Читать книгу Von Flammen & Verrat - Melanie Lane - Страница 9
ОглавлениеKAPITEL 4
Olli stürmte durch die Tür und direkt auf mich zu. »Wir haben Nachricht von Scio erhalten«, erklärte er begeistert.
Ohne auf Nick zu achten, sprang ich auf und schnappte mir meine Tasse und ein Croissant.
»Gehen wir!«
Seit Tagen saßen wir nur rum und taten nichts. Okay, das war so nicht richtig, wir studierten Handelsverträge, schauten uns die Strukturen von Anak und Permata an, machten Notizen und planten … dennoch war der Palast nahezu geisterhaft ruhig. Und sowohl Olli als auch Alina und die Assassinen glänzten vermehrt durch Abwesenheit.
»Lilly?«
Nick musterte mich aufmerksam, aber die erwartete Standpauke blieb aus. Anscheinend hatte er es sich anders überlegt.
»Wir … sehen uns heute Abend.«
Grinsend nickte ich meinem Bruder zu. Er versuchte es wirklich.
»Was war das?«, fragte Olli, als wir den Gang in Richtung der Bibliothek hinuntereilten.
»Nick 2.0.«, erwiderte ich kauend.
»Nicht übel.« Er zögerte kurz.
»Und was höre ich da von Lucan und dir?«
Ah, verdammt. Es war eine Frage der Zeit gewesen, das wusste ich, aber dennoch …
»Was hast du denn gehört?«
Wenn Olli es bereits wusste, dann würde es nicht lange dauern, bis die Information auch meinen Bruder erreichte.
»Keine Sorge, Lilly. Ich habe Informationsquellen im Palast, von denen kann dein Bruder nur träumen, und sie sind mir gegenüber sehr loyal.«
Das wollte ich wirklich hoffen. Bis jetzt wussten lediglich die Assassinen, Alina und Cora von meinem Glück. Und auch sie hatten mir geschworen, kein Sterbenswörtchen über Lucans und meine … Situation zu verlieren.
In der Bibliothek angekommen, verschloss Olli die Tür und versiegelte sie mit einem Zauber. Verschwiegenheit lag auf einmal in der Luft und ich ahnte, zu welcher Magie mein Freund gegriffen hatte. Jeder, der an der Bibliothek vorbeiging, würde uns nicht nur nicht hören, sondern auch den starken Drang verspüren, woanders hinzugehen.
»Ich kann nicht sagen, dass es mich überrascht«, fuhr Olli fort und ließ sich auf eines der großen Sofas vorm Kamin fallen. »Ich meine, eigentlich ist es offensichtlich für jeden.«
»Für mich war es das nicht!«
»Doch war es.« Olli schüttelte sanft den Kopf. »Etwas nicht zu wissen oder etwas nicht wahrhaben zu wollen, sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Vielleicht hast du es verdrängt oder dir eingeredet, dass es nicht sein kann, nicht sein darf, aber Lilly, diese Verbindung und Chemie, die ihr von Anfang an hattet? Nicht normal.«
Und schon wieder wurde ich als abnormal bezeichnet. Langsam wurde das hier zum Trend.
»Ich möchte nicht über Lucan sprechen«, antwortete ich schließlich stur, »erzähl mir von Scios Nachricht.«
»Nun denn.«
Für Olli war das Thema Lucan offensichtlich noch nicht abgeschlossen, aber er wusste auch, dass wir Wichtigeres zu tun hatten.
»Auf unsere Anfrage hin haben die Gelehrten die letzten Wochen nachgeforscht«, er warf mir einen Blick zu, »daher war ich so oft in Anak. Heute haben sie etwas gefunden.«
Ich rutschte ein wenig vor, zu neugierig, um still sitzen bleiben zu können.
