Читать книгу Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne - Michael Schenk - Страница 10

Kapitel 8

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Es war später Vormittag in Eternas. Kaum ein Zehnteltag war vergangen, seit

man das orkische Rundohr Fangschlag unter Bewachung gestellt hatte. Der

alte Schmied Guntram war gerade dabei, die massive Holztür zusätzlich mit

starken Eisenbändern und einem Schloss zu sichern. Eine Schar der

Pferdelords hielt sich im Schatten des mittleren Torbaus auf, der den inneren

vom äußeren Burghof trennte. Die Männer waren bereit, wirkten aber

entspannt, denn der Gefangene verhielt sich vollkommen ruhig.


Die meisten Gäste der Feier hatten die Burg inzwischen wieder verlassen.


Der Zwergenkönig Balruk hatte sich mit sorgenvollem Gesicht

verabschiedet und Nedeam eindringlich gebeten, ihn über Larwyns Schicksal

auf dem Laufenden zu halten. Der kluge König der grünen Kristallstadt

Nal’t’rund hatte, vor seinem Besuch in der Hochmark, lange mit den Zwergen

der gelben Kristallstadt Nal’t’hanas gesprochen, und seine Sorge galt nicht

nur der Herrin der Hochmark, sondern auch der Frage, ob Garwin künftig

allein herrschen würde. Dass dieser Niyashaar nicht bereitwillig zu Hilfe

geeilt war, hatte im Zwergenvolk einigen Unmut hervorgerufen. Die kleinen

Wesen hatten ein vitales Interesse an der Entwicklung der Hochmark. Nun, da

auch die letzten Elfen das Land verließen und die Wächter Rushaans

Vergangenheit waren, war die Grenze näher gerückt. Am Pass des Eten

entstand ein Bollwerk, das verhindern sollte, dass ein Feind von Norden

gegen die Zwerge oder das Pferdevolk vorrückte. Dem Eifer und der

beeindruckenden Baukunst des kleinen Volkes war es zuzuschreiben, dass die

Wehranlage Form annahm. Larwyn hatte dort zur Unterstützung der

Zwergenfreunde einen Beritt der Schwertmänner stationiert, der regelmäßig

abgelöst wurde. Die beiden Zwergenkönige Balruk und Hendruk waren nicht

sicher, ob Garwin die Pferdelords nicht sofort abziehen würde. Die

Gegenwart der Reiter war den Zwergen wichtig. Mit ihren schnellen Pferden

waren sie ideal geeignet, das Vorland des Bollwerks zu bestreifen.


Auch die Elfen waren abgereist. Elodarion-olud-Elodarion fiel der

Abschied von seinen Kindern Lotaras und Leoryn ebenso schwer, wie Jalan-

olud-Deshay der von seiner Tochter Llaranya und Nedeam. Es war kein

Abschied für immer, doch es war ungewiss, wann man sich wiedersehen

würde. Lotaras hatte einen Moment gewankt, ob er nicht doch mit den

elfischen Häusern zu den Neuen Ufern reisen sollte, aber seine Schwester

hatte ihn an Larwyns ernsten Zustand erinnert.


Die Herrin der Hochmark lag in ihrem Schlafgemach, und es gab keine

Anzeichen einer Besserung. Die beiden Heilerinnen Leoryn und Meowyn

wichen kaum von ihrer Seite, und der Kummer der beiden Frauen war nicht

zu übersehen.


»Sie ringt mit dem Tode«, seufzte Meowyn. »Das Lebenswasser hat die

Wirkung des Gifts verlangsamt, aber nicht gestoppt. Zudem können wir ihr

keine Nahrung einflößen. Nicht einmal eine Kratzläuferbrühe. Das schwächt

ihren Leib zusätzlich.«


Nedeam lehnte sich an die offene Tür. »Kein Hoffnungsschimmer?«


»Keiner. Wenn wir mehr von dem Lebenswasser besäßen, hätte sie

vielleicht eine Chance.« Leoryn lachte bitter. »Doch es ist, wie Jalan sagte.

Die Quelle bleibt ein für alle Mal das Geheimnis der Grauen Zauberer, und

keiner von ihnen würde es freiwillig verraten.«


Nedeam traf es wie ein Schlag. »Was für ein Narr ich doch bin.«


Meowyn sah ihn fragend an. »Wie meinst du das, mein Sohn?«


»Natürlich gibt es einen Grauen, den wir fragen können. Einen Grauen, der

uns bereitwillig helfen wird, wenn er es denn vermag.« Nedeam schlug sich

klatschend mit der Handfläche gegen die Stirn.


»Marnalf.« Leoryn schüttelte bestürzt den Kopf. »Warum habe ich nicht

daran gedacht?«


»Keiner hat daran gedacht.« Nedeam stieß sich vom Türrahmen ab. »Er ist

noch immer ein Freund der Menschen. Wahrhaftig, er hat es oft genug

bewiesen. Gegen den bösartigen Grauen in Enderonas und später in der

Schlacht um Merdonan.«


»Es sind über dreihundertfünfzig Tausendlängen nach Enderonas. Drei

Tage scharfer Ritt, wenn der Bote noch ein Handpferd hat.« Leoryn überlegte.

»Falls Marnalf in Enderonas ist und nicht gerade durch die Marken reist.

Dieselbe Zeit für die Rückkehr nach Eternas, wenn der gute Graue sofort

aufbrechen kann.«


Meowyn beugte sich über die bewusstlose Larwyn. »Die Zeit wird knapp.

Marnalf mag uns vielleicht Hinweise auf die Quelle des Lebenswassers geben

können. Aber sie zu finden und das Wasser hierher zu bringen, mag noch sehr

viel länger dauern.«


»Dennoch ist es ein Hoffnungsschimmer«, rief Nedeam erregt. »Und wir

brