Читать книгу Von Flammen & Verrat - Melanie Lane - Страница 6
ОглавлениеKAPITEL 1
Du bist die Nächste.
Das Summen in meinen Ohren wurde von Minute zu Minute lauter. Jemand hatte Minister Meyer auf brutale Art und Weise ermordet und seine Leiche samt Botschaft in meinem Vorgarten abgeladen. Nachdem Malik die Nachricht für uns übersetzt hatte, hatte Lucan seinen Männern befohlen, mich »wegzubringen«, und Nick hatte mich, begleitet von Olli, Duncan und King, hinter sich her in den Palast gezogen. Widerstandslos war ich mitgegangen, wobei ich den Blick aus Lucans schwarzen Augen den gesamten Weg vom See bis hin zur Terrasse zwischen meinen stocksteifen Schulterblättern gespürt hatte. Wie in einem schlechten Film hatten die Wachen meiner Garde uns mit gezückten Schwertern umkreist, bis wir den Palast erreicht hatten und ich ihrer Meinung nach in Sicherheit war. Ein Wunder, dass keiner von ihnen mich zu Boden gerissen oder eine andere heroisch dämliche Tat vollbracht hatte. Aber ich konnte ihnen ihre Wachsamkeit nicht übelnehmen, immerhin war das ihr Job, und jemand hatte es geschafft, unbemerkt in Arcadia einzudringen und ein respektables Mitglied meines Hofes umzubringen.
Verfluchte Scheiße.
Und hier saß ich nun. Definitiv unter Schock, wusste ich aktuell nicht, was ich fühlen sollte.
»Noch mehr Kaffee?«
Sie hatten den Minister nicht einfach nur umgebracht, sie hatten den armen Kerl ausbluten lassen und ihn wie ein Stück Vieh an einem Baum aufgehängt. Direkt am See der Balance. Vor unserer Nase. Die hübschen, blühenden Bäume würde ich eine ganze Weile nicht mehr mit den gleichen Augen sehen können. Mein Hirn ersetzte ihren blumigen Duft schon jetzt durch den schweren, leicht metallischen Geruch von Blut, und die kleinen Blumen am Ufer, die ich während meiner Initiation und meines ersten Besuchs in dieser Welt bewundert hatte, waren nicht mehr schneeweiß, sondern scharlachrot.
»Lilly?«
Irritiert sah ich auf und direkt in Ollis warme, braune Augen.
»Hm?«
»Möchtest du mehr Kaffee?«
Ob ich Kaffee wollte? Keine Ahnung …
»Ich glaube, sie hatte genug, danke, Olli.« Nick fasste über den Tisch nach meiner Hand und aus den Augenwinkeln sah ich ihn einen Blick mit Duncan und King wechseln. Die Krieger saßen, die Waffen demonstrativ vor sich auf dem Tisch, mir gegenüber und behielten die Tür im Auge. Eine Tür, auf deren anderer Seite mindestens ein Dutzend Wachen Position bezogen hatten. Nick drückte meine Hand und wie durch einen Nebel, den ich nicht ganz abschütteln konnte, schaute ich zu ihm auf.
»Der Minister …«, begann Nick vorsichtig.
»Der Minister ist mir egal.«
Die Männer erstarrten und sahen mich an.
»Sein Tod ist tragisch, ja, aber Minister Meyer war kein Fan von mir und wir müssen nicht so tun, als wäre er nicht der erste gewesen, der mich am liebsten gegen dich ausgetauscht hätte, Nick. Aber«, ich entzog ihm meine Hand und faltete meine leicht zitternden Finger in meinem Schoß, »worum wir uns zu allererst kümmern sollten, ist das wie, nicht das warum.« Ich blickte von Nick zu Duncan. »Du hast vollkommen recht, es ist Irrsinn«, wiederholte ich jene Worte, die er Malik am See an den Kopf geworfen hatte. »Wie in Abbadons Namen konnten sie den Minister direkt vor unseren Augen umbringen? Direkt vor den Augen der Wachen? Wir haben Schutzzauber.« Meine Stimme wurde lauter. Schriller. »Und der ganze verdammte Palast ist voller Wachen und Assassinen. Wie konnte das passieren?« Meine Atmung hatte sich beschleunigt und inmitten meiner kleinen Rede hatte ich angefangen, leise zu keuchen.
Dies war nicht meine erste Leiche, immerhin war ich bereits mit den Assassinen auf einer Mission gewesen und hatte selbst einen Dämon ausgeschaltet, aber verdammt … jemanden in einem ehrlichen Zweikampf zu töten, war etwas ganz anderes, als ihn mit Hilfe eines uralten, illegalen Zaubers hinzurichten.
Du bist die Nächste.
»Lilly.« Duncan erhob sich und kam um den Tisch herum. Sanft legte er seine Arme von hinten um meine steifen Schultern und zog meinen Rücken an seine starke Brust. »Du musst ruhiger atmen, Liebling.«
»Ich weiß, ich … ich kann nicht.« Nick beobachtete mich, sichtlich überfordert, und auch King presste die Lippen zusammen und starrte grimmig geradeaus.
