Читать книгу Die Toten kehren wieder mit dem Wind - Michael Höveler-Müller - Страница 10
Kapitel 2
ОглавлениеDie große Stadt
Kija wusste, dass es nicht standesgemäß war, und dennoch konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, den heutigen Markt vor den Toren Men-nefers zu besuchen. Gemeinsam mit den anderen Händlern war auch Ani, der berühmte Stoffhändler, nach über einem Jahr, in denen er die erlesensten Güter Vorderasiens eingekauft hatte, nach Ägypten zurückgekehrt. Man munkelte, Ani solle sogar Tuch aus dem fernen Naharina bei sich führen.
Kija wurde von vier Männern begleitet, die sich schützend um sie herum positioniert hatten. Sie waren normalerweise die Träger ihrer Sänfte, aber an einem solchen Tag wie heute, an dem Bürger aus dem gesamten Umland Men-nefers auf den Beinen waren, um die exotischen Güter in der ehemaligen Hauptstadt zu bestaunen, war mit ihrem Transportmittel kein Durchkommen durch die engen und verwinkelten Gassen. So ging sie zu Fuß durch das Gedränge und ihre Träger schirmten sie so eng nach außen ab, wie sich ein Ring an den Finger schmiegt. Ein Stück vor ihr ging Nehsi, ihr riesiger nubischer Leibwächter, der die ihn umgebende Menschenmenge um eine Kopfeslänge überragte. Er war ein breitschultriger Mann mit harten Muskeln und einem Blick, der ruhelos und aufmerksam war wie der eines Panthers. Heute sorgte er dafür, dass die junge Frau so ungehindert wie möglich ihren Weg durch Men-nefer nehmen konnte. Einer der Träger führte einen langen Fächer aus Straußenfedern mit sich, mit dem er den verzweifelten Versuch unternahm, seiner Herrin in den stickigen Straßen der Stadt etwas Kühlung zu verschaffen. Ein anderer, der hinter Kija ging, trug einen hölzernen Sonnenschutz, mit dem er dafür sorgte, dass sich ihr Gesicht stets im Schatten befand und ihre Augen nicht geblendet wurden.
Allerorts verneigten sich die Menschen, an denen sie vorüberschritt, so tief es ihnen der Platz erlaubte, sie tuschelten bewundernd und schauten ihr nach.
Als sie den Stand erreichten, der Ani gehörte, warf dieser sich sofort ehrerbietig auf den Boden, als er sah, welch illustrer Gast zu ihm gefunden hatte.
Mit einer gelangweilten Geste gebot Kija dem Händler, sich zu erheben.
„Bei mir findet Ihr die edelsten und feinsten Stoffe, die Menschen herzustellen vermögen“, säuselte Ani.
Prüfend ließ Kija ihre zierlichen Finger langsam über ein Stück der ausgelegten Ware gleiten.
„Eine vorzügliche Wahl, Prinzessin. Ihr habt bewiesen, dass Ihr ein untrügliches Auge und ein ausgezeichnetes Verständnis für Qualität besitzt, da Ihr Euch gerade für diesen Stoff interessiert.“
„Woher stammen diese Tücher?“
„Aus dem fernen Naharina, Prinzessin!“
Kija zog verärgert die kleine Nase kraus.
„Feiner und weicher als ägyptische Königsleinen sind deine Produkte keinesfalls“, stellte sie enttäuscht fest und gab ihren Begleiter ein Zeichen, dass sie weitergehen wollte. Ani sog ein wenig angestoßen Luft ein, während die Prinzessin seinen Stand verließ.
Nach nur wenigen Schritten hielt Kija an. Im Bereich des Brunnens hatte sich das Gedränge spürbar aufgelöst.
„Bring mir Wasser!“, befahl sie Nehsi knapp und deutete auf den Brunnen. Einer der Träger reichte dem Schwarzen den Becher der Prinzessin, der immer mitgeführt wurde. Mit klarem und frischem Wasser kehrte er zurück und reichte es seiner Herrin mit einer leichten Verbeugung.
