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»Mut zu unpopulären Entscheidungen« – Ein Prolog

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Die Engel wollen gegen die Teufel Fußball spielen. Sagt Petrus zum Kapitän der Teufel: Gebt auf, alle Stars sind im Himmel. Sagt der Teufel: Na und? Wir haben alle Schiedsrichter.

Niemand lacht, der Witz hat einen Bart, so lang und fadenscheinig wie der des Konfuzius. Der alte Chinese gibt bekanntlich den Schiedsrichter in Monty Pythons Philosophen-Match Deutschland versus Hellas und ist von einer DFB-Pfeife kaum zu unterscheiden: Er stolziert wichtig über den Rasen des Münchener Olympiastadions, verpasst Nietzsche eine Gelbe Karte wegen nichts und schustert Griechenlands Denkern den Sieg zu durch ein klares Abseitstor. Sagt Marx, sagt Hegel, sagt Schopenhauer. Fichte bläst zum Proteststurm, der deutsche Geist formiert sich zur dialektischen Rudelbildung. Die Griechen feixen. Tor zählt, Schiri top. Hauptsache qualifiziert für das Finale gegen Englands Großhirne.

Wie man den Schiedsrichter beurteilt, ist oft eine Frage der Perspektive. Und er wird ja ständig beobachtet: Von Spielern, den Fans im Stadion und den Zuschauern am Fernseher, vom Verbands-Obmann, von den Medien und vom Lebensabschnittspartner. Er wird kritisiert, benotet, gelobt, verdammt, manchmal hofiert und manchmal verdroschen.

Dennoch ist der Unparteiische ein Rätsel geblieben. Vielleicht auch sich selbst. Uns aber auf alle Fälle.

Dem Wesen des Schiedsrichters nachzuforschen, war trotzdem keine verlorene Zeit. Denn dem Pfeifen, seiner Passion und Profession, eignet immer auch etwas Elementares: das Wahren von Regeln, das Richten, das Schlichten und Strafen, das Eröffnen und Bewerten menschlicher Möglichkeiten. Und das alles im Schnelldurchlauf. Der Schiedsrichter ist der hechelnde Beipackzettel zivilisatorischer Konstanten, die oft schmerzhaften Nebenwirkungen inbegriffen. Als da sind: Pedanterie, Eitelkeit, Größenwahn, Sehstörungen oder der profane Wunsch, andere Menschen herumzukommandieren.

Die Gentlemanfußballer in den britischen Public Schools haben es eine Zeit lang ohne Schiedsrichter versucht. Aber die verfluchte »Sucht, gewinnen zu wollen« machte dem Experiment ein schnelles Ende. Soweit bekannt, ist die Freiburger Bunte Liga, die Mutter aller unabhängig vom DFB organisierten Freizeitfußballer, zumindest in unseren Breiten die letzte refereefreie Zone. Auch wenn mancher bunte Kicker bekennt, ab und an »den Mann in Schwarz herbeigesehnt« zu haben.

Unsere Betrachtungen sind ein Beitrag zur Kartierung des Schiedsrichterwesens, die begonnen wurde von einer Handvoll Pioniere wie Ror Wolf, Hans Blickensdörfer oder Rainer Moritz. Und ein Beitrag zur Entlastung der FIFA, die im Prachtband zum 100. Geburtstag bitter beklagt, dass es »so wenig Literatur« über den Unparteiischen gibt, »wenn man einmal absieht von einigen selbstgefälligen Autobiografien von Spitzenfunktionären«. Die wir in zumutbarer Dosierung selbstverständlich ausgewertet haben.

Dass wir den weiblichen Referees kein eigenes Kapitel gewidmet haben, ist keine Diskriminierung, sondern erstens Respekt vor dem Selbstbild der Schiedsrichterinnen, die auf dem Platz nicht anders wahrgenommen werden wollen als ihre männlichen Pendants. Zweitens schließen wir uns vorbehaltlos dem DFB an, der nicht versäumt, im Regelheft anzumerken: »Der Gebrauch der männlichen Schreibweise für die Begriffe Schiedsrichter, Schiedsrichter-Assistent, Spieler und Offizieller dient lediglich der Vereinfachung und bezieht sich selbstverständlich auch auf Frauen.«

Weder haben wir eine Historie der Fußballregeln geschrieben, noch eine des Schiedsrichterwesens. Auch die Spezies des DDR-Referees wird man vergebens suchen. Das hat zwei Gründe. Zum einen haben sie sich in der Mehrzahl nicht von ihren Kollegen im Westen unterschieden. Zum anderen findet sich über obskure Figuren wie Prokop, Stenzel, Scheurell, Roßner und Stumpf, die dem Stasi-Club BFC Dynamo Berlin zehn Jahre lang die Meisterschaft sicherten, um weiterhin im Ausland pfeifen zu können, alles Wesentliche in Hans Leskes Standardwerk Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder.

Dies oder jenes andere haben wir wahrscheinlich ebenfalls schmählich vernachlässigt. Sei’s drum. Wir haben uns mit einigen Aspekten des Themas beschäftigt, die für uns von besonderem Interesse waren. Das Werk ist als Lesebuch gedacht, dessen Kapitel für sich stehen und in der Zusammenschau, wie wir hoffen, so etwas wie eine Physiognomie des Schiedsrichters ergeben.

P.S. Wir legen Wert auf die Feststellung, dass die Idee zu diesem Buch im Jahre 2004 entstand, ein Jahr vor dem Schiedsrichter-Skandal.

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