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Kapitel 2
Die Klimakriege

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Es gibt keinen Krieg, der alle Kriege beenden wird.

— Haruki Murakami

Wenn die Reichen Krieg führen, sind es die Armen, die sterben.

— Jean-Paul Sartre

Und so fängt es an

Anfang der 1990er Jahre war ich Doktorand und arbeitete an meiner Dissertation auf dem Gebiet der Klimawissenschaften im Fachbereich für Geologie und Geophysik an der Yale-Universität. Ich war vom Fachbereich Physik weggelockt worden, wo ich das Verhalten von Materie auf Quantenebene untersucht hatte. Stattdessen sollte ich nun das Verhalten unseres Klimasystems im globalen Maßstab untersuchen. Für einen ehrgeizigen jungen Physiker war die Klimawissenschaft ein noch wenig bearbeitetes Feld. Es gab noch große offene Fragen, zu denen ein junger Wissenschaftler mit Kenntnissen in Mathematik und Physik wesentliche Beiträge an der Spitze der Wissenschaft leisten konnte. Dies war meine Gelegenheit, die Vision zu verwirklichen, die Carl Sagan mir als Jugendlicher eingeflößt hatte – eine Vision der Wissenschaft als eine Suche nach dem Verständnis unseres Platzes in der umfassenden planetarischen und kosmischen Umgebung.

Mein Doktorvater war der Wissenschaftler Barry Saltzman, der eine Schlüsselrolle bei der Entdeckung des Chaosphänomens spielte – eine der großen wissenschaftlichen Entwicklungen des zwanzigsten Jahrhunderts. Jenes Chaos ist unter anderem dafür verantwortlich, dass man die genauen Einzelheiten des Wetters nicht länger als etwa eine Woche vorhersagen kann. Barry war ein Skeptiker – im wahrsten und ehrlichsten Sinne des Wortes. Anfang der 1990er Jahre war er nicht davon überzeugt, dass wir den menschlichen Einfluss auf unser Klima feststellen könnten. Dies war damals eine vertretbare Auffassung, da die verwendeten Klimamodelle noch recht einfach waren und die Anzeichen einer beginnenden Erwärmung in den etwa ein Jahrhundert alten globalen Temperaturdaten gerade erst ansatzweise aus dem Hintergrundrauschen der natürlichen Variabilität herauszuhören waren.

Andere Wissenschaftler, wie James Hansen, der prominente Direktor des Goddard-Instituts für Weltraumstudien der NASA – das gleiche Institut, das zuvor ausgerechnet von Robert Jastrow geleitet worden war – vertraten eine andere Meinung. Hansen war der Ansicht, dass wir bereits nachweisen konnten, dass menschliche Aktivitäten den Planeten erwärmen – insbesondere die Freisetzung von Treibhausgasen wie Kohlenstoffdioxid (CO2) durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle und Erdgas. An einem rekordverdächtig heißen Junitag 1988 in Washington, D.C., hatte Hansen vor dem Kongress erklärt: »Es ist Zeit, mit dem Geschwafel aufzuhören … Die Beweise sind eindeutig.« Die Unzufriedenheit der Reagan-Regierung mit Hansens öffentlichen Äußerungen hatte sich bereits vor diesem Junitag immer klarer abgezeichnet. Schon allein aufgrund seines Beamtenstatus bei der NASA wurden alle von ihm erstellten schriftlichen Stellungnahmen für die Kongressanhörung von der Regierung überprüft. Nach 1986 wurden sie vom Amt für Verwaltungs- und Haushaltswesen des Weißen Hauses wiederholt derart redigiert, dass ihre Wirkung heruntergespielt wurde. Verärgert kündigte Hansen schlussendlich 1989. Er versäumte jedoch nicht, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass seine Aussagen vom Weißen Haus geändert worden waren.1

Als ich Anfang der 1990er Jahre damit begann, die Klimawissenschaften zu studieren, lag ich mit meiner Position noch näher an der von Barry Saltzman als an der von Hansen. Meine Forschung umfasste die Untersuchung der natürlichen Klimavariabilität auf Grundlage der Verwendung theoretischer Klimamodelle, Beobachtungsdaten und langfristiger paläoklimatischer Aufzeichnungen, einschließlich der Berücksichtigung von Baumringen und Eiskernen. Diese Untersuchung deutete darauf hin, dass es wichtige Mechanismen gab, die zu natürlichen Klimaschwankungen mit Zeitskalen von fünfzig bis siebzig Jahren führten, also fast so lange wie die Temperaturaufzeichnungen der Instrumente selbst. Zumindest überlagerten solch natürliche und langfristige Klimaschwankungen die Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels.2

Es ist wichtig, hier den Überblick zu behalten. Denn obwohl die Wissenschaft noch immer darüber debattierte, ob bereits ein menschlicher Einfluss auf das Klima nachgewiesen werden konnte, bestand gleichzeitig breiter Konsens über die Grundlagen – also darüber, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Erhöhung der Konzen­tration von Treibhausgasen in der Atmosphäre den Planeten erheblich erwärmen würde, was der große schwedische Wissenschaftler Svante Arrhenius bereits Ende des 19. Jahrhunderts festgestellt hatte. Es lohnt sich deshalb, die bereits in der Einleitung dieses Buches zitierten Worte der ExxonMobil-Experten aus den 1970er Jahren in Erinnerung zu rufen: »In der Wissenschaft ist man sich weitgehend darüber einig, dass … die menschengemachte Freisetzung von Kohlenstoffdioxid … durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe das globale Klima beeinflusst.« (Hervorhebung hinzugefügt).3 Der berühmte dänische Physiker Niels Bohr soll einmal gesagt haben: »Prognosen sind schwer. Vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.« Nun, die Exxon-Wissenschaftler hatten bereits 1982 Beeindruckendes prognostiziert: Und zwar mehr oder weniger punktgenau den Anstieg der CO2-Konzentrationen und die daraus resultierende Erwärmung. Genau das, was wir heute, dank der fortwährenden Verbrennung von fossilen Brennstoffen, erleben.4 Auch die Kohlewirtschaft wusste bereits in den 1960er Jahren, dass ihre Kohlenstoffemissionen den Planeten erwärmen.5


Vorhersage des zukünftigen CO2- und Temperaturanstiegs aus einem internen ExxonMobil-Dokument von 1982. Das derzeit gemessene CO2-Niveau und der globale Temperaturanstieg werden durch die dicken horizontalen und vertikalen Linien angezeigt. Die aktuellen Werte: 415 ppm (parts per million = Teile pro Million) CO2 und ein Temperaturanstieg von 0,8°C seit 1960, bewegen sich dabei im Rahmen der Vorhersagen. Abbildung 3 im Exxon-Bericht vom 12. November 1982, Betreffzeile »CO2 ›Greenhouse‹ Effect«, 82EAP 266, mit M.B. Glaser, Manager, Environmental Affairs Program im Briefkopf, veröffentlicht von Inside Climate News unter https://insideclimatenews.org/documents/1982-exxon-primer-co2-greenhouse-effect/, S. 7.

Gleichwohl konnten die Kräfte der Verleugnung dank der Unsicherheit und Kontroversen einen Keil in die Wissenschaftsgemeinschaft treiben. Dabei nutzten sie die Debatte innerhalb der Klimaforschung aus, die sich in der offensichtlich so grundlegenden Frage spaltete, ob der menschliche Einfluss auf das Klima bereits eindeutig festgestellt worden war. Für die fossile Brennstoffindustrie war diese Zeit von entscheidender Bedeutung, da politische Maßnahmen zur Lösung des Problems unmittelbar bevorzustehen schienen.

Bei den Präsidentschaftswahlen von 1988 hatte George H.W. Bush versprochen, dem »Treibhauseffekt mit dem Weißen-Haus-Effekt zu begegnen«. Er ernannte den Physiker David Allan Bromley zu seinem wissenschaftlichen Berater. Bromley war Professor im Fachbereich Physik in Yale, wo ich zu dieser Zeit meinen Abschluss machte, und ich erinnere mich noch gut daran, wie er nach New Haven zurückkehrte, um ein Fachseminar über Klimawandel und Klimamodellierung zu halten. Bromley war keineswegs ein linkslastiger Umweltschützer, aber er verstand die unwiderlegbare Physik hinter dem Klimawandel. Gleichzeitig war Bushs Leiter der Umweltbehörde EPA, der bereits erwähnte William K. Reilly, durchaus ein klassischer Umweltschützer. Er unterstützte daher nachdrücklich alle Klimaschutzmaßnahmen. Auch hatte Bush bereits 1991 signalisiert, dass er das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) unterzeichnen würde.