Während Kija trank, ließ sie ihren Blick über die Umgebung vor den Stadttoren wandern und bemerkte nun eine Gruppe schmutziger und unterernährter Jungen, die in einiger Entfernung unter ein paar Palmen Schatten suchten. Sie waren an den Handgelenken gefesselt, ihre Schurze starrten vor Dreck und sie sahen erschöpft und durstig aus.
Die Prinzessin setzte ihren Becher ab und rief Nehsi zu sich.
„Fülle mir einen der Tonkrüge, die neben dem Brunnen stehen, gib ihn mir und bleibe mit den Trägern hier stehen und warte auf mich!“
Nehsi folgte ihrem Blick.
„Prinzessin, Ihr wollt doch nicht zu den Zwangsrekrutierten...?“, fragte er alarmiert.
„Schweig und tue, was ich dir aufgetragen habe!“
Der Leibwächter senkte den Blick und gehorchte.
*
Nach zwei Wochen mühsamen Marschierens hatten die Jungen an einem warmen Vormittag das gewaltige Häusermeer der uralten Hauptstadt Men-nefer erblickt. Alle standen sie mit vor Staunen weit offenen Mündern vor der mächtigen Festung. Die Stadt war in den letzten Jahrhunderten so sehr gewachsen, dass die neueren Häuser außerhalb der Mauer errichtet werden mussten, so dass es aussah, als rage eine gewaltige alte Bastion aus einem Meer von Behausungen. Im dürftigen Schatten einer kleinen Palmengruppe durften sich die Jungen kurz ausruhen, bevor sie ihr Weg zu der Kaserne von Men-nefer führen sollte.
Überall herrschte hektische Betriebsamkeit, wie sie sie aus Hut-nisut nicht kannten – nie zuvor hatte Haremhab so viele Menschen gesehen. Darüber hinaus waren die Bewohner der Stadt ungewohnt gepflegt, ihre Kleidung war sehr sauber und sie rochen ausgesprochen gut.
Es dauerte nicht lange, da kam eine dieser gut gekleideten und wohlriechenden Frauen mit einem Tonkrug voll Wasser lächelnd auf die Jungen zu.
„Woher hat man Euch geholt?“, fragte sie Haremhab und reichte ihm das Gefäß mit sauberem und klarem Wasser, das dieser sofort gierig mit den gefesselten Händen an den Mund setzte.
„Aus dem Falkengau“, Haremhab machte eine Trinkpause, die sein Bruder Nefer-hotep prompt dazu nutzte, ihm den Wasserkrug zu entreißen.
„He!“, das enttäuschte und empörte Gesicht Haremhabs brachte die junge Frau zum Lachen. Es war ein helles und liebliches Lachen, das so schön wie Musik klang. Haremhab wusste nicht, wie alt sie war, aber er fand sie wunderschön. Ihre langen, dichten, schwarzen Haare schimmerten in der Sonne bläulich, sie trug ein langes, leicht durchscheinendes, weißes Gewand, das mit einem roten Stoffgürtel verschlossen und sicher sehr wertvoll war, ihre großen dunklen Augen umrahmte präzise ein dicker schwarzer Schminkstrich, den sie an den Außenwinkeln bis zu den Schläfen verlängert hatte – und ihr Lachen war so ansteckend, dass Haremhab schließlich sogar seinen Durst vergaß und mitlachte.
„Mein Name ist Kija“, stellte sich die junge Frau schließlich vor und strich Haremhab über seine dichten schwarzen Locken, die vom langen Marsch ganz staubig waren.„Ich werde dir einen neuen Krug holen“, sagte sie dann und wandte sich zum Gehen.
Haremhab wunderte sich indes über die stetig wachsende Menschenmenge, die stehen blieb und aufgeregt untereinander tuschelte. Die Leute stießen sich an und deuteten in seine Richtung.
Sata stand mit einigem Abstand zu Haremhab und beobachtete fassungslos, wie dieses rebellische, sture Eselfohlen es wagte, mit einer Hure zu sprechen.
Zwar konnte er die reiche Prostituierte nur von hinten sehen, aber er wusste, dass einige von diesen Weibsbildern, um ihr beschmutztes Gewissen zu erleichtern, hier hin und wieder Wasser an Gefangene ausschenkten. Jetzt ging sie, um diesem kleinen Aufrührer noch mehr Wasser zu holen. Das konnte Sata unmöglich zulassen.
