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Grausame Liebe

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Wenige Wochen zuvor:

Der Schnee unter seinen Pranken wurde aufgewirbelt und hinter ihn geworfen. Wie der Dunst eines kalten Morgens legte er sich langsam nieder. Vereinzelt glitzerten die Eiskristalle und wirkten wie Diamanten.

Trotz des verzaubernden Anblicks wagte es sein Körper nicht, sich der Ruhe zu verschreiben. Er preschte wild vor. Dröhnendes Schnaufen grollte durch die Nasenlöcher und zeugte von dem gewaltigen Marathon, den er bereits hinter sich gebracht hatte. Seine Muskeln waren gespannt und von brachialer Kraft erfüllt.

Während der Wind das weiße Werwolffell von Alexander zerwühlte, hob er den Kopf. Obwohl der Schweiß sein Fell durchnässte, war ihm die Freiheit so nah, wie nie zuvor. Er lernte allmählich das Tier in sich zu beherrschen und zu manipulieren. Das Gefühl dieser Gestalt war nicht länger befremdlich, sie war gewöhnlich geworden. Eine Eigenschaft, die Alexander niemals geglaubt hatte zufassen zubekommen.

Silas, der sich nur wenige Meter vor ihm befand, krallte sich in das Gestein eines Berges. Das schwarze Fell passte nicht in diese Gegend, die von Eis und Schnee in eine einfarbige, kalte Wüste verwandelt wurde. Während Alex sich hier ohne Probleme verstecken konnte, war es für Silas nicht gerade einfach. Manchmal, wenn ihn die Gedanken und Gefühle an diesen Mann übermannten, dachte Alex, dass Silas das schwarze Schaf der Familie Yue wäre. Dies war ziemlich überheblich, dass gestand er sich selbst ein, doch es half ungemein die Unausstehlichkeit seinerseits zu ertragen.

In den letzten Woche hatte man dem erstgeborene Sohn des Königs eine Aufgabe zuteil werden lassen, die ihm anfänglich missfiel: Alexanders Werwolfgen unter Kontrolle zu bringen. Mittlerweile hatte er Gefallen daran gefunden und raubte Alex jede Minute seiner Zeit. Zumindest empfand er es so.

Alex schnaubte heißen Dampf aus der Schnauze und legte den Kopf schief, als er ihn bei seiner Bergserklimmung beobachtete. Er war flink und geschickt und natürlich hatte er ihm viel voraus. Silas kannte nur seine Wolfgestalt. Für ihn gab es nichts anderes, ganz im Gegenteil zu Alexander. Ihm war diese Gestalt nicht nur fremd gewesen, sie war lästig! Stets bei Vollmond hatte ihn die Kraft heimgesucht, kränkeln lassen und leider auch die Oberhand über ihn gewonnen. Zu oft war er ein Gefangener in seinem eigenem Körper gewesen.

Ganz schnell schüttelte er die Bilder ab, die versuchten ihn zu plagen. Es kam einem Schwerthieb ins Herz gleich, die sie in ihm hervorbrachten, denn der Wolf hasste den Vampir. Und genau diese andere Seite konnte er zweifelsohne nicht von sich weisen. Das wusste auch der Wolf. Ein Kampf zweier Gene, die Alexander seit Jahren begleitet hatten.

Trotz seiner täglichen Auseinandersetzungen mit Silas konnte er ihn verstehen. Vor nicht all zu langer Zeit hatte er ihm eine herbe Niederlage erleiden lassen; getäuscht, missbraucht und gedemütigt. Wer konnte das schon so einfach akzeptieren?

Auch wenn die beiden Männer bereits eine Mission gemeinsam bestritten und dabei sogar Dicht an Dicht zusammen gekämpft hatten, brachte das dem Misstrauen keinen Abbruch.

Für Alex allerdings waren diese Spitzfindigkeiten eine gelungene Abwechslung vom Alltag und eine Ablenkung von seinem Herzschmerz. Er plagte ihn seit Wochen; er suchte ihn heim wie ein zu Fleisch gewordener Feind.

Ungewollte baute sich ein Bild in seinem Unterbewusstsein auf. Wie ein Puzzle setzten sich die Teile zusammen und formten den Kopf einer blonden Frau. Liebevoll lächelte sie ihn an. Sie war betörend schön. Sarah!

Als ihn der Blitz direkt in das Herz traf, krümmte er sich krampfhaft. Nein! Er durfte nicht an sie denken! Er musste sich konzentrieren; um jeden Preis! Auf keinen Fall wollte er seinen Wahnvorstellungen erliegen, die ihn in ihre falschen, imaginären Arme trieben! Zu oft hatte er sie gesehen. Eine widerliche Fälschung, die zu seinem Leidwesen so echt wirkte und seinen Körper forderte, dass es weh tat. Er hasste und liebte diese Situationen zugleich. War sie doch nicht anwesend, das wusste er, so war sie dennoch als Scheinwesen da. Wie süß und heiß waren die Berührungen ihrer Wange gewesen...