Was ich brauchte, war Lucan, so ungern ich das auch zugab. Lucan würde es schaffen, die nervöse Energie in mir zum Schweigen zu bringen. Und er würde es schaffen, die laut summende Magie in meinen Adern zu beruhigen und mich mit ein paar wohl überlegten Worten wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Er oder meine Freundinnen. Alina und Cora!
»Alina«, rief ich, plötzlich wirklich ängstlich. »Ihr müsst jemanden zu Alina und Cora schicken. Und Jace und Laura, sie …«
»Es sind bereits Wachen zu ihnen unterwegs«, beruhigte mich Olli, während er weiterhin auf und ab tigerte. Bei unserer Ankunft hatte er das komplette Personal aus der Küche gejagt. Seitdem machte er Kaffee, räumte Geschirr hin und her und versuchte irgendwie, sich zu beschäftigen. Wir alle gingen mit dieser neuen … Entwicklung auf unsere eigene Art und Weise um. Nick beobachtete mich und Duncan mit leicht glasigen Augen. Ich fragte mich, was mein Bruder jetzt wohl dachte. Immerhin wurde sein Weltbild schon wieder erschüttert. Wären meine eigenen Emotionen nicht so wirr gewesen, hätte ich durch unser Geschwisterband spüren können, was in diesem Moment in ihm vorging. Der Schmerz und auch die Angst in seinen Augen sagten mir jedoch genug. Von unserer kleinen Runde waren King und Duncan mit Abstand am ruhigsten. Die beiden Assassinen behielten nicht nur einen klaren Kopf, sie wirkten nahezu unbeeindruckt. Beherrscht und diszipliniert, das waren zwei Adjektive, die mir spontan durch den Kopf gingen. Wie oft hatten sie mit solchen oder ähnlichen Situationen schon zu tun gehabt? Duncan war noch jung, nicht einmal fünfzig, aber King? Der Krieger war nicht nur Lucans Stellvertreter, sondern auch seit mehr als dreihundert Jahren ein Teil der Sieben – der tödlichsten und fähigsten Assassinen der gesamten Gilde. Des Königs beste Krieger. Die Assassinen, der Legende nach einst erschaffen, um die Anderswelt zu beschützen und sie im Gleichgewicht zu halten, blieben normalerweise unter sich. Kein Wunder, dass Kjiel und die anderen der Sieben mich nicht ausstehen konnten. Die letzten beiden Tage waren der beste Beweis dafür, dass ihr Leben durch mich gehörig auf den Kopf gestellt wurde. Erst erfuhren sie, dass ich die vom Schicksal bestimmte Gefährtin ihres Königs war – eine Tatsache, mit der ich selbst noch zu kämpfen hatte – und jetzt hatten wir es nicht nur außerhalb der Palastmauern mit Unsterblichen zu tun, die mir an den Kragen wollten, sondern auch innerhalb eben dieser Mauern, die eigentlich unüberwindbar und absolut sicher sein sollten.
Eigentlich. Was für ein dehnbarer Begriff. Was für ein … schwammiges Wort. Eigentlich waren wir sicher. Eigentlich konnte man einen Unsterblichen nur durch Abschlagen seines Kopfes töten. Eigentlich wollte Lucan keine romantische Beziehung zu mir, aber irgendwie waren wir dennoch vom Schicksal miteinander verbunden, irgendwie waren unsere Feinde uns extrem nahegekommen und definitiv war der Minister jetzt tot. Ich lehnte mich schwer an Duncan und genoss die tröstende Wärme seines Körpers. Es brachte mich nicht weiter, so zu denken. Selbst in meinem eigenen Kopf schwamm ich auf einer Welle der Unsicherheit. Im Hause des Ministers, als ich Jace und Laura mit mir genommen hatte, hatte ich erkannt, was für eine Art Prinzessin, was für eine Art Regentin, ich sein wollte. Ich hatte meine Magie kontrolliert und mich stark und selbstbewusst gefühlt, und jetzt? Jetzt tanzten Wörter wie eigentlich und irgendwie in meinem Kopf und machten meine Unsicherheit erneut perfekt.
Als ich heute Morgen mit einem Kater der Größe von ganz Alliandoan aufgewacht war, hätte ich niemals damit gerechnet, dass dieser Tag innerhalb von nicht mal einer Stunde völlig den Bach runtergehen würde.
Stimmen hallten den Korridor vor der Palastküche entlang und ich erkannte die aufgebrachten Rufe meiner Freundinnen.
»Wo ist sie?« Das war Alina.
»Geht uns aus dem Weg, ihr hirnverbrannten Vollidioten.« Und das Cora. Offensichtlich hatten sie Probleme damit, an den Wachen vorbei, in die Küche zu gelangen.