Es gab jedoch einige Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung. Bushs Stabschef, ein am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ausgebildeter Ingenieur namens John Sununu, war – und ist bemerkenswerterweise auch heute noch – ein Klimawandelleugner. Er stützte sich dabei stark auf ein unveröffentlichtes Weißbuch des zur konservativen Denkfabrik George C. Marshall Institute (GMI) gehörenden Trios Jastrow, Seitz und Nierenberg aus dem Jahr 1989, das im folgenden Jahr als Buch unter dem Titel »Global Warming: What Does the Science Tell Us?« (Globale Erwärmung: Was lehrt uns die Wissenschaft?) veröffentlicht wurde. Darin wird die globale Erwärmung auf die Sonnenaktivität zurückgeführt. In seiner Eigenschaft als Vertreter des GMI arrangierte Nierenberg ein Treffen mit Mitarbeitern des Weißen Hauses, bei dem er die ablehnende Haltung des Instituts gegenüber dem Klimawandel präsentierte. Dies trug zumindest dazu bei, eine Spaltung innerhalb der Bush-Regierung herbeizuführen und die Dynamik des Klimaschutzes abzuschwächen.6

Mit der Gründung des Weltklimarats der Vereinten Nationen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) im Jahr 1988 wurde die Aufgabe, die wissenschaftlichen Beweise für die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zu widerlegen, zu groß für eine einzige kleine Organisation wie das GMI. Die »Kavallerie« sollte jedoch bald eintreffen. Ein Konsortium von Interessengruppen der fossilen Brennstoffe schloss sich 1989 zusammen, bekannt als die Globale Klimakoalition, zu der ExxonMobil, Shell, British Petroleum (BP), Chevron, das American Petroleum Institute und andere gehörten. Das Konsortium verbündete sich mit anderen Branchendenkfabriken und Organisationen, die ihre Zielrichtung und Finanzierung verbergen (Frontorganisationen), darunter das vornehm klingende Heartland Institute und das Competitive Enterprise Institute. Gemeinsam stellten sie das dar, was Oreskes und Conway in Merchants of Doubt als ein »Potemkinsches Dorf« bezeichneten, eine Fassade aus beeindruckend klingenden Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen, die durch Gastkommentare in Zeitungen, öffentliche Debatten, gefälschte wissenschaftliche Artikel und jedes nur erdenkliche Mittel die grundlegende Wissenschaft des Klimawandels in Frage stellen würden. Sie sollten dabei auch das Argument vorbringen, dass die Wissenschaft zu unsicher, die Modelle zu unzuverlässig, die Daten zu ungenau und zu fehlerbehaftet und die Rolle der natürlichen Variabilität zu unbekannt sei, um eine eindeutige Rolle des Menschen bei der globalen Erwärmung und dem Klimawandel nachzuweisen.

David und Charles Koch, auch bekannt als die »Koch-Brüder« – die Eigentümer der größten privaten Beteiligung an fossilen Brennstoffen (Koch Industries) – sind bestens bekannt für ihre höchst augenfällige finanzielle Unterstützung der Leugnung des Klimawandels in den letzten Jahren. Sie spielten dabei schon früh eine Schlüsselrolle, was erst kürzlich ans Licht gekommen ist.7 Unter der Schirmherrschaft des Cato-Instituts, der von ihnen gegründeten und finanzierten libertären Denkfabrik, hielten sie im Juni 1991 die erste Konferenz zur Leugnung des Klimawandels ab. Mit dem Titel »Global Environmental Crisis: Science or Politics?« (Globale Umweltkrise: Wissenschaft oder Politik?) war diese eine Art »Rat von Elrond« zur Verleugnung des Klimawandels. Dort traten vor allem zwei Wissenschaftler in Erscheinung, die sich den Reihen von Seitz, Jastrow und Nierenberg angeschlossen hatten und ihre wissenschaftlichen und akademischen Referenzen nutzten, um breiten Kreisen, die die etablierte Klimawissenschaft diskreditieren wollten, eine gewisse Legitimität zu verleihen.

Der erste war Richard S. Lindzen vom MIT. Er wurde in der Broschüre, die für die Konferenz warb, mit den Worten zitiert, dass es nur »sehr wenig Beweise« dafür gebe, dass der Klimawandel eine Bedrohung darstelle. Seine Referenzen waren, wie die von Seitz, durchaus beeindruckend. Er war am MIT Vorsitzender des Lehrstuhls für Meteorologie und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften (NAS). Wie Seitz hatte auch er Geld von fossilen Interessengruppen erhalten, um sich für diese einzusetzen.8 Wissenschaftlich gesehen ist Lindzen vor allem für seine umstrittene These bekannt: Er beharrt darauf, dass Klimamodelle den Erwärmungseffekt durch steigende Konzentrationen von Treibhausgasen überschätzen. Das soll an Prozessen liegen, die mit Wolken oder Luftfeuchtigkeit zusammenhängen. So behauptet er auch weiterhin, dass diese in den Modellen entweder fehlen oder schlecht dargestellt würden. Solche Prozesse neigen prinzipiell entweder dazu, die Erwärmung in einer »positiven Rückkopplung« zu verstärken oder in einer »negativen Rückkopplung« zu verringern. Lindzen hat sich jedoch nur auf Letzteres konzentriert. Und überhaupt scheint er negative Rückkoppelungen besonders zu schätzen. Er hat den Großteil seiner beruflichen Laufbahn damit verbracht, für angeblich fehlende negative Rückkopplungen einzutreten, nur um sie von anderen Wissenschaftlern immer wieder widerlegen zu lassen.9 Lindzen war sogar so kühn, zu verkünden, dass eine Verdoppelung der CO2-Konzentrationen – die wir in einigen Jahrzehnten erreichen werden, wenn wir bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe so weitermachen wie bisher – die globale Temperatur nur um ganz minimale 1°C erhöhen würde. Die Behauptung ist schon deshalb wenig glaubwürdig, weil sich der Planet nach einem Anstieg der CO2-Konzentration um nur etwa 50 Prozent bereits heute stärker erwärmt hat. In der Tat deutet eine Vielzahl von Belegen auf eine Erwärmung hin, die etwa dreimal so hoch ist wie Lindzen voraussagte – darunter die Reaktion des Klimas auf Vulkanausbrüche, das Kommen und Gehen der Eiszeiten und vergangene Warmzeiten wie die frühe Kreidezeit, als die Dinosaurier den Planeten durchstreiften.

Ein anderer markanter Redner auf dieser einflussreichen Konferenz aus der Anfangszeit war S. Fred Singer, den man heute durchaus als eine Art anmietbaren Allzweckverweigerer bezeichnen darf. Wie Seitz war Singer ursprünglich Akademiker und Wissenschaftler, und wie Seitz verließ er Anfang der 1990er Jahre die akademische Welt, um sich gegen die, wie er es nannte, »Schrottwissenschaft« des sauren Regens, des Ozonabbaus, der Gesundheitsgefährdung durch Tabak und natürlich des Klimawandels zu wenden. Diesen Sinneswandel und seine Bemühungen ließ er sich von der Industrie mit beträchtlichen Mitteln bezahlen.10

Singers charakteristischste Arbeit bezieht sich auf das Vermächtnis des angesehenen Atmosphärenforschers Roger Revelle. Dieser leistete grundlegende Beiträge für unser heutiges Verständnis des vom Menschen verursachten Klimawandels. Er lieferte in den 1950er Jahren entscheidende Nachweise dafür, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe die Konzentration an Treibhausgasen erhöht. Zudem veröffentlichte er einige der ersten Projektionen künftiger Erderwärmung. Revelle wird auch zugeschrieben, dass er Al Gore in seiner Besorgnis über den Klimawandel inspiriert hat, als dieser in Harvard studierte.

Kurz bevor Revelle 1991 verstarb, fügte Singer ihn als Co-Autor eines Artikels hinzu, den er für die Zeitschrift Cosmos geschrieben hatte, die vom Cosmos Club, einer intellektuellen Gesellschaft in Washington, D.C., herausgegeben wird. Der Artikel war fast identisch mit einem früheren kritischen Artikel von Singer. Darin wird der Nachweis bestritten, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist. Sowohl Revelles Sekretärin als auch sein ehemaliger Doktorand Justin Lancaster haben angedeutet, dass Revelle das Manuskript unbehaglich war und dass die ablehnende Darstellung erst hinzugefügt worden sei, nachdem der schwer kranke Revelle die endgültige Fassung zu sehen bekommen hatte. Revelle starb wenige Monate nach der Veröffentlichung der Arbeit. Lancaster erklärte, dass Singer Revelle dazu verleitet habe, seinen Namen in den Artikel aufzunehmen, und dass Revelle »zutiefst darüber beschämt war, dass sein Name damit in Verbindung gebracht wurde.« Lancaster bezeichnete Singers Verhalten als unethisch und äußerte darüber hinaus einen Verdacht hinsichtlich Singers eigentlichen Ziels: Al Gore und seine Kampagne Anfang der 1990er Jahre zu diskreditieren, die das Ziel hatte, die Öffentlichkeit für die Bedrohung durch den Klimawandel zu sensibilisieren. Lancaster hält an dieser Kritik fest, ungeachtet der Androhung rechtlicher Schritte gegen ihn durch Singer.11

Das Schlachtfeld nimmt Gestalt an

Wir spulen jetzt ein paar Jahre vor, bis Ende 1995, als sich alles zuspitzte. Die wissenschaftlichen Beweise für den vom Menschen verursachten Klimawandel waren immer stichhaltiger geworden. Die Beobachtungen, die Simulationsmodelle, all das schien immer mehr zusammenzupassen. Mein einst skeptischer Doktorvater Barry Saltzman und ich waren Co-Autoren eines Artikels, in dem es um genau diese Frage ging.12 Gleichzeitig hatte der von der Industrie finanzierte Widerstand gegen die Wissenschaft proportional zugenommen. Dutzende Interessenvertreter und Wissenschaftsverweigerer zogen nach und nach in das immer besser befestigte Potemkinsche Dorf ein, in dem von der Industrie finanzierte Leugnung des Klimawandels fabriziert wurde. Das Schlachtfeld hatte Gestalt angenommen, die Kräfte wurden mobilisiert. Der Klimawandel war das bestimmende politische Thema der damaligen Zeit.

