Читать книгу Mitternachtswende - Melanie Ruschmeyer - Страница 7

Das Erwachen

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››Deine Koordination ist einfach nicht dafür gemacht‹‹, sagte Gray und lachte kehlig. ››Vielleicht sollten wir ihm einen Bildschirm als Baumkrone aufsetzten, dann kann er sicherlich mehr damit anfangen!‹‹

Marc stand vor der Wohnzimmertür und versuchte den überdimensionalen Weihnachtsbaum durch die Tür zu wuchten. Auch wenn die Tanne in ein schützendes Netz gewickelt war, sah der Boden unter seinen Füßen aus wie ein Nadelschlachtfeld.

››Das passt einfach nicht!‹‹, fuhr er Grayson an und schnaubte vor Wut. ››Wer kam überhaupt auf die glorreiche Idee dieses Monstrum zu kaufen?‹‹

››Ich‹‹, sagte Celest und verschränkte abwertend die Arme vor der Brust.

››Na super,... und wieso versuchst du dann nicht dein Baby ins Wohnzimmer zu bekommen, wenn du der Meinung bist, das das hier durch passt?‹‹ Marc hielt inne und schaute missmutig drein.

››Ganz einfach‹‹, sagte sie und grinste breit, ››weil du hier von allen am wenigsten im Haushalt machst.‹‹

Marc grummelte und seine Augenlider fielen weit nach unten.

In den letzten Minuten hatte sich die gesamte Familie im Wohnzimmer eingefunden, um diesem Schauspiel zu frönen.

››Na ja, außerdem ist mir zu Ohren gekommen, wie lautstark du meine letzte Abwesenheit … hm …, wie soll ich sagen?‹‹, Celest tippte sich nachdenklich mit dem Finger auf die Lippen, doch jeder konnte sehen, dass sie bereits wusste, was sie sagen wollte. ››Ach ja, wie lautstark du meine letzte Abwesenheit untermalt hast.‹‹

››Das ist nicht fair‹‹, schmollte Marc. Er blies die Wangen auf und sein Blick fiel abermals auf den grünen Koloss.

››Sei kein Kind, Marc, mach dich mal nützlich‹‹, feixte Josy. Ganz kurz schaute sie an der Videokamera vorbei und verschwand sofort wieder dahinter. Sie wollte diesen Moment unbedingt für die Ewigkeit festhalten. Und wenn Carla so darüber nachdachte und Marcs Gesichtszüge betrachtete, fand sie diese Geste auch mehr als angebracht. Es war einfach zu amüsierend! Darüber konnte man auch noch die nächsten Jahre lachen.

››Lass ihn ja heile. Ich zähle im Anschluss die Nadeln, die er verloren hat! Und wenn er mir nicht mehr gefällt, weil er teilweise kahl ist, besorge ich uns einen neuen, größeren!‹‹, spaßte Celest und ein Ruck ging durch Marc. Er war vermutlich ziemlich gefrustet. Mit einem Stöhnen kündigte er seine Befürchtung an, dass er bereits davon ausging, er müsste diese Arbeit nochmals tätigen. Schmollend schaute er an sich herunter und schien bereits zu zählen.

Schließlich seufzte er, schaute wieder auf und gab sich sichtlich geschlagen. Abermals schätzte er ab, wie er am besten durch den Türrahmen kam.

Währenddessen kicherten Li und Gray wie zwei Kleinkinder, was Marc wohl reichlich missfiel. Aber wer mochte es schon im Mittelpunkt zu stehen und die Lachnummer zu sein?

Es war unübersehbar wie Marc schmollte, doch er versucht krampfhaft sich aus seiner Lage zu befreien. Vorsichtig setzte er den Baum an den Rahmen an und wägte ab, wie viel breiter das Netzpaket war. Ihm schien allmählich klar zu werden, dass ihm nur die Chance blieb es extrem schnell zu gestalten, um den Nadelverlust gering zu halten.

››Kann wenigstens einer von euch die Spitze halten? Wenn ich versuche mich mit durch die Tür zu quetschen, riskiere ich, das er noch mehr Nadeln verliert.‹‹ Marc sah nicht auf. Er glaubte wohl nicht wirklich daran, dass ihm jemand zur Hilfe kam.

Carla mochte ihn und wollte ihn nicht noch länger der Schadenfreude der restlichen Familie aussetzten. Sie alle hatten ihren Spaß gehabt.

Geschmeidig wie eine Katze mit einem verführerischen Hüftschwung trat sie vor und griff nach der Tannenspitze. ››Du wirst mir etwas schuldig sein‹‹, schnurrte sie und Marc hob verdutzt den Kopf.

Hinter Carla ertönte Protest von Li: ››Spielverderber!‹‹

››Sarah hat recht‹‹, stimmte Josy ihr zu und ließ die Videokamera sinken, ››irgendwann muss es gut sein.‹‹

Erleichterung erfasste Marcs Miene und er lächelte. Schnell drückte er das Bündel durch den Türrahmen und Carla zog. Es ging fix, aber gequält. Ein leises Quietschen drang an Carlas Ohren, weil das Kunststoffnetz an den Rahmen drückte. Nadeln prasselten auf den Untergrund, aber der Weihnachtsbaum hatte seinen Weg hinter sich gebracht.

