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Das Zeitalter der Pyramiden
ОглавлениеMit Djoser beginnt ein gänzlich neuer Abschnitt in der Geschichte Ägyptens, denn unlösbar ist er mit der ersten Pyramide der Welt verbunden. Allein der Entschluss, ein derart monumentales Grabmal zu schaffen, setzt voraus, dass die politische Situation im Innern des Reiches so sehr gefestigt ist, dass ein solches Großprojekt angegangen werden kann, das viele Arbeitskräfte über Jahre hinweg bindet. Unter Djoser müssen die Bevölkerung und das Land weitestgehend organisiert gewesen sein und eine Verwaltung existiert haben, die Steuern nach den wirtschaftlichen Erträgen des Landes berechnet, um den Bau zu finanzieren und den Unterhalt der daran beteiligten Personen sicherzustellen.
Dabei ist die Entstehung der Pyramide eher ein Zufallsprodukt, denn sie ist ursprünglich nicht als solche geplant. Djoser beabsichtigt vielmehr, alle bis dahin bekannten Grabformen seiner Vorgänger und die Scheinpaläste der Thinitenzeit in seinem Komplex zu vereinen – dass er dabei eine neue Grabform schaffen würde, ist weder Djoser noch seinem Baumeister Ii-em-hetep (Imhotep) bewusst.
Der König hat den Platz für sein Grabmal sehr bewusst ausgewählt. Ihm ist die Nähe zu seinen Vorgängern wichtig. Westlich, durch die Umfassungsmauer in Djosers Areal integriert, befinden sich die galerieartigen Anlagen seiner direkten Vorfahren. Südlich, jedoch außerhalb der Mauer, besteht die Nachbarschaft zu Ni-netjer und Hetep-sechemui. In der neuartigen Steinbauweise, die in der 2. Dynastie erstmals Anwendung findet, lässt Djoser seinen Grabbezirk konstruieren. Das Format der Steine ist klein und erinnert an luftgetrocknete Lehmziegel – den typischen Baustoff der Frühzeitgräber. In mehreren Entwicklungsphasen fügt Djosers berühmt gewordener und später als Weiser vergöttlichter Architekt Ii-em-hetep das Grabareal zusammen, das zunächst aus einer quadratischen Aufmauerung mit knapp 72 m Seitenlänge und einer Höhe von etwa 8,4 m innerhalb der Umfassungsmauer besteht. In diesem ersten Entwurf ist m. E. die in Stein umgesetzte Aufschüttung über den Königsgräbern aus Abydos zu erkennen. Dieser Bau überdeckt einen 28 m tiefen Schacht, zu dem ein langer, von Norden her kommender Treppenabgang führt. An dessen Boden befinden sich die komplett aus Granitsparren errichtete Grabkammer des Königs und die Zugänge zu vier Galeriesystemen, die, mit fast labyrinthartigem Charakter, Magazingänge um die Grabkammer bilden. Im östlichen Teil dieser Gangsysteme ist allem Anschein nach eine Art Jenseitsresidenz des Königs, die sog. Blaue Galerie, untergebracht, die mit herrlichen Einlegearbeiten aus Fayencekacheln Mattenstrukturen imitiert und in drei fensterartigen Vertiefungen Reliefs des Königs zeigt.
Abb. 12 Saqqara. Die Rekonstruktion zeigt den Pyramidenbezirk des Djoser mit der nischengegliederten Umfassungsmauer. Im Norden der Pyramide befindet sich der Totentempel für die Versorgung des toten Königs.
Wahrscheinlich tritt beim Oberbau ein Problem auf, das zuvor nicht bedacht worden ist, denn die als Integration eines Talbezirkes in den unmittelbaren Grabbereich geplante und ca. 10 m hohe Umfassungsmauer hätte verhindert, dass der Oberbau des Königsgrabes von außen zu sehen gewesen wäre.29 Deshalb entscheidet man sich dazu, diesen Tumulus innerhalb mehrerer Bauphasen zu vergrößern, damit er schließlich fünf weitere, sich nach oben hin verjüngende kleinere steinerne Aufschüttungen auf seiner Oberfläche aufnehmen kann.
Das Ergebnis ist eine gigantische, 62,5 m hohe Treppe, auf der der verstorbene König in den Himmel gelangen kann (Abb. 20), sechs mächtige, übereinander geschichtete Podeste bringen den König dem Himmel, den Sternen und der Sonne näher als irgendeinen Herrscher vor ihm. Über sein Land würde Djoser auch weiterhin herrschen können, wenn er von seiner Treppe wieder hinunter nach Ägypten kommt.