Voller Inbrunst jaulte er auf, sprintete und sprang an die Felswand. Tief grub er seine mächtigen Pranken in das Gestein und ertrug das widerliche Knirschen, dass seine empfindlichen Ohren erreichte. Der Ton hallte wider und erfüllte die Umgebung mit Gewalt.

Seine Schulterblätter drückten sich weit hervor, als er begann Silas zu folgen. Die Kraft des Wolfes war sein und um nichts in der Welt wollte er seinem vermeidlichem Lehrer einen Hauch von Schwäche zeigen. Niemand durfte seinen Schmerz sehen. Niemand den Zwiespalt seiner Seele erkennen. Sie machte ihn angreifbar und schwach. Eigenschaften, die er sich nicht leisten konnte.

Doch war es wirklich niemand, der sein Leid bemerkte? Traurig schauten die Augen des Tieres zu dem schwarzen Fellbündel empor.

Doch. Eine Person in diesem spärlich besiedelten Gebirge Tibets wusste um seinen Schmerz. Und wenn er sich es eingestand, war er auch sehr froh darum.

Sie war in seiner Nähe; hörte zu und gab ihm einen Hauch von Halt. Ganz alleine wäre er hier verkümmert, aber seine langjährige Freundin Flora war nicht von seiner Seite gewichen.

Dass er eben dieser Person gestern ein Versprechen gegeben hatte, was er gebrochen hatte, tat ihm unbeschreiblich leid. Es war nichts weltbewegendes gewesen, lediglich ein kleiner Spaziergang. Jedoch hatte er ihr nicht einmal mitteilen können, dass dieser verschoben werden musste. Ohne ihm auch nur eine Minute zu gewähren, war Silas aufgekreuzt und hatte ihn mit sich genommen. In diesen Augenblicken fühlte er sich wie ein Sklave. Er musste gehorchen und alles stehen und liegen lassen, was ihm wichtig war.

Zwar war Alexander ihm auf der einen Seite auch dankbar, schließlich half er ihm dabei sein geteiltes Leben zusammen zu fügen, aber auf der anderen Seite, machte dieser Mann mit ihm, was er wollte.

Seinen Gedanken erlegen versuchte er Silas zu überholen. Denn wenn er erst einmal bewies, dass er ihn nicht mehr brauchte und den Wolf in sich bezwungen hatte, glaubte er, diesen überheblichen Asiaten vorerst losgeworden zu sein.

Währenddessen saß Flora in ihrem Zimmer.

Das Papier, welches sich auf dem Tisch vor ihr befand, war zerknüllt und rissig. Wie ein aus Wut und Frust geformter Ball lag er anklagend vor ihr. Ungewollte sackte ihr Kopf nach unten und die blonden Strähnen fielen noch weiter über ihr rechtes Auge. Grimmig brummte sie. Warum tat sie sich das an? Tag für Tag, Zeile für Zeile und Brief für Brief. Langsam war sie es leid ihr Leben in Worte zu fassen und sie an eine Person zu schicken, die ihr wohl keine Beachtung mehr schenkte. Anfangs hatte sie sich noch gefragt warum, doch mittlerweile war diese Frage in Vergessenheit geraten.

Gedankenverloren blickte sie aus dem Fenster vor sich und stützte ihren Kopf ab. Es war ein schöner Wintertag. Nur wenige Wolken tanzten über dem blauen Himmel. Flora wusste, dass die Stadt, die von ihrer Position gerade nicht zu sichten war, unter einer leichten Schneedecke begraben lag. Bald würde sie durch die einstigen Felder und Äcker spazieren gehen.

Bei dem Gedanken heiterte sich ihr Gemüt auf und der Gesichtsausdruck wirkte verträumt.

Der Stift in ihrer rechten Hand kratzte durch ihr kurzes, blondes Haar. Sollte sie weiterschreiben und den Papierball von ihrem Wutanfall befreien?

Sie seufzte. Mit energisch zusammengepressten Lippen glättete Flora das Papier. Irgendwie konnte sie dieser einen Sache nicht entsagen. Es war eine regelrechte Droge geworden die Briefe an Sarah zu schreiben. Zwar war sie von ihrem eigentlichem Ziel abgewichen, ihrer Freundin eine falsche Liebe zu offenbaren, aber sie hatte vor Wochen damit begonnen, sich eine andere Lüge aufzubauen. Und so schrieb sie auch jetzt weiter.

Tagesabläufe mit Alexander, die nicht stattfanden. Sie schilderte von Spaziergängen, gemeinsamen Abendessen und Besorgungen. Flora glaubte Sarah auf eine andere Weise zeigen zu können, dass Alex auch ohne sie leben konnte. Dass er sie einfach nicht brauchte, um glücklich zu sein.

Vielleicht war es gerade diese Erkenntnis, die bei ihr angekommen war und sie antwortete ihr aus diesem Grunde nicht.

