicht fähig meine Hand zu ihm auszustrecken, obwohl ich das doch sehr gerne will. Ich will seine Haut unter meinen Fingern spüren, seinen Atem hören, seine Lippen auf meinen spüren.
Ein letztes Mal schlägt er die Augen auf, starrt mich mit Entsetzen an und holt rasselnd Luft, die langsam aus ihm entweicht. Danach ist es still um uns, kein Atmen mehr, kein Geräusch, nicht einmal mein Schluchzen ist zu hören. Es wird heller und unsere Freunde tauchen wie aus dem Nichts auf. Sie werfen mir verachtende Blicke zu und schütteln traurig mit dem Kopf, bevor sie sich von mir abwenden.Plötzlich steht Preston hinter mir und zerrt mich nach oben. Er zwingt mich auf ihn herabzuschauen, während er wiederholt, dass ich sein Schicksal zu verantworten habe. Das alles geschieht ohne einen Laut. Um mich herrscht Grabesstille und ich beginne zu frösteln.
Schweiß steht mir auf der Stirn als ich aufschrecke und gierig die Luft um mich herum einsauge. Schlagartig ist mir speiübel. Nur mit Mühe und Not schaffe ich es ins Badezimmer, wo ich versuche mich zu übergeben, doch keine Chance. Ohne Mageninhalt kann man sich nun einmal nicht erbrechen, egal wie übel einem ist.
Müde sacke ich auf dem Boden zusammen und lege den Kopf auf meine Knie.
Ich will diese Bilder nicht mehr in meinem Kopf und ich will Preston’s Stimme nicht mehr in meinen Ohren. Ich ertrage es einfach nicht mehr. Mit meinen Händen schlage ich mir gegen die Stirn und flehe darum, dass es endlich aufhört. Es ist egal, wie sehr ich bitte, sobald ich meine Augen schließe, knie ich wieder vor ihm und sehe all das Blut, um seinen geschundenen Körper.
Erst als jemand vor mir in die Hocke geht und meine Hände festhält, damit sie nicht weiter machen können, bekomme ich überhaupt mit, dass ich nicht mehr allein bin.
>> Lass das. Was soll das denn? Hör auf. Los komm, du bist eiskalt. <<
Bin ich? Ich spüre nichts mehr. Keine Kälte, keine Übelkeit, keine Schuldgefühle, keine Angst, nichts. Irgendwie ist es ganz angenehm so, nichts fühlen zu müssen, ist eine Erleichterung. Er hebt mich vom Boden auf, weil ich keine Anstalten mache mich zu bewegen und trägt mich zum Bett zurück, in das er mich vorsichtig legt und zudeckt.
>> Was ist denn los? Sophie? Was hast du denn? Rede mit mir. <<
Nichts. Ich bin genauso stumm, wie in meinem Traum. Der einzige Unterschied ist, dass es um mich herum noch immer Geräusche gibt. Vielleicht kann ich die abstellen, wenn ich weiter schweige, schweigt vielleicht auch er.
>> Ich hole dir einen Tee, du musst dich aufwärmen. << erklärt er und verschwindet.
Stille, es hat funktioniert.