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1. Willkommen in der digitalen Welt!

„Das verändert alles“ – mit diesem Slogan bewarb Apple vor elf Jahren das IPhone, das Konzernchef Steve Jobs am 9. Januar 2007 auf der Technikmesse Macworld in San Francisco vorgestellt hatte. Die Attitüde des smarten Multimilliardärs bei der Vorstellung seines neuesten Produkts wurde in den Medien als großkotzig bezeichnet. Doch Steve Jobs hatte recht. Das IPhone und andere Smartphones und Tablet-PCs diverser Hersteller, die auf das IPhone folgten und ihm in Sachen Design und Nutzerfreundlichkeit und App-Angebot bald in nichts mehr nachstanden, sind heute aus der Welt nicht mehr wegzudenken. Die Erfindung aus den Apple-Laboren, mit der diese Entwicklung vor 10 Jahren ihren Anfang nahm, würdigte die Zeitung Welt Edition gar als „heimliche Gottwerdung eines Telefons“.1

Mehr als die Hälfte des weltweiten Internetverkehrs wird durch Smartphones verursacht, die sich in viele Bereiche unseres Lebens eingenistet haben: Kommunizieren, Informieren, Fotografieren, Recherchieren, Navigieren, Organisieren – für viele Menschen geht ohne ihr Smartphone nichts mehr.2

Die Grenze zwischen Smartphones und Tablets verschwimmt dabei immer mehr. Die meisten Apps funktionieren auf allen Geräten, die unter Apples Betriebssystem iOS bzw. dem von Google mitentwickelten Android betrieben werden. Und auch die Baugröße lässt keine klare Abgrenzung zwischen Smartphones und Tablets zu. So soll im Folgenden der Einfachheit halber nur von Smartphones die Rede sein, auch wenn Tablet-PCs hier selbstverständlich mit eingeschlossen sind. Zudem sind viele der in Apps bereitgestellten Dienste auch über Internetbrowser auf PCs und Notebooks abrufbar. Auch diese Nutzung soll in die Abhandlung miteinbezogen werden. Darüberhinaus wird zur Vereinfachung und leichteren Lesbarkeit im Lauftext für Personenbezeichnungen nur die männliche Form verwendet. Die Angaben beziehen sich freilich auf Angehörige beider Geschlechter.

Die folgenden Betrachtungen sind geleitet von der Frage, was eigentlich geschieht, wenn wir auf dem Smartphone herumwischen und im Internet herumklicken. Was passiert im Hintergrund, wenn wir unsere vordergründigen, kurzfristigen Informations-, Kommunikations-oder Unterhaltungsbedürfnisse am Smartphone, Tablet oder PC stillen – mit uns und unserem Wirklichkeitsbegriff, mit unseren Kommunikations-und Aktionspartnern – ja, letztlich mit unserer Gesellschaft?

Auch wenn darin kritische Töne durchklingen werden, will dieser Essay keine dumpfe Technologiekritik sein. Die Existenz der digitalen Welt und ihrer Instrumente ist ein Fakt – und ein Geschenk. Sie bringt für Millionen Menschen unglaublich viel Gutes mit sich. Wenn in dieser Abhandlung von Apps und browserbasierten Onlinediensten die Rede ist, so geschieht das im Bemühen um Sachlichkeit. Wertungen versucht der Text ebenso zu vermeiden wie vorschnell konstruierte Kausalketten. Der Autor ist weder Psychologe, noch Philosoph, noch ausgebildeter Pädagoge. Deshalb formuliert er am Ende von Sinneinheiten Fragen. Der Leser ist eingeladen, diese Fragen zum Reflektieren in die weiteren Kapitel mitzunehmen – und schließlich in seinen Alltag. Vielleicht keimen sie dort heran und nähren den bewussten, verantwortungsvollen Umgang mit Internetphänomenen. Vielleicht helfen sie gar, den Leser zu einem mündigeren Bürger zu machen, und zwar in der digitalen wie der analogen Welt. Das Ziel dieses Essays wäre dann erreicht.

Der eingangs gestellten Frage „Was geschieht, wenn wir online sind?“ seien drei Fragen beigestellt, die unsere Überlegungen begleiten sollen:

1 Sind wir in der digitalen Welt Subjekte oder Objekte?

2 Sind wir uns unserer Rolle bewusst?

3 Und wenn nicht: Was steht auf dem Spiel?


2. Der Vergleich mit dem Spiegel

Zu Beginn und zum Ende der Betrachtungen wollen wir in den Spiegel blicken, denn Smartphones und Internetanwendungen haben einiges mit Spiegeln gemein. Unter drei Aspekten lassen sich Smartphones und Spiegel vergleichen:

1 Spiegel eröffnen uns ein Stück Wirklichkeit. Ganz gleich, ob im Badezimmer, einer Umkleidekabine oder als Handtaschenaccessoire: Wenn wir in einen Spiegel hineinblicken, nehmen wir viel mehr wahr als nur eine umrahmte Silberschicht hinter Glas. Das, was sie reflektiert, halten wir für die wirkliche Welt.

2 Neben einem Eindruck von der Außenwelt vermittelt ein Spiegel auch ein Bild von uns selbst. Wir gehen davon aus, dass wir so sind, wie wir im Spiegel erscheinen. Er hat somit eine identitätsbildende Funktion. In Anlehnung an Descartes könnte man sagen: Speculo ergo sum.

3 Zudem ist ein Spiegel ein Kontrollinstrument. Er lässt uns Situationen daraufhin überprüfen, ob sie unserem Soll-Bild entsprechen, und ermöglichen manchmal eine Korrektur. Im Badezimmerspiegel überprüfen wir, ob die Frisur noch in Form ist und die Brille gerade sitzt. Ist das nicht der Fall, verrät der Spiegel nach ein paar korrigierenden Handgriffen, ob jetzt alles in Ordnung ist oder weitere Maßnahmen nötig sind. Rück-und Außenspiegel im Auto geben uns die Möglichkeit, ohne Blech-und Personenschäden auszuparken, zu überholen und abzubiegen. Und an unübersichtlichen Einmündungen warnen uns runde Verkehrsspiegel vor anderen Fahrzeugen oder heraustretenden Fußgängern.

In den folgenden Kapiteln wird erläutert werden, inwiefern auch Smartphones, Tablets und Onlinedienste ein Spiegel der Realität sind. Sie sind zugleich Kontrollwerkzeuge, ebenso wie sie Zeugen eines Kontrollverlustes sind. Mit ihnen bilden wir unsere individuelle Identität, ebenso wie wir durch sie Identität erlangen.

Ist es Zufall, dass ein Handspiegel genauso gehalten wird wie ein Smartphone?

Die Mensch-App

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