Allerdings ging mit den Briefen auch eine tiefe Traurigkeit einher, die Flora oft zum Weinen brachte. Schmerzlich war das Wissen, dass diese Zeilen nur Lug und Trug waren. Eine Welt, die sie sich wünschte, aber für sie wohl unerreichbar blieb. Alexander hatte kaum Zeit für sie. Stets wurde er vom König oder Silas vereinnahmt, musste üben, die Zeremonien der Werwölfe verstehen lernen und am Hofe des Königs an dessen Politik teilhaben. Wo blieb da noch Zeit für sie?!

Doch dies war nicht das Schlimmste: Wenn Alex dann doch einmal seinen Pflichten entgehen konnte und sie aufsuchte, erzählte er viel zu oft von ihr. Fast jedes Mal nahm sie sich vor, ihm zu sagen, dass es ihr weh tat. Dass sie das nicht hören wollte, aber sie schaffte es nie. Irgendwie war ihr auch schweren Herzens bewusst, dass er dieses brauchte, um es zu verarbeiten. Daher ertrug Flora es.

Dennoch fühlte sie sich schlecht. Sie mochte Sarah und versteckte sich hinter einem Trugbild, was ihr unendliche Schmerzen bereitete.

Wie oft sie schon versucht hatte aus diesem Teufelskreis auszubrechen und wieder klar sehen zu können, wusste sie nicht mehr.

Ein Seufzer folgte dem Nächsten. Die Konzentration war schon vor unzähligen Minuten an ihr vorbei gerauscht.

Dann klopfte es am Rahmen der dünnen Schiebetür. Tiefe Freude quoll in ihr auf und breitete sich aus wie ein Lauffeuer. Hitze erfasste ihre Wangen. Der Kopf wurde nach hinten geworfen und drehte sich schnell in Richtung Tür. Heiter sagte sie: ››Herein!‹‹

Ihr Herz klopfte unermüdlich. Endlich war es so weit und Alexander war ihr wieder nah.

Doch stutzte Flora, als sie hinter der Schiebewand eine zierliche Silhouette ausmachte. Diese passte so gar nicht zu Alexander.

Mit einem leisen Zischen schob sich die Tür über den Boden und entblößte einen Besucher, den sie gerade weder erwartet, noch sich sehnlichst herbei gewünscht hatte. Königin Fen drückte die Handflächen aufeinander und nickte ihr begrüßend zu. Heute trug sie ein langes, blaues Kleid. Ein großzügiges Band schnürte ihre Taille zu und ließ sie extrem schmal erscheinen. Ihre schwarzen Haare waren zu einem strengen Dutt gebunden, wodurch ihr schönes Gesicht noch besser zur Geltung kam.

››Guten Tag, Flora‹‹, sagte sie und lächelte.

Floras hoffnungsvolle Erwartung verflog. Obgleich sie Fens liebevolle Art mochte, war sie trotzdem nicht die Person, die sie sich jetzt gewünscht hatte.

Schlaff sackten ihre Schulter nach unten. Auch ihre Mundwinkel taten es ihnen gleich. Unhöflich wandte sie den Blick von der Königin ab und starrte auf den Teppich vor ihrem Tisch.

››Du hast jemand anderen erwartet, stimmt das?‹‹, fragte Fen.

Flora nickte.

››Es tut mir sehr leid, dir das sagen zu müssen, aber Alexander ist heute bereits sehr früh mit Silas zum Training aufgebrochen. Ich glaube gestern mitbekommen zu haben, dass ihr spazieren gehen wolltet‹‹, einen kurzen Moment hielt sie inne und Flora glaubte, dass sie sie abschätzend musterte. Doch nachdem die Königin keine Reaktion bemerkte, sprach sie weiter, ››Ich dachte mir, vielleicht könnten wir beide ein Stückchen zusammengehen?!‹‹

Der Stich ins Herz war kurz, aber standhaft. Wie eine dünne Stecknadel, die sich in den Stoff bohrte und stecken blieb. Allmählich musste sie diese Enttäuschungen gewohnt sein, so glaubte Flora, doch aus irgendeinem Grund wollte die Gewohnheit nicht siegen. Es war wohl die Hoffnung, die ihr ständig im Wege stand.

Über ihre Schulter linste sie zu dem zerknitterten Brief. Die Konzentration hatte sie verlassen und ihr Schuldgefühl drückte sie regelrecht von diesem Papier weg. Was blieb ihr also? Vielleicht würde Flora etwas Ablenkung gut tun. Schließlich würde es ihre Zeit bis zum täglichen Familienabendessen dezimieren.

