Читать книгу Ein Junggeselle zum Verlieben - Melody Carlson - Страница 8
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George wusste nicht so recht, was er denken sollte, als er hastig das Frühstücksgeschirr spülte. Willow machte keine Anstalten, sich zu verabschieden. Das schmutzige Geschirr im Spülbecken stehen zu lassen, brachte er nicht übers Herz. Er hasste Unordnung in seiner Küche. Aber natürlich war es wenig gastfreundlich, sie allein in seinem Wohnzimmer sitzen zu lassen. Willow mochte eine gute Köchin sein, aber sie hatte auch ein großes Chaos hinterlassen.
George wusste nicht so genau, warum es ihm so unangenehm war, Willow in seinem kleinen Haus zu wissen. Er hatte doch nichts zu verbergen. Aber es passte ihm nicht, dass sie an seinen Kühlschrank gegangen war und in seinen Schränken herumgewühlt hatte. Genauso verstörend fand er es, dass sie es sich dort draußen gemütlich gemacht hatte.
George musste sich eingestehen, dass er kein guter Gastgeber war. Eigentlich hatte er noch nie Gäste gehabt. Sosehr er Willow mochte, aber er konnte nicht leugnen, dass sie ihn an die Grenzen seiner Geduld brachte.
„So, das soll für den Augenblick genügen.“ Mit dem feuchten Geschirrtuch in der Hand gesellte er sich zu ihr. „Ich mache das hier später fertig.“ Er trocknete seine Hände an dem Geschirrtuch ab und faltete es anschließend zusammen.
„Und ich kann Ihnen bestimmt nicht helfen?“, fragte sie von seinem kleinen Sofa aus.
„Nein, vielen Dank.“ Nervös blickte er sich in dem Zimmer um. Die Sonne schien herein und auf mehreren Oberflächen entdeckte er eine dünne Staubschicht. Doch er widerstand dem Drang, mit dem feuchten Geschirrtuch darüber zu wischen. Das wäre vermutlich auch nicht besonders gastfreundlich gewesen.
„Ich habe gerade diese wundervollen Schränke bewundert.“ Willow erhob sich und ging hinüber zu den Schränken, die George vor mehr als 20 Jahren zusammen mit seinem Großvater gebaut hatte.
„Danke.“
„Und ich habe überlegt, was Sie wohl darin aufbewahren.“ Sie grinste. „Ich vermute, es sind Bücher, aber ich habe dem Drang, einmal nachzuschauen, widerstanden.“
„Sie können ruhig hineinschauen.“ Er öffnete den Schrank, der ihm am nächsten stand.
„Oh du meine Güte!“ Sie eilte hinüber, um sich den Inhalt genauer anzusehen. „Die guten alten Schallplatten – das müssen Hunderte sein.“ Sie wandte sich zu ihm um. „Sind Sie ein Sammler?“
„Nein, die ältesten gehörten meinen Großeltern. Mein Großvater liebte Jazzmusik. Meine Großmutter Sinatra, Crosby und so.“
„Aber die hier sind aus den Sechzigern und Siebzigern.“ Sie zog ein Album heraus. „Die Beatles?“
„Die gehörten meinem Bruder.“
Sie schaute die Schallplatten durch. „Das Weiße Album? Sie besitzen das Weiße Album der Beatles?“ Ganz vorsichtig zog sie es aus der Hülle. „Und dazu noch in hervorragendem Zustand.“
„Mein Bruder liebte die Beatles und besaß fast alle ihre Schallplatten.“
„Unglaublich.“ Sie schob das Album an seinen Ort zurück. „Hören Sie die Schallplatten denn auch an?“
Er öffnete den nächsten Schrank, und zum Vorschein kamen ein alter Schallplattenspieler mit Lautsprechersystem. „Ab und zu, aber jetzt schon länger nicht mehr.“
Wenn er ehrlich war, konnte er sich nicht mehr erinnern, wann er die Stereoanlage das letzte Mal eingeschaltet hatte.
„Oh, Sie sollten sie genießen, George. Musik ist gut für die Seele.“
Darüber dachte er nach. „Na ja, vielleicht habe ich nach meiner Pensionierung ja mehr Zeit dafür.“ Das war natürlich absolut blödsinnig. George hatte immer viel Zeit.
„Und was versteckt sich hinter diesen Türen?“ Sie deutete auf den nächsten Schrank.
„Noch eine Sammlung.“ Es war ihm ein wenig peinlich, doch er öffnete die Tür trotzdem.
