Читать книгу Heil mich, wenn du kannst - Melanie Weber-Tilse, Alisha Mc Shaw - Страница 9

Patrick

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Er wusste, dass er ein Arschloch war. Ob die Leute wirklich glaubten, er würde nicht hören, wenn sie hinter seinem Rücken über ihn sprachen, als sei er nicht da, konnte er nicht beurteilen. Auch die Worte von Michael Thompson hatten zwar gesessen, ihn aber im Grunde genommen nicht interessiert, da es für ihn nichts Neues war, dass man ihm vorwarf, ein Tyrann zu sein. Neu für ihn war jedoch, dass er sich heute zum ersten Mal selbst als das Arschloch gefühlt hatte, das man ihm nachsagte zu sein.

Nachdem er sehr viel später im Büro erschienen war, als er geplant hatte, war ihm einfach der Kragen geplatzt, als er seine Sekretärin dort hatte sitzen und auf ihrem Smartphone herumtippen sehen. Wut war in ihm hochgekrochen wie Sodbrennen, und er nahm ihr das Handy ab und las, was als letztes auf dem Display gestanden hatte. Wer auch immer La war, er schien schon genauestens über ihn informiert zu sein.

»Ich bin also ein Arsch?«

»Ich … Mr. St. Claire … ich kann das erklären.«

»In mein Büro, wir sollten uns unterhalten«, hatte er geknurrt und war in sein Büro gestürmt, wissend, das sie innerlich gerade tausend Tode sterben und Angst um ihren Job haben würde. Dennoch hatte er in aller Seelenruhe sein Jackett ausgezogen und es weggehangen, ehe er zu seinem Schreibtisch getreten war und ihr mit einem Kopfnicken bedeutet hatte, sich zu setzen.

Er hatte sich gesetzt und sie schweigend gemustert. Obwohl sie sich darüber im Klaren sein musste, was jetzt passieren würde, hatte sie seinem Blick standgehalten und nur das leichte Zittern ihrer Hände ließ vermuten, wie es in ihrem Inneren gerade aussah. Sein Plan war gewesen, sie richtig gründlich runterzuputzen und ihr eine erste Abmahnung auszusprechen. Eigentlich.

Dann aber hatte er nur geseufzt und gesagt: »Julia, wir hatten nicht den besten Anfang. Ich bin es gewohnt, dass alles reibungslos abläuft und jeder effizient arbeitet. Mir ist allerdings klar geworden, dass ich, wenn vorher mit weicher Hand geführt wurde, nicht erwarten kann, dass Sie wissen, was ich möchte und wie der Arbeitsablauf aussieht. Zunächst möchte ich, dass während Sie hier sind, nicht am Handy herum gespielt wird. Pausen dürfen gemacht werden, außer es steht ein wichtiger Termin an. Überstunden wird es bei mir sicher einige geben, ich verlange, dass diese ohne Murren gemacht werden. Wenn ich etwas auftrage, wird es sofort ausgeführt. Meinen Kaffee trinke ich mit einem Schuss Milch und einem Löffel Zucker und er hat morgens bereitzustehen. Klare, einfache Regeln, Julia, bekommen Sie das hin?«

Kurz war Überraschung in ihren Augen aufgeblitzt, dann nickte sie. »Aber natürlich, Mr. St. Claire. Es tut mir wirklich leid, wie es die letzten beiden Tage gelaufen ist. Bisher gab es nie Beschwerden über mich.« Er glaubte ihr, natürlich tat er das. Michael Thompson mochte eine unübliche Art im Umgang mit seinem Personal haben, aber ebenso wie er selbst würde Thompson niemals etwas dulden, das der Firma wirklich schadete.

Und so hatte er Juliette in den Feierabend entlassen und ihr sogar ein schönes Wochenende gewünscht, auch wenn er sich einen letzten bissigen Spruch nicht hatte verkneifen können.