Ohne den Blick von dem Stück Papier abzuwenden, antwortete sie: ››Ja, lass uns ein Stück zusammen gehen.‹‹

Als sie durch die Große Tür zur Aussichtsplattform schritten, musste Flora blinzeln. Die Sonne stach ihr in die Augen. Erst als sie sich ein wenig nach rechts lehnte und in den Schatten der Heronstatur trat, vermochte sie wieder klar zu sehen. Als sie den bearbeiteten Fels inständig betrachtete, fragte sich Flora, was Alexander wohl alles mit diesem Mann gemein hatte. Im Gesicht machte sie keine Übereinstimmungen aus. Sie kannte diesen Werwolf nicht und würde ihm auch niemals mehr begegnen können, denn er war für seine Frau gestorben. Heron, der Held der Wölfe. Ein großer Kriegsgott und Berater des Königs hatte seine menschliche Frau vor einem Vampirangriff schützen wollen. Dafür hatte er sein Leben gegeben. Leider war seine hochschwangere Frau schließlich dem letzten Überlebenden der Gruppe zum Opfer gefallen. Zwar hatte er sie nicht zu töten vermocht, da Verstärkung unterwegs war, aber für Alex´ Mutter kam jede Hilfe zu spät. Das Gift des Vampirbisses war bereits in ihrem Blutkreislauf eingedrungen. So wurde ihr Freund Alexander zu einem Halbwesen. Bei seiner Geburt starb dann letztendlich auch die Frau des großen Kriegsgottes. Eine Tragödie.

Die Statur war atemberaubend. Liebevoll war jedes Detail hervorgehoben worden. Heron machte seinem damaligen Dasein in Form dieses Abbildes alle Ehre. Er hatte den Arm weit gehoben und schien eine Armee anzuführen. Seine andere Hand ruhte auf einem Wolf. Gierig und geifernd knurrte er die Besucher an. Man konnte meinen, dass er den Feinden den Eintritt verweigerte und sie aufforderte stehen zu bleiben.

Königin Fen ging unbeirrt weiter. Sie sah nicht zurück und steuerte zielgerichtet den großen, asiatisch Torbogen an. Die Ecken des Holzes griffen förmlich nach dem Himmel und wollten ihn umarmen.

Breit zog sich um die Aussichtsplattform ein Holzgeländer. Es verschmolz mit dem Bogen zu einer Einheit. Dieser gesamte Komplex war vom Schnee befreit worden. Man sah nur noch die Anzeichen von Besenaktivitäten und Schaufeln; wie winzig kleine, lange Fäden zogen sie sich über den Boden.

Schnell folgte Flora der Königin und gemeinsam traten die beiden Frauen die lange Treppe herunter, die sich in das Tal hinab erstreckte. Auch hier war strengstens darauf geachtet worden die Stufen und die Hauptstraße vom kalten und glatten Weiß zu befreien.

Im tibetanischen Gebirge lag dieser wohlbehütete Ort versteckt. Nur wenige kannten ihn, allen voran natürlich die Wölfe. Jedes Mal aufs neue barg der Anblick dieses Ortes etwas magisches. Eingekreist von meterhohen, weißen Bergen war dieses Geheimnis nur durch eine Frau standhaft. Eine Kuppel aus purer Magie schützte diesen Ort vor menschlichen Blicken. Mittlerweile wusste das einstige Dienstmädchen der Maguire wer diese Frau war. Chang-Ying. Nur selten bekam sie die alte Dame zu Gesicht.

››Es ist seltsam diese Umgebung in Schnee zu sehen.‹‹ Fen riss Flora aus ihren Gedanken.

››Warum?‹‹

Die Königin atmete warmen Dunst aus, der die Kälte des Augenblickes unterstrich. ››Chang-Ying wacht über das Wetter. Sie sorgt dafür, dass es uns gut geht und wir eine hervorragende Ernte haben. Allerdings muss auch an diesem kleinen Fleckchen Erde irgendwann der Winter Einzug halten.‹‹

Flora legte den Kopf schief und sank weiter in ihren Mantel hinein. ››Das verstehe ich nicht. Nicht überall auf der Welt wird es Winter. Warum muss es dann hier so sein? Und ich dachte, sie hält den Schutzschild aufrecht, damit ihr nicht entdeckt werdet. Ist er jetzt nicht mehr da?‹‹

Die Königin seufzte und schüttelte den Kopf. Mit einer leichten Abwesenheit antwortete sie: ››Dies hat mehrere Gründe. Zum einen, weil wir in einem kalten Gebiet leben. Das bedeutet, dass die Natur irgendwann auch ihren Tribut fordert, was uns auch gleich zum zweiten Grund führt. Chang-Ying wird durch die Magie, die sie einsetzt geschändet und altert. Auch sie brauch einmal im Jahr eine Pause. Dabei lässt sie jedoch niemals ihre Pflicht außer Acht. Der Schild zum Schutz steht. Er ist lediglich, … hm, wie soll ich sagen? … Durchdringender. Sie lässt der Natur freien lauf und schreitet nur dann ein, wenn sie muss. Jeder Besucher der den Schild durchschreitet wird so durchleuchtet wie immer.‹‹

Diese Welt war für die Blondine schwer zu verstehen. Magie war etwas, was es ausschließlich in Fantasyfilmen gab, nicht aber im realen Leben. Hier nun mit ihr konfrontiert zu werden, war unglaubwürdig. Allem voran lag dieses Misstrauen darin begründet, dass Flora die Magie nie gesehen hatte.