„VHS-Kassetten?“ Sie lachte. „Machen Sie Witze?“
„Die meisten gehörten meinen Großeltern.“
„Was für wundervolle alte Klassiker.“ Sie überflog die Titel. „Sie haben ja alle Filme mit Katherine Hepburn und Spencer Tracy. Und da sind alle mit Cary Grant und Fred Astaire und Ginger Rogers. So schöne Filme.“
„Meine Großmutter liebte alte Liebesfilme.“
„Und da sind die Western.“ Sie las die Titel vor.
„Die sind von meinem Großvater.“
„Und Alfred Hitchcock.“ Sie zog Der unsichtbare Dritte heraus. „Das ist mein absoluter Lieblingsfilm.“
„Das ist meine Sammlung.“
„Sie sind ein Hitchcockfan?“
Er nickte.
„Wann haben Sie den denn das letzte Mal gesehen?“ Sie hielt den Film Die Vögel in die Höhe.
„Ich weiß es nicht. Ist schon einige Jahre her.“
„Dann schauen Sie sich die Filme nicht oft an?“
„Vielleicht jetzt, wo ich im Ruhestand bin …“
„Haben Sie noch einen Videorekorder?“
Er öffnete die nächste Schranktür, und zum Vorschein kamen ein altes Fernsehgerät und ein VHS-Rekorder.
„Ich hoffe, dass er noch funktioniert“, murmelte er.
Sie stellte die Kassette wieder an ihren Platz. „Vielleicht laden Sie mich eines Tages mal ein, einige von diesen Filmen mit Ihnen anzuschauen.“ Sie lächelte herzlich, während sie nacheinander die Schranktüren wieder schloss. „Ich bringe auch Popcorn mit.“
„Das werde ich im Hinterkopf behalten.“
Unbehaglich trat er von einem Fuß auf den anderen. Auf der einen Seite genoss er ihre Gesellschaft, auf der anderen Seite war sie auch sehr verstörend. Er war nicht sicher, wie viel er davon ertragen konnte. Nur mühsam widerstand er dem Drang, seinen Kragen zu weiten, um besser Luft zu bekommen.
„Und hinter diesen beiden Türen?“, fragte Willow.
„Wie Sie vermutet haben.“ Er öffnete beide Türen. „Bücher.“
Willow strich mit der Hand über die glatte Oberfläche einer Holztür. „Diese Schränke sind wirklich wunderschön, George. Wissen Sie, was für ein Holz das ist?“
„Kirsche.“ Er erklärte ihr, dass er und sein Großvater diese Schränke gebaut hatten.
„Das kann nicht Ihr Ernst sein.“ Sie betrachtete die Schränke genauer. „Sie sind ein Handwerker, George.“
„Mein Großvater war es.“
„Aber wenn Sie ihm geholfen haben, dann haben Sie doch sicher das eine oder andere gelernt.“
Er zuckte die Achseln. „Ja, ich denke, ich weiß, wie man einen Schrank baut. Aber seither habe ich dieses Wissen nicht vertieft. Die Schränke sind schon viele Jahre alt.“
„Dann haben Sie bestimmt eine gut ausgestattete Werkstatt“, bemerkte sie, „in der Sie solche Schränke bauen können. Als Künstlerin weiß ich, wie wichtig Platz und Werkzeug sind.“
„Ich habe tatsächlich eine Werkstatt.“
Sie schaute sich in dem kleinen Raum um. „Wo denn?“
„Oh, nicht hier“, erklärte er. „Im Haus meiner Großeltern.“
„Aber ich dachte, sie seien schon lange tot.“
„Das stimmt, aber sie haben mir ihr Haus hinterlassen. Und die Werkstatt meines Großvaters ist noch dort, voll ausgestattet mit allen seinen Werkzeugen.“
„Werden Sie sie benutzen?“, fragte sie. „Ich meine, wenn Sie jetzt bald im Ruhestand sind?“
„Das wäre ein Gedanke.“
„Ich würde gerne Schränke wie diese in Auftrag geben“, sagte sie. „Sie bräuchten gar nicht so schön zu sein, obwohl ich natürlich nichts dagegen hätte, wenn es so wäre. Aber ich brauche dringend Schränke für mein Atelier.“ Sie blickte ihn neugierig an. „Besteht die Chance, dass ich Sie überreden kann, welche für mich zu bauen? Ich zahle gut, George, und vielleicht mache ich Ihnen noch einmal Frühstück. Oder auch ein Abendessen. Italienisches Essen ist meine Spezialität.“
„Oh, also ich weiß nicht. Ich bin gar nicht sicher, ob ich das, was Sie sich vorstellen, bauen könnte. Ich bin ziemlich aus der Übung, und –“
„Sie bringen bestimmt etwas zustande, das gehen würde, da bin ich sicher. Wie ich schon sagte, ich brauche nur Stauraum für mein Atelier. Die Schränke könnten aus einfachem Sperrholz sein. Im Augenblick liegen meine Utensilien im ganzen Raum verteilt.“
„Ich werde darüber nachdenken, Willow. Vielleicht nach nächster Woche.“
„Ja, natürlich.“ Sie kräuselte die Lippen. „Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie so bedränge, George. Aber wissen Sie, ich bin unglaublich beeindruckt von der Handwerkskunst, die ich hier sehe.“ Sie musterte ihn eingehend. „Macht Ihnen die Arbeit mit Holz Spaß?“
Darüber dachte er nach. „Damals schon.“
„Dann könnte es wieder so sein.“ Seufzend trat sie einen Schritt zurück. „Und jetzt, fürchte ich, habe ich meinen Besuch schon viel zu lange ausgedehnt. Ich sollte mich jetzt schleunigst verabschieden.“
George war hin- und hergerissen. Auf der einen Seite wäre er erleichtert, wenn sie ginge … auf der anderen Seite, nun, er war sich nicht sicher.