»Olli«, wies Nick unseren Hausherrn an. »Hol sie rein, ja?« Seufzend lehnte mein Bruder sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Bevor Cora für weitere Tragödien sorgt.«
Duncans Arme lösten sich von mir. Er wusste ganz genau, was jetzt kam, und war schlau genug, sich vorher in Sicherheit zu bringen. Olli öffnete die Tür und sofort stürmten meine Freundinnen an ihm vorbei. Duncan wurde unsanft aus dem Weg geschoben und ich atmete erleichtert auf, als Alina und Cora ihre Arme fest um mich schlangen. Letztere, so gut es ihr bereits enormer Babybauch zuließ.
»Heilige Balance, Lilly, als die Wachen vor unserer Tür standen…« Alinas Stimme zitterte leicht und ihre Arme umschlangen mich fester. »Ich hatte solche Angst um dich.«
»Wir beide.« Cora richtete sich auf und tätschelte mir die Schulter, während Alina noch immer halb in meinem Schoß lag.
»Ist jemand verletzt worden?«
Irritiert sah ich auf und direkt in Coras blitzende, grüne Augen.
»Nein. Aber jemand ist tot.«
»Jemand außer dem Minister«, korrigierte sie sich und schielte möglichst unauffällig zu Nick. Sie musste sich jedoch keine Sorgen machen, dass Nick ihr ihre fehlende Anteilnahme krumm nahm, denn es schien, als hätte er ihre Worte nicht einmal registriert. Die Augen meines Bruders lagen auf Alina, und zwar nur auf ihr. Eine Ader an seinem Hals begann sanft zu pochen und ich fragte mich, wie viel Anstrengung es ihn kostete, nicht aufzuspringen und Alina an sich zu reißen. Allerdings war ich noch nicht bereit, die Umarmung meiner Freundin aufzugeben. Alinas Körperwärme und ihre besonnene, starke Aura waren genau das, was ich jetzt brauchte. Sie beruhigte mich und nach ein paar weiteren Minuten löste ich mich von ihr und atmete tief durch. Mein Kopf nun wesentlich klarer als zuvor.
»Erzählt uns was passiert ist«, verlangte Cora zu wissen und meine Freundinnen setzten sich zu uns an den Tisch. Während Nick und Olli den beiden abwechselnd erzählten, was in der letzten Stunde, seitdem ich diese Küche betreten hatte, passiert war, lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und arbeitete daran, das noch immer zu schnelle Schlagen meines Herzens unter Kontrolle zu bekommen. Lucan, Malik und die anderen Wachen waren da draußen am See und kümmerten sich um die Leiche des Ministers.
Ich sollte bei ihnen sein.
Dies war mein Königreich und die Botschaft galt mir, also sollte ich bei ihnen sein. Theoretisch. Praktisch bewegte ich mich keinen Zentimeter.
Lucan?
Keine Antwort. Entweder er hörte mich nicht – ich wusste nicht, wie weit unsere schicksalhafte Leitung reichte – oder aber er zog es vor, mich zu ignorieren. Beides war möglich. Keins davon half mir weiter.
»Und das Blut …« Alina schluckte. »Hat sich bewegt?« Sie schüttelte sich. »Das ist ja widerlich.«
»Vor allem ist es verboten.« Ich sah genau in dem Moment auf, als sich alle Augen auf Cora richteten. Sie zuckte mit den Schultern. »Was denn? Ich mag die letzten Jahrzehnte in der Welt der Menschen gelebt haben, aber ich bin weder dumm noch naiv. Ich habe in meiner rebellischen Phase viel über die alte Welt vor dem Clash und ihre Magie, auch ihre verbotene Magie, in der Bibliothek meiner Eltern gelesen.« Sie beugte sich vor, um nach einem der Wassergläser zu greifen. Sofort war Olli da, um sie zu unterstützen, bevor sie mit ihrem dicken Bauch den ganzen Tisch verschob.
»Blut, das sich bewegt, um dann eine Botschaft zu senden? Insbesondere das Blut eines Toten? Definitiv alte Magie und ganz definitiv verboten.«
»Sowas Ähnliches hat Malik auch gesagt«, murmelte Duncan.
Cora nickte. »Malik ist, mit Ausnahme einiger Minister, vielleicht der älteste Engel in ganz Arcadia. Es wundert mich nicht, dass er die Botschaft lesen konnte.«
»Was ist mit dem Adel?«, fragte King und fixierte Cora.
»Das sind arrogante Sesselpupser. Die sind einfach nur alt und verstaubt. Aber Laurenti und die Minister wären definitiv im Stande, solch einen Zauber auszuführen. Ihre Magie ist nicht sonderlich stark, aber es gibt Mittel und Wege. Allein in Dhanikans kann man sich auf dem Schwarzmarkt alles Mögliche kaufen.«
»Das würde Midas nicht zulassen.«
Cora schaute zu Nick. Eine ihrer fein geschwungenen Augenbrauen wanderte in die Höhe. »Auch der oberste Zauberer von Dhanikans kann nicht überall gleichzeitig sein, Nick. Und wenn eins sicher ist, dann dass es immer irgendwo ein Schlupfloch gibt. Auch in unserer Welt.«
Ehrlich beeindruckt sah ich Cora dabei zu, wie sie ihr Glas Wasser leerte, das Olli sofort wieder auffüllte.