Wann immer sie Chang-Ying sah, konnte sie es nicht glauben. Eine derart alte Frau sollte die Magierin der Wölfe sein? Sie wirkte gebrechlich und schien sich mehr an ihrem Stab zu stützen, als zu gehen. Eines jedoch konnte die Frau nicht von sich drängen. Die Tatsache, dass die alte Damen stets die Wahrheit heraus zu filter vermochte. An einem Abend -sie konnte sich nur zu gut daran erinnern- hatte sie Chang-Ying herausfordern wollen. Flora hatte etwas von ihrer Vergangenheit erzählt und absichtlich falsche Fakten angepriesen. Natürlich war sie vorsichtig gewesen und hatte Fen vorher über ihren Test informiert. Flora war schlau, schließlich war sie bei den Maguire groß geworden. Sie wollte nicht, dass man sie als Lügner beschimpfte. So klärte Fen schließlich alles auf.

››Wenn ich so an den Abend denke, wo ich Chang-Ying auf die Probe gestellt habe‹‹, sagte sie und ließ ihre Gedanken frei, ››ist mir das irgendwie peinlich.‹‹

Fen lachte herzlich. ››Glaubst du, du warst die Erste, die das getan hat?!‹‹

Sie schmunzelte. ››Vermutlich nicht, aber ich kann auch nur für mich sprechen.‹‹

Danach nahm die Stille beiden wieder in ihre Fangarme. Ohne Worte und gleichbleibender Miene nahmen sie Stufe für Stufe hinab ins Tal.

Die Stadt lag unter einer dicken Schneeschicht begraben. Wie dicker Zuckerguss klebte er an den Dächern. Teilweise funkelte etwas. Flora vermutete, dass es die Eiszapfen waren, die von den Dachrinnen herunterhingen. Von nahmen sahen sie bedrohlich aus, von hier waren sie nicht zu erkennen.

Als die ersten Häuser links und rechts neben der breiten Hauptstraße auftauchten, bog die Königin auf einen kleinen Pfad ab. Flora kannte ihn gut, denn sie war ihn bereits etliche Male gegangen. Damals im Sommer und Herbst führte er direkt auf die Felder, nun war er trostlos. Der Schnee war platt getreten. An manchen Ecken von Lehm bräunlich verfärbt.

Das ehemalige Dienstmädchen wollte nicht in die Einöde dieser weißen Landschaft, sie hatte geglaubt Fen würde mit ihr in die Stadt gehen. Dort war sie fest der Meinung gewesen ihre Ablenkung zu finden. Vermutlich würden die Menschen mit den Vorbereitungen für Weihnachten beginnen und die unterschiedlichen Häuser würden in einem farbenfrohem Glanz erfüllt sein. Ein Treiben dem sie gerne verfallen wäre, was sollte sie also hier?

Fen drehte sich leicht zu ihr herum, wodurch Flora bewusst wurde, dass sie stehen geblieben war. Etwas verlegen biss sie sich auf die Unterlippe und lugte zu den Gebäuden hinüber.

Ohne das Gesicht zu verziehen schüttelte die Asiatin den Kopf und wandte sich wieder ihrem Spaziergang zu. Tief gruben sich die Augenbrauen der Blondine nach unten und sie stutzte. Allmählich wurde ihr mulmig. So energisch und gleichzeitig ruhig und bestimmend kannte sie diese Frau nicht. Nur sehr langsam wagte sie ihr zu folgen.

Während der Schnee unter ihren Sohlen knirschte und schmatze, fühlte sie sich leer. Obgleich sie gerne auf eine Idee gekommen wäre, es entglitt ihr alles. Die unendliche, weiße Weite kam ihr in diesem Augenblick bedrohlich vor, doch wagte sie es nicht Angst zu empfinden. Flora war eher auf der Lauer; lauschte jedem Geräusch, beobachtete jede Bewegung der Königin.

Nach geraumer Zeit schlich die Kälte durch den Mantel. Er suchte sich Wege um sie frösteln zu lassen, aber auch dies zeigte Flora nicht.

Der Weg war lang und langweilig. Bis auf ein paar kahle Bäume gab es hier nichts zu sehen.

Schließlich blieb Fen vor einem dieser Bäume stehen. Breit und mächtig hob er sich neben dem Pfad empor und spendete an schönen Sommertagen viel Schatten. Jetzt sah er eher dunkel, schwarz und leblos aus.

Die Königin blickte in die Krone und wartete. Worauf wusste Flora nicht. Sie war ein paar Meter hinter der Frau zum Stehen gekommen, da sie den gesamten Spaziergang nicht gewagt hatte, zu ihr aufzuschließen.

››Warum hast du mich hierher gebracht?‹‹, machte sie endlich ihrer Frage Luft und schaute finster drein. Ohne es zu wollen spannte sie sich an und wurde aggressiv. Angst trieb sie.