Tänzelnd kam Elest an und riss das Netz auf.

››Sie liebt Weihnachten und kann es gar nicht erwarten den Baum zu schmücken‹‹, erklärte Celest und lächelte breit.

Während Marc mit Gray die Tanne aufrichtete, verschwand Josy und kam mit etlichen Holzkisten zurück. Gestapelt überragten sie die Schwarzhaarige, die nur durch ihre ausgesandten Schallwellen wusste, wohin sie trat.

Li kümmerte sich um die Stimmung. Seine Stereoanlage, die er eigenst für Floras Geburtstagsfeier gekauft hatte, nahm ihren Betrieb wieder auf. Weihnachtslieder durchdrangen das gesamte Haus und machten auch vor Carlas Herz nicht Halt.

Sie bestaunte die Tanne und war sichtlich überwältigt. Ihr erster Weihnachtsbaum! Wie ein Kind, das zum ersten Mal das Fest erlebte, hüpfte sie um das grüne Monstrum herum.

Obgleich er ein paar Nadeln hatte lassen müssen, die Tanne war immer noch prächtig und prall. Ihre Spitze bog sich an der Decke und müsste noch abgeschnitten werden, damit sie mit einem schönen Stern verziert werden konnte.

Alle packten mit an. In Rot und Gold begann die Tanne ihren Glanz noch zu verstärken. Wie Kugeln aus überreifen Äpfeln und teurem Gold glitzerten sie Carla an. Die Männer kümmerten sich um die Lichterkette, die so lang war, dass sie mehrere male im großen Wohnzimmer vor und zurück ausgelegt werden musste. Dabei feixten und spaßten sie. Eine Familie; glücklich, zusammen und eine Einheit. Und Carla gehörte dazu. Um nichts in der Welt würde sie diesen Platz wieder hergeben!

Es war dieses Glück und diese Freude, die in ihr eine Erinnerung aufkommen ließen, die sie etwas beängstigte. Verstohlen blickte sie zu ihrer Armbanduhr und wusste, dass es nur noch wenige Stunden waren.

››Wann kommt noch mal der Besuch?‹‹, fragte sie und machte ihren Gedanken Luft.

Celest legte den Kopf schief und blickte über die Schulter zu ihr herüber. ››In etwa fünf Stunden. Ich bin froh, dass es überhaupt noch vor Weihnachten geklappt hat. In dieser Zeit einen Flug aus Alaska zu bekommen, der auch wirklich stattfindet, ist nicht so einfach.‹‹

Aus Alaska?! War Celest etwa dorthin gefahren? Carla dachte an ihre Lauschaktion und durfte sich nicht verraten. Nur zu gerne hätte sie weitergebohrt, beließ es aber dabei und versucht auf einer anderen Ebene weiter zu kommen: ››Mein Gott, aus Alaska!? Bei den Temperaturen würde wohl jeder flüchten! Wird der Besuch abgeholt, oder kommt er mit einem Taxi?‹‹

Die Hausherrin wandte sich wieder der Verschönerung des Baumes zu und sprach dabei weiter: ››Einem Vampir macht die Kälte nichts, oder dachtest du, ich lade einen Menschen zum Fest ein?‹‹ Plötzlich wurde sie melancolisch: ››Wenn man so lange lebt, wie ich, dann sucht man sich nur noch Gleichgesinnte. Menschen, die man lieb gewonnen hat, sterben eines Tages. Es ist nicht gerade der schönste Teil des unsterblichen Lebens, wenn man ihn ständig durchleben muss. Aber um deine Frage zu beantworten: Elest wird sie nachher vom Flughafen abholen.‹‹

Zwar waren dies nicht gerade viel Informationen, aber sie brachten Carla weiter.

Um den unbekannten Besucher handelte es sich also um einen weiblichen Vampir.

Die Neugier kitzelte in ihren Fingern. Sie drehte eine rote Weihnachtskugel in ihrer Hand und betrachtete ihr verzogenes Abbild, welches sich darauf spiegelte. Bald würde sie ihrem Feind gegenüberstehen. Was sie wohl für ein Vampir war? Ein Seelenaustreiber vielleicht?

Plötzlich quoll die Erinnerung an Chui hervor, der sich anfangs als Exorzist angepriesen und Sarah vollkommen überrumpelt hatte. Dies würde ihr nicht widerfahren! Carla war der festen Überzeugung, dass der Selbsterhaltungstrieb ihr den Sieg bringen würde. Egal, was diese Person aufzubringen vermochte, um sie zu bekämpfen, sie würde den Kampf gewinnen. Sie musste einfach! Carla musste es allen zeigen!

Aber dennoch, als sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog, schwang auch ein Hauch von Angst mit. Wie eine schwere Bürde legte er sich auf ihre Schulten. Drohend drückte sie die Last nach unten und sie stemmte sich vehement dagegen.