»Du weißt eine Menge über diese Dinge.«
Cora faltete die Hände vor ihrem Bauch und lehnte sich entspannt zurück. »Wenn man jahrzehntelang nichts anderes zu tun hat, als sich in der Bibliothek seines Elternhauses zu verstecken, lernt man so einiges …«
»Haben wir auch solch einen Schwarzmarkt?«
Nick wollte intervenieren, aber Cora kam ihm zuvor und beantwortete meine Frage. »Natürlich. Die Engel sind nicht besser als der Rest der Anderswelt oder der Rest aller Welten, wenn du so willst.« Nachdenklich sah sie auf ihren Bauch hinab. »Vielleicht sind wir auch die Schlimmsten von allen.«
Keiner widersprach ihr. Wie auch, wenn wir soeben Zeugen einer Gräueltat geworden waren, die mit Sicherheit Engel verübt hatten. An Ihresgleichen. Sogar Nick schwieg.
Gleichzeitig sahen King und Duncan auf und man musste kein Genie sein, um zu verstehen, wer sie soeben gerufen hatte.
»Die Luft ist rein«, erklärte uns Duncan und beide Assassinen griffen nach ihren Waffen.
»Der Boss ruft nach uns.«
Ich erhob mich ebenfalls. »Ich komme mit.«
Die beiden Krieger tauschten einen gequälten Blick. »Das halte ich für keine gute Idee.« King rieb sich mit der freien Hand den kräftigen Nacken, während er sein Katana halfterte. »Der Boss hat uns gerufen, Mädchen, nicht dich, und nach allem, was heute Morgen passiert ist, solltest du vielleicht lieber hierbleiben.«
»Ich stimme mit King überein.«
Genervt drehte ich mich zu Nick um. »Na, das ist ja mal eine Überraschung.«
Aber so leicht ließ ich mich nicht abwimmeln. Ich wollte Informationen und ich musste etwas tun. Irgendetwas, bevor meine Gedanken erneut in eine Abwärtsspirale gerieten. »Ich komme mit«, verkündete ich und warf einem nach dem anderen einen herausfordernden Blick zu. Allen, außer Alina und Cora. Meine Freundinnen nickten stumm. Zur Not würden sie mir helfen, die Männer, zumindest Olli und Nick, in Schach zu halten.
»Versucht gar nicht erst, mich abzuhalten.« Hoheitsvoll drängte ich mich an King und Duncan, die mir wenig unauffällig den Weg versperrten, vorbei. Ich hatte damit gerechnet, dass einer von ihnen – King, um genau zu sein – nach meinem Arm greifen würde, um mich aufzuhalten, aber sie ließen mich durch. Anstandslos.
Ein plötzliches Stechen in meinem Herzen erinnerte mich daran, warum dies so war. Ich war Lucans Gefährtin und damit die rechtmäßige Königin der Assassinen. Eigentlich.
Fast hätte ich mich umgedreht und King dazu aufgefordert, mich aufzuhalten. Ich wollte nicht, dass sie mich anders behandelten, aber ich befürchtete auch, dass ich es nicht vermeiden konnte. Erst einmal mussten wir alle den Schock dieser Neuigkeit verarbeiten. Und immerhin konnte ich mich darauf verlassen, dass Kjiel, Bowen, Víctor und Rio mich nach wie vor nicht ausstehen konnten. Daran würde auch meine Verbindung zu Lucan wahrscheinlich nichts ändern. Zumindest nicht in so kurzer Zeit. Ich konnte nur Vermutungen anstellen, warum der Rest der Sieben mir nicht sonderlich wohlgesonnen war. Ganz oben auf der Liste jedenfalls stand groß und fett das kleine Wörtchen: Chaos.
Ich öffnete die Tür, ignorierte die Proteste der Wachen und lief den Korridor hinab in Richtung Patio. Da weder King noch Duncan protestierten, musste ich instinktiv richtig gelaufen sein. Die Terrasse war zu offensichtlich, der Palast neuerdings zu … bewohnt, also erschien mir der luftige, aber geschützte Innenhof des Palasts wie geschaffen dafür, eine Leiche zu untersuchen.
Kaum hatte ich den Innenhof betreten, drehte sich Lucan aufgebracht zu mir um. Er, Malik und die anderen Wachen, die den Minister gefunden hatten, standen in einem Halbkreis um die leblose, am Boden liegende Gestalt herum und begutachteten die Leiche des Ministers kritisch.
»Was tust du hier?« Er starrte an mir vorbei zu seinen Männern und Lucans Augen verdunkelten sich gefährlich.
»Spar dir den Todesblick, Lucan, ich habe ihnen keine Wahl gelassen.«
Du solltest nicht hier sein. Das ist mein Palast.