***

Der Samstag war hereingebrochen, und somit hatte das Wochenende offiziell begonnen. Nicht aber für ihn, denn heute Abend würde die erste Charity-Veranstaltung der Help for a better Life-Foundation stattfinden, bei der die Thompson Holding einer der größten Spendengeber war. Natürlich war es seine Pflicht, als Partner ebenfalls dort zu erscheinen. Michael Thompsons Schwester hatte diese Foundation noch in der Zeit ihrer Reha ins Leben gerufen, und man munkelte, das sie selbst heute durch den Abend führen würde.

Um eine Begleitung hatte er sich bereits vor einigen Tagen gekümmert und würde sich das einiges kosten lassen. Für eine Frau gab es in seinem Leben keinen Platz, aber die Damen des Diamond Escort Services hatte er schon des Öfteren in Anspruch genommen, wenn es um solche Veranstaltungen ging. Er bekam dort genau das, was er brauchte. Eine gebildete, wunderhübsche junge Frau, die an seiner Seite glänzte und ihn nicht in Verlegenheit brachte. Und - was am wichtigsten war - er bekam eine Frau, die nach diesem Abend in ihr Auto stieg, nach Hause fuhr und nicht von ihm erwartete, das er ihr die Welt zu Füssen legte.

Mit allem, was körperliche Belange anging, handhabte er es ebenso. Warum sollte er sich mit einer Frau begnügen, wenn er doch die schönsten von ihnen auf Abruf kommen und gehen lassen konnte, wie es ihm in seinen engen Zeitplan passte?

Zufrieden lächelnd trat er vor den großen Spiegel im Flur seines spartanisch eingerichteten Appartements. Es befand sich nur wenige Autominuten vom Hauptsitz der Thompson Holding entfernt in exquisiter Lage. Nachdem für ihn feststand, dass er sein Geld in die Firma einbringen und als Partner einsteigen würde, hatte er das Penthouse gekauft und von einer renommierten Innenausstatterin einrichten lassen. Kühle Farben und klare Strukturen behielten die Oberhand, genau so, wie er es mochte.

Der Anblick seines Spiegelbildes trug nur noch zu seiner guten Laune bei, denn wie eigentlich immer sah er fantastisch aus. Zu seinem schwarzen Seidenhemd hatte er einen dunkelgrauen Anzug gewählt und schwarze, auf Hochglanz polierte Schuhe rundeten sein Erscheinungsbild ab. Schlips oder Krawatte trug er selten, dafür liebte er es viel zu sehr, die oberen beiden Knöpfe seines Hemdes offen zu tragen, da ihm alles andere das Gefühl gab, eingeengt zu sein.

Die Haare hatte er mit Hingabe, viel Aufwand und einigem an Haargel so zurechtgemacht, dass er zumindest auf dem Kopf so aussah, als sei er gerade eben erst dem Bett entstiegen. Sein Fünf-Tage-Bart war frisch gestutzt, und der Duft von Davidoffs Cool Water umgab ihn dezent. Gut gelaunt pfeifend betrat er den Aufzug, der ihm direkten Zugang zu seinem Penthouse bot und gab den Code ein, der ihn nach unten fahren lassen und gleichzeitig seinem Fahrer, der ebenfalls im Haus wohnte, ein Signal übermitteln würde, das er bereit zur Abfahrt war.

Eine Stunde später hatte er Kate, seine Begleitung für den heutigen Abend, abgeholt und der Fahrer setzte beide vor dem Four Seasons ab. Zufrieden sah er zu der jungen Frau, die an seinem Arm untergehakt war und sich interessiert umsah. Sie trug ein bodenlanges, rot glänzendes Kleid mit ebensolchen Schuhen, die dafür sorgten, das sie gerade noch einige Zentimeter kleiner war als er selbst.

Gemeinsam betraten sie die Eingangshalle, in der sie sofort von einem Concierge in Empfang genommen und nach einem kurzen Check der Einladungskarten mit Namen begrüßt wurden. Lächelnd führte er Kate weiter in den Saal, in dem die Festivität stattfinden würde. Er war wirklich gespannt auf Michael Thompsons Schwester, war sie doch in den letzten Wochen das Gesprächsthema der High Society gewesen.

