Читать книгу Forgotten City - Michael Curtis Ford - Страница 4

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Kobi sah seinen Vater sterben.

Nicht, dass Dad in den nächsten Minuten, Stunden oder sogar Tagen tot umfallen würde. Solange er die richtigen Medikamente in der richtigen Dosierung einnahm und Ernährung und Fitness optimal aufeinander abstimmte, könnte er noch wer weiß wie lange durchhalten. Und trotzdem würde ihn das Gift in seinem Blut langsam, aber sicher töten.

Weder er noch Kobi sprachen darüber, natürlich nicht. Darüber zu reden, hätte nicht das Geringste geändert. Doch die Vorboten waren nicht zu übersehen: Wie dürr und knochig Dads Finger und Handgelenke wirkten, als er jetzt das Klebeband abpellte, mit dem die Eingangstür der Schule abgedichtet war. Das bisschen dünne Haar auf seinem Kopf, als er sich bückte und unten die Bolzen zurückschob. Das gelbliche Schimmern im Weiß seiner Augen, als er sich schließlich wieder zu Kobi drehte.

»Immer doppelt verkleben, ja?«, ermahnte Dad ihn.

»Ich will mit dir mitkommen«, sagte Kobi. Dabei konnte er sich die Antwort schon denken.

Dad schmunzelte. »Ein andermal, Kleiner. Wenn du –«

»Größer bist«, fiel Kobi ihm ins Wort. »Schon klar. Aber wie alt muss ich eigentlich sein? Dreißig?«

»Älter als jetzt jedenfalls. Du bist immer noch ein Kind.« Kobi richtete sich zu seiner vollen Körpergröße auf. Nun überragte er seinen Vater sogar leicht. »Okay, ein großes Kind.« Dad strubbelte ihm durch seine zerzausten schwarzen Haare und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Nächstes Mal vielleicht, okay? Rühr dich einfach nicht von der Stelle, achte auf die Sicherheitsmaßnahmen und warte auf mich. In zehn Tagen bin ich wieder da. Oder in zwei Wochen, falls es sich im Labor länger hinzieht. Höchstens.«

»Aber …«

Ein Anflug von Ungeduld huschte über Dads Gesicht. »Ich bitte dich. Mach mir nicht noch ein schlechtes Gewissen. Ist so schon schwer genug, dich hierzulassen.«

»Aber ich kann helfen«, erwiderte Kobi. »Du weißt doch, was ich draufhabe. Ich habe Kraft, Dad, und du bist …« Kobi wusste nicht weiter. Wie sollte er das ausdrücken?

Als Dad lächelte, bemerkte Kobi sein auffällig bleiches Zahnfleisch. »Schönen Dank auch für die Erinnerung. Deshalb muss ich ja zum Labor. Hör mal. Ich weiß, du bist nicht gern allein hier, aber die weite Strecke bis übers Wasser ist nun mal zu gefährlich. Und ich werde dein Leben nicht aufs Spiel setzen. Ende der Diskussion, klar?«

Kobi zuckte mit den Schultern, gab sich geschlagen.

»Gut«, sagte Dad. »Zu essen hast du mehr als genug. Und vergiss nicht, dreimal täglich Fenster und Türen zu checken.«

»Weiß ich doch, Dad.« Kobi verdrehte die Augen.

»Und nimm deine Vitamine.«

»Aber in einem dieser Wissenschaftsmagazine stand, dass Nahrungsergänzungsmittel bloß ein Riesenschwindel der Pharmaindustrie sind.«

Dad lächelte, seine Stimme aber blieb ernst. »Das ist kein Witz, Kobi. Du darfst nicht nachlässig sein. Morgens und abends, ja? Du musst auf deinen Körper achten. Verstanden?«

»Verstanden.«

»Und immer jede einzelne Falle an allen Außentüren überprüfen.«

Kobi zwang sich zu einem Lächeln. »Jetzt hau schon ab.«

Mit einem Nicken ließ Dad Kobis Schultern los, bog die kleine Klappe im Pappdeckel über dem Türfenster hoch und linste hindurch. »Okay, die Luft ist rein. Bis bald, mein Junge. Ach, eins noch: Keine wilden Partys in meiner Abwesenheit, klar?«

Leise öffnete Dad die Tür, bis er gerade so hinausschlüpfen konnte, und schloss sie hinter sich.

»Kann ich nicht versprechen«, murmelte Kobi.

Er befestigte eilig neues Klebeband am Rahmen und strich es glatt, bis der Spalt sorgfältig abgedichtet war. Erst nachdem er rund um die Tür noch großzügig Anti-Waste-Spray versprüht hatte, spähte er selbst durch das Guckloch. Dad lief bereits die Vordertreppe hinunter in Richtung Bäume, und binnen Sekunden hatte ihn der Dschungel verschluckt. Noch eine Weile starrte Kobi hinaus und hielt Ausschau nach Bewegung im Blattwerk, nach irgendetwas Verdächtigem. Doch der Wald starrte bloß zurück, eine Wand aus Grün.

Kobi schloss die Klappe und schlug mit der flachen Hand gegen die Mauer. Ich hätte darauf bestehen sollen. Mich stur stellen müssen. Er ist zu schwach. Allein hat er da draußen keine Chance.

Langsam lief Kobi den Flur entlang, ein tonnenschweres Gewicht im Magen. Es war die Angst.

Zehn Tage. Höchstens zwei Wochen. Er musste wohl oder übel abwarten.

Die 14 Tage erstreckten sich vor ihm wie ein Ozean aus Zeit.

Forgotten City

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