Mit einem ohrenbetäubenden Knall wurde Kija brutal auf den Boden geworfen. Sata hatte sie mit seiner Peitsche an der Schulter getroffen und eine tiefe Wunde geöffnet, die sich schnell mit Blut füllte. Kija schrie nicht. Sie blickte zunächst auf die Verletzung und dann direkt in das Gesicht ihres Peinigers. Aus der Menge der umstehenden Zuschauer löste sich ein bedrohlich aussehender nubischer Riese, dem Kija durch ein Handzeichen Einhalt gebot.
Doch der an den Händen gefesselte Haremhab sprang auf, stürzte sich auf den ausgewachsenen Soldaten und biss ihm mit aller Kraft in den Arm, der die Peitsche hielt. Der Junge verbiss sich so fest, dass der Mann ihn nicht abschütteln konnte. Als es ihm schließlich doch gelang, riss Haremhab ihm dabei ein beachtliches Stück Fleisch heraus. Voller Schmerz und Wut trat der Mann fluchend auf den am Boden liegenden Jungen ein, der sich krümmte und wand.
„Halte sofort ein!“ Kija war aufgestanden, doch der aufgebrachte Soldat beachtete sie nicht.
„Wie ist dein Name, Elender?“, schrie sie den Mann an.
Nun ließ er von Haremhab ab und wandte sich wieder der Frau zu.
„Das geht dich nichts an, schmutzige Dirne!“, zischte er kalt.
„Sata“, gab Haremhab röchelnd die korrekte Antwort. Zu oft hatte dieser Soldat seine sadistischen Vorlieben an ihm ausgelebt und ihn grundlos gequält. Mit einem weiteren Knall zerfetzte Satas Peitsche Haremhabs Oberkörper. Anders als Kija schrie dieser aus Leibeskräften, denn der Schmerz war unerträglich.
„Ich hoffe, dir sind genügend Lieder bekannt“, sagte Kija schneidend,„denn ab morgen wirst du als Bettler durch die Straßen von Men-nefer ziehen.“
„Das sagt mir eine Hure?“, mit einer abfälligen Handbewegung tat Sata die Bemerkung ab und lachte verächtlich.
„Nein, das sagt dir die Schwiegertochter des Pharaos!“
Sata erstarrte. Er wusste, dass der Sohn des Königs in Men-nefer Dienst tat, und er wusste auch, dass dieser Thronfolger Familie besaß.
„Die Schwiegertochter des Pharaos würde niemals einem Gefangenen Wasser reichen“, presste Sata mühsam hervor.
Doch jetzt fiel ihm ihre kostbare Kleidung auf, die die finanziellen Möglichkeiten selbst einer reichen Prostituierten übersteigen musste. Außerdem trug sie Schmuck: einen schmalen Halskragen, Arm- und Fußbänder, in denen reichlich Gold verarbeitet war.
„Ich schon!“, mit diesen Worten erhob sie eine Hand. Sofort stürzte der muskulöse nubische Riese aus der Menge und presste seine gewaltige Faust um Satas Hals. Hilflos strampelte Sata mit den Armen. Das Blut schoss ihm ins Gesicht.
„Entschuldige dich – sofort!“, brüllte ihn der nubische Riese an.
Sata konnte jedoch keinen Ton aus seiner verengten Kehle pressen, nur Tränen rannen über sein Gesicht.
„Hast du Familie, du Sohn eines Esels?“
Sata nickte heftig – ein Familienvater war nicht so ohne weiteres umzubringen.
„Kinder?“
Sata nickte und der Schweiß rann, nun vermengt mit Tränen, von seiner Stirn über Gesicht und Nacken auf die Hand des Schwarzen.
„Wie viele? Zwei?“
Wieder nickte Sata übertrieben.
„Das tut mir leid“, sagte der Nubier mit gespielter Anteilnahme.„Deine Kinder werden ohne ihren Vater aufwachsen müssen!“
Mit diesen Worten bohrten sich seine dunkelbraunen Finger durch die Haut um den Kehlkopf des Soldaten, umklammerten diesen und rissen ihn urplötzlich heraus. Begleitet wurde die Handlung sowohl von einem kuriosen schmatzenden und knirschenden Geräusch als auch von dem Schreien und Winseln Satas, das abrupt verstummte.