Erneut vernahm sie einen Schrei. So unglaublich gequält und zerrissen, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Dieses Mal brauchte sie nicht in sich hineinsehen, um sich zu vergewissern, wer der Auslöser war. Nicht noch einmal wollte sie ihre traurigen, entsetzlichen Augen sehen, denn sie glaubte, ihnen erliegen zu können. In dieser Sekunde verlor sie jegliche Beherrschung. Alles verselbstständigte sich.

Wie in Trance erschlafften ihre Arme; so schwer wie Millionen von Tonnen.

Dabei verlor sie die rote Weihnachtskugel. Fast wie in Zeitlupe fiel sie herunter und zerschellte klirrend auf dem Boden. Etliche, spitze Scherben schossen in alle Richtungen und glichen makaberen Blutstropfen, die sich im Wohnzimmer verteilten.

Alle Blicke luden sich auf sie ab. Die komplette Familie hielt in ihrer Arbeit inne und musterten sie verdutzt.

Ein Gurgeln und Glucksen hallte durch den Raum, wie eine brachiale Meereswelle. Ihr Magen verkrampfte und sandte unbeschreibliche Schmerzen aus. Jedes Körperteil reagierte darauf und stimmte in das Konzert mit ein. Galle kroch die Speiseröhre empor und ließ Carla geräuschvoll würgen. Wieder einmal gaben ihre Beine nach, wollten der Kraft erliegen und zitterten. Im nächsten Moment sackte sie zusammen wie ein nasser Sack.

Josy war die Erste, die sich aus ihrer Starre lösen konnte. Carla erkannte nur aus dem Blickwinkel, wie sie das Zimmer verließ und extrem schnell mit einer Metallschüssel zurückkam. Gerade als ihre Freundin das Gefäß unter ihr Kinn hielt, schnappte Carla danach. Knirschend kratzten ihre Nägel am Material und wollte die rettende Schüssel nicht mehr hergeben.

Und dann passierte es.

Als der Magenkrampf abermals wie eine Druckwelle den Körper schund, musste sie sich übergeben. Angewidert spuckte sie aus und keuchte.

Niemand sagte etwas. Die weihnachtliche Musik im Hintergrund klang plötzlich mehr als grotesk.

Carla war zum Weinen zumute. Sie fühlte sich nicht nur schlecht, sondern erniedrigt. Wollte ihr Verstand ihr somit klar machen, dass ihre Gedanken von vorhin nichtig waren? Dass sie keine Chance hatte sich diesem Besuch und ihrem Ende zur Wehr zu setzten?

Geschockt sah sie in die Schüssel hinein und fand dort pures Blut vor. Unberührt, fast rein, als hätte man es gerade erst aus einer Konserve genommen.

Dann wurde ihr Schwarz vor Augen. Das Gefühl von Schwerelosigkeit ergriff sie und zog sie weit fort. Sie hörte noch wie das Blut in der Metallschale schwappte und spürte wie ein Luftzug ihre Wangen streifte. Der Hauch war ganz nah. Jemand musste nach der Schüssel gegriffen haben, um sie vor dem Fall zu bewahren.

Carla fühlte sich so unbeschreiblich leicht. So musste sich eine Feder fühlen. Die Feder eines Vogels, der in der Nacht umherflog, denn sie sah nichts außer Dunkelheit.

Stimmen versuchten die Finsternis zu durchdringen, doch sie war nicht mehr anwesend.

››Das muss doch bald ein Ende finden! So kann es nicht weitergehen!‹‹, zischte Josys Stimme.

››Bald ist sie da, dann haben wir Gewissheit. Bis dahin können wir nur warten!‹‹ Celest klang seltsam befremdlich; fast ängstlich und energisch.

››Was geht hier eigentlich vor?‹‹, knurrte Grayson.

Doch auch wenn diese Sätze noch an Carlas Ohren drangen, waren sie prompt wieder vergessen. Ihr Unterbewusstsein zwang sie zur Ruhe, die sie sich zweifelsohne lange nicht mehr gegönnte hatte. Und so schlief sie ein und gab sich der Bewusstlosigkeit hin.

Die Sonnenstrahlen stachen durch das Fenster hindurch wie dicke Lichtkegel. Grell versuchten sie die ersten Augenaufschläge Carlas zu behindern.

Sie konnte nichts sehen, war geblendet von der Helligkeit. Es kam ihr fast so vor, als seinen ihre Augen verklebt. Sie sträubten sich vor der Sonne und schlossen sich automatisch. Jeder Versuch das Umfeld zu betrachten, misslang.

Lautstark gab sie sich einem Seufzer hin und blinzelte. Die Finsternis zuvor war ihr lieber gewesen. Obgleich sie sich an nichts mehr erinnern konnte, aber dieses Licht brachte sie fast um den Verstand. Es schien ihr völlig fremd zu sein. In diesem Moment kam es ihr so vor, als öffnete sie zum ersten Mal ihre Augen; erwacht in einer unbekannten Welt.