Ende November 1995 sollte der Weltklimarat seine letzte Plenarsitzung in Madrid abhalten, um seinen zweiten Sachstandsbericht zu erstellen. Der Zweck dieses Berichts war es, den gegenwärtigen Konsens unter den Wissenschaftlern der Welt bezüglich des Klimawandels zusammenzufassen. Wie bereits erwähnt hatte sich ein Konsens bezüglich einer Akzeptanz der Realität und der Bedrohung durch den Klimawandel angedeutet. Nichtsdestotrotz kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Regierungsdelegierten und den Wissenschaftlern, die den Bericht verfassten. Diese Delegierten vertraten eine kleine Untergruppe von Ländern – unter ihnen die zwei großen erdölexportierenden Länder Saudi-Arabien und Kuwait – die in hohem Maße von der fortgesetzten Förderung und dem Verkauf fossiler Brennstoffe profitieren. Wie der Wissenschaftsjournalist William K. Stevens es ausdrückte, haben diese Nationen »mit den Lobbyisten der amerikanischen Industrie gemeinsame Sache gemacht, um zu versuchen, die Aussagen des Berichts abzuschwächen«.13

Die Frage war, ob man mit Gewissheit behaupten konnte, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel nunmehr nachweisbar sei. Der hauptverantwortliche Wissenschaftler für diesen Abschnitt im Bericht war Ben Santer, ein Klimaforscher am Lawrence Livermore National Laboratory des US-Energieministeriums in Kalifornien, der eine Reihe wichtiger Artikel zu diesem Thema veröffentlicht hatte. Santer war Träger des MacArthur Genius Awards, den er als Anerkennung für seine grundlegenden Beiträge für unser Verständnis des Klimawandels erhalten hatte. Er und seine Mitverfasser im IPCC kamen auf der Grundlage der vorhandenen Fachliteratur zum Klimawandel zu dem Schluss, dass »die Abwägung der Erkenntnisse auf einen nennenswerten menschlichen Einfluss auf das Klima schließen lässt«.14

Der saudische Delegierte beschwerte sich, dass das Wort »nennenswert« übertrieben sei. Zwei ganze Tage lang feilschten die Wissenschaftler mit dem saudischen Delegierten um dieses eine Wort in der »Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger«, also dem Teil des Berichts, der am ehesten von Politikern gelesen und über den am ehesten von Journalisten berichtet wird. Angeblich diskutierten sie fast dreißig verschiedene Alternativen, bevor der IPCC-Vorsitzende Bert Bolin ein für beide Seiten akzeptables Wort fand: »wahrnehmbar.« Der Begriff räumte ein, dass menschliche Aktivitäten zumindest eine gewisse Rolle bei der Beobachtung des Klimawandels spielten, auch wenn die Wissenschaftler grundlegender argumentiert hatten. Jedoch ließ es die Formulierung so aussehen, als müsse man schon die Augen zusammenkneifen, um den Einfluss zu sehen. Das Maß an Unsicherheit, dass man damit zugestanden hatte, gefiel den ölreichen Saudis zweifellos sehr gut.

Die Tatsache, dass auf der abschließenden Plenarsitzung einem einzigen Wort in der Kurzfassung des Berichts zwei ganze Tage gewidmet wurden, gibt Ihnen eine Vorstellung davon, wie politisch aufgeladen die Debatte über den Klimawandel Ende 1995 geworden war. Ben Santer war der Wissenschaftler, der am unmittelbarsten mit dem sich abzeichnenden wissenschaftlichen Konsens verbunden war. In der Tradition von Rachel Carson, Herbert Needleman und Gene Likens sollte er noch von Industriekonzernen und ihren mittlerweile bekannten »Kampfhunden« angegriffen werden, um zu versuchen, seine Glaubwürdigkeit zu untergraben. Nur wenige Monate nach der IPCC-Plenartagung, im Februar 1996, veröffentlichte S. Fred Singer in der Zeitschrift Science einen Brief, in dem er Santer angriff. Er bestritt die zentrale Erkenntnis des Weltklimarats, dass die Modellvorhersagen mit der beobachteten Erwärmung übereinstimmen, und behauptete, dass die Beobachtungen stattdessen eine Abkühlung zeigten. Das war natürlich falsch, sie zeigten nichts dergleichen, sondern vielmehr deutliche Anzeichen einer Erwärmung. Auch deshalb klammerten sich die Leugner der Klimaveränderung an einen kuriosen Datensatz: eine von einem Satelliten abgeleitete Prognose atmosphärischer Temperaturen, die von John Christy und Roy Spencer erstellt wurde, zwei umstrittenen Wissenschaftlern der University of Alabama in Huntsville. Diese Daten widersprachen allen anderen Nachweisen für eine Erwärmung. Die von Christy und Spencer behauptete Abkühlung sollte sich später als ein »Artefakt aus Serienfehlern« erweisen, allerdings erst nachdem die Verleugner des Klimawandels sie entsprechend auszunutzen wussten.15

Singer behauptete schließlich, dass die Berücksichtigung von Santers Arbeit in dem Bericht des IPCC gegen dessen Regeln verstoße, da die Arbeit damals noch nicht veröffentlicht gewesen sei. Tatsächlich war aber der größte Teil der Arbeit bereits publiziert worden. Auch verlangten die IPCC-Regeln in keiner Weise, dass eine zitierte Arbeit zum Zeitpunkt des Berichts veröffentlicht gewesen wäre, sondern lediglich, dass die Arbeit den Gutachtern auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden müsste.

In der Zwischenzeit hatte die bereits erwähnte Globale Klima-Koalition einen Bericht nach Washington geschickt, der dort von Insidern in Umlauf gebracht wurde. In diesem Bericht wurden diese falschen Behauptungen wiederholt und Santer der »politischen Manipulation« und »wissenschaftlichen Säuberung« beschuldigt. Der letztgenannte Vorwurf, der sich an die Sprache des Dritten Reiches anlehnte, war besonders verwerflich, da Santer Verwandte in Nazi-Deutschland verloren hatte. Die Behauptungen waren natürlich falsch. Auf Ersuchen der IPCC-Führung hatte Santer lediglich eine redundante Zusammenfassung entfernt, um sicherzustellen, dass die Struktur des Kapitels, bei dem er federführend war, mit der Struktur der anderen Kapitel übereinstimmte. Einige Monate später veröffentlichte Frederick Seitz im Wall Street Journal einen Gastkommentar, in dem er die gleichen falschen Anschuldigungen gegen Santer wiederholte.16

Somit waren die Leugner der Klimaveränderung im Verbreiten ihrer falschen Anschuldigungen über Santer immer einen Schritt schneller. Sie konnten ihre Behauptungen stets prominenter streuen, als Santer oder der Rest der wissenschaftlichen Gemeinschaft hoffen konnte, sie zu widerlegen. Santers Integrität wurde angezweifelt, und sein Arbeitsplatz und sogar sein Leben waren bedroht. Es ist ein Beispiel für das, was ich später die »Serengeti-Strategie« nannte, bei der von der Industrie finanzierte Angreifer auf einzelne Wissenschaftler losgehen, so wie Raubtiere in der afrikanischen Serengeti-Ebene ihre Beute jagen. Dabei versuchen sie gefährdete Individuen zu erlegen, indem sie diese vom Rest der Herde isolieren. Als meine Arbeit im nächsten IPCC-Bericht prominent erwähnt wurde, bemerkte Ben Santer: »Es gibt Leute, die glauben, dass sie den IPCC stürzen können, wenn sie Mike Mann stürzen.«17 Sie dachten, ich sei leichte Beute.