Die Jungen hatten die Hinrichtung Satas mit vor Angst, Ekel und Erstaunen verzerrten Gesichtern betrachtet. Nefer-hotep reichte Haremhab mit zitternden Händen den Krug zurück, bevor er sich in den Schoß des neben ihm sitzenden Rekrutierten erbrach.
Der Stoffhändler Ani, der seinen Marktstand in unmittelbarer Nähe zum Geschehen hatte, reagierte schnell und ließ dem Nubier untertänigst zwei Tuchstreifen für die Verletzung der Prinzessin und des Jungen zukommen. Als Kija wieder zu Haremhab trat, presste sie eines der Tücher an ihre Schulter, das andere legte sie sanft auf Haremhabs Brustkasten.
„Wie geht es dir?“, wollte sie wissen.
Der Junge errötete heftig, alle Unbefangenheit von zuvor war im Angesicht einer Angehörigen des Königshauses dahin.
„Das ist nichts weiter“, sagte er mit gespielter Unerschrockenheit.
Kija lächelte.
„Du hast mir noch nicht verraten, wie du heißt“, sagte sie sanft.
„Haremhab!“
„Har-em-hab“, wiederholte sie langsam, Silbe für Silbe.„‚Horus ist im Fest ‘ oder ‚Horus feiert‘, ein interessanter Name mit einer tiefen und wichtigen Bedeutung – es hat viel zu sagen, wenn der Gott des Königtums vor Freude feiert.“
Zum Abschied strich ihm die Prinzessin wieder über die staubigen Haare und ging. Mit offenem Mund starrte Haremhab ihr hinterher.
Nefer-hotep wischte sich mit dem Handrücken die Lippen ab.
„Ich glaube das alles nicht!“, murmelte er erschöpft.
*
Zur großen Verwunderung Haremhabs und der anderen Jungen zählte der Tod Satas unter den Soldaten nicht viel. Er habe unehrenhaft gehandelt, gegen das Gesetz der Maat, die Weltordnung, verstoßen und somit dieses schmachvolle Ende verdient, hieß es – und man wollte ihn und seinen Namen so schnell wie möglich vergessen.
Die verstörten Jungen wurden von dem„Schwangeren“ in ihre Quartiere gebracht. Die Kaserne lag ein gutes Stück außerhalb der Stadt. Auf dem Weg dorthin kamen sie an den Unterkünften und Übungsplätzen der Offiziere vorbei. Die Erhabenheit, die von diesem Bereich der Kaserne ausging, hielt Haremhab lange gefangen. Man munkelte, dass sich der Kronprinz Thutmosis, der Sohn und Nachfolger von Neb-Maat-Ra, dem dritten Herrscher namens Amenophis, mit seinem jüngeren Bruder, der ebenfalls Amenophis hieß, zurzeit hier aufhielt.
Haremhab fühlte auf einmal eine Begeisterung, die sogar seine gewaltigen Schmerzen gering erscheinen ließ: Er befand sich in derselben Kaserne wie der künftige König! Er würde für den Pharao kämpfen, denn der Herrscher brauchte ihn, summte eine süße Stimme in seinem Kopf. Immerhin hatte er die Ehre einer Angehörigen der königlichen Familie wiederhergestellt – oder es zumindest versucht. Haremhab stand nun am Beginn seines wirklichen Lebensweges.
„Was glaubst du, wie alt sie ist?“, fragte Haremhab seinen Bruder unvermittelt, als sie zu ihren Baracken gebracht wurden. Seit sie in der Kaserne waren, mussten sie keine Fesseln mehr tragen und durften sich frei bewegen.
„Wie alt wer ist?“
„Kija!“
„Ach, deine Freundin“, neckte ihn Nefer-hotep scherzhaft.„Ich würde denken, dass sie mindestens 16 Jahre alt ist!“
„Das ist alt“, meinte Haremhab nachdenklich.
„Wieso fragst du?“
Haremhab hob die Schultern.