Ihr Körper war schwer wie Blei. Ihr Kopf so leer, als hätte er noch nie an etwas denken müssen. Ihr Verstand allerdings schien Carla inständig vor etwas zu warnen. Heiß wie brodelnde Lava brannte sich ein Schrei hinein und hallte durch ihre Hülle. Jede Zelle begann zu reagieren und zu zucken.

Sie wollte es nicht, aber dennoch schlug sie die Augen schlagartig auf. Die grelle Sonne stach in sie hinein, wie unbeschreiblich schmerzhafte Schwerthiebe.

Carla war sich gerade ihrem Körper sehr fern und trotzdem reagierte er auf sie. Als Schutz hob sich der Arm an und belegte das Gesicht mit einem Hauch von Schatten.

All diese Reaktionen in den letzten Wochen brachten ihren Körper zum Erliegen. All der Schmerz und der Zerfall nagten an ihr wie ein Raubtier. Wie konnte sie dies nur stoppen? Wie?

Erneut schloss sie ihre Augen und gab sich der Schwärze hin. Dabei tastete sie ihre Umgebung ab. Wo war sie überhaupt?

Ihr Untergrund war weich und bequem. Neben ihr ein Tisch. Eine Tür in der Nähe. Ah, das Wohnzimmer. Der Geruch der alten Bücher, der ihre Nase kitzelte, war unverkennbar. Heute allerdings war der Raum weit mehr mit einem anderen Duft erfüllt. Tanne. Frisch wie im Wald verströmte er seinen Geruch.

Als Carla ihn beruhigend auf sich wirken lassen wollte und ihn tief einatmete, schwappte ein weiterer Duft auf sie ein. Wie eine Schlange schlängelte sich in ihre Nase und war unbeschreiblich betörend. Flammende Begierde versenkte die Kehle und auch ihre Augen gierten glühend danach. Hitze erfasste die Augenhöhlen. Das Herz begann zu rasen. Vermehrter Speichel plagte auf einmal ihren Mund.

Erst als ihre Neugier die empfindlichen Schallwellen abermals antrieb, wurde ihr klar, dass sie nicht allein war. Jemand saß ihr gegenüber. Die Person war von einer Wolke aus Kräutern umgeben. Wie eine schützende Wand verbarg er den Eigengeruch ihres Gegenübers.

Nie zuvor war Carla so beeinträchtigt gewesen, wie in diesem Moment. Sie spürte die Macht, die dieser Duft auf sie auswirkte. Er war beständig und kraftvoll. Er schien ihrem Körper neue Befehle zu senden und ihn tanzen zu lassen.

Dennoch versuchte sie vehement sich zu beherrschen und die Gier nicht nach außen zu tragen. Ihr war nur zu gut bewusst, wer dieser Gast sein musste. Durch das Tasten war ihr nicht entfallen, dass es sich um eine Frau handelte. Es musste die Frau sein, die sie schon lange erwartet hatte.

››Wie spät ist es?‹‹, hauchte Carla fast tonlos.

››Sieben Uhr abends‹‹, sagte die Frau mit tiefer Stimme.

Carla antwortete erheitert: ››Dann ist ja gut, ich dachte schon, ich hätte das Geschenkeauspacken verpasst.‹‹

››Sieben Uhr abends am nächsten Tag.‹‹

››WAS?‹‹

In nur einer Sekunde saß sie senkrecht auf dem Sofa und hatte ihre Augen abermals weit aufgerissen. Die Erkenntnis das freudige Ereignis verpasst zu haben, war ein Schock, der sehr weh tat.

››Du hast mehr als einen Tag verpennt, Herzchen! … Was würde ich dafür geben auch mal wieder richtig zu schlafen!?‹‹ Die Dame zuckte mit den Schultern und schmunzelte.

››Das ist alles andere, als lustig!‹‹, fachte Carla sie an. Die Augenhöhlen begannen zu brennen und der blanke Hass schoss in ihre Adern. Niemand konnte etwas für ihre Lage, aber es schien gerade diese Art von Hilflosigkeit zu sein, die sie zu hassen begann und energisch verfluchte. Allem voran verharrte der Gedanke, dass wohl diese Unbekannte es sein musste, der Carla an den Kragen wollte. Es war nicht nur die Tatsache, dass sie einen ganzen Tag verloren hatte, sondern die Anwesenheit dieser Person, die sie wie Gift traf und verätzte. Angst, Sorge, Verzweiflung und Hass brachen über sie herein wie ein Gewitter. Gefühle waren etwas, was Carla nicht brauchte, sie machten sie schwach und dennoch waren sie so süß wie Honig. Carla hatte auch die guten Seiten des Lebens erfahren und die wollte sie nicht mehr hergeben. Ein Zwiespalt der einen frostigen Schauer über ihren Rücken wandern ließ.

Gekonnt rief sie sich zur Ruhe. Inständig hatte sie sich eingeredet, dass sie stark sein musste. Carla konnte nicht wissen, was ihr für ein starker Vampir gegenüber saß.