Und irgendwie war es auch meine Leiche.
Die Botschaft …
Galt mir, Lucan.
Ich blieb neben ihm stehen und schaute hinab in das aschfahle, blutleere Gesicht des Ministers.
Ich habe ein Recht zu erfahren, was hier vor sich geht.
»Konntet ihr irgendetwas herausfinden?«, ignorierte ich Lucan und wandte mich an Malik. Mein General schüttelte den Kopf.
»Ein Bote ist auf dem Weg nach Dhanikans. Wir bitten Midas um Unterstützung durch seine höchsten Zauberer.«
»Runak, der oberste Heiler der Zitadelle, ist ebenfalls unterwegs, Eure Hoheit.«
Dankbar nickte ich Avil zu.
»Dann werden wir hoffentlich bald mehr wissen.«
Du bist die Nächste, hörte ich die Botschaft, obgleich sie geschrieben und nicht laut ausgesprochen worden war, immer und immer wieder in meinem Kopf.
Was hattest du vor, Laurenti? Je länger ich die Leiche des Ministers ansah, desto lauter wurde das Summen in meinen Ohren. Mit voller Wucht kam es zurück und ich wandte mich rasch ab, damit die Männer nichts von dem Sturm mitbekamen, der in meinem Innersten wütete. Natürlich konnte ich meine Gefühle vor einem nicht verbergen.
Wenn du hyperventilierst, bist du hier draußen niemandem von Nutzen. Wow. Und ich hatte angenommen, dass Lucan mich beruhigen würde. Das Gegenteil war der Fall.
Da liegt eine verdammte Leiche in meinem Innenhof. Sag mir nicht, was ich fühlen soll, Lucan.
Das habe ich nicht vor, Prinzessin. Aber wenn du deine Emotionen nicht in den Griff bekommst und deine Magie zügelst, behinderst du diese Untersuchung.
Er verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte mich wütend an.
Malik und die Wachen werden sich um dich kümmern und nicht darum, worum es hier wirklich geht.
Fluchend wollte ich mich abwenden, als Lucan nach meinem Arm griff. »Entschuldigt uns kurz.« Der Griff verstärkte sich. »Mitkommen, Prinzessin.«
Unter den wachsamen Blicken der anderen Männer zog Lucan mich hinter sich her in den Palast. Zunächst dachte ich, er würde die Bibliothek oder eines unserer Zimmer ansteuern, dann aber fand ich mich im gigantischen Thronsaal wieder. Nicht unbedingt der Raum, den ich mir selbst ausgesucht hätte, um meine blankliegenden Nerven zu beruhigen. Der glitzernde, ganz in weiß gehaltene Saal war prachtvoll, aber einschüchternd. Insbesondere die beiden massiven Steinthrone, die auf einem kleinen Podest am anderen Ende des Saals standen.
Lucan kam zum Stehen, und ich riss mich los.
»Was in Abbadons Namen soll das, Lucan? Ich habe jedes Recht …«
»Du magst jedes Recht haben, anwesend zu sein und dich an den Nachforschungen zu beteiligen«, unterbrach er mich ruhig, »aber nicht so. Nicht, wenn deine Gefühle Achterbahn fahren und du jeden Unsterblichen um dich herum mit deiner bloßen Anwesenheit nervös machst.«
»Ich mache niemanden nervös!«
»Meine Männer vielleicht nicht. Aber die Wachen deiner Garde? Oder Malik? Definitiv. Falls es dir nicht aufgefallen sein sollte, Prinzessin, Malik ist kurz davor, durchzudrehen. Er hat Schuldgefühle und er versucht zu verstehen und herauszufinden, wie das alles hier passieren konnte. Das kann er nicht, wenn du neben ihm stehst und er die ganze Zeit Angst haben muss, dass dir etwas passiert.«
»Aber ich …«
»Lass Malik und die Wachen ihren Job machen.«
Aber ich wollte doch nur helfen! Alles, was ich verdammt nochmal wollte, war helfen!
Es geht hier nicht nur um dich.
»Glaubst du, das weiß ich nicht?« Die Botschaft mochte mir gegolten haben, ebenso die Machtdemonstration, aber aktuell galt es, die Sicherheitslücke zu schließen. Wenn sie ungesehen bis zum See vordringen und jemanden umbringen konnten, konnten sie dann nicht auch in den Palast gelangen? Oder noch mehr Unheil in Arcadia anrichten? In ganz Alliandoan und womöglich auch in Anak und den anderen Welten?
»Du bist zu wichtig, als dass du da draußen fröhlich rumspazieren kannst, Prinzessin.«
»Ich habe nicht darum gebeten!«
Lucans Augen verdunkelten sich bei meinem kleinen, spontanen Ausbruch noch weiter und er erstarrte.
»Wie bitte?«
»Ich habe nicht darum gebeten!«, rief ich erneut. »Weder um diese Position noch darum, rund um die Uhr beschützt zu werden.«
Fassungslos starrte er mich an.
