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Warum wir das Buch übersetzt haben
ОглавлениеMitte 2018 hatten Matthias Hüttmann und Herbert Eppel schon einmal die Gelegenheit, ein Buch von Michael Mann zu übersetzen. Die Motivation entsprang der Überzeugung, dass Leserinnen und Lesern im deutschsprachigen Raum die inspirierenden Texte Manns, damals noch ergänzt um die fabelhaften Karikaturen von Tom Toles, nicht vorenthalten werden durften. Der Sprung ins kalte Wasser, ein solches Buch quasi im Alleingang zu übersetzen, zu bewerben und zu vertreiben – von der Finanzierung mal ganz abgesehen – kann als gelungen bezeichnet werden. Heute, knapp drei Jahre später, gibt es das neue Werk des wohl umtriebigsten und sympathischen Klimaforschers erneut in deutscher Sprache. Noch umfangreicher als der Vorgänger, erscheint es in einer stark von globalen Veränderungen geprägten Zeit. Die Dringlichkeit systemischer Veränderungen tritt deutlich zu Tage. Mann verdeutlicht diesen historischen Zustand und weiß zugleich zu motivieren, wenn er etwa schreibt: »Es besteht sowohl Dringlichkeit aber auch Handlungsfähigkeit.« Oftmals sind wir angesichts der nahenden Klimakrise überwältigt und wie gelähmt. Die Maßnahmen, die notwendig sind, um dem Dilemma noch zu entrinnen, scheinen in ihrer Fülle unendlich und ihrer Komplexität unüberschaubar. In Anbetracht der zur Verfügung stehenden Zeit neigen wir dazu, schnell den Überblick und vor allem auch die Hoffnung zu verlieren. Jedoch gerade jetzt aufzugeben wäre fatal. Fakt ist: Viel zu viel Zeit wurde vergeudet, erforderliche politische Maßnahmen zum Umgang mit dem Klimawandel wurden nicht ergriffen. Genau jetzt, in dieser Epoche in der diese Krise immer deutlicher zu Tage tritt, müssen wir handeln, denn tatsächlich sind wir handlungsfähig.
Angesichts der gesamtökologischen Lage besteht bei vielen von uns nur wenig Hoffnung für eine Zukunft der auf dem Planeten Erde lebenden Spezies, inklusive des Menschen. Zu weit haben wir die Gleichgewichte verschoben, zu sehr eingegriffen und manipuliert. Rein rational betrachtet ist nicht mehr viel Spielraum, da offensichtlich zu wenig Einsicht in die Konsequenzen dieses Handelns oder auch zu wenig Einfluss des Einzelnen besteht. Mit dieser aus der Rationalität erwachsenden Konsequenz zu leben fällt nicht unbedingt leicht. Fernab von Fatalismus und Resignation gibt es auch andere Ebenen, die Möglichkeiten bieten: Unsere Kreativität, unsere Zuversicht und unser Wille. Offenbar werden diese Stärken im Moment vermehrt genutzt um uns in einer anderen Katastrophe über Wasser zu halten. Denn nichts, so macht uns die Coronakise deutlich, muss so bleiben wie es ist.
Auch das sollte uns klar werden: Es geht eben nicht um das Handeln einzelner Individuen, auch wenn das im Kampf gegen die globale Erwärmung natürlich wichtig ist. Alle möglichen persönlichen Bemühungen müssen vielmehr als unterstützende Maßnahmen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung betrachtet werden. Sie sind kein Ersatz für politische Handlungen. Verhaltensänderungen können politische Lösungen nicht ersetzen. Aber genau hier greift die neue Taktik der einstigen Leugner der Klimawissenschaft. Diese leugnen zwar nicht mehr die missliche Lage, sie haben jedoch ihre Ablehnung von Plänen zur reduzierten Nutzung fossiler Brennstoffe noch lange nicht aufgegeben. Eine ihrer Taktiken besteht auch darin, eine Art Weltuntergangsstimmung zu kreieren. Dabei hantieren sie mit der Behauptung, dass es mittlerweile zu spät sei, gegen die globale Erwärmung anzugehen und wir nichts mehr gegen die Klimakrise ausrichten könnten. Eine solche düstere und schicksalhafte Haltung zu befördern, würde viele Menschen auf einen Weg der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit führen, im Endeffekt an den gleichen Ort der Leugnung des Klimawandels wie bei einem Weg der Untätigkeit.
Doch es gibt nicht nur dystopische Fantasien, sondern auch immer eine Zukunft, die auf einer anderen Art des Lebens, Denkens und Teilens aufbaut. Das ist nichts Neues, wir müssen lediglich in unserer Gesamtheit wieder dorthin zurückfinden. Es ist nicht unmöglich oder gar undenkbar, vielmehr leben wir momentan in einer Zeit, in der das weder angesagt noch angestrebt wird. Wir brauchen eine positive Botschaft, die uns allen eine gemeinsame Zukunft ermöglicht, in der das Gemeinsame als Grundprinzip unseres Zusammenlebens wiederentdeckt wird. Kurzsichtiges und egoistisches Denken muss verdrängt und mit Hilfe der großen Vorteile, die uns eine solidarische Lebensweise bietet, abgeschafft werden. Ja, klar, das sagt sich so einfach, denn die Besitzstandswahrung ist eine mächtige Hürde, im wahrsten Sinn des Wortes, denn sie ist auch mächtig im profanen materiellen Sinn. Und die Profiteure des Status quo kanzeln positive Visionen gern als naiv und illusorisch ab, Menschen, die etwas ändern wollen, werden als ahnungslose Spinner abgetan, die anscheinend die Zusammenhänge gar nicht verstehen. Hier liegt auch der »Hase im Pfeffer«: Ein Verständnis für die Komplexität wird mit der Notwendigkeit verwechselt, diese Struktur aufrecht zu erhalten. Oft ist man so sehr in Zwängen verheddert, dass man gar nicht mehr aus dem Dickicht herausschauen kann. Durchaus tragisch: Man merkt gar nicht mehr, wie weit man bereits mental anhängig geworden ist. Auch wenn wir ansonsten ja gerne als Menschen zur Überheblichkeit neigen und uns eine Krone aufsetzen, machen wir uns beim Handeln oft kleiner als wir sind. Wer, wenn nicht wir, kann etwas ändern. Oder anders herum: Wir müssen etwas tun, weil nur wir es können.