Sie drehte den Kopf und wollte ihren vermeidlichem Feind in die Augen blicken. Was war dies für eine Frau, die man geholt hatte, damit sie ihr den Teufel austreiben oder sie gar töten sollte? Welcher mächtigen Fähigkeit würde sie gleich ausgesetzt werden? Alle Muskeln spannten sich zum Zerreißen an, jeder Zeit bereit einer Attacke auszuweichen, oder ihr entgegen zu wirken.

Der Anblick war seltsam. Er war alles andere, als bedrohlich. Carlas wutdurchtränkte Augen verloren ihr Flimmern und der Mund öffnete sich leicht. Fassungslosigkeit untermalte ihre Mimik.

Es war wohl das erste Mal, dass Carla einen alten Vampir sah. Stets waren es nur junge Körper, die man verwandelt hatte. Schön. Perfekt. Zwar war sie alles andere, als hässlich, doch auch das Gift der Verwandlung hatte es nicht vollbracht die Alterszeichen zu verwischen.

Die Sechzig war schon lange überschritten. Etliche Falten gruben sich in ihr Gesicht. Ihr schulterlanges Haar war grau und teilweise mit weißen Strähnen durchzogen. Die Unbekannte trug eine dunkle Rüschenbluse und einen dicken Wollrock, die so gar nicht zu den Gästehausschuhen passten.

Carlas Reaktion auf ihr Äußeres schien sie nicht zu beirren. Wahrscheinlich war sie es bereits gewohnt.

››Wer bist du?‹‹ Carla hatte die Frage gestellt, ohne nachzudenken. Dabei wurde sie von so vielen anderen geplagt, doch nur diese fand den Weg nach draußen. Angst war in weite Ferne gerückt. Sehr oft trügt der Schein, dessen war sie sich bewusst. Nicht umsonst war sie ein Vampir, der sich ebenfalls hinter einer modelsgleichen Fassade versteckte. Doch konnte diese Frau wirklich jemanden etwas antun? Sie sah so friedlich aus; so ruhig und gelassen.

Die alte Frau lächelte und antwortete: ››Ich heiße Sally und du bist die Sarah, oder Herzchen?‹‹ Der Unterton, der durch das Wort oder hallte, missfiel Carla gewaltig. Es traf sie wie ein Stich mitten ins Herz.

››Wo sind die anderen?‹‹, fragte sie ohne ihr eine Antwort auf die Frage zu geben.

Wie als wollte Sally ablenken und etwas Zeit schinden, faltete sie ihre Hände mit Bedacht und Dauer. ››Ich habe sie auf ihre Zimmer geschickt. Lediglich Josy erledigt etwas für mich.‹‹

Böswillig erwiderte Carla ihren Blick. Die Aura dieser Person war so undurchdringlich, dass sie sie nicht einzuschätzen wusste. Die Gefühle versuchten sie zu entzweien; ihr Angst vorzugaukeln, obwohl sie diese vor einer alten, zerbrechlichen Frau nicht haben sollte. Aber warum gebührte Sally uneingeschränkter Gehorsam? ››Wieso sollte die Hausherrin dir gehorchen?‹‹

Sally lachte. ››Gehorchen? Mir? Nein, nein, Herzchen. Ich habe sie gebeten, weil ich mit dir alleine sein wollte.‹‹

››Also ist es wahr, man will mich loswerden‹‹, knurrte Carla und war prompt wieder auf der Hut.

Sally schüttelte nur den Kopf. ››Wie kommst du denn darauf? Ganz im Gegenteil, man möchte dir helfen. Man sagte mir, dass es dir in letzter Zeit nicht gut geht und vielleicht kann ich deine Beschwerden lindern.‹‹

Ein drohendes Knurren verließ Carlas Kehle und sie drückte sich an die Rückenlehne des Sofas. Distanz schaffen war momentan ihr oberstes Ziel. Die Gedanken zu ordnen, ihr zweites, allerdings wollten die sich nicht bezwingen lassen. Fetzen aus Worten und Sätzen zischten durch ihren Verstand. Gute Absichten, böse Absichten. Eine Verwirrung von Gefühlen, die nach ihr lechzten und vor denen Carla viel mehr Angst hatte, als vor allem anderen. Denn wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wusste sie, dass sie diese nicht zu bewältigen wusste. Ihre zweite Seite konnte dies. Sarah war nicht nur besser darin, sie war einmal ein Mensch gewesen. Ein menschliches Wesen, welches noch viel mehr mit diesen Empfindungen gesteuert wurde, als ein Vampir. Carla jedoch kannte nur die tierische Seite; die Seite des Raubtiers! Und es war eben dieser Instinkt, der sie wachsam werden ließ. Konnte der Feind stärker sein, als sie selbst?

››Ich habe bereits alles was ich brauche, daher brauchst du keine Angst haben, dass ich dir noch einmal zu nahe komme.‹‹

››Was soll das heißen? Noch einmal?!‹‹ Was hatten sie mir ihr gemacht? War nun etwa schon alles zu spät? Zu spät, bevor es richtig begonnen hatte? Bekam Carla nicht einmal mehr die Möglichkeit sich zu verteidigen?