Die Seitz-Täuschung

Spulen wir noch ein paar Jahre vor, bis 1997. Das Kyoto-Protokoll, ein Zusatz zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (Klimarahmenkonvention), war gerade verabschiedet worden. Es würde die Länder der Welt zu substanziellen Reduzierungen der CO2-Emissionen verpflichten, mit dem Ziel, »gefährliche anthropogene Störungen des Klimasystems zu vermeiden«.18 Der Druck auf politische Entscheidungsträger nahm zu. Die Mächte der Verleugnung und Verzögerung müssten zusätzliche Einheiten mobilisieren, wenn sie Aktivitäten zum Klimaschutz verhindern wollten.

Dabei sollten sie Gemeinsamkeiten mit einigen zunehmend sonderbaren Charakteren finden. Betrachten Sie beispielsweise Arthur B. Robinson, einen Chemiker mit zugegebenermaßen beeindruckenden Referenzen. Als ehemaliger Schützling des mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Chemikers Linus Pauling leitet Robinson ein Familienunternehmen in Cave Junction, Oregon, dass sich das »Oregon Institute of Science and Medicine« nennt. Robinson hat im Laufe der Jahre einige sehr merkwürdige wissenschaftliche Hypothesen aufgestellt, darunter die diskreditierte Behauptung, dass Vitamin C Krebs verursachen würde. Er hatte auch großes Interesse darin, den Urin von Menschen zu sammeln und zu analysieren. Und ja, das ist jetzt kein Wunder, Robinson ist auch ein Leugner des menschengemachten Klimawandels, eine Position, mit der er sich in jüngster Zeit sowohl bei der rechtsgerichteten klimaleugnenden Mercer-Familie als auch bei der Trump-Regierung eingeschmeichelt hat.19

Im Jahr 1998, ein Jahr nach Kyoto, schloss sich Robinson mit unserem alten Freund Frederick Seitz zusammen, um die Unterstützung für das Kyoto-Protokoll zu untergraben. Die beiden organisierten eine Unterschriftenkampagne gegen das internationale Abkommen. Bis heute wird die »Oregon-Petition« mit 31.000 namentlich unterzeichnenden »Wissenschaftlern« als Beweis für eine weit verbreitete wissenschaftliche Gegenmeinung zu den forschungsbasierten Modellen des vom Menschen verursachten Klimawandels angepriesen – trotz der Tatsache, dass nur wenige der angeblichen Unterzeichner tatsächlich Wissenschaftler waren. Auf der Liste steht unter anderem Geri Halliwell, in den 90er Jahren als Sängerin der britische Pop-Band Spice Girls sehr bekannt oder auch B.J. Hunnicutt, eine Figur aus der Fernsehserie M*A*S*H. Ganz zu schweigen davon, dass ein Großteil der Unterzeichner, bei denen es sich tatsächlich um Wissenschaftler handelte, später angab, dass sie die Petition nicht mehr unterstützten oder sich nicht mehr an die Unterzeichnung der Petition erinnern konnten. Viele waren auch längst verstorben oder antworteten nicht, als sie von Scientific American kontaktiert wurden.20

Die Petition wurde zusammen mit einem Anschreiben und einem »Artikel«, der die wissenschaftlichen Beweise für den Klimawandel angreift, an eine umfangreiche Liste von Wissenschaftlern, Journalisten und Politikern verschickt. Der Artikel mit dem Titel »Environmental Effects of Increased Atmospheric Carbon Dioxide« (Umweltauswirkungen von erhöhtem atmosphärischem Kohlenstoffdioxid) wurde von Robinson, seinem Sohn Noah und dem Klimawissenschaftsleugner Willie Soon mitverfasst. Er wurde so formatiert, dass es so aussieht, als sei er in den prestigeträchtigen Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), dem offiziellen Journal der ehrwürdigen Nationalen Akademie der Wissenschaften, veröffentlicht worden. Seitz unterschrieb den beiliegenden Brief sogar unter Verwendung seiner früheren NAS-Zugehörigkeit – er war Ende der 60er Jahre deren Präsident. Die NAS unternahm daraufhin den außergewöhnlichen Schritt, die Bemühungen von Seitz öffentlich als bewusste Täuschung anzuprangern. Sie stellte klar, dass ihre Position in dieser Frage – es herrschte nun Konsens darüber, dass der Klimawandel real und vom Menschen verursacht ist – genau das Gegenteil von dem war, was Seitz sagte.

Die gesamte Episode spielte sich zufällig nur wenige Tage vor der Veröffentlichung unseres »Hockeyschläger«-Artikels ab, der am 22. April 1998, dem internationalen Tag der Erde (Earth Day), in der Zeitschrift Nature erschien.21 Die Kurve zeigte das beispiellose Ausmaß der neuzeitlichen globalen Erwärmung. Sie sollte zu einem Symbol in der Klimadebatte werden. Sie – und ich – sollten bald zu einem Hauptangriffsziel werden.

Der Hockey-Kampf

Lassen Sie uns ein paar Jahre nach vorne springen, ins Jahr 2002, um auf das inzwischen berüchtigte »Luntz-Memo« zu stoßen. Frank Luntz ist ein professioneller Meinungsforscher, der die Republikanische Partei (auch »Grand Old Party«, GOP, genannt) seit langem in politischen Fragen berät – auf der Grundlage von Erkenntnissen aus Umfragen und Fokusgruppen-Interviews. In einem Memo aus dem Jahr 2002, das von einer Organisation durchgesickert ist, die The Environmental Working Group (Die Umweltarbeitsgruppe) heißt, warnte Luntz seine republikanischen, die fossile Brennstoffindustrie verhätschelnden Klienten davor, dass »sollte die Öffentlichkeit zu der Überzeugung kommen, dass die wissenschaftlichen Fragen geklärt sind, sich ihre Meinung über die globale Erwärmung entsprechend ändern würde«.22 Er empfahl, bei der Charakterisierung des Phänomens eine weniger bedrohliche Sprache zu verwenden und »Klimawandel« gegenüber »globaler Erwärmung« zu bevorzugen. Ironischerweise würde später genau die wissenschaftliche Gemeinschaft, die von den Klimaveränderungsleugnern beschuldigt wird, Panik zu verbreiten, immer häufiger diesen Begriff verwenden, einfach weil er eine umfassendere Beschreibung des Problems darstellt. »Klimawandel« beinhaltet nicht nur die Erwärmung der Erdoberfläche, sondern schließt auch das Abschmelzen von Eis, den Anstieg des Meeresspiegels, die Verlagerung von Niederschlagsgebieten und Wüstengürteln, veränderte Meeresströmungen und so weiter mit ein. Luntz schlug auch vor, dass die Republikaner »die globale Erwärmung als Theorie [und nicht als Tatsache] neu positionieren«. Auch das ist schon fast wieder lustig, da die Theorie die mächtigste aller wissenschaftlichen Gebilde darstellt. So ist bekanntlich die Schwerkraft auch nur »eine Theorie«. Das macht es aber noch lange nicht ungefährlich, von einer Klippe zu springen.

Luntz warnte weiter, dass »die wissenschaftliche Debatte [gegen die Republikaner] zwar abgeschlossen, aber noch nicht beendet ist. Es gibt immer noch ein Fenster um die Wissenschaft herauszufordern«, womit er beabsichtigte, Zweifel innerhalb der öffentlichen Wahrnehmung zu wecken. Auf den Vorschlag von Luntz hin haben die Interessensvertreter der fossilen Energiewirtschaft, die Politiker und deren Kampfhunde, die auf ihr Kommando hin handelten, ihren Einsatz im Angriff auf die Wissenschaft verdoppelt, indem sie eine Strategie verfolgten, den Überbringer der schlechten Nachricht zu brandmarken. Diese zielt darauf ab, die Wissenschaft, die die Besorgnis über den vom Menschen verursachten Klimawandel untermauert, als Ganzes zu diskreditieren. Ich selbst befand mich noch im Zentrum des Angriffs wegen der Hockeyschläger-Kurve, die in der Klimadebatte bald einen ikonischen Status einnahm. Sie sollte in der »Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger« des Dritten Sachstandsberichts des IPCC von 2001 als das wichtigste neue Beweisstück zum Klimawandel aufgeführt werden, das die Schlussfolgerung stützt, dass die jüngste Erwärmung zumindest in den letzten tausend Jahren beispiellos ist.23

Tatsächlich war das Hockeyschläger-Diagramm nur eine von vielen voneinander unabhängigen Grundlagen der Beweisführung, die mittlerweile vorlagen. Der menschliche Einfluss auf das Klima war ja bereits mit der Veröffentlichung des Zweiten IPCC-Sachstandsberichts im Jahr 1995 festgestellt worden. Dieses Instrument war jedoch überzeugender für Laien, im Gegensatz zu der eher abstrakten statistischen Arbeit hinter den wichtigsten Ergebnissen des vorangegangenen Berichts. Man brauchte nicht die Physik, Mathematik oder Statistik zu verstehen, die der Klimaforschung zugrunde liegen. Die eindrucksvolle Grafik vermittelte vieles davon in einem einzigen Bild. Die lange, sanfte Abkühlungstendenz, die den Abstieg von den relativ warmen Bedingungen des elften Jahrhunderts in die so genannte »Kleine Eiszeit« des siebzehnten bis neunzehnten Jahrhunderts kennzeichnet, ähnelt dem abgeschwächten »Griff« eines Hockeyschlägers, die abrupte Erwärmungsspitze des vergangenen Jahrhunderts ist die umgedrehte »Keule«. Die Tatsache, dass diese jüngste, dramatische Erwärmung mit dem rapiden Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration aus der industriellen Revolution einhergeht, vermittelt eine leicht verständliche, unmissverständliche Schlussfolgerung: die Erwärmung, die wir erleben, ist beispiellos in der modernen Geschichte. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe und andere menschliche Aktivitäten sind die Ursache dafür.

