Читать книгу Ein Engel auf Abwegen - Melanie Weber-Tilse, Alisha Mc Shaw - Страница 7
Gabriel – Irgendwo im Nirgendwo
ОглавлениеVerblüfft starrte Gabriel auf seine Hand, als nichts passierte. Er versuchte es noch einmal, doch wieder geschah ... einfach nichts. Als er den Blick hob, begegnete er Dämonias spöttischem Grinsen. »Na, Engelchen, kein Viagra genommen heute Morgen, oder was ist los?«, feixte sie. Mürrisch stapfte er an ihr vorbei. Dieses Weib würde ihn in den Wahnsinn treiben und sie waren gerade einmal ein paar Minuten hier. Die Frage, die es zu klären galt, war, wo genau war hier eigentlich?
Er faltete die Flügel am Rücken zusammen, während er überlegte, warum seine Kräfte nicht funktionierten. Wofür war er ein Erzengel, wenn er jetzt nicht einmal ein Feuer entfachen konnte? Mit finsterem Gesicht begann er, in der näheren Umgebung Holz zu sammeln. Viel lag hier nicht rum, denn scheinbar waren sie im wahrsten Sinne des Wortes am Arsch irgendeiner Welt gelandet. Wie hatte es dem Bibliothekar gelingen können, sie alle an der Nase herumzuführen?
Der gesamte Rat war mehr als sicher gewesen, dass Luzifer seine Finger im Spiel hatte, denn natürlich waren alle davon ausgegangen, dass der Höllenfürst der Einzige war, der die Macht besaß, sogar den Himmel zu täuschen. Erst, als der Teufel selbst die Liebe kennengelernt und sich als durchaus verhandlungsbereit gezeigt hatte, waren das erste Mal Zweifel aufgekommen. Und so war es zu dem Treffen in der neutralen Bibliothek gekommen.
Im Nachhinein betrachtet war es ein genialer Schachzug von Arman gewesen, denn bei Gelingen seines Plans wäre das gesamte Gefüge der Welt auf den Kopf gestellt worden. Die wichtigsten Vertreter aus Himmel und Hölle hatten sich versammelt, um neue Verträge auszuhandeln, und dieses Dimensionstor hätte mit einem Schlag alles auslöschen können. Was sich genau ereignet hatte, vermochte Gabriel nicht zu sagen. Dafür war er zu sehr mit dem Versuch beschäftigt gewesen, die kleine Höllendame zu retten. Hatte nicht so gut geklappt, wie er es erwartet hatte, und nun hing er mit diesem zickigen Weibsbild hier fest.
Die Dämonin hatte sich ebenfalls in Bewegung gesetzt und streifte durch die Gegend, sie schien ganz offensichtlich etwas zu suchen. Für einen Moment hielt er inne und beobachtete sie dabei, wie sie mit grazilen Bewegungen die Äste der Büsche beiseiteschob und darunter spähte. Noch bevor er darüber nachdenken konnte, einen blöden Spruch in ihre Richtung loszulassen, hob sie den Kopf und ihre Blicke begegneten einander. Dämonia Augenbraue hob sich fragend und ein zynisch amüsiertes Grinsen umspielte ihre Lippen.
Schnaubend wandte er sich ab und stiefelte weiter, denn bislang würde seine mickrige Ausbeute noch nicht einmal für die halbe Nacht reichen. Dabei suchte er immer wieder nach Anzeichen, die auf irgendeine Zivilisation hindeuten würden, doch bis auf das leise Heulen des Windes und dem Geräusch einiger Steppenläufer, die über den Boden geweht wurden, war da einfach nichts. Noch dazu wurde es bereits dunkel, also würde auch eine länger angelegte Suche nicht viel bringen. Es wäre sicherlich das Gesündeste, wenn sie dort bleiben würden, wo sie gelandet waren.
Vor allem, wenn man bedachte, dass offenbar nicht nur er, sondern auch Dämonia keinerlei Kräfte mehr besaßen. Immerhin hatte er seine Flügel noch, die würden ihm sicher noch zugutekommen, denn schon jetzt war es deutlich kühler geworden. Und wenn man das wenige Holz begutachtete, dass er in der ganzen Zeit seiner Suche gesammelt hatte, würden sie den Großteil der Nacht frieren.