Sally legte den Kopf schief und grinste breit. ››Ich musste dir etwas Blut abzapfen, um einen kleinen Test zu machen. Ich warte jetzt nur noch auf das Ergebnis.‹‹

Ihre schlimmsten Befürchtungen wurden wahr; man hatte es auf sie abgesehen. Sicherlich sollte dieser vermeidliche Test nur bestätigen, dass sie nicht mehr Sarah war. Dass ihre heißgeliebte Sarah im Sterben lag und dass Carla sich ihren Körper gewaltsam gegriffen hatte! Doch letzteres war nicht der Fall. Sarah hatte ihr den Platz geschenkt, weil sie ihn nicht mehr länger für sich beanspruchen wollte. Carla war unschuldig! Sie konnte nichts für den Zerfall des Körpers! Sie wollte ihn stoppen!

Plötzlich drangen schnellen Schritte durch den Flur. Ungestüm überschlugen sich die Beine fast. Man hörte ein Stolpern und Poltern.

››Die Farbe hat sich verändert!‹‹, schrie Josy und eilte in das Wohnzimmer.

Sally verharrte wie Stein in ihrer Position und ließ sich nichts anmerken. Fast gelangweilt saß sie in dem Sessel und streckte ihre rechte Hand aus. Es kam einem regelrechten Befehl gleich, den sie damit aussprach. Keine Miene verzog Sallys Gesicht. Ihr Blick war noch immer zielsicher auf Carla gerichtet und schien sich an ihr festzukleben. Erst als ihr ein kleiner, schmaler Glasbehälters in die Handfläche gelegt wurde, schnappte sie wie eine gierige, fleischfressende Pflanze zu.

Die Gesten der alten Frau interessiert Carla jedoch in diesem Moment recht wenig. Wutschnaubend fixierte sie Josy, die sich von hinten an den Sessel lehnte und der Frau über die Schulter guckte. ››Du bist auch mit dieser alten Schachtel im Bunde?‹‹ Carla war nicht nur zornig, sie stand kurz vor einem imaginären Vulkanausbruch. Hatte sie doch geglaubt, Josy würde hinter ihr stehen. Eine wahre Freundin würde sie in diesem Augenblick verteidigen und ihr helfen.

Doch gerade nach dieser Aussage, stemmte ihre vermeidliche Freundin die Hände in die Hüften und schaute grimmig drein.

››Alles was ich will, ist, dass die alte Sarah zurück kommt und ich will Gewissheit, dass Elests Vermutung stimmt.‹‹

Carla rang nach Luft. Sie wusste es; Josy wusste es! Die ganze Zeit!? Hatte sie ihr nur etwas vorgemacht; sie an der Nase herumgeführt? Und dann auch noch Elest?! Dieses hinterhältige Weibsstück, dass sie auf Schritt und Tritt verfolgt hatte, war der Auslöser gewesen?

Das Gefäß wurde von Sally gedankenverloren geschwenkt und kritisch beäugt. Das Schwappen klang makaber und anklagend. Die gelbe Flüssigkeit wirkte wie pures Gift. Es war kaum zu glauben, dass diese Farbe einmal rot gewesen sein sollte.

››Weiß du, Sarah‹‹, begann die alte Frau zu sagen und wagte nicht den Blick von dem Inhalt abzuwenden, ››Oder wie ist dein jetziger Name?‹‹

Carla schnappte hörbar nach Luft. Wie so oft in den letzten Wochen drehte sich ihre Welt. Allmählich hatte man sie in die Enge gedrängt; eingekesselt und zum Verhör gezwungen. Carlas Krallen schabten über das Sofa und ihre Hand versuchte eine Faust zu ballen, doch es gelang ihr nur kurz. Der Druck, der sich dadurch aufbaute, war so schmerzhaft, dass sich ihre Hände wieder lösten.

Sie wollte fort, doch ihre Beine waren taub. Fast wie, als hätten sie Wurzeln geschlagen und wollten dem Verhör Folge leiste. Sie war gefangen; eine Gefangene ihres eigenen Körpers.

Sally machte eine energische Handbewegung. Jegliches Wort sollte zum Erliegen kommen und auch ein Gedanke Carlas, den sie vergeblich versuchte auszusprechen, war nun im Keim erstickt. ››Du nimmst momentan viel mehr Blut zu dir, als sonst, nehme ich an?! Es ist nicht normal für einen Vampir so viel Flüssigkeit in seinen Bahnen zu haben. Wir brauchen Blut, um unsere Leere zu füllen, keine Frage, aber in dir steckt derweil extrem viel. Dein Körper kann es nicht ertragen, wenn er auch nur einen Tropfen weniger in sich hat. Er braucht es.‹‹

Kurz hielt Stille Einzug, dann räusperte sie sich und sprach weiter: ››Anfangs war diese Flüssigkeit rot, jetzt nicht mehr. Anfangs warst du jemand anderes, jetzt nicht mehr. Niemand will dir etwas tun, glaub mir, Herzchen. Ihr beide werdet überleben, doch ihr braucht die richtige Kräuterfrau. … Fühlst du nicht die Veränderung in dir?‹‹

Plötzlich, als Carla in sich hineinhörte, ohne dass sie es beabsichtigt hatte, pumpte ein Herzschlag durch die Stille. Wie ein einziger Wassertropfen, der ins Wasser fiel, wühlte er ihre Seele auf. Auch wenn die Wellen klein und fein waren, war ihr doch klar, dass es nicht ihr Herzschlag war, der den Teich ihres Unterbewusstseins aufwühlte. War es Sarah?