››Mein Mann ist ungerecht zu dir‹‹, begann die Königin und hielt kurz inne, als sie nach links zum Palas blickte, ››Er ist blind in der Hinsicht, dass er Alex sehr fordert und so viel abverlangt. Qing bemerkt dabei nicht, dass er keine Zeit für seine Freundin hat. Er sieht in ihn lediglich den Erben Herons.‹‹

Flora wusste darauf nichts zu erwidern. Hatte Fen etwa Mitleid mit ihr? Trauer umfing sie und zerrte an ihren Augen. Nur zu gerne wollte sie ihren Tränen erliegen, aber das durfte sie nicht. Niemand sollte es wissen. Niemand durfte es wissen!

Instinktiv ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Weißlich drückten sich die Knochen hervor. Aber auch das tiefe Schlucken brachte keine Abhilfe. Gegen ihren Willen musste sie an ihn denken.

Langsam drehte sich Königin Fen zu ihr um. Das Gesicht in Sorge und Betrübtheit gelegt, guckte sie sie an. ››Du tust es schon wieder.‹‹

Ein Ruck ging durch Flora und sie wurde steif wie ein Eiszapfen. Mit großen, weit geöffneten Augen musterte sie ihren Gegenüber.

››Du verheimlichst es gut, aber mir kannst du nichts vormachen. Ich habe so viel Leid in meinem Leben erfahren, dass ich einem jeden seine Gefühle anzusehen vermag.‹‹

Noch immer konnte Flora nicht aus ihrer Starre fliehen. Ihre Sorge wurde zu Angst; panischer Angst. Der Brustkorb hob und senkte sich unheimlich schnell, eine Kurzatmigkeit, wobei jeder Atemzug in der Lunge brannte. Inständig redete sich Flora ein, dass es ihr egal sei, wenn jemand um ihre Gefühle wüsste, doch was wenn man sie an Alexander weitertrug? Konnte sie dann immer noch seine Freundin sein? Durfte sie noch in seiner Nähe bleiben, oder würde er sie fort schicken, damit sie keine Schmerzen mehr erleiden musste?

Doch dann, ganz unerwartet, wurde ihr klar, dass sie umsonst besorgt war. Selbst wenn Fen ihr ansah, dass sie litt, wusste sie dennoch nicht warum. Die Schultern sackten herunter und die Gewalt über ihren Körper kam zurück. Auch wenn der Herzschlag noch in keinem gesunden Maß schlug, schien das Adrenalin die Frau nicht mehr vollends zu vereinnahmen.

Mit leicht heiserer Stimme, die sie in diesem Moment verfluchte, sagte sie: ››Ach das. Mach dir keine Sorgen, Fen, ich habe nur etwas Heimweg.‹‹ Als wäre es eine Banalität winkte sie mit der rechten Hand ab.

Halb fielen Fen die Lider auf die Augen. In wenigen Sekunden glaubte Flora, dass sie aus Glas und leicht zu durchleuchten war.

››Wie dem auch sei‹‹, erneut schaute sie zum Palast und verzog den Mund, ››Ich bin aus einem anderen Grund mit dir hierhin gegangen.‹‹ Ernst wurde ihre Miene und allmählich wurde die Frau Flora extrem unheimlich. Sie waren allein. Hier würde so schnell niemand ihren Weg kreuzen. Eigentlich hatte sie immer geglaubt, sie müsse vor Fen keine Angst haben. War sie doch stets eine gütige Frau gewesen, aber nun sah sie eine ganz andere Person. Eine Person, die sie plötzlich gar nicht mehr einzuschätzen vermochten.

››Wie ich eben schon sagte, mein Mann nimmt Alexander zu sehr ein. Ich kann verstehen, dass er unsere Bräuche, die Politik und allem voran seine Werwolfskräfte zu beherrschen wissen muss, aber...‹‹ Wie auf der Fluch blickte sich die Königin verstohlen um. Flora tat es ihr gleich und stellte fest, dass sie wirklich alleine waren. Nicht einmal ein Vogel schien in der Nähe zu sein.

››Flora, ich weiß, dass du Sarah schreibst. Du musst mir einen Gefallen tun.‹‹

Diese zuckte mit den Schulter und wusste nicht recht, was sie sagen sollte, lediglich etwas dummes verließ ihre Lippen: ››Du vertraust ihr noch nachdem sie Chui so misshandelt hat?‹‹

››Was soll die Frage? Ich weiß doch von Chang-Ying, dass sie nicht sie selbst war. Sarah wurde von anderen Fäden geführt. Gut, ich verstehe diese Deutung von meiner Oma auch nicht so recht und ich gebe zu, dass ich mehr als wütend war, aber sie ist vielleicht unsere einzige Hoffnung!‹‹

››Einzige Hoffnung worauf?‹‹, fragte Flora verwirrt.

››Hör zu, ich habe nicht viel Zeit, denn dieses Tal ist klein und überall lauern Leute meines Mannes, daher musst du mir jetzt ganz genau zuhören, okay?‹‹ Fast bittend sah die Königin sie an. Die Art und Weise wie sie sprach, ihre drängende Tonlage und die eindringliche Mimik dahinter, beeindruckten Flora. Trotz einem seltsamen Gefühl im Magen nickte sie.