Sogar in meinem eigenen Kopf klangen meine Worte unüberlegt und dumm. Mein Verhalten war kindisch und dennoch konnte ich nicht anders. Ich war einfach … überfordert. Diese letzten Tage, Himmel, die letzten Wochen … endlich hatte ich das Gefühl gehabt, die Kontrolle zu bekommen. Sogar meine Magie hatte mitgespielt und dann passierte so etwas und ich war erneut am Schwimmen.
»Ich habe nicht darum gebeten«, flüsterte ich leise.
»Nein, das hast du nicht«, erwiderte Lucan und ich hörte die unterdrückte Wut in seiner Stimme. »Aber du hast dich deiner neuen Realität gut angepasst, nicht wahr?«
»Was soll das denn jetzt heißen?«, fragte ich, dabei wusste ich genau, was er meinte.
»Die Prinzessin, die mit der Balance spricht. Die Retterin der Welten … tu nicht so, als ob dir diese Rolle nicht gefällt. Niemand hat gesagt, dass es leicht wird, aber du hast dich aktiv für den schweren Weg entschieden, Prinzessin, und dafür respektiere ich dich. Also hör auf mit diesem unnötigen Drama und benimm dich wie die Monarchin, die du bist und sein willst.«
Verdammt.
Ich hatte doch gewusst, dass Lucan mich mit ein paar wohl überlegten Worten auf den Boden der Tatsachen zurückholen würde. Das musste ich ihm jedoch nicht gleich unter die Nase reiben.
»Im Gegensatz zu dir habe ich nicht hunderte von Jahren Erfahrung mit Morden, Intrigen und Machtspielchen.«
»Dafür machst du das aber ganz gut.« Huch. »Wie bitte?«
Lucan seufzte. Wie immer, wenn er das tat, war das Geräusch irgendwie fremd und gleichzeitig furchtbar … menschlich.
»Lilly«, begann er und fuhr sich mit beiden Händen durch die dichten, schwarzen Haare. »Du bist jung und impulsiv …« Ich wollte protestieren, aber Lucans strafender Blick hielt mich davon ab. »Du bist jung«, wiederholte er, »und voller Tatendrang. Idealistisch. Das ist etwas Gutes, Prinzessin, also sieh mich nicht so an. Aber in Momenten wie diesen musst du innehalten und dich daran erinnern, was deine Entscheidungen nicht nur für dich, sondern auch für dein Volk bedeuten. In deinem Fall für die gesamte Anderswelt.«
»Eine Lektion in Sachen Politik vom großen Lucan Vale, hm?«
»Ich weiß, wie du dich fühlst«, murmelte er, eher zu sich selbst.
»Die Verantwortung, die du trägst, ist groß, aber gerade jetzt, wo du anfängst etwas zu verändern und einen bleibenden Eindruck in den Welten hinterlässt, darfst du keine Schwäche zeigen.«
»Was genau ist dein Rat?«
»Reiß dich zusammen«, sagte er, ohne jegliche Schärfe in der Stimme. »Trauer von mir aus. Schieß ein paar Magazine leer oder betrink dich mit Duncan, aber morgen bist du wieder du selbst.«
»Keine Schwäche zeigen«, wiederholte ich seine Worte leise.
»Nicht den Ministern und den anderen Herrschern gegenüber, nein.«
Und dir? Beinahe hätte ich die Worte laut ausgesprochen. Beinahe.
Aber ich wollte nicht darüber reden, was gestern zwischen uns passiert war oder was ich gelernt hatte, jedenfalls nicht jetzt.
»Lilly …«
»Danke, Lucan. Für deinen Rat.«
Wie so oft waren seine Worte hart, aber fair. Und sie halfen. Seine reine Präsenz half mir, mich zu beruhigen und wieder klarer zu denken. Gereizt wischte ich mir meine leicht feuchten Hände an meiner Hose ab. Was für ein beschissener Tag.
»Ich soll mich also aus den Nachforschungen raushalten?«
»Vorerst, ja.« Er nickte. »Sobald die Zauberer aus Dhanikans und Runak die Leiche untersucht haben, wird Malik dir Bericht erstatten. Solange wir aber nicht wissen, womit wir es zu tun haben, hältst du dich raus und machst weiter im Text.«
»Weiter im Text?« Unwillkürlich begann ich zu grinsen.
»Wenn mich nicht alles täuscht, warst du gerade dabei, Olli den Befehl zu geben, eure Handelsverträge mit Crinaee zu kündigen, als man euch störte …«
»Woher … ach, egal.« Ich winkte ab und beschloss, mich nicht darüber zu wundern, woher Lucan diese Information hatte. »Sind wir denn jetzt sicher im Palast?«
Lucans schwarze Augen blitzten.