„Möchten Sie sich die Werkstatt meines Großvaters ansehen?“, fragte er ganz unvermittelt. „Ich wollte heute sowieso noch hingehen. Am Wochenende sehe ich im Haus meiner Großeltern normalerweise immer nach dem Rechten.“
„Ich würde mir die Werkstatt sehr gerne ansehen“, rief sie. „Ist es in der Nähe?“
„Einen knappen Kilometer entfernt. In Talbot Hill.“
„Talbot Hill“, wiederholte sie neckend. „Wohnen dort nicht alle reichen Snobs?“
Er zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht. Meine Großeltern waren keine Snobs.“
„Entschuldigung. Ich glaube, meine Großeltern haben mal so etwas gesagt. Sie lebten auf der falschen Seite der Schienen. Buchstäblich.“ Sie lachte. „Also, worauf warten wir noch?“
„Wäre es Ihnen recht, wenn wir zu Fuß gingen?“
„Aber natürlich.“
Er lächelte. „Ich besitze nämlich kein Auto.“
„Im Ernst?“
Er öffnete die Haustür. „Ich habe nie die Notwendigkeit gesehen, mir eines anzuschaffen.“
„Interessant.“ Sie folgte ihm nach draußen und wartete ab, bis er die Haustür abgeschlossen hatte. Und da sie ihn beobachtete, unterdrückte er den Drang, sie noch zweimal zu kontrollieren, ob sie auch tatsächlich zu war.
Auf dem Weg nach Talbot Hill erzählte er ihr ein wenig von seinen Großeltern. „Ich habe sie eigentlich nie als so wohlhabend eingeschätzt, aber das waren sie wohl. Der Familie meiner Mutter gehörte das Sägewerk in der Stadt.“
„Sie meinen Rockwell Lumber?“
„Genau. Als ich ein Kind war, wurde das Werk aufgrund der Abholzungsbeschränkungen der Regierung wegen gefährdeter Eulen beinahe geschlossen. Und mein Großvater hat sich immer darüber beklagt, dass die Regierung ihn aus dem Geschäft drängt. Deshalb dachte ich, dass meine Großeltern nicht wirklich wohlhabend waren.“
„Dann waren Ihre Großeltern also die Rockwells?“
„Genau. Die Eltern meiner Mutter.“
Willow musterte ihn neugierig. „Die Rockwells galten früher immer als ziemlich wohlhabend. Und Sie haben alles geerbt?“
„Ja, das schon, aber die guten Zeiten waren damals schon lange vorbei. Die Holzindustrie ist eingebrochen, als ich die Highschool besuchte. Mein Großvater hat irgendwann das Werk verkauft, und ich glaube, dass das Geld dann in meine Collegegebühren geflossen ist. Die Käufer des Sägewerks behielten den Namen Rockwell bei und machten eine Türen- und Fensterfabrik daraus. Wie ich hörte, geht es ihnen heute ganz gut.“
„Und was ist mit der Rockwell Villa?“, fragte sie. „Steht die unter Denkmalschutz?“
„Nein.“
„Mir ist aufgefallen, dass das Haus ein wenig heruntergekommen und vernachlässigt wirkt. Hat Ihre Familie das auch verloren?“
„Nein. Wir sind gerade dorthin auf dem Weg. Dort befindet sich die Werkstatt meines Großvaters. Sie haben das Anwesen mir hinterlassen.“
„Sie machen Witze. Das ist Ihr Haus?“
Er nickte kurz. Ihre letzte Bemerkung ging ihm durch den Kopf. „Sie finden wirklich, dass das Haus heruntergekommen und vernachlässigt wirkt?“
„Entschuldigen Sie. Mir war nicht klar, dass es Ihnen gehört, George.“ Sie verzog das Gesicht. „Aber ich habe dieses Haus immer geliebt. Wann immer ich es sehe, wünschte ich, jemand würde ihm ein wenig Liebe zeigen und es wieder herrichten. Die meisten anderen historischen Häuser auf dem Berg wurden restauriert.“ Sie boxte ihn spielerisch gegen den Arm und grinste ihn an. „Vielleicht haben Sie ja Zeit dafür, wenn Sie pensioniert sind.“