Dass der Hockeyschläger genau zu der Zeit in den Vordergrund rückte, als die Leugner des Klimawandels neue und verstärkte Angriffe auf die Wissenschaft planten, war zwar Zufall, hatte aber tiefgreifende Auswirkungen auf meine eigene Karriere. In The Hockey Stick and the Climate Wars (Der Hockeyschläger und die Klimakriege) beschreibe ich die Bemühungen der Interessenvertreter fossiler Brennstoffe und ihrer Söldner, den Hockeyschläger und mich persönlich zu diskreditieren.24 Zu diesen Bemühungen gehörten Angriffe gegen mich und meine Arbeit durch rechtsgerichtete Medien wie Fox News und das Wall Street Journal, feindselige Anhörungen im Kongress und Ermittlungen durch Politiker, die den Klimawandel leugnen, wie der Senator des Bundesstaats Oklahoma, James Inhofe, der ehemalige Kongressabgeordnete Joe Barton aus Texas und der ehemalige Generalstaatsanwalt Ken Cuccinelli aus Virginia. Sie waren alle Republikaner sowie Empfänger beachtlicher Spenden der fossilen Brennstoffindustrie. So war ich juristischen Angriffen von Interessenvertretern (Frontorganisationen) jener Industrie ausgesetzt, die versuchen, Informationsfreiheitsgesetze zu instrumentalisieren, um an meine persönlichen E-Mails zu gelangen – in der Hoffnung, etwas Peinliches zu finden, mit dem man mich diskreditieren könnte, oder etwas, das, hätte man es aus dem Zusammenhang gerissen und falsch dargestellt, meine Forschung in Zweifel ziehen könnte. Die meisten Akteure und Organisationen, die hinter den Bemühungen standen – die Koch-Brüder, das Heartland Institute, das George C. Marshall Institute, Fred Singer – sind inzwischen wohlbekannt.

Das Gute an der Wissenschaft ist, dass sie über das verfügt, was der große Carl Sagan als »selbstkorrigierende Maschinerie« bezeichnete. Die Prozesse des Peer-Review, der Replikation und des Konsenses, gemischt mit einer gesunden Dosis Skepsis – echte Skepsis, nicht die vorgetäuschte Variante, die von Klimawandelleugnern verbreitet wird – sorgt dafür, dass die Wissenschaft nicht vom Weg zur Wahrheit abkommt. Wenn eine wissenschaftliche Behauptung falsch ist, werden andere Wissenschaftler dies nachweisen. Wenn sie dagegen richtig ist, wird das Behauptete von anderen Wissenschaftlern bekräftigt, vielleicht auch verbessert oder vertieft. Klimawandelleugner behaupten gerne, dass Wissenschaftler lediglich versuchen, vorherrschende Paradigmen zu bestätigen, denn nur so könne man sich die Finanzierung sichern und in den führenden Zeitschriften veröffentlichen. Wie bei den meisten Dingen, die von Klimawandelleugnern behauptet werden, ist das Gegenteil der Fall. Der erfolgversprechendste Weg zu Ruhm und Ehre in der Welt der Wissenschaft ist vielmehr die Widerlegung der gängigen Lehrmeinung und bahnbrechender Studien.

Dementsprechend war ein solches Auseinandersetzen mit der Hockeyschläger-Kurve in führenden wissenschaftlichen Zeitschriften wie Nature und Science eine maßgebliche Starthilfe für die Karrieren ehrgeiziger junger Wissenschaftler. Dennoch hat der Hockeyschläger diesen und anderen Herausforderungen standgehalten. Zwei Jahrzehnte der Forschung von Dutzenden unabhängigen Teams, die mit unterschiedlichen Daten und Methoden gearbeitet haben, haben unsere Ergebnisse immer wieder bestätigt. Es gibt inzwischen eine regelrechte Hockey-Liga von Studien, die nicht nur unsere ursprüngliche Schlussfolgerung bestätigen – dass die jüngste Erwärmung im vergangenen Jahrtausend beispiellos ist –, sondern sie sogar auf mindestens die letzten zwei Jahrtausende und vielleicht sogar auf die letzten zwanzigtausend Jahre oder noch länger ausgeweitet haben.25 Unser zentrales Forschungsergebnis hat sich im Laufe der Zeit und nicht zuletzt durch die Hinterfragung seitens skeptischer Wissenschaftler bewährt. Infolgedessen ist die Hockeyschläger-Kurve mittlerweile Teil des Wissenschaftskonsensus. Die fortgeführten wissenschaftlichen Forschungsarbeiten und erweiterten Erkenntnisse haben zusätzlichen Kontext geschaffen, also einen Zusammenhang zu anderem Hintergrundwissen hergestellt. So funktioniert Wissenschaft.

Das bedeutet aber keineswegs, dass die Bemühungen, den Hockeyschläger zu diskreditieren, aufgehört haben. Und hier müssen wir deutlich zwischen der Welt der Wissenschaft und der Welt der Politik unterscheiden. Erstere wird von einem sich selbst korrigierenden Apparat, von dem Sagan so wortgewandt sprach, angetrieben, bei dem wissenschaftliche Erkenntnisse stets einer angemessenen Überprüfung und einer (weitgehend) redlichen Auseinandersetzung unterzogen werden. Letztere gehorcht keinen solchen Regeln. Der Hockeyschläger wird in den konservativen Medien weiterhin mit Hilfe einer zynischen und unaufrichtigen Falschdarstellung von Fakten angegriffen.26 In der heutigen Welt der Politik geht – so scheint es – fast alles. Realität und Logik sind längst über Bord geworfen und durch ideologische und programmatisch motivierte »alternative Fakten« ersetzt worden.

Vor fast zwei Jahrzehnten hat Sagan in seinem Buch The Demon Haunted World (Die von Dämonen heimgesuchte Welt) die Welt, in der wir heute leben, mit einer gewissen Beklemmung vorausgesagt:

»Ich habe eine Vorahnung von einem Amerika meiner Kinder oder Enkelkinder, in der die Vereinigten Staaten eine Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft sind, während fast alle verarbeitenden Industrien in andere Länder abgewandert sind; in dem gewaltige technologische Befugnisse in den Händen einiger weniger liegen und niemand, der das öffentliche Interesse vertritt, die Probleme überhaupt erfassen kann; in dem die Menschen die Fähigkeit verloren haben, ihre eigenen Tagesablauf selbstständig zu bestimmen oder Autoritäten in Frage stellen zu können; in dem während wir in unsere Kristallglaskugeln blicken und nervös unsere Horoskope konsultieren, unsere Kritikfähigkeit schwindet und wir nicht mehr in der Lage sind, zwischen dem, was sich gut anfühlt, und dem, was wahr ist, zu unterscheiden, fast ohne es zu merken, dass wir in Aberglauben und Dunkelheit abgleiten.«27

Sagans Ängste haben sich im Zusammenhang mit den Klimakriegen zweifellos bewahrheitet, wenn sie nicht sogar innerhalb unseres gesellschaftlichen Diskurses in den Vordergrund gerückt sind. Und es gibt wohl kein besseres Beispiel für diese krankhafte Entwicklung als den von der fossilen Brennstoffindustrie fabrizierten Pseudoskandal, der als »Climategate« bezeichnet wurde – sozusagen ein letzter Atemzug des »harten Kerns« der Klimawandelleugner.

Climategate – ein letzter Atemzug?

In einem jüngeren Pendant der berüchtigten Watergate-Affäre von 1972, die den US-Präsidenten Nixon zu Fall brachte, brachen Hacker mit Verbindungen nach Russland und WikiLeaks in einen Mail-Server ein. Sie veröffentlichten gestohlene E-Mails im Zuge einer massiven, sorgfältig orchestrierten Desinformationskampagne, mit der Absicht, den Kurs der amerikanischen Politik zu beeinflussen.28

Es wäre nicht verwunderlich, wenn Sie jetzt denken, dass ich von der Komplizenschaft zwischen Russland und der Trump-Kampagne um die US-Präsidentschaftswahlen von 2016 spreche, ein Skandal, der inzwischen auch als Russiagate bezeichnet wurde. Aber keineswegs. Ich spreche von der Affäre vom November 2009, die unter dem Namen Climategate bekannt werden sollte.