››Ihr braucht keinen Arzt, keinen Seelenaustreiber, oder gar einen Psychologen. Ihr braucht jemanden, der sich rund um die Uhr um euch kümmert. Jemand, der jegliche Körperveränderung, die ihr durchmacht, kennt.‹‹

Tropf!

Noch einmal tropfte das imaginäre Wasser in den Teich und Carla zuckte energisch zusammen. Nackenhaare sträubten sich und kündeten eine Gefahr an, die sie weder in Worten, noch in Gedanken zu fassen bekam.

Und dann war da noch dieser Duft; dieser unwiderstehliche Geruch, der sich über sie legte, wie ein Tuch. Es nahm sie gefangen und wollte sie nie wieder gehen lassen. Die Frau hatte Macht über sie. Sallys Kräuter, die ihre Kleidung oder ihr Körper verströmten, waren unausweichlich. Carla konnte den Drang nach ihr regelrecht fühlen. Sie musste widerstehen, sonst wäre sie vermutlich wie ein kleines, dummes Kind in die Arme der alten Frau gerannt. Was barg diese Anziehungskraft? Sie war stärker, als ein Magnet, anders, als die Alexanders.

Sorge die Kontrolle zu verlieren, blitzte in ihr auf. Sorge, die sie angreifbar machte und die in brachialer Wut ausartete. Carla fletschte ihre Zähne und sandte so eine Drohung aus, die niemand zu beachten schien. ››Schwing´ keine Reden, was soll das heißen?‹‹

Sally hob eine Braue und schüttelte den Kopf. Sie konnte wohl nicht recht glauben, dass sie die Wahrheit noch immer nicht erkannt hatte.

››Ihr braucht eine Hebamme, mein Kind, denn du bist schwanger! … Sarah ist schwanger ... mit dir! Und du benutzt gerade einen Körper, der nicht dein Eigentum ist!‹‹

Der Unterkiefer von Carla sackte nach unten und ihr Herz setzte aus. Stille erfüllte ihre Hülle und die vier Wände, die sie umgab. Keuchend suchte sie nach Worten. Setzte immer wieder zu einem Satz an, doch ihr versagte die Stimme. Konnte das wirklich sein? War sie so naiv gewesen, diese Sache nicht zu bemerken? War das, was sie sich immer gewünscht hatte nun doch eingetreten?

Tropf!

Etwas in ihr regte sich und erfüllte Carla mit tödlicher Angst. Wie ein Blitz huschte er durch jede Zelle, ließ die Arterien erhitzen und das Blut darin kochen. Ihre Lippen bebten, als die Klarheit sie mit sich riss.

Sarah richtete sich in ihr auf. Der zusammengekauerte, geisterhafte Schemen erstrahlte in neuem Glanz. Die letzten Tränen rannen an ihren Wangen herunter.

Ich bin schwanger?

Als Sally versuchte all die Ungewissheit zu vertreiben, versenkte Carla die Hände in den blonden Haaren. Sie glaubte vor einem Abgrund zu stehen und jemand ganz anderes, der die Fäden in Händen hielt, hatte bereits beschlossen, dass sie springen musste! Sie würde sterben, oder zurück in ihr Gefängnis müssen. Es gab keinen anderen Weg! Wenn die Hebamme weitersprechen und ihr zweites Ich weiter wachrütteln würde, war dies ihr sicherer Untergang! An das Baby in ihr verschwendete sie keinen Gedanken. Ihr Selbsterhaltungstrieb hatte sie vollkommen im Griff.

Die Krallen schnitten in die Kopfhaut, doch den Schmerz nahm sie nicht zur Kenntnis. Selbst die kitzelnde Armeisenarmee, die wieder einmal ihren Kampf gegen die Wunden aufnahm, waren nebensächlich.

››Vor langer Zeit, einst, als die Vampire geboren wurden, konnten sie noch Kinder gebären. Sie waren ihren Erzeugern, den Menschen, ähnlicher als man denkt. Jahrhundert für Jahrhundert ging diese Eigenschaft verloren und wird nur noch wenigen Vampiren zuteil. Oftmals sind die weiblichen Vampire seelisch gespalten. Man hört sogar von Wahnsinn, dem sie verfallen sein sollen. Doch all dies ist Unsinn und nur dummes Geschwätz. Wer das behauptet, kennt die Wahrheit nicht, oder versucht auch nicht einmal diese zu finden.