Nachdem er den Tisch gefunden hatte, an dem er den Großteil des Abends verbringen würde, blieb sein Blick erstaunt auf der Flasche Wasser hängen, die in einem gekühlten Sektkübel dort stand. Er hatte schon Gerüchte darüber gehört, dass Ms. Thompson den Abend zugunsten der Förderungen so kostengünstig wie möglich halten wollte, aber das sie dabei so rigoros durchgriff, überraschte ihn dann doch.

Als schließlich die Lichter abgedunkelt wurden und ein erster leiser Applaus aufkam, wandte er seine gesamte Aufmerksamkeit auf die junge Frau, die soeben vermutlich von einem Pfleger mit dem Rollstuhl auf die Bühne begleitet wurde. Fasziniert beobachtete er, wie sie langsam, aber zielstrebig aufstand und den einen Schritt machte, der sie von dem vor ihr stehenden Podium trennte.

Ein erstes, lautstarkes Klatschen ertönte, und als Patrick den Kopf leicht wandte, erkannte er Michael, der sichtlich gerührt seiner Schwester applaudierte. Nach und nach fiel der gesamte Saal mit ein, und dann – begann Annabell Thompson geschickt damit, der anwesenden Creme de la Creme das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Etwa eine Stunde, eine überraschende Prügelei und einige wirklich mitleiderregende Geschichten später führte er Kate langsam zum Tisch der Thompsons. Dort stand nicht nur Michael, sondern auch Annabell Thompson und ihr wiedergekehrter, ehemaliger Pfleger und neuer Freund Jonathan Briggs.

Nachdem alle einander vorgestellt und der Höflichkeit genüge getan war, wandte sich Patrick Jonathan zu, der ihn nachhaltig beeindruckt hatte. Dies machte er ihm auch gleich unmissverständlich klar, und es entwickelte sich eine angeregte Unterhaltung.

»Vielleicht kann ich ja auch Sie davon überzeugen, etwas für die Help for a better Life zu tun, Mr. St. Claire«, mischte sich Annabell Thompson nach einer Weile in das Gespräch mit ein. »Wie Sie ja sicherlich wissen, zählt jeder Penny!« Amüsiert schmunzelnd sah er Anna an.

»Mein Scheck ist Ihnen gewiss, Ms. Thompson. Wenn ich nicht sowieso vorgehabt hätte, diese Sache zu unterstützen, so wäre es spätestens mit dem Appell Ihres Freundes hier ...«, Patrick nickte Jonathan anerkennend zu, »soweit gewesen. Nicht nur in meiner Eigenschaft als Partner der Thompson Holding halte ich es für meine Pflicht, das soziale Engagement der Firma mit zu tragen.«

Gedanklich machte er sich eine Notiz, gleich am Montag Juliette damit zu beauftragen, eine entsprechende Überweisung aus seinem Privatvermögen zu tätigen. Die Summe würde ihm nicht wehtun, und auch, wenn die Öffentlichkeit ihm immer wieder nachsagte, dass er ein Egoist war, unterstützte er regelmäßig soziale Projekte. Auch ein Egomane konnte ein Herz haben, es musste nur dem richtigen Zweck dienen.

Ein überraschter Blick Michael Thompsons traf ihn und er musste grinsen. Ja, auch sein Partner hatte ihn scheinbar in diese Schublade einsortiert, aber das war ihm auch ganz recht so. Es ließ sich viel besser zwischen Freund und Feind unterscheiden, wenn alle Welt glaubte, das man außer einem großen Ego und knallharter Verhandlungsfähigkeit nichts zu bieten hatte. Er hob sein Glas Wasser an und prostete ihm zu. »Auf gute Zusammenarbeit!«

Heil mich, wenn du kannst

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