Die Befürworter des Klimaschutzes sahen die Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Kopenhagen im Dezember 2009 als eine Chance für sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen. Als Nachfolgekonferenz von Rio und Kyoto war Kopenhagen für die Klimaschützer ein Quell großer Hoffnung. In der Tat wurde die Konferenz von vielen deshalb auch als Hopenhagen bezeichnet. Mit der wachsenden öffentlichen Erkenntnis bezüglich der Klimabedrohung und dank einer immer größeren Gewissheit über die Auswirkungen des Klimawandels – die beispiellose Katastrophe des Hurrikans Katrina war den US-Amerikanern noch frisch im Gedächtnis – und nicht zuletzt auch dank Al Gores überaus erfolgreicher Dokumentation Eine unbequeme Wahrheit schien es, als ob wir die Kurve kriegen könnten. Vielleicht war die Welt endlich bereit, in Sachen Klima zu handeln.

Die Kräfte der Leugnung und Verzögerung sollten jedoch erneut intervenieren und in den Wochen vor dem Gipfel einen fingierten »Skandal« inszenieren. Sogar der Name, den sie erfolgreich mit der Affäre verbanden – »Climategate« – war das Werk einer sorgfältig ausgearbeiteten Mär, die der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern in einer gemeinsamen Anstrengung von Interessenvertretern der fossilen Brennstoffindustrie, bezahlten Kampfhunden und konservativen Medien aufgezwungen wurde. Tausende von E-Mails zwischen Klimawissenschaftlern auf der ganzen Welt, mich eingeschlossen, wurden im Spätsommer jenes Jahres vom Server einer britischen Universität gestohlen. Einzelne Bruchstücke der Mails wurden von den Klimaveränderungsleugnern manipuliert und neu arrangiert sowie aus dem Zusammenhang gerissen, um sowohl die Wissenschaft als auch die Wissenschaftler in einem falschen Licht erscheinen zu lassen.29

Es dauerte nicht lange, bis die Klimaveränderungsleugner die Mails durchkämmt und in ein durchsuchbares Archiv überführt hatten. Indem sie einzelne Wörter und Phrasen aus dem Zusammenhang gerissen hatten, um die ursprüngliche Bedeutung zu verzerren, behaupteten sie, sie hätten den »rauchenden Colt« gefunden, der den Klimawandel als einen ausgeklügelten Schwindel entlarvt habe. Begriffe, die in ihrem ursprünglichen Kontext völlig harmlos waren – beispielsweise das Wort »Trick«, mit dem Mathematiker und Wissenschaftler eine geschickte Abkürzung zur Lösung eines Problems bezeichnen – wurden herausgezogen und absichtlich falsch interpretiert.

Klimaveränderungsleugner nutzten diese Falschdarstellungen, um zu behaupten, dass Wissenschaftler ihre Studien fälschten und sich an einem ausgeklügelten Plan beteiligten, um die Öffentlichkeit zu täuschen! Den Koch-Brüdern nahestehende Frontorganisationen und von der Industrie finanzierte Kritiker wollten, dass die Öffentlichkeit der Klimawissenschaft misstraut, indem sie die Klimaforscher selbst verdächtigten. Rechte Medien – vor allem das Medienimperium Murdoch, zu dem auch Fox News und das Wall Street Journal gehören, und Verschwörungserzählungen fördernde, rechte Kommentarseiten wie der Drudge Report, Breitbart »News« und der Radiomoderator Rush Limbaugh dienten als Megafon für diese empörenden Unwahrheiten und füllten den Äther, die Fernsehbildschirme und das Internet mit falschen Anschuldigungen, Verleumdungen und Anspielungen.

Rechtsextreme Politiker schlossen sich dem Kampfgeschehen an. James Inhofe, der bekanntlich die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für den Klimawandel als »Schwindel« abgetan hatte, begrüßte, ohne Ironie, die echte Täuschung, die Climategate war. Auf der Grundlage der unter diesem Begriff verbreiteten Behauptungen forderte er gar die strafrechtliche Verfolgung von siebzehn Klimawissenschaftlern, darunter Susan Solomon, der mit der »Presidential Medal of Science« ausgezeichneten US-amerikanischen Atmosphärenchemikerin des MIT, Michael Oppenheimer, dem Professor für Geowissenschaften der Princeton University und Kevin Trenberth vom US-amerikanischen Forschungsinstitut National Center for Atmospheric Research. Und ja, es war mir eine Ehre, ebenfalls auf dieser Liste zu stehen.

Zwei Jahre später hatten je nach Zählweise etwa ein Dutzend verschiedene Untersuchungen in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien die Wissenschaftler entlastet. Es gab keine Datenfälschung, keinen Versuch, die Öffentlichkeit über den Klimawandel in die Irre zu führen. Das einzige Fehlverhalten, das festgestellt wurde, war von vornherein der kriminelle Diebstahl der E-Mails – ein weiterer herber Fall von Ironie, wenn man bedenkt, dass es im Watergate-Skandal, dem Ursprung des »-gate«-Suffixes, um den Diebstahl von Dokumenten ging, nicht um deren Inhalt.30

In der Zwischenzeit nutzten die Klimaveränderungsleugner den vorgetäuschten Skandal bis aufs Letzte aus. Wie zuvor bereits geschildert, gab es schon 1995 Bemühungen Saudi-Arabiens, die Schlussfolgerungen des Zweiten Sachstandsberichts des Weltklimarats zu verwässern. Nun, fünfzehn Jahre später, trieben sie immer noch ihr übliches Spiel, bei dem sie versuchten, die ohnehin heiklen Verhandlungen auf dem Kopenhagener Gipfel zu sabotieren. So bestand der führende saudische Verhandlungsführer Mohammad al-Sabban darauf, dass die gestohlenen E-Mails einen »enormen Einfluss« auf die Verhandlungen haben sollten. Fünfzehn Jahre nachdem das IPCC zu dem Schluss gekommen war, dass es einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das Klima gibt, behauptete Sabban bemerkenswerterweise, dass »aus den Einzelheiten des Skandals hervorgeht, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen menschlichen Aktivitäten und dem Klimawandel gibt«. Ein paar falsch dargestellte E-Mails schafften es irgendwie, mehr als ein Jahrhundert der Physik und Chemie und den überwältigenden Konsens der Wissenschaftler der Welt zu negieren.

Um die Rolle besser zu verstehen, die sowohl Saudi-Arabien als auch das Medienimperium Murdoch bei der Förderung der Verleumdungen und Lügen von Climategate gespielt haben, ist es durchaus erwähnenswert, dass es ein kurioses Verhältnis zwischen den beiden gibt. Prinz Alwaleed bin Talal von der saudischen Königsfamilie und Rupert Murdoch sind enge Verbündete, die beiden haben finanzielle Verbindungen. Bis vor kurzem hielt Prinz Alwaleed über seine Firma Kingdom Holding sieben Prozent der Aktien der News Corporation, wodurch er zum zweitgrößten Aktionär nach Rupert Murdoch und seiner Familie wurde. Alwaleed verkaufte seine Aktien erst, als er 2017 wegen Korruption verhaftet wurde, da ihm klar war, dass sein Vermögen wahrscheinlich eingefroren würde. Alle, Murdoch, News Corporation und die saudische Königsfamilie, haben somit ein gemeinsames Motiv, sich dem Klimaschutz zu widersetzen.31

Die Diebe von Climategate wurden nie gefasst. Es gilt als gesichert, dass sowohl Russland als auch Saudi-Arabien eine wichtige Rolle beim Hosten und Verteilen der gestohlenen E-Mails gespielt haben. Saudi-Arabien nutzte die falschen Behauptungen der Klimastrategie direkt bei seinen Bemühungen, den Fortschritt in Richtung eines sinnvollen globalen Klimaabkommens in Kopenhagen zu stoppen. Jüngste Hinweise deuten darauf hin, dass der »Hacker«, der in den Server eingebrochen ist, dies von Russland aus getan hat.32 Angesichts der Manipulation Russlands bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 scheint es durchaus relevant, dass Climategate den gleichen Modus Operandi verwendete und einige der Akteure wie WikiLeaks und Julian Assange auch in dieser Kampagne involviert waren. In der Tat könnte man behaupten, dass es sich um dasselbe Motiv handelt.33

Wladimir Putin hatte ein Interesse daran, dass Hillary Clinton die Präsidentschaftswahl 2016 verliert, und zwar nicht nur aus geopolitischen Gründen, sondern auch, weil fossile Brennstoffe Russlands wichtigstes Kapital sind und ein Großteil der russischen Wirtschaft vom Export fossiler Brennstoffe abhängt. Eine potenzielle Präsidentschaft von Donald Trump war sowohl für Russland als auch für das weltgrößte Unternehmen für fossile Brennstoffe, ExxonMobil, von großem Nutzen. Sie bot schließlich die Aussicht auf eine Zusammenarbeit zwischen ExxonMobil und der staatlichen russischen Ölgesellschaft Rosneft zur Erschließung der größten derzeit unerschlossenen Ölreserven der Welt – der arktischen, sibirischen und Schwarzmeer-Erdölreserven im Wert von schätzungsweise 500 Milliarden US-Dollar.