»Die Gerüchte sind wahr.«
»Ich wusste es!«, rief ich und sprang auf. »Ich wusste es«, flüsterte ich erneut und wandte mich zu Olli um. »Wie finden wir sie?«
»Das ist die Herausforderung.«
»Wie meinst du das?«
»Wir können sie nicht finden. Die Gelehrten auch nicht, nicht ohne das vesti rammat. Das heilige Grimoire aus dem Palast in Thalos.«
Sprachlos sah ich Olli an. »Das ist ein Witz, oder?«
Mein Freund seufzte tief, ehe er zur Bar hinüberschlenderte und sich eine klare Flüssigkeit in eines der schweren Kristallgläser füllte. Bei meinen ersten Besuchen in Arcadia hatte ich aufgrund der gut bestückten Bar inmitten der Bibliothek die Nase gerümpft, mittlerweile aber wusste ich das Ding definitiv zu schätzen. Nicht jedoch nach meinem Totalausfall. Olli hob fragend eine Augenbraue, und ich schüttelte den Kopf. Dank meines letzten Barbesuchs mit Duncan würde ich wohl eine Zeit lang auf Alkohol verzichten. Die Tatsache, dass Olli so früh am Morgen zu Schnaps griff, machte mich nervös.
»Was heißt das jetzt für uns?«
»Das heißt«, erwiderte er und trank einen großen Schluck, »dass wir irgendwie nach Crinaee und in Narcos Palast in Thalos kommen müssen.« Er sah mich an. »Du, um genau zu sein, denn Narcos hat Crinaee für alles und jeden außer Sklaven und Händler geschlossen. Und das Auflösen unserer Handelsverträge hat ihn nicht unbedingt sanftmütiger gestimmt. Die Grenzen werden streng kontrolliert und Portalreisen sind nur unter Aufsicht erlaubt.«
Na, wunderbar.
»Wie bringe ich ihn dazu, mich einzuladen?«
»Narcos wird dich nicht einladen, Lilly. Zukünftige Königin hin oder her. Er hat zu viel Angst, dass du ihn von seinem ergaunerten Thron stößt.«
»Dann brauchen wir einen guten Grund für eine Einladung.« Oder eine Vorladung, dachte ich. Wenn das Auflösen unserer Verträge nicht gereicht hatte, mussten wir vielleicht zu drastischeren Maßnahmen greifen. Ich starrte in die Flammen des magischen Feuers. Drastischere Maßnahmen, einen besseren Grund … die goldgelbe Farbe der Flammen erinnerte mich an etwas. Oder eher jemanden.
»Drake.«
»Was ist mit Drake?«
»Vesteria hat vor ungefähr zehn Jahren alle seine Handelsabkommen geändert«, erklärte ich, obwohl ich mir recht sicher war, dass Olli das bereits wusste. »Narcos vertraut Drake, weil er den Prinzen ebenso machthungrig wie sich selbst glaubt. Wir müssen Drake dazu bringen, etwas zu ändern«, murmelte ich. »Er muss Narcos in meinem Namen so stark provozieren, dass dieser mich nach Crinaee einlädt.«
Oder vorlädt.
»Und wie willst du das schaffen?«
»Ich rede mit Drake, überzeuge ihn von unserer Sache.« Alleine.
Ich musste alleine mit dem Prinzen der Formwandler sprechen. Ohne Wachen und Eskorte. Vor allem aber ohne Lucan. Der Assassine würde toben vor Wut, wenn ich ihm meine Gründe für diese Reise erklärte. Das Letzte, was Lucan wollte, war ich, in der Nähe von Drake Careus. Und nach der netten kleinen Botschaft, die ich erhalten hatte, würden Malik und Nick mich auf keinen Fall alleine reisen lassen. Das war unter guten Umständen schon unmöglich, da die Nachforschungen zum Tod des Ministers jedoch ins Nichts liefen, waren alle noch ein wenig besorgter als ohnehin schon. Es sah wohl so aus, als ob ich Drake würde vertrauen müssen. Ambitioniert hin oder her, ich hatte ein gutes Herz in ihm erkannt und darauf würde ich mich verlassen. Immerhin verlangte ich von ihm ebenfalls, mir zu vertrauen, dann musste ich mit gutem Beispiel vorangehen und den ersten Schritt in dieser Beziehung machen.
»Wir müssen das geheim halten«, wandte ich mich an Olli und hörte ihn seufzen.