„Hast du dich etwa verliebt?“
„Unsinn“, zischte Haremhab mit wütend zusammengezogenen Brauen. Er fand sie nur nett, das war alles. Als Nefer-hotep leise und provozierend lachte und den Jungen um sich herum zuflüsterte:„Hori ist verliebt“, schubste er ihn.
Während sie durch die Anlage gingen, wurde die Qualität der Baracken immer schlechter.
Plötzlich blieb ihr Anführer stehen und dröhnte:„So, Männer, das ist eure Kompanie für die nächsten drei Monate! Verhaltet euch anständig, tut, was man euch sagt – dann habt ihr wenig zu befürchten!“
Die Baracke war in einem desolaten Zustand. Es war ein einziger leerer und kahler Raum mit einigen Stützmauern, in denen die 50 neuen Rekruten untergebracht werden sollten – verkommen, dreckig und bereits von einem ganzen Bataillon Ungeziefer bewohnt.
„Morgen wird eure Ausbildung beginnen“, donnerte die Stimme des Soldaten.„Heute werdet ihr eure Unterkunft herrichten und säubern!“
Das war zwar dringend notwendig, aber niemand stellte den Jungen Besen oder Lappen zur Verfügung. Und so reinigten sie den Raum so gut es ging mit ihren Händen und den Kleidungsstücken, die sie anhatten. Das Tuch, das die Prinzessin Haremhab gegeben hatte, war schon lange durchgeblutet. Die Wunde verkrustete nicht und bereitete ihm bei jeder Bewegung große Schmerzen.
Es dämmerte bereits, als die Stube endlich hergerichtet war.
Die Tür öffnete sich und der„Schwangere“ stand gemeinsam mit dem Nubier in der Tür, der Sata den Kehlkopf herausgerissen hatte.
„Kommt alle nach draußen, damit wir euch bei Licht betrachten können“, rief der Dicke in den düsteren Raum.
„Wer von euch war es, der heute Mittag durch Satas Peitsche verletzt wurde?“, herrschte der Vorgesetzte die erschöpften Kinder an, nachdem alle angetreten waren. Der Schwarze flüsterte dem Soldaten etwas zu, worauf dieser seine Frage präzisierte:„Wer von euch ist Haremhab?“
Während des Marsches von Mittelägypten nach Men-nefer hatten sich die Soldaten nicht die Mühe gemacht, die Namen der Jungen zu erfragen. Stattdessen belegten sie sie mit abwertenden Tiernamen, wenn sie sich über sie lustig machten. Einmal hatte Haremhab nachts am Lagerfeuer mitbekommen, dass der„Schwangere“ sagte, dass er die Bengel ohnehin nicht auseinanderhalten könne – sie seien allesamt klein, schmutzig und stinkend.
Niemand meldete sich. Nur Nefer-hoteps Augen blinzelten auf einmal fröhlich, denn er ahnte, worum es ging.
„Der dort ist Haremhab“, sagte er deshalb und zeigte mit sichtlicher Freude auf seinen erschrockenen Bruder, dem alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Als der Verratene verständnislos zu Nefer-hotep blickte, formte dieser wieder tonlos und mit einem breiten Grinsen die Worte„Hori ist verliebt“, woraufhin er sich von dem Spötter abwandte. Der Schwarze trat zu dem Jungen, bückte sich zu ihm hinunter und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Der Kleine schluckte schwer, denn er hatte heute schon gesehen, was passieren konnte, wenn der nubische Recke auf einen aufmerksam wurde. Im immer schwächer werdenden Licht betrachtete der Riese den blutenden Brustkasten von Haremhab und bestätigte die Aussage Nefer-hoteps.„Das ist der Junge“, sagte er.„Ich erkenne einen Helden – egal, wie klein er ist.“ Mit diesen Worten zog ihn der Schwarze aus der Reihe der Rekruten, nahm ihn an die Hand und ging mit ihm fort.„Es gibt Menschen in Men-nefer, die sich bei dir bedanken wollen und die um dein Wohlergehen besorgt sind“, erklärte der Mann nun sanft, als er mit ihm die Kaserne verließ und in Richtung Stadt ging.