Die beiden Unternehmen unterzeichneten 2012 eine Partnerschaft, die blockiert wurde, als die Obama-Regierung 2014 Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Annexion eines Teils der Ukraine (Krim) verhängte. Es erschien sehr wahrscheinlich, dass Hillary Clinton diese Sanktionen beibehalten hätte, Donald Trump jedoch nicht. Auf dem Republikanischen Nationalkonvent im Juli 2016 mit dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Trump änderte dessen Kampagnenteam unter der Leitung von Paul Manafort, der mehr als ein Jahrzehnt lang als Lobbyist für Viktor Janukowitsch gearbeitet hatte, die offizielle republikanische Agenda und strich die Formulierung, die die Sanktionen unterstützte.

Nach seiner Amtsübernahme ernannte Trump den Geschäftsführer von ExxonMobil, Rex Tillerson, zu seinem Außenminister. Seine Regierung versuchte, die Sanktionen aufzuheben, die der Ölpartnerschaft zwischen ExxonMobil und Russland im Wege standen. Dank eines Restes an Rückgrat unter den Republikanern im Senat blieben diese Bemühungen allerdings erfolglos. Und dank der Untersuchung unter Leitung des ehemaligen FBI-Direktors Robert Mueller wissen wir heute, dass Russland versucht hat, die Wahl zugunsten von Donald Trump zu beeinflussen. Es ist plausibel, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass ein Ölgeschäft über eine halbe Billion US-Dollar der Hauptimpuls war. Quid pro quo.

Das bringt uns zurück zu Climategate, bei dem gestohlene E-Mails benutzt wurden, um den Kopenhagener Gipfel im Dezember 2009 zu beeinflussen. Auch dieser Vorfall hat die Interessen der fossilen Brennstoffindustrie befördert, darunter ExxonMobil und Rosneft, befördert, indem die Akteure versuchten, das wichtigste Argument gegen die fortgesetzte Ausbeutung fossiler Brennstoffe zu untergraben – die Gefahr eines vom Menschen verursachten Klimawandels. Im Hinblick auf Russlands Beweggründe ist es auch erwähnenswert, dass Wladimir Putin offiziell die Vorstellung jeglichen Kausalzusammenhangs zwischen dem Handeln der Menschen und dem Klimawandel ablehnt. Er argumentiert, dass die Lösung schlicht darin bestünde, sich den Veränderungen anzupassen, und behauptet, dass die globale Erwärmung eigentlich eine gute Sache für Russland sei.34

Wie sich später herausstellte, war Climategate ein früher Testlauf für den größeren Angriff auf den Klimaschutz durch eine Koalition von Petrostaaten, der heute im Gange ist. »USA und Russland verbünden sich mit Saudi-Arabien, um das Klimaversprechen zu verwässern«, lautete die Schlagzeile im Guardian am 9. Dezember 2018, etwa acht Jahre nach Kopenhagen.35 Diese drei Länder – und übrigens auch Kuwait – bildeten eine kleine aber schlagkräftige Koalition, die sich gegen einen Antrag der UNO stellte, die Schlussfolgerungen eines kürzlich erschienenen Sonderberichts des IPCC zu befürworten, in dem vor den Gefahren einer Erderwärmung von über 1,5°C gewarnt wurde.36 Und wo wir schon dabei sind: Was ist mit Brexit, was ist mit den »Gelbwesten«-Protesten gegen die CO2-Steuer in Frankreich oder ähnlichen Revolten in Australien, Kanada und im Bundesstaat Washington? Könnten auch diese Episoden mit den Bemühungen von Akteuren aus Schurkenstaaten zusammenhängen, internationale klimapolitische Fortschritte zu blockieren? Wir werden später auf diese Frage zurückkommen.

Mutter Natur kann man nicht täuschen

Climategate könnte als das erste Scharmützel im neuen Klimakrieg angesehen werden. Es markierte den kritischen Zeitpunkt, an dem die Kräfte der Verleugnung und Untätigkeit fast alle zugaben, dass sie nicht mehr in der Lage waren, gegen die grundlegenden wissenschaftlichen Beweise glaubwürdig und nach Treu und Glauben zu argumentieren. Daher mussten sie stattdessen neue, ruchlosere Strategien anwenden, um Klimaschutzmaßnahmen zu blockieren.

Eine der Strategien besteht darin, einfach zu lügen. Genau darum ging es bei Climategate. Die Verdrehung der Wahrheit hat sich in der Ära von Trump – der so oft lügt, dass es Journalisten schwerfällt, mit der Zählung Schritt zu halten37 – so sehr normalisiert, dass die Klimawandelleugner sich ermutigt fühlten, mit Leib und Seele zu heucheln. Da ein Großteil der Öffentlichkeit nun die Realität des Klimawandels akzeptiert, zielen ihre Bemühungen auf eine schrumpfende Minderheit von Menschen – eine Teilgruppe der »konservativen Basis« –, die sich mit Ideologien und der Loyalität zu politischen Gruppen identifizieren, diese gegenüber Fakten vorziehen und daraus ihre Motivation ableiten. Umfragen aus dem Jahr 2019 deuten darauf hin, dass der Prozentsatz dieser sogenannten Enttäuschten in der US-amerikanischen Gesellschaft nur noch einstellig ist.38 Aber ihre scheinbare Bedeutung in der öffentlichen Sphäre ist weitaus größer, dank des »Lautsprechers«, der die mit Hilfe von fossilen Brennstoffen finanzierte Maschinerie der Leugnung von Klimaveränderungen stützt. Dieses Megaphon umfasst Fox News und den Rest des Medienimperiums Murdoch sowie Bot-Armeen, die online eingesetzt werden, um unsere sozialen Medien mit Fehlinformationen und Desinformationen zu überschwemmen. Das alles hat den Effekt, extreme Positionen populärer erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Das Problem umfasst auch gefälschte Berichte und öffentliche Debatten, die von den Interessensvertretungen der fossilen Brennstoffindustrie gesponsert werden, um der Leugnung des Klimawandels einen glaubwürdigen Anstrich zu verleihen.39 Diese Bemühungen bieten rechtsgerichteten Politikern Gesprächsstoff und politische Deckung, während sie sich weiterhin für die Interessen der fossilen Energieträger einsetzen, die ihre Kampagnen finanzieren, anstatt für die Angelegenheiten der Menschen.

Es ist wichtig, dieses Rückzugsgefecht grundlegend zu bekämpfen. Sicherlich nicht, weil wir die immer kleiner werdende und zunehmend irrelevante Gruppe der Leugner überzeugen könnten, denn das wäre wohl hoffnungslos. Aber sie drohen immer noch, den breiteren öffentlichen Diskurs zu infizieren. Als Ergebnis eines verleumderischen Resonanzkörpers tendieren die Menschen dazu, den Eindruck zu haben, ein weitaus größerer Teil der Öffentlichkeit leugne noch immer den Klimawandel, als dies tatsächlich der Fall ist.40 Diese fehlerhafte Wahrnehmung wiederum hindert die Menschen daran, ihre Freunde, Nachbarn und Bekannten auf das Thema Klima anzusprechen. Wenn wir einen Sachverhalt als strittig und konfliktträchtig gegenüber unseren potenziellen Gesprächspartnern wahrnehmen, scheuen wir oft ganz davor zurück. Je weniger wir über das Thema sprechen, desto weniger prominent ist es in unserem größeren öffentlichen Diskurs und desto weniger Druck wird auf die politischen Entscheidungsträger ausgeübt, damit sie handeln.