»Ja.«
Ich musterte ihn zähneknirschend. Die Arme vor der Brust verschränkt sah er stur auf mich herab. »Ein wenig mehr Informationen bitte.«
»Meine Männer haben sich rund um den Palast positioniert. Niemand kommt unbemerkt hier rein.«
Das hatten wir vor dem Tod des Ministers auch gedacht. Aber wenn Laurenti wirklich dahintersteckte, dann hätte er es vielleicht gar nicht so weit gehabt. Immerhin lagen das Adelsviertel und die Villen direkt hinter dem See der Balance und …
Ich kniff die Augen zusammen.
»Die Villen.«
Lucan nickte. »Laurentis Villa ist nicht einmal hundert Meter vom See entfernt.«
»Und er ist bereits in Arcadia, das heißt, er hätte die Schutzzauber nicht umgehen müssen.« Nervös sah ich mich im Thronsaal um. Mein Blick glitt über die Throne, die kostbar verzierten Wände bis hin zum enormen Eingangstor und dem Korridor dahinter. Ein Korridor, der Richtung Terrasse und damit Richtung See führte. Ein See, hinter dem die Adelsvillen lagen.
»Ist es möglich, dass er eine ähnliche Magie wie deine Schatten benutzt hat?«, fragte ich mich laut.
»Nein.« Lucan warf mir einen pikierten Blick zu. Scheinbar hatte ich ihn mit meiner Frage beleidigt. »Mit Sicherheit nicht.«
»Aber es gibt ähnliche Zauber?«
»Ja.«
Hm.
»Prinzessin …« Er zog das Wort in die Länge und ich verstand es als genau das, was es war: eine Warnung.
»Ich halte mich raus.«
Das hieß jedoch nicht, dass ich nicht ein wenig nachforschen konnte. In meiner Bibliothek. Mit Olli. Vielleicht konnte ich Malik und den anderen so helfen.
Erst einmal würde ich jedoch tatsächlich weiter im Text machen. Olli und ich hatten einen Plan und aktuell sah dieser Plan so aus, dass ich Narcos das Leben schwer machen würde. Phase Eins dieses Plans beinhaltete das Auflösen unserer Handelsverträge. Unsere Beziehungen zu Crinaee waren überschaubar und wir betrieben bei weitem nicht so viel Handel mit Narcos wie Drake, aber es reichte aus, um den falschen König – so nannte ich Narcos stets in meinen Gedanken – vor den Kopf zu stoßen.
Nach ein paar weiteren, nicht nennenswerten Floskeln trennten sich unsere Wege. Es gab so vieles, was Lucan und ich zu bereden hatten, aber dafür fehlte mir aktuell jegliche Motivation. Benimm dich wie die Monarchin, die du bist und sein willst.
Ein wirklich guter Rat.
Als ich die Palastküche betrat, war Nick bereits verschwunden und hatte Alina und Cora mit Olli zurückgelassen.
Also durfte mein Bruder mithelfen, ich jedoch nicht. Wut durchfuhr mich und ich begrüßte sie mit offenen Armen. Wut war so viel besser als die nervöse Überforderung, die ich seit heute Morgen empfand.
Ich trat an den großen Esstisch und meine Freunde sahen zu mir auf, wobei ihnen das aufgebrachte Funkeln meiner Augen nicht entging. Mittlerweile kannten sie mich einfach zu gut.
»Ist alles in Ordnung?«
»Du meinst abgesehen davon, dass man mich in Watte packen und in mein Zimmer sperren will?« Ich schnitt eine Grimasse.
»Alles bestens.«
»Lilly, ich weiß, dass sich raushalten nicht unbedingt deinem Naturell entspricht …« Wer hätte das jemals gedacht? »Aber du solltest den Palast wirklich nicht verlassen, solange wir nicht mehr wissen.«
»Ich stimme Alina zu«, Cora musterte mich streng. »Wir haben ein paar mehr Minister, aber nur eine zukünftige Königin.«
»Ich weiß.«
»Außerdem musst du …«
»Cora, ich weiß das, okay? Immerhin sitze ich doch hier und bin nicht da draußen.« Ich wies in Richtung Tür. »Was wollt ihr denn noch?« Grummelnd griff ich nach der Tasse, die Olli über den Tisch in meine Richtung schob.
»Wie geht es Laura und Jace?«
»Niemand außer uns hat etwas von dem Zwischenfall mitbekommen. Auch die beiden nicht. Ob du es ihnen sagst, ist dir überlassen.«
Laura würde ich bestimmt nicht einweihen, das kleine Mädchen war traumatisiert genug, aber Jace war erwachsen und er war ein Ghoul. Ein Ghoul, der von Minister Laurenti über fünf Jahre lang gefangen gehalten worden war. Eventuell würde ihm etwas Brauchbares einfallen, wenn ich ihm erzählte, was passiert war. Ich schrieb einen Besuch bei Jace auf meine mentale To-Do-Liste und wandte mich an Olli.
»Was ich heute Morgen gesagt habe, meine ich auch so. Ich will, dass du alle Handelsverträge mit Crinaee kündigst. Alles, was für unser Volk oder das Volk von Crinaee nicht überlebensnotwendig ist.«
Alina und Cora wechselten einen erstaunten Blick miteinander. Aber sie schwiegen.