»Das wird nicht leicht werden. Jeder hier beobachtet dich mit Argusaugen.«
So wie er das Wort jeder betonte, wusste ich genau, wen er meinte.
»Dann müssen wir uns ein wenig mehr Mühe geben. Ich werde Alina einweihen, damit sie Nick ablenkt. Glaubst du, du kannst die Assassinen auf eine Mission locken?«
»Ich? Wohl eher nicht. Schon gar nicht auf eine, bei der Lucan mitgeht und dich alleine lässt.«
Ich ignorierte Ollis Sarkasmus.
»Denk dir etwas aus. Ich spreche in der Zeit mit Alina und wenn es gar nicht anders geht, holen wir Duncan ins Boot.«
Natürlich ging es nicht anders. Stöhnend hörte ich mir den mittlerweile sechsten Grund an, warum Duncan meinen Plan nicht nur für gefährlich, sondern auch für dumm hielt.
»Und siebtens«, zählte der Assassine auf, »selbst wenn alles klappt und du wieder hier bist. Was meinst du passiert, wenn Lucan Vesteria an deiner Aura erkennt? Wenn er Drake an dir riecht? Er wird durchdrehen. Das ist etwas, was du nicht vor ihm geheim halten kannst. Schon gar nicht jetzt, wo ihr wisst, wer ihr füreinander seid. Ihr habt eine Verbindung, Lilly. Er wird es spüren.«
»Er hat kein Recht, durchzudrehen, Duncan.« Das Spiel konnten auch zwei spielen.
»Hör mal«, ich setzte mich auf und griff nach den Händen meines Freundes, »das ist wirklich, wirklich wichtig, Duncan, du musst mir da vertrauen.«
»Aber … «
»Bitte«, fügte ich rasch hinzu, »du bist mein bester Freund!« Duncans Augen verengten sich zu gefährlich kleinen Schlitzen.
»Das ist nicht fair.«
»Aber es ist wahr.«
Einen Moment lang schwieg er und dann: »Verdammt, Lilly. Verdammt. Verdammt. Verdammt.«
»Heißt das ja?«
»Er wird uns beide umbringen, das ist dir klar, oder?«
Dann würde er seine komplette Familie ermorden, Gefährtin und Sohn, dachte ich, und zuckte augenblicklich leicht zusammen. Huch, wo war der Gedanke denn hergekommen?
»Wird er nicht«, beruhigte ich Duncan und ein Gefühl von Déjàvu überkam mich.
Um den Fallout Lucan Vale würde ich mich kümmern, wenn es so weit war.
»Hast du schon eine Idee, wie du es anstellen willst?«
»Ich glaube, ich weiß, womit ich die Assassinen weglocken kann. Zumindest Lucan. Die anderen werden sich im Trainingszentrum beschäftigen. Außer King«, murmelte er nachdenklich, »aber den wird er mitnehmen. Ebenso mich. Du bist also wirklich auf dich alleine gestellt.«
»Drake wird mir nichts anhaben, Duncan.«
»Ich hoffe von Herzen, dass du Recht hast, Prinzessin.«
Den sogenannten Argusaugen aus dem Weg zu gehen, war in der Tat leichter gewesen, als gedacht, denn nicht nur ich schien den Assassinen-König zu meiden. Auch Lucan machte einen möglichst großen Bogen um mich.
Wir blieben noch zwei weitere Tage in Arcadia, ehe unsere kleine Gruppe, minus Cora, die noch ein wenig bei Laura bleiben wollte, zurück nach Hause aufbrach.
Danach dauerte es zwei weitere, ereignislose Tage, bis sowohl Alina als auch Duncan mir ihr Go gaben. Wahrscheinlich war es Duncan nicht schwer gefallen, seinen Ziehvater zu einer Mission zu überreden, ebenso die anderen Assassinen. Trainiert hatten wir seit dem Zwischenfall in Arcadia jedenfalls nicht mehr und die nervöse Energie im Haus war mit Händen greifbar. Die Männer freuten sich wahrscheinlich sogar über einen Kampf. Seit unseres kurzen Gesprächs im Thronsaal waren Lucan und ich wirklich gut darin geworden, uns aus dem Weg zu gehen. Offensichtlich wollte keiner von uns über die letzten Tage sprechen und ich würde ganz sicher nicht den ersten Schritt machen. Also mieden wir uns. Es war kindisch, aber aktuell spielte es mir in die Karten, daher schwieg ich.