Wo die Verleugnung des Klimawandels fortbesteht, geschieht dies eher in der Form, dass die Auswirkungen heruntergespielt werden, als dass die grundlegenden physikalischen Beweise gänzlich geleugnet werden. Konkret bedeutet ein Großteil des noch verbliebenen, geförderten Leugnertums, dass nicht der Klimawandel selbst, sondern die negativen Auswirkungen, die er jetzt und in naher Zukunft haben wird, abgetan werden. Eines der besten Beispiele dafür sind die ausgedehnten Flächenbrände, die Kalifornien vor kurzem heimgesucht haben. Manche der Stimmen versuchten, von der offenkundigen Tatsache abzulenken, die der Klimawandel – in Form von beispielloser Hitze und Dürre – bei diesen Rekordwaldbränden spielte.41 Oberleugner Donald Trump verunglimpfte die Staatsbeamten, indem er ihnen die »grobe Misswirtschaft« der Wälder vorwarf und das Problem insbesondere auf mangelhaftes Säubern der Wälder zurückführte.42 Die Anschuldigungen, denen Klimawissenschaftler vor einem Jahrzehnt im Rahmen von Climagate ausgesetzt waren, hatten sich als Fake News erwiesen. Aus inzwischen ans Licht gekommenen E-Mails wurde ersichtlich, dass es im Jahr 2020 aber in der Tat zu Datenmanipulationen gekommen war, und zwar ironischerweise durch das Trump-Team, das versuchte, den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und den verheerenden kalifornischen Feuersbrünsten herunterzuspielen.43

Andere leugnerische Staatsoberhäupter sind diesem Beispiel gefolgt. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro versuchte, die Schuld für die weit verbreiteten Brände im Amazonasgebiet im Jahr 2019 nicht seiner Politik der Abholzung und des Klimawandels zu geben, sondern sie den Umweltschützern in die Schuhe zu schieben. Aber ein vielleicht noch besseres Beispiel dafür sind die Ereignisse, deren Zeuge ich während meines »Sabbaticals« in Australien Ende 2019 und Anfang 2020 wurde. Wie ich damals schrieb: »Nehmen Sie die Rekordhitze, kombinieren Sie sie mit einer beispiellosen Dürre in bereits trockenen Regionen, und Sie erhalten beispiellose Buschfeuer wie die ... die sich über den Kontinent ausbreiten. Es ist nicht kompliziert.«44

Der konservative Premierminister von Australien, Scott Morrison, streitet den Klimawandel ab. Er setzte sich zudem für die australischen Kohleinteressen ein und half mit bei der Sabotage des Rahmenübereinkommens bei der 25. Klimakonferenz (COP25) der Vereinten Nationen im Dezember 2019 in Madrid. Er machte Urlaub auf Hawaii, während die Australier unter den Auswirkungen beispielloser Hitze und Buschfeuer litten.45 Er und andere konservative Politiker und Experten versuchten schließlich, die Aufmerksamkeit von der wahren Ursache abzulenken und stattdessen die Grünen dafür verantwortlich zu machen, da diese angeblich die Regierung an der Ausdünnung der Wälder hinderten. Die Murdoch-Medienmaschine, zu der die Tageszeitung The Australian (die von der unabhängigen Medienbeobachtungsstelle SourceWatch als eine Zeitung beschrieben wird, die »die Leugnung des Klimawandels auf eine Art und Weise fördert, die manchmal … so erstaunlich ist, dass es schon wieder unterhaltsam ist«46), die Herald Sun, und der TV-Sender Sky News gehören, förderten unterdessen den Mythos, dass die massiven Buschbrände, die Australien verwüstet haben, eine Folge von Brandstiftung seien. Daraufhin entschied sich Rupert Murdochs eigener Sohn James das Wort zu ergreifen und erklärte öffentlich, er sei »besonders enttäuscht über die anhaltende Leugnung« durch das Medienimperium seines Vaters.47

Die Auswirkungen des Klimawandels sind zu offensichtlich geworden, als dass ein vernünftiger, ehrlicher Mensch sie leugnen könnte. Sie liegen uns zu Füßen – im wahrsten Sinne des Wortes, wenn es um Hochwasserereignisse, Küstenüberschwemmungen durch den Anstieg des Meeresspiegels oder verstärkte Wirbelstürme geht, und im übertragenen Sinne, wenn es um beispiellose Dürren, Hitzewellen und Waldbrände geht. Der Klimawandel hat mein eigenes Leben in den letzten Jahren zahlreiche Male berührt. Ein Beispiel war das Hochwasser im Sommer 2016 in Zentral-Pennsylvania, wo ich wohne. Zu beobachten, wie meine Alma Mater, die Universität von Kalifornien in Berkeley, Ende Oktober 2019 wegen eines historischen Flächenbrands in den East Bay Hills geschlossen werden musste, war ein weiteres. Aber mein Sabbatical während des australischen Sommers 2019/2020 war der Zeitpunkt, an dem ich konkret mit der Klimakrise konfrontiert wurde.

Der Klimawandel bedroht unsere Wirtschaft heute mit mehr als einer Billion US-Dollar pro Jahr.48 Eine kürzlich vom Pentagon in Auftrag gegebene Studie warnt vor einem Szenario, bei dem die Strom-, Wasser- und Ernährungssysteme bis zur Mitte des Jahrhunderts als Folge der Auswirkungen des Klimawandels zusammenbrechen könnten.49 Was einst weitgehend als eine Bedrohung der Umwelt wahrgenommen wurde, wird heute als eine Bedrohung der Wirtschaft und der nationalen Sicherheit angesehen. Diese Realität bringt immer mehr politische Konservative an den Tisch – Leute wie Bob Inglis, einen ehemaligen republikanischen Kongressabgeordneten aus South Carolina, der jetzt eine Organisation namens republicEn leitet, die sich für marktwirtschaftliche Klimalösungen einsetzt.

Auch im US-Repräsentantenhaus gibt es einen wachsenden überparteilichen Ausschuss für Klimalösungen. Vor allem dank der Bemühungen der Citizens‘ Climate Lobby, einer internationalen Graswurzelbewegung, die Freiwillige ausbildet, die ihre politischen Repräsentanten in Klimafragen in die Pflicht nehmen, gibt es jetzt dreiundzwanzig republikanische Mitglieder des Ausschusses, die Maßnahmen zur Minderung von Klimarisiken unterstützen. Sogar einige der konservativsten Republikaner im Repräsentantenhaus – einschließlich Matt Gaetz aus Florida, der im Kongress oft als Pitbull von Donald Trump angesehen wird – erkennen, dass die Menschen in ihren Staaten nicht über den Luxus verfügen, über die Wissenschaft des Klimawandels zu debattieren, weil sie bereits jetzt unter seinen Folgen leiden. So hat Gaetz jene republikanischen Mitstreiter getadelt, die die Wissenschaft immer noch verleugnen.50

Es gibt Anzeichen dafür, dass einige der Führer der konservativen Bewegung ihre Haltung zum Klima mäßigen. Es gibt zum Beispiel den Steuergegner Grover Norquist, der zumindest auf die Möglichkeit einer Unterstützung für eine aufkommensneutrale CO2-Steuer angespielt hat.51 Ich habe mich im Herbst 2019 mit Norquist getroffen und habe ihn als informiert und nachdenklich in Bezug auf die Klimafrage erlebt. Und dann ist da noch Charles Koch, der verbliebene »Koch-Bruder«, dessen Bruder David im August 2019 verstorben ist. In einem Interview im November 2019 wurde Charles Koch mit den Worten zitiert: »Was wir von ihnen wollen, ist, dass sie eine Politik machen, die tatsächlich funktioniert und die tatsächlich etwas zur Reduzierung der CO2-Emissionen beiträgt, der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen, und gleichzeitig das Leben der Menschen nicht verschlechtert«.52 Diese Worte klingen ermutigend, aber solange Koch seine Kampfhunde – die Interessenvertreter und Schwarzgeldtruppen, die weiterhin die Wissenschaft und die Wissenschaftler angreifen – nicht zurückpfeift und eine gutgläubige Bereitschaft zeigt, echte Klimalösungen in Betracht zu ziehen, ist es angebracht, skeptisch zu bleiben.

Tatsächlich sind die »Lösungen«, die von den Konservativen vorgeschlagen werden, oft keine wirklichen Lösungen. Denken Sie zum Beispiel an den Vorschlag des Republikanischen Senators Marco Rubio, dass sich die Menschen in Florida einfach an die Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs »anpassen« können (Was bedeutet das? Kiemen und Flossen wachsen lassen?).53 Aber es ist eine willkommene Veränderung und Anzeichen dafür, dass die Republikaner offenbar von der völligen Wissenschaftsverweigerung zu einer würdigeren Debatte über die Klimapolitik übergehen.

Die Untätigkeitsprediger – d.h. die Interessensvertreter der fossilen Brennstoffe und diejenigen, die nach ihrer Pfeife tanzen – haben ein einziges Ziel: nicht zu handeln. Wir könnten sie fortan auch als Inaktivisten bezeichnen. Es gibt sie in verschiedenen Formen. Das härteste Kontingent – die Verweigerer – sind, wie wir gesehen haben, im Aussterben begriffen, obwohl es immer noch eine Restpopulation von ihnen gibt. Sie werden ersetzt durch eine andere Spezies von Betrügern und Heuchlern, und zwar durch Verharmloser, Ablenker, Spalter, Verzögerer und Schwarzmaler – willige Teilnehmer an einer mehrgleisigen Strategie, die darauf abzielt, von der Schuld abzulenken, die Öffentlichkeit zu spalten, Maßnahmen durch die Förderung »alternativer« Lösungen, die das Problem nicht wirklich lösen, hinauszuzögern oder darauf zu bestehen, dass wir unser Schicksal einfach akzeptieren – da es ohnehin zu spät sei, etwas dagegen zu unternehmen – und wir deshalb das Öl genauso gut weiter fließen lassen können. Die Klimakriege sind also nicht beendet, sondern haben sich zu einem neuen Klimakrieg entwickelt. Die verschiedenen Fronten, an denen dieser Krieg geführt wird, sind Gegenstand der folgenden Kapitel.

Propagandaschlacht ums Klima (Telepolis)

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