Im Norden der Pyramide befindet sich ein ausgedehnter Totentempel aus bearbeiteten Steinen. Hier werden dem verstorbenen König täglich die für seine Existenz im Jenseits benötigten Speise- und Trankopfer in Verbindung mit wichtigen Gebeten und Ritualen, die ständig seinen Namen nennen, dargebracht. Interessant ist, dass während nun alle Anlagen für den Totenkult des Herrschers ganz aus dauerhaftem Stein errichtet werden, die Heiligtümer der Götter hingegen aus vergänglichen Lehmziegeln hergestellt bleiben.
In einer kleinen Kapelle vermauert findet sich die berühmte Statue des Djoser (Ägyptisches Museum Kairo, Inv.-Nr. JE 49158), in deren Gestalt der tote König die Opfer entgegennimmt. Zwei Bohrungen in der Nordwand dieser Kapelle in der Augenhöhe der Statue erlauben es Djoser, die Zirkumpolarsterne im Nordhimmel zu betrachten. Dort, inmitten der Sterne, die niemals auf- oder untergehen, sondern immer beständig sind und den Horizont nicht berühren, liegt, in der Vorstellung des frühen Alten Reiches, der ewige Aufenthaltsort der ägyptischen Könige.
Abb. 13 Plan der memphitischen Nekropole mit den Pyramidenfeldern der Könige der 3. bis 6. Dynastie.
Zum ersten Mal werden im Pyramiden-Komplex des Djoser Gebäude, die ursprünglich aus Matten und Schilf errichtet waren, in Stein umgesetzt und ein großer Kulthof fügt sich in den Gesamtbezirk ein. Im Süden umschließt die Mauer ein Scheingrab, dessen Oberbau einem Galeriegrab der 2. Dynastie in Kleinformat nachempfunden ist, während die Innenräume eine ähnliche Abfolge des Gangsystems en miniature unter der großen Pyramide wiedergeben. Djoser lässt – anders als sein Vorgänger – kein Scheingrab in Abydos errichten, aber um nicht gänzlich mit der Tradition zu brechen, fügt er dieses Südgrab als Erinnerung und Reminiszenz an den Bestattungsplatz der frühen Pharaonen in Abydos in seinen Grabbezirk mit ein.
Jeder ihm folgende König des Alten Reiches baut ebenfalls solch ein Scheingrab im Süden seines Pyramidenbezirkes.
Den gesamten Komplex umgibt ein heute verschütterter, gewaltiger, 40 m breiter Graben, aus dem die Steine für das Königsgrab gebrochen worden sind und der das Areal des Djoser zu einer Art Insel macht.30
Djoser steht an der Schwelle zwischen dem frühzeitlichen Ägypten, das sich auf dem langen Weg zur Einheit befunden hat und dem Reich, das nun zu der einzigartigen Zivilisation am Nil wird. Die Stufenpyramide des Djoser ist der Meilenstein, der die erste überaus bedeutende Epoche einleitet, die wir heute als das Alte Reich bezeichnen. Niemals zuvor hat ein ägyptischer König ein Grabmal errichtet, das eine schwindelerregende Höhe von fast 63 m erreicht hätte.
Die Vorstellung von Reichsgöttern, die nun in Dreiergruppen (Triaden) zu Familien zusammengefügt werden, scheint die Ebene der lokalen Gottheiten zu durchdringen, der sie hierarchisch überlegen sind, und nach und nach an Wichtigkeit ablösen. Der König gehört in die Gruppe der mächtigen Reichsgötter und gilt als Vater der Lokalgötter31, was bildlich noch in einigen Plastiken des Mykerinos in der späten 4. Dynastie ausgedrückt wird.
Von einer Ziegelkapelle des Djoser aus Heliopolis haben sich Fragmente der Dekoration erhalten, die heute in Turin zu besichtigen sind. Sie zeigen die menschengestaltig und sitzend dargestellten Gottheiten Geb und Seth, deren Beischrift erläutert, dass sie dem König Leben, Beständigkeit, Kraft und Herzensfreude ewiglich32 schenken. Die Darstellung entspricht den Bildern späterer Zeit, in denen die Götter den ägyptischen Königen anch-Zeichen, die Symbole ewigen Lebens, an die Nase halten, damit sie diese einatmen und in sich aufnehmen können.
Die explosionsartige Entwicklung der Verwaltung macht die Position eines Stellvertreters des Königs unerlässlich und schafft das Amt des Wesirs, das zum ersten Mal mit dem aus der Königsfamilie stammenden Men-ka besetzt wurde.
Ii-em-hetep, ein hoher Beamter, der u.a. die Titel eines Hohepriesters von Heliopolis, Oberbildhauers und Bauleiters trägt, ist mit der Leitung des Baues des Königsgrabes betraut und wird für seine Arbeit in der Spätzeit (ca. 664–332 v. Chr.) als Gottheit verehrt. Wahrscheinlich ist er bereits unter Chai-sechemui tätig und dient jedem König der 3. Dynastie bis Huni.
Die Nachfolger des Djoser bleiben allesamt nebulös-blasse Erscheinungen.33