Mit dem gefundenen Holz kehrte er zurück zu Dämonia, die sich inzwischen auf einem Stein niedergelassen hatte und in einer Art Tasche herumwühlte. Als er sich näherte, blickte sie zu ihm auf. Doch anstatt, wie er es erwartet hatte, einen blöden Spruch zu reißen, stand sie auf und begann damit, aus kleineren Steinen einen Kreis zu bilden, in dessen Mitte er das Holz aufschichten konnte. »Ich habe meinen Rucksack gefunden«, erklärte sie. »Offensichtlich wurde der mit durch den Riss auf diese Seite gezogen. Und ein paar Bücher aus der Bibliothek ebenfalls.«
»Sehr gut. Wir sollten sie zusammensuchen«, Gabriel nickte zufrieden. »Die brennen sicherlich gut.«
»Bist du bescheuert, Federvieh?«, fauchte sie und seine Augenbrauen schossen in die Höhe. »Ich werd eher dich zu einem Braten verarbeiten, bevor ich die wertvollen Bücher den Flammen überlasse!«
»Klar, klingt absolut logisch. Du liegst also lieber auf dem Boden und wirst dir den Arsch abfrieren, kleine Dämonin? Wobei ...«, ein freches Grinsen legte sich auf seine Lippen. »Du könntest natürlich auch einfach herkommen und dich eng an mich unter meine Flügel kuscheln!«
»Eher gefriert die Hölle!«, fauchte sie und warf ihm einen neuerlichen Todesblick zu. Er beschloss, es nicht auf die Spitze zu treiben, und verbiss sich einen weiteren Kommentar. Schweigend arbeiteten beide, bis sie eine Feuerstelle errichtet hatten, die zumindest so aussah, als würde sie nicht gleich wieder zusammenbrechen. Jetzt musste es ihm nur noch gelingen, auch eine Flamme zu erzeugen.
»Ob man unser Verschwinden bereits bemerkt hat?«, fragte er nach einer Weile in dem Versuch, ein harmloses Gespräch anzufangen, während er in seinen Erinnerungen danach suchte, was er noch über das Feuermachen wusste. Dann legte er ein paar dünnere Äste parat und versuchte mit einem weiteren Ast, durch schnelle, drehende Bewegungen genug Reibung zu bekommen, um Hitze zu produzieren.
»Himmel und Hölle sind doch viel zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig die Schuld für irgendwas in die Schuhe zu schieben«, schnaubte sie.
»Um genau das für die Zukunft zu ändern, fand unser Treffen statt!«
»Ach, und du glaubst wirklich, das man Dinge, die seit Jahrhunderten so sind, mit einem einzigen Treffen aus der Welt schaffen kann? Du bist ja noch bescheuerter, als ich dachte!«
»Nein, das glaube ich sicher nicht. Aber wenn man nicht damit beginnt, es zu versuchen, wird es garantiert nichts«, keuchte Gabriel, immer noch in dem Versuch, dem trockenen Holz endlich eine Flamme zu entlocken.
»Ach Engelchen, darum versuchst du die ganze Zeit, Feuer zu machen?«
Ein Knurren entwich ihm. »Kannst du es besser, Klugscheißerin?«
»Aber natürlich, du solltest jedoch am besten etwas aus dem Weg gehen, sonst flämmst du dir am Ende noch deine Federn ab!«, kicherte Dämonia und erhob sich.
Aber noch bevor sie ihren Worten Taten folgen lassen konnte, begannen Gabriels Mühen Erfolg zu zeigen und kleine Rauchschwaden stiegen aus dem Feuerholz auf. Zufrieden grinste er vor sich hin.
»Wie niedlich, ein Sparflämmchen! Na ja ... für dein Grillwürstchen wird es ja wohl reichen.«
»Weißt du ...«, Gabriel schichtete vorsichtig ein paar weitere Zweige auf die zarte Flamme, richtete sich dann auf und warf dem frechen Frauenzimmer einen finsteren Blick zu. »Dafür, dass du bis jetzt eigentlich noch rein gar nichts geleistet hast, bist du ganz schön vorlaut!«
»Weißt du, Engelchen ...«, ihre Stimme bekam einen süffisanten Unterton. »Ich bin nicht umsonst die beste Schatzsucherin der Unterwelt und normalerweise auf alles bestens vorbereitet. Im Gegensatz zu dir habe ich nämlich das hier ...!« Sie wedelte mit einem Päckchen herum und ein Anflug von Wut machte sich in ihm breit. Sie hielt Streichhölzer in der Hand!