Die Vampire hören Stimmen, die niemand sonst vernehmen kann, denn sie sind in einem selbst. Ein ständiger Kampf zwischen zwei Seelen, die versuchen die Oberhand des Körpers zu erlangen, weil sie beide leben wollen. Du weißt sicher am besten, wovon ich rede, nicht wahr, Herzchen?‹‹

Tropf!

Alles in ihr erschien zu glühen, sich zu regen und zu winden. Carla schluchzte, denn Sarahs Stimme drang an sie heran. Tief aus ihrem Inneren trat ihre Seele hervor und drohte alles in den Schatten zu stellen.

Mag das wirklich wahr sein? Mag mich wirklich dieses Glück getroffen haben?

››Hör auf!‹‹, schrie Carla und krümmte sich krampfhaft. Ihre Beine zogen sich an ihr Kinn und sie verbarg ihr Gesicht. Wild fielen die Haare darüber. In aller Verzweiflung wimmerte sie. ››Weck´ sie nicht auf! Bitte! Ich … ich will nicht sterben! Ich will nicht zurück! Nie mehr!‹‹

››Du wirst nicht sterben, du wirst geboren. Geborgen von Sarah, wenn die Zeit gekommen ist. Eigentlich dachte ich, du wüsstest das. Denn die andere Seite weiß meist sehr viel, da sie den Verstand und das Unterbewusstsein beherrscht. Du hättest wissen müssen, dass eine Zusammenkunft mit dem richtigen Vampir der Beginn deines Lebens sein kann.‹‹

Ja, Carla hatte es vor langer Zeit gewusst und gehofft, allerdings hatte sie sich nun dem Glauben ergeben, so einen besseren Weg gefunden zu haben. Er war schneller umsetzbar gewesen. Auch wenn sie Sarah nie gehasst hatte, hatte auch sie nur leben wollen. Was war so falsch daran? War es nicht der natürlichste Drang, den es gab?

Ich kann es nicht glauben!

Sarahs Präsenz nahm stetig zu. Schritt für Schritt kam sie zurück in die reale Welt. Das Glück, welches sie übermannte, strömte in den Körper. Carla fühlte wie er sich zu seinem rechtmäßigen Besitzer hinzog; ihn empfing und begrüßte.

Ja, Josy hat es mir erzählt, doch niemals hätte ich für möglich gehalten, dass mich das scheinbar Unmögliche treffen würde! Vor Monaten hatte Celest zwei Flammen, zwei Seelen, in mir gespürt, doch auch dieser Aussage schenkte ich keinerlei Beachtung. All ihre Worte... all das... Ich war blind gewesen.

Carlas Rücken brannte wie das Höllenfeuer, wodurch ihr Kopf hochzuckte. Die Brust kam nicht zur Ruhe, sie hob und senkte sich unglaublich schnell.

Beruhigend ruhte Sallys Hand auf ihrem Rücken und ihre Miene war die einer liebenden Mutter.

››Habe keine Angst, mein Kind. Es wird alles gut. Doch nun, gib auf und überlasse diesen Körper jemand anderem. Es bedeutet nicht das Ende, sondern lediglich eine Zeit des Wartens bis zu deiner Geburt.‹‹

Habe keine Angst Carla, ich werde dir eine gute Mutter sein. Ich werde alles tun, damit du gesund zur Welt kommst. Du und Alexander, ihr werdet mein Leben sein!

Carla hatte Sarahs Stärke nichts mehr entgegen zu setzten. Sie war machtlos gegen die Kraft einer werdenden Mutter, bei der nun der Beschützerinstinkt die Oberhand über alles gewann. Für sie wurde ihr Körper taub; kappte jegliche Verbindung zu ihrem Nervensystem und schloss sie aus. Auf einmal war sie der Parasit, der die Hülle befallen hatte. Sie sollte zurück in ihre Quarantäne.

Genau in dieser Sekunde schloss Carla ihre Augen. Während sie in den Abgrund fiel und sich an all ihre böswilligen Gesten und Worte erinnerte, die sie in den letzten Wochen an den Tag gelegt hatte, empfand sie zum ersten Mal wirkliche Scham.

Sie schämte sich für ihre Art und Weise, doch nun war es zu spät. Sie hatte all dies getan, um sich selbst zu schützen und trotzdem war es falsch gewesen.

Plötzlich fing sie etwas auf. Entgegen des Glaubens, sie würde jede Minute auf dem Grund zerschellen, fühlt er sich weich an. Es war nicht der Grund der Finsternis, der sie abgefangen hatte, sondern Sarahs Geisterschemen. Mit einem liebevollem Lächeln betrachtete sie sie und küsste ihre Wange.

Er wird deine und meine Zukunft sein, waren dies nicht deine Worte gewesen?

Schlaf jetzt, meine Tochter, denn ich muss dich erst gebären, bevor ich dich wieder in meinen Armen halten kann...

Mitternachtswende

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