››Gut, ich danke dir. Ich weiß, dass man deine Briefe an Sarah nicht kontrolliert. Verstehe mich nicht falsch, aber man sieht in dir keine Bedrohung. Für die meisten bist du ein kleines Licht. Ich mag dich Flora, du hast etwas, was mich fasziniert. Ich weiß um dein Leid und teile es in gewisser Weise mit dir, denn während deine Familie getötet wurde, hat mich meine verstoßen. Ich war kein Werwolf wie sie; konnte mich nicht verwandelt, war gewöhnlich. Das wollten sie nie in ihrer Familie haben; es war eine Schande. So kam ich hierher zu meiner Oma und lernte den König kennen und lieben. Jahr für Jahr veränderte er sich. Aus Güte würde Gleichgültigkeit. Zwar wusste er sein Volk zu führen, aber er zog sich immer mehr vor mir zurück.‹‹ Tief atmete sie ein und schlang die Arme um ihren Körper, als fröstelte sie. Doch Flora wusste, dass es nicht die Kälte war, sondern ihre Gefühle. ››Seitdem Alexander in unser Leben getreten ist, komme ich nicht mehr an ihn heran. Er ist … Er giert nach etwas. Er liegt auf der Lauer wie ein hungriger Wolf, der auf Beute wartet. Qing kann es nicht erwarten, dass das passiert, was er erwartet. Ich habe versucht seine Gespräche zu belauschen und habe ihn verfolgt, wann immer es meine Tätigkeit zuließ, aber ich habe keinen Erfolg.‹‹

››Wieso versucht du nicht ein paar Dienstmädchen mit ein zu beziehen?‹‹ Flora kannte am besten die Vorzüge von diesen Mädchen und Frauen. Sie waren überall, hörten und sahen alles. Ein jeder benutzte sie und sprach in deren Gegenwart über Dinge, die man nicht hinaustragen durfte. Zwar war es diesen Frauen verboten darüber zu sprechen, aber oft ließen sie sich kaufen.

Verzweifelt schluchzte Fen. ››Weil niemand wissen darf, was ich vermute, oder das etwas nicht stimmt. Qing hat überall seine Spitzel. Wenn ich zufällig einem von ihnen vertraue, laufe ich in eine Falle. Du bist quasi ein Außenseiter, denn du bist weder eine von uns, noch erkennen sie an, dass du zu den Vampiren gehörst. Gerade wegen deiner Vergangenheit, denkt ein jeder hier, dass du die Vampire genauso wie sie hassen musst.‹‹

Inbrünstig und laut konterte Flora: ››Aber das ist nicht wahr,... jedenfalls nicht alle...‹‹

››Darauf will ich hinaus. Du musst Sarah schreiben, was hier vor sich geht.‹‹

Plötzlich und unmissverständlich wurde ihr klar, was die Königin ihr offenbaren wollte und obwohl sie diese Erkenntnis abwies, hakte sie nach: ››Was darf niemand wissen, dass du vermutest?‹‹

››Qing ist fast ausschließlich in seinem Thronsaal, oder den untersten Katakomben zu finden. Er geht allen meinen Fragen aus dem Weg. Er hetzt und wütet, dass Alex endlich eins mit sich selbst sei. Er nimmt Kontakt zu Außenposten auf, von denen ich noch nie etwas gehört habe. … Oft habe ich versucht Chang-Ying zu befragen, aber es ist ihre Pflicht dem König gefügig zu sein. Pflichten erfüllte sie schon immer sehr gewissenhaft.‹‹

Auf einmal fing Fen an zu schluchzen und zu weinen. Dicke Tränen rannen über ihre Wange. Hände und Ärmel wischten wild durch ihr Gesicht. Schnell war der Stoff mit dunklen Flecken versehen, doch sie beruhigte sich einfach nicht.

Flora war erstarrt. Sie wusste nicht, wie sie ihr helfen sollte; wusste nicht, was sie überhaupt von alle dem halten sollte.

Immer wieder erfüllte lautes Schluchzen die Umgebung und schien sie mit Leid zu bedecken. Die Königin konnte nichts mehr sagen. Ein scheinbarer Klos, hervorgerufen durch das Weinen, hinderte sie vehement daran. Aus einem Schleier aus dicken Tränen sah sie die Blondine an und machte einen Schritt auf sie zu.

Ihre Schuhe rutschten weg und sie sackte in den Schnee am Rande des Weges. Prompt entließen Flora ihre imaginären Fesseln und sie setzte sich in Bewegung. So schnell sie konnte, war sie bei ihr und wollte ihr auf helfen. Die Königin wand sich hin und her. Anfangs glaubte Flora sie sei abwesend, denn sie nahm sie überhaupt nicht wahr. Sie hielt ihre Schultern fest und schüttelte Fen. Nichts. Klagend jammerte sie und gab sich vollends ihrer Trauer hin.

Nach Sekunden, die Flora vorkamen wie Stunden, wurde ihr klar, dass sie diese Zeit brauchte. Also blieb sie bei ihr. Nässe drang von ihrer Kleidung zu den Knien und den Unterschenkeln durch.