»Du willst mir jetzt also ernsthaft erzählen, dass du mich hier wie ein Vollidiot rumrubbeln lässt, während du verdammte Streichhölzer hast?«, fluchte er und seine Stimme bebte.
»Na, na, Engelchen ... wer wird denn so unflätig fluchen?« Dämonia schüttelte ihren Kopf und er musste sich beherrschen, um ihr nicht an die Gurgel zu springen. »Mit Rubbeln solltest du als Mann dich doch auskennen, oder? Und außerdem habe ich die Streichhölzer gerade benutzen wollen, als deine mickrigen Qualitäten endlich Erfolg zeigten!«
Ein Schrei entwich seiner Kehle, während er die Hand zur Faust ballte. »Sei froh, dass ich keine Frauen schlage!«, presste er zwischen den Zähnen hervor. Das Feuer prasselte mittlerweile munter vor sich her und Dämonia schien begriffen zu haben, dass sie ihn jetzt besser nicht weiter reizte. Sie kehrte zu ihrem Rucksack zurück und wühlte erneut in diesem. Es wäre ihr zuzutrauen, dass sie noch mehr nützliche Dinge dort hortete.
Als ob sie seinen bohrenden Blick spüren würde, seufzte die Dämonin auf einmal ergeben auf. »Zwei Flaschen Wasser und ein bisschen Astronautennahrung. Der Rest geht dich nix an«, sagte sie und hob den Blick erneut zu ihm an. »Alles in allem reicht das, was ich habe aber nicht länger als zwei Tage, wenn wir sparsam damit umgehen. Wir sollten also morgen zusehen, dass wir irgendetwas finden in dieser gottverdammten Einöde.«
Ein Geräusch ließ ihn den Blick von ihr lösen, doch so angestrengt er auch in die Dunkelheit spähte, er konnte nichts ausmachen. »Du solltest jetzt dichter ans Feuer kommen«, sagte er leise, ohne seine Aufmerksamkeit von der Dunkelheit zu lösen. »Da unsere Kräfte hier nicht zu funktionieren scheinen, sollten wir kein unnötiges Risiko eingehen und uns nur in der Nähe des Feuers aufhalten.«
Überraschenderweise gehorchte die Dämonin, ohne erneut eine Spitze gegen ihn loszulassen. Den Rucksack dicht an sich gepresst setzte sie sich in seine Nähe und warf einige Holzscheite ins Feuer. Eine Weile lang war außer dem Knistern der Flammen und dem Wind nichts zu hören, bis ein leises, aber beständiges Klappern seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es dauerte etwas, bis er begriff, dass es Dämonias Zähne waren, die aufeinanderschlugen.
»Ich weiß ja, dass ich nicht unbedingt deine erste Wahl bin«, murmelte er leise und warf ihr einen Seitenblick zu. »Aber denkst du nicht, dass du, bevor du vollkommen unterkühlt bist, deine Abneigung zumindest für die Nacht zur Seite schieben könntest?«
Finster starrte sie ihn an, ihre Augen glommen im Schein des Feuers düster auf. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest!«, behauptete sie.
Augenrollend breitete er seine Flügel aus. »Was glaubst du wohl, warum in Winterbettwäsche Federn drin sind?« Er erhielt keine Antwort, sondern lediglich ein lautes Schnaufen. »Richtig«, antwortete er sich selbst. »Weil Federn warm halten! Ja, ich weiß, eher gefriert die Hölle zu, aber so arg, wie deine Zähne klappern, hast du die Beißerchen morgen entweder kaputtgeklappert, oder aber du bist erfroren und dann nutzen dir auch die schönen Zähne nichts mehr.«
Noch immer zögerte sie, er konnte den Kampf, den sie mit sich selbst ausfocht, deutlich in ihrem Gesicht ablesen. Schließlich schien der Gedanke an die Kälte, die von Minute zu Minute zunahm, zu siegen, und sie rutschte mit missmutiger Miene dichter an ihn heran. Er verkniff sich das triumphierende Grinsen und schlang die Flügel um sie beide.
»Bild dir bloß nichts ein«, zischte es an seiner Schulter und nun vibrierte sein Körper doch noch vor unterdrücktem Lachen, bis es schließlich glucksend aus ihm herausbrach.
»Ich lege keinen gesteigerten Wert darauf, mir die Finger zu verbrennen, kleiner Teufel«, murmelte er und zog die Flügel noch ein wenig mehr an. »Du bist also zumindest für heute vor meinem ... wie sagtest du noch gleich? ... Grillwürstchen in Sicherheit.«