Sich für Klimaschutz und somit für eine Zukunft von uns Menschen auf diesem Planeten einzusetzen, wird ob der weitreichenden Forderungen schnell als zu radikal angesehen. Dabei ist es genau unsere Lebensweise, die am besten mit dem Begriff radikal umschrieben werden kann. Es sind nicht zuletzt die Kräfte des marktradikalen Denkens, die sich gegen die geforderte Kurswende unserer Lebens- und Wirtschaftsweise zur Wehr setzen. Die dabei eingesetzten Mittel zeugen allerdings schon von einer gewissen Ratlosigkeit angesichts der immer breiter werdenden Bewegung. Von vielen Seiten, nicht nur bei den fantastischen Freitagsdemos, stellen sich Menschen einer Politik entgegen, die Klimaschutz mit genau den Mitteln ausüben will, die letztendlich für die Katastrophe verantwortlich sind. Um nicht zu sehr angreifbar zu sein, wird – taktisch klug – nur in geringem Maß versucht zu verharmlosen. Auch wenn es die leugnenden Kräfte durchaus gibt, und sie meist im Hintergrund wirken, ohne dass wir das unbedingt mitbekommen, könnten sie durchaus auch bei uns an Bedeutung gewinnen. Mit einem Framing wird gezielt versucht, Menschen in ihrem Denken zu manipulieren – quasi unbemerkt. Das ist keine neue Strategie. Es geht darum, besorgte Klimaschutzbürger zu diskreditieren. Dazu versucht man etwas in unserem Kopf zu hinterlegen, dass uns argwöhnen lässt, die Klimadebatte sei etwas Extremes und vor allem Irrationales. Diejenigen, die sich mit ihren Forderungen an die Politik und die Öffentlichkeit wenden, sollen für uns zu einer Bedrohung werden, gegen die man sich, zumindest gedanklich, abschotten sollte. Am deutlichsten zeigt sich die Strategie des Framings in der Verwendung des Wortes Klimareligion. Hier wird suggeriert, dass der menschengemachte, beschleunigte Klimawandel vor allem eine Glaubensfrage ist. Das Ganze erinnert an den Kampf Galileis, der zwar die Erkenntnis auf seiner Seite hatte, dem jedoch eine mächtige Kirche entgegenstand, die ihre eigenen alternativen Fakten mit Gewalt durchzusetzen wusste. Auch wenn der Kniff mit den bewusst gestreuten Falschaussagen im heutigen Informationszeitalter auf vielen Ebenen noch sehr gut funktioniert und eine nicht unbedeutende Menge an Anhängern versorgt, so äußern sich diese zunehmend aggressiv – stets emotional statt sachlich, aus Mangel an Argumenten. Es besteht ganz offensichtlich ein weitgehender Konsens darüber, dass es sich bei der Klimakatastrophe um die Realität handelt, da gibt es nichts zu glauben. Eigentlich ist das Ganze leicht zu durchschauen, trotzdem scheint die Taktik immer wieder zu funktionieren. Ob sich damit auch so eine breite Bewegung zurückweisen lässt, ist allerdings fraglich. Denn die Problematik lässt sich eben nicht mehr herunterspielen. Auch ist die Verzögerungstaktik längst entlarvt worden. Um dennoch zu punkten, bedient man sich der Freiheit, die es zu verteidigen gilt, auch wenn diese hinterrücks längst ausgehöhlt und den Göttern der Digitalisierung und Inhumanität geopfert wurde. Dabei geht es bei ordnungspolitischen Maßnahmen gar nicht darum, der breiten Bevölkerung etwas wegzunehmen, sondern vielmehr ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Das Problem: Würden wir umsteuern, ginge es auch um unser global ausbeuterisches Wirtschaftssystem, in dem wenige viel besitzen und davon nichts abgeben wollen. Denn an einem mangelt es global sicherlich nicht: An finanziellem Volumen, um eine klimagerechte, ökosoziale Transformation zu erreichen. Beteten wir weiterhin das ungebremste Wachstum an, so würden die Leidtragenden einer solchen Marktpolitik, in der breiten Masse zu finden sein.
Es geht letztendlich um uns selbst, die wir wieder zu uns finden müssen. Um unsere Lage selbst einschätzen zu können, gilt es, sich zu wehren, gegen all die Marktfundamentalisten, Neoliberalismusfetischisten und ihre eifrigen Demagogen, die lediglich zu feige sind, Verantwortung zu übernehmen. Wir können beim Klimaschutz nur gewinnen. Das gelingt auch, indem wir unser Aufmerksamkeitsdefizit bekämpfen und längere Gedankengänge zulassen.
Matthias Hüttmann
Tatiana Abarzúa
Herbert Eppel