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II.3

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Die analytische Philosophie wendet sich, wie bereits hinreichend betont, vor allem der Sprache zu. Man hatte geglaubt, mit Sprache und Logik auszukommen, wenn man nur die Sprache diszipliniert und bereinigt und den Psychologismus austreibt, der angeblich Kants Epistemologie gekennzeichnet hatte. Wie Wittgenstein im Tractatus lapidar feststellt: »Alle Philosophie ist Sprachkritik« (4.0031). Er hat sich dabei auf Russell und Frege berufen. Frege propagierte die Universalität von Sprache und Logik und kritisierte die mathematische Logik Grassmanns, Schröders oder Peirce’, weil sie überall Verbote aufstelle, die Bedingungen der Anwendungen des logischen Kalküls enthalten. »Während sonst die Logik den Anspruch erheben darf«, schreibt Frege in seiner Rezension von Schröders »Algebra der Logik«, »dass ihre Gesetze unumschränkte Geltung haben, wird uns hier (d. h. in einem algebraischen Kalkül, unsere Einfügung!) zugemutet, eine Mannigfaltigkeit sorgsam prüfend vorher abzugrenzen, innerhalb deren wir uns nur bewegen dürfen« (G. Frege, Logische Untersuchungen, Göttingen 1966, S. 97).

Der Anspruch der Frege’schen Logik, über schlechthin alles sprechen zu können und jeder Proposition, die sinnvoll ist, einen Wahrheitswert zuordnen zu können, ist jedoch eine entscheidende Schwäche, denn er verlangt eben, dass alles immer etwas Bestimmtes bedeuten müsse, so als wollte man die ganze Wirklichkeit durch das Nadelöhr eines Frege’schen Bedeutungshorizontes zerren. Tatsächlich haben sich Logik und Mathematik in zwei unterschiedlichen Formen entwickelt. Heijenoort hat, im Anschluss an Freges Auseinandersetzungen mit Schröder, als Erster sehr deutlich darauf hingewiesen: »Answering Schröder’s criticisms of Begriffsschrift, Frege states that, unlike Boole’s, his logic is not a calculus ratiocinator, or not merely a calculus ratiocinator, but a lingua characteristica … The universality of logic expresses itself in an important feature of Frege’s system. In that system the quantifiers binding individual variables range over all objects. As is well known, according to Frege, the ontological furniture of the universe divides into objects and functions. Boole has his universal class, and De Morgan his universe of discourse denoted by ›1‹. But these have hardly any ontological import. They can be changed at will. The universe of discourse comprehends only what we agree to consider at a certain time, in a certain context. For Frege it cannot be a question of changing universes. One could not even say that he restricts himself to one universe. His universe is the universe. Not necessarily the physical universe, of course, because for Frege some objects are not physical. Frege’s universe consists of all that there is, and it is fixed« (J.v. Heijenoort 1967, »Logic as calculus and logic as language«, Synthese 17, 324–330).

Nachdem die Zeichen und Symbolstrukturen sich von den Dingen gelöst hatten (vgl. Kapitel I.5.) und man angefangen hatte, mit allem Möglichen zu rechnen (Funktionen, Vektoren, Matrizen usw.), begann man darüber nachzudenken, was man eigentlich tat, denn die Gewohnheit, die im Bereich der elementaren Arithmetik und Geometrie regiert hatte, hielt nicht mehr. Und es lag nahe zu fragen, was Rechnen sei. Die einen haben sich dabei auf die Regeln einer mentalen Aktivität konzentriert und haben die Allgemeinheit der Logik eben der Regelhaftigkeit zugeschrieben (Kant, Boole, etc.). Die anderen haben versucht, tiefer in die semantischen Konzepte »Begriff«, »Proposition« etc. einzudringen, und haben die Allgemeinheit der Logik der Universalität begrifflicher Anwendungen zugeschrieben und die Logik für eine eigene Wissenschaft gehalten (Bolzano, Frege, Russell).