„Ich denke schon, dass ich bald mehr als genug zu tun haben werde.“ Als sie in die Straße einbogen, in der seine Großeltern gewohnt hatten, wurde er auf einmal von seinen Gefühlen überwältigt. Es war beinahe so, als würde er ertrinken – oder so ähnlich. Als bekäme er keine Luft mehr. Was tat er hier mit dieser Frau? Und warum wollte er ihr das Haus seiner Großeltern zeigen? Hatte er denn vollkommen den Verstand verloren?
Willow war interessant, aber auch ziemlich anstrengend. Vielleicht zu anstrengend für seinen Geschmack. Was würde sie sagen, wenn sie das Haus seiner Familie aus der Nähe sah? Was, wenn sie ihn kritisierte oder zu viele Vorschläge machte – oder gar lachte? Damit könnte er nicht gut umgehen, das war ihm bewusst – schon gar nicht nach einer schlaflosen Nacht. Was, wenn er dann unfreundlich reagierte und ihr seine Meinung sagte? Warum nur hatte er sie gefragt, ob sie ihn begleiten wollte? Fieberhaft überlegte er, wie er sie doch noch abwimmeln könnte. Gerade wollte er einen Vorwand erfinden, warum er unbedingt nach Hause zurückkehren müsse, als er einen Klingelton hörte.
„Das ist mein Telefon.“ Willow zog ihr Handy aus der Hosentasche. „Entschuldigung.“ Sie schaute auf das Display. „Oh, das ist die Galerie. Ich muss das Gespräch annehmen. Entschuldigen Sie.“
Höflich trat George zurück und versuchte nicht zu lauschen, während sie über etwas redete, das dringend zu sein schien.
„Es tut mir leid.“ Willow steckte ihr Handy wieder in die Tasche. „Das war Leslie. Sie braucht mich in der Galerie. Ich muss in die Stadt zurück.“
George nickte und spielte ihr Enttäuschung vor, doch eigentlich empfand er eine riesengroße Erleichterung. „Kein Problem.“
„Dann vielleicht ein anderes Mal?“ Willow lächelte ihn hoffnungsvoll an.
„Natürlich.“ George dankte ihr noch einmal für das Frühstück und verabschiedete sich.
Als wäre ihm eine schwere Last von den Schultern genommen, setzte er seinen Weg zum Haus seiner Großeltern fort. Irgendwie musste er diese Freundschaft mit Willow ein wenig ausbremsen. Sie war sehr nett und irgendwie faszinierte sie ihn. Aber sie überforderte ihn und machte ihm Angst. Ihre Nähe war enorm anstrengend für ihn. Willow West war genau das, was er in seinem Leben nicht brauchen konnte. Sie war der Typ Mensch, der herumstochern und alles aufwühlen würde. Eigentlich wollte er sie nicht mit Lorna Atwood vergleichen, doch sie war seiner etwas aufdringlichen Nachbarin nicht unähnlich. Solche Frauen brachten Ärger. In den vergangenen drei Jahrzehnten war George derartigen Komplikationen lieber aus dem Weg gegangen, und er hatte nicht vor, sie sich jetzt in sein Leben zu holen.
Außerdem musste er über den Ferienbeginn und seine bevorstehende Pensionierung nachdenken. Ihm blieb noch eine Woche, um sein Büro auszuräumen, die Noten seiner Schüler festzulegen und sich endgültig von seinem Beruf zu verabschieden. Da konnte er keine anstrengende Beziehung gebrauchen, die alles noch komplizierter machte.