Aber dann regte sich Königin Fen. Schniefend und mit roten Augen sah sie Flora direkt an. ››Ich... Ich will das nicht. Ich... kann das nicht! Ich habe bereits meinen geliebten Mann an ein Monster verloren, ich will nicht noch meinen Sohn verlieren.‹‹ Sie schüttelte geistesabwesend den Kopf. ››Nein. Nein. Nein... und erst recht kann und will ich nicht dabei zu sehen, wie unzählige Leben ausgelöscht werden.‹‹ Nachdem sie hörbar die Nase einzog und schluckte, redete sie weiter, wagte aber nicht den Blickkontakt, der Dringlichkeit ihrer Worte willen, aufzugeben: ››Ich befürchte, nein, ich bin mir sicher, Qing will einen neuen Krieg heraufbeschwören, mit Alexander an seiner Seite.‹‹ Ihre Finger krallten sie in Floras ausgestreckte Oberarme. Sie überging den leichten Schmerz und beugte sich zu ihr hinüber, um sie zu umarmen.

Noch lange verharrten die beiden Frauen in dieser Position. In der Umarmung gab Flora der wimmernden Fen Geborgenheit. Es dauerte bis beide wieder die Kraft fanden, sich zu bewegen. Jeder wusste um die Kraft dieser Worte. Sie waren heiß wie Feuer und so wild wie das Meer. Beide Naturgewalten forderten ihre Opfer, aber dennoch gehörten sie zur Welt des Gleichgewichts. Allerdings, dieses eine Wort -Krieg- würde das gesamte Gefüge auseinanderreißen.

Irgendwann traten sie letzten Endes den Heimweg an. Betrübt waren die Gesichtszüge. Wie Roboter bewegten sie sich vor; ohne Gefühle, der völligen Leere verschrieben. Keiner sagte mehr ein Wort.

Kurz vor der langen Treppe zum Palast brach Fen das Schweigen. Leise flüsterte sie: ››Ich weiß nicht, ob es ein Fehler ist die Vampire darüber zu informieren, aber was soll ich tun? Ich weiß mir selbst nicht zu helfen. Ich hab Angst um Tian. Er wächst momentan so schnell und ich will ihn nicht in einem sinnlosen Krieg verlieren.‹‹

Flora traute sich nicht aufzuschauen. Sie betrachtete die Steine der Hauptstraße. ››Ich versuche es lediglich als Vermutung weiterzugeben. Sarah wird sicher wissen, was sie damit anfangen soll, aber ich weiß nicht, ob sie meinen Brief bekommt.‹‹

››Wie meinst du das?‹‹

››Sie hat mir nicht ein einziges Mal geantwortet.‹‹ Sie seufzte.

››Hm‹‹, gab die Königin von sich, ››Vielleicht werden ja ihre Briefe abgefangen! Wenn dem tatsächlich so ist, durchleuchten sie deine Briefe auf Umwegen. Du musst das in deinem nächsten Schreiben berücksichtigen und ihr mitteilen!‹‹

Flora nickte.

Als sie die ersten Treppen ansteuerten, ergriff Fen wieder das Wort: ››Und noch etwas: Ich habe vorhin deine Gefühle angesprochen. Ich habe nicht nur einmal gesehen wie du Alexander ansiehst. Es ist mehr als Freundschaft, da bin ich mir sicher.‹‹

Prompt versteifte sich Flora wieder und hielt die Luft an.

››Lange war ich im Glauben ich würde den König noch lieben, doch tue ich dies lediglich aus längst vergangenen Tagen. Jetzt ist er nicht mehr der, den ich einst geheiratet habe. Trotz allem habe ich Zeit gebraucht dies anzuerkennen und somit vielleicht annähert das durchgemacht, was dir widerfährt.‹‹

Erhaben hob sie das Kinn, da sie bald den Torbogen zur Aussichtsplattform durchschreiten würden und Flora vermutete, dass sie niemanden ihre Ungewissheit und Sorge anmerken lassen wollte.

››Ich rate dir, vergiss ihn. Das es schwer ist, verstehe ich gut, aber dennoch liebt er Sarah und das wird sich niemals ändern. Eine einseitige Liebe ist die Grausamste, die ich mir vorstellen kann.‹‹

››Oh, euer Hoheit, was ist mit euren Mantel geschehen?‹‹ Eines der Dienstmädchen eilte ihnen von dem großen Tor entgegen. Sie strich über den fest gedrückten Schnee und den Dreck, der an dem Mantel klebte wie Kaugummi.

››Ich bin nur ausgerutscht.‹‹

Doch die gesamten Konversation zwischen den Beiden nahm Flora gar nicht mehr wahr. Sie war abwesend; fühlte sich wie erschossen. Ob irgendjemand Verdacht schöpfte, interessierte sie gerade herzlich wenig. Überrumpelt, traurig und kraftlos nahm sie den Weg zurück zu ihrem Schreibtisch und dem zerknüllten Papier auf.

Mitternachtswende

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