Heijenoort meint, dass wenn wir eine Einsicht in die Differenz zwischen Logik als Kalkül und Logik als Sprache gewännen, »we shall gain a useful insight into the history of logic. […] The opposition between calculus ratiocinator and lingua characteristica has several connected but distinct aspects. […] The universality of Frege’s lingua characteristica is, first, the universality that quantification theory has in its vocabulary and that the propositional calculus lacks. Frege frequently calls Boole’s logic an ›abstract logic‹, and what he means by that is that in this logic the proposition remains unanalyzed. […] With the introduction of predicate letters, variables, and quantifiers, the proposition becomes articulated and can express a meaning. […] Boole’s logic […] remains the study, in ordinary language, of algebraic relations between propositions. This study is carried out in ordinary language and is comparable to many branches of mathematics, say group theory. […] However, the opposition between calculus ratiocinator and lingua characteristica goes much beyond the distinction between the propositional calculus and quantification theory« (J. v. Heijenoort, a. a. O., pp. 324 f.).

Wegen seiner universalistischen Logikauffassung sind Frege meta-theoretische Fragen fremd. »An important consequence of the universality of logic«, schreibt Heijenoort, »is that nothing can be, or has to be said outside of the system. And, in fact, Frege, never raises any metas-sytematic questions (consistency, independence of axioms, completeness)« (J. v. Heijenoort, a. a. O., p. 326).

Grassmann gehört, zusammen mit Peirce, Boole, DeMorgan und später Schröder, in seiner logischen Auffassung der ersten algebraischen Richtung an. Die Vertreter derselben beziehen sich im Gegensatz zu Bolzano, Frege oder Russell in ihren logischen Argumentationen immer auf einen begrenzten Bereich möglicher Interpretationen, auf ein »limited universe of discourse« (Peirce), das je nach Interesse und auch innerhalb eines einzigen Argumentationsstranges wechseln kann (vgl. Kapitel I. 5.). Das jeweilige Diskursuniversum enthält genau dasjenige, was wir eben zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einem bestimmten Kontext zuschreiben. Niemals können wir die Wirklichkeit als solche zum Gegenstand machen.

In jüngster Zeit hat Hintikka Heijenoorts Überlegungen verallgemeinert und vielfach angewendet: »Dieser Kontrast lässt sich […] so verallgemeinern, dass man den grundlegenden Gegensatz erhält zwischen zwei verschiedenen Betrachtungsweisen der Sprache. Die entgegen gesetzten Seiten lassen sich durch die Stichworte Sprache als universelles Medium und Sprache als Kalkül bezeichnen. Während man sonstige Dinge mit Hilfe der Sprache angeben, nennen, schildern, erörtern und theoretisch besprechen kann, ist es nach der ersten dieser Auffassungen ausgeschlossen, die eigene Sprache gleichsam von außen zu betrachten und zu beschreiben. Begründet wird diese Unmöglichkeitsthese damit, dass man die Sprache nur dann zu Aussagen über etwas verwenden könne, wenn man sich auf eine bestimmte feststehende Interpretation zu stützen vermag: auf ein gegebenes Netz von Bedeutungsbeziehungen zwischen Sprache und Welt. Daher könne man in der Sprache nicht sinnvoll angeben, welches diese Bedeutungsbeziehungen sind, denn bei jedem derartigen Versuch müsse man sie schon voraussetzen. Der springende Punkt dieser Auffassung der Sprache als universelles Medium liegt demnach in der These der Unausdrückbarkeit der Semantik« (J. Hintikka/M. P. Hintikka, Untersuchungen zu Wittgenstein, Frankfurt 1996, S. 14 ff.)

Anstatt von »Sprache als Kalkül« zu reden, würden wir es bevorzugen, wenn man den untrennbaren Zusammenhang zwischen Beobachtung und Schlussfolgerung, zwischen anschaulichen und logischen Aspekten im Auge behalten könnte, stimmen aber Hintikka in seiner Betonung der fraglichen Unterscheidung sehr zu. In einem anderen Zusammenhang kommentiert und erläutert Hintikka Heijenoorts Arbeit folgendermaßen: »In dieser aufschlussreichen Abhandlung spürt van Heijenoort noch einige weitere Konsequenzen dieser Frege zugeschriebenen Auffassung der Logik als Sprache auf. Er bringt sie in Gegensatz zu der Konzeption der »Logik als Kalkül«, wonach wir im Hinblick auf unsere Logik metatheoretische Fragen aufwerfen und uns sogar vorstellen können, ihre Interpretation werde etwa in Bezug auf den Bereich der Quantoren verändert. Es geht ihm also nicht um die Behauptung, die Logik gleiche einem uninterpretierten Kalkül, sondern er will hervorheben, dass sie wie ein Kalkül uminterpretiert werden kann«.

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