Einen weiteren Tag später war es soweit. Lucan und seine Männer waren soeben zu einer von Duncan initiierten Mission nach Permata aufgebrochen, und ich? Ich stand, in einen langen, schwarzen Mantel gekleidet, vor meinem Spiegel und wartete auf Ollis Go. Was genau hatte ich mir nochmal dabei gedacht? Mein Magen flatterte nervös. Es war das erste Mal, dass ich alleine durch ein Portal in eine andere Welt reisen würde. Natürlich kannte ich Vesteria mittlerweile. Immerhin war ich schon zweimal dort gewesen, das schien mein wild pochendes Herz jedoch nicht zu interessieren. Es klopfte leise an der Tür und Olli streckte seinen Kopf hindurch.
»Die Krieger sind weg. Alina ist mit Nick und Malik in Arcadia und alle denken sie, dass du und ich Bücher wälzen.«
Ich atmete tief durch und nickte.
»Es ist nicht zu spät, alles abzublasen, Lilly.«
»Nein!«
Die Mission war wichtiger als meine Zweifel oder meine schwachen Nerven. Ich würde das hier durchziehen.
»Ich bin bereit.«
Olli erwiderte meinen Blick grimmig. »Dann komm. Ich begleite dich zum Portal. Den Zauber habe ich dabei.«
Gemeinsam schlichen wir wie zwei Gangster durch das leere Haus. Am Waldrand angekommen drehte Olli sich zu mir um.
»Ich bewundere dich für deine Courage und deine Vision, Prinzessin. Vergiss das nie. Und vergiss nie, wofür du das alles machst, okay?«
Lächelnd umarmte ich meinen Freund rasch, ehe ich durch das Portal stieg. Genau diese Worte hatte ich hören müssen, dachte ich, und kämpfte gegen die mir mittlerweile bekannte Übelkeit an. Es wurde besser, ja, aber langsam. Ohne Lucans Zauberkraut konzentrierte ich mich für einen Moment lediglich auf meine Atmung, während ich ein paar Schritte durch den Wald lief, immer in Richtung Fenrys.
Es dauerte nicht lange, bis man mich entdeckte. So akribisch, wie die Grenzen überwacht wurden, war dies kein Wunder. Jeder Funken fremder Magie wurde augenblicklich registriert. So war es bei uns und so war es auch in Vesteria, Thaumas oder den anderen Welten. Langsamen Schrittes ging ich auf die großen Steintore von Fenrys zu. Die Tore waren offen, dennoch wusste ich, dass man mich nicht so einfach passieren lassen würde. Binnen weniger Sekunden eilten zwei alarmiert aussehende Wachen auf mich zu.
»Gebt Euch zu erkennen, Fremder.«
Und genau deswegen hatte ich auf einen Verhüllungszauber verzichtet. Es war wichtig, vielleicht lebenswichtig, dass man mich erkannte. In einer flüssigen Bewegung nahm ich die Kapuze vom Kopf und enthüllte sowohl meine hellen, silbrig schimmernden Haare als auch meine ungewöhnlichen Augen. Und das verfluchte Flügeldiadem, das ich, einer Eingebung folgend, aufgesetzt hatte.
»Ich bin Lillianna Callahan, Prinzessin Alliandoans und der sieben Welten, und ich bin hier, um Drake Careus zu sprechen.«
Die Männer vor mir wichen erstaunt zurück.
»Eure Hoheit«, verbeugten sie sich sofort, »wo sind Eure Wachen? Reist Ihr alleine?«
Der Mann vor mir sah mich schockiert an. Sein pikierter Gesichtsausdruck erinnerte mich so sehr an Malik, dass ich mir ein Lächeln nur mit Mühe verkneifen konnte.
»Es ist wichtig«, beharrte ich, »bringt mich zu eurem Prinzen.«
»Natürlich, Hoheit. Bitte folgt uns.«