»Habt ihr noch zu tun?«, fragte ich meine Freundinnen, »oder wollt ihr mir in der Bibliothek helfen?«
»Ich habe für heute frei. Runak untersucht die Leiche des Ministers, ein paar der älteren Heiler helfen ihm und alle Schüler wurden nach Hause geschickt.«
Cora nickte ebenfalls. »Ich wollte Laura später noch einen Besuch abstatten, aber ein paar Stunden hätte ich.«
Fragend sah ich zu Olli. »Es wird eine Weile dauern, die Verträge durchzugehen. Sobald ich soweit bin, dass du unterzeichnen kannst, stoße ich zu euch.« Er warf mir einen verschwörerischen Blick zu.
»Du kennst dich in der Bibliothek aus. Falls du etwas suchst oder Hilfe brauchst, lass nach mir rufen.«
Damit stand der Plan für den heutigen Tag. Nachdem ich bereits zweimal an diesem Morgen mit der Leiche des Ministers konfrontiert worden war, gönnte ich mir eine erneute Dusche – ich hatte ihn zwar nicht angefasst, fühlte mich aber dennoch irgendwie schmutzig –, nahm die Wechselklamotten von Alina dankbar an und verschanzte mich für den Rest des Tages in der Bibliothek. Barfuß und in ein zartrosa Wollkleid gehüllt, saß ich, die Beine angewinkelt, so lange in einem der schweren Sessel der Bibliothek, bis mir der Hintern einschlief. Alina und Cora verschwanden immer mal wieder für ein paar Minuten oder auch Stunden, ich hingegen bewegte mich so gut wie gar nicht. Nur, um mir ein neues Buch aus dem Regal zu holen. Wenigstens beherrschte ich meine Magie soweit, dass sie mir dabei helfen konnte, den schweren Lederbänden einen kräftigen Schubs zu geben, sodass sie direkt aus dem Regal und hinein in meine Hände fielen. Ein netter Partytrick, mehr nicht. Am frühen Nachmittag brachte Olli mir nicht nur etwas zu essen, sondern auch einen ganzen Stapel Papiere.
»Wenn es dir ernst ist«, sagte er, »dann unterzeichne…«
Ich unterzeichnete sie. Alle sieben. Zwei davon betrafen den Handel mit sirovine, die anderen überflog ich nur grob.
Offensichtlich versorgten wir Crinaee mit Getreide und halfen ihnen bei ihren Verhandlungen mit Fenodeere.
»Wir helfen Narcos, Waffen zu kaufen?«
»Jedes Königreich hat das Recht, sich zu verteidigen«, erklärte Olli mir. »Seit den Tagen des Clash sind alle noch lebenden Welten extrem wachsam geworden. Außerdem lieben Unsterbliche ihre Spielzeuge. Besonders die Kriegerinnen und Krieger. Ist dir das noch nicht aufgefallen?«
Und ob es das war. Ich selbst stand ganz oben auf der Liste, denn ich liebte valge und tume, meine beiden Schusswaffen aus Zwergenstahl.
»Crinaee spielt ganz weit oben mit, wenn es um den Verkauf von Pfeil und Bogen geht. In den Sümpfen rund um Thalos wachsen die besten und robustesten Bäume der gesamten Anderswelt, aber sie haben keinerlei Möglichkeit, Stahl zu produzieren und zu verarbeiten. Dafür sind sie, wie wir auch, auf Fenodeere und das Bergvolk angewiesen.«
»Dann bin ich nicht dafür verantwortlich, dass das Volk von Crinaee Hunger leidet, wenn ich das hier alles unterzeichne?« Olli schüttelte den Kopf. Mit meinen Unterschriften, brachte ich den Stein ins Rollen.
Alliandoan besaß guten, fruchtbaren Boden und unsere Farmer versorgten uns mit Fleisch, Getreide, Obst und Gemüse. Was wir nicht selbst anbauen konnten, bezogen wir aus Vesteria. Drakes Königreich war bekannt für die Zucht und den Verkauf von ausgefallenen Früchten.
Wir waren in der glücklichen Lage, dass wir uns, außer mit Waffen und Zaubern, selbst versorgen konnten, aber nicht alle Königreiche hatten solch ein Glück. Umso hirnrissiger war es, dass die Welten einander mit so viel Missgunst und Misstrauen gegenüberstanden. Wir waren aufeinander angewiesen. Wenn wir alle zusammenarbeiteten, dann würde die Anderswelt florieren und wachsen können, wie sie es einst getan hatte. So aber war jeder lediglich auf seinen eigenen Vorteil aus. Ich jedenfalls wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass das Leben für die Unsterblichen in Crinaee noch anstrengender wurde als es ohnehin schon war. Narcos war ein Tyrann und ich konnte mir seine Reaktion auf den Stapel Papier, mit dem Olli soeben abrauschte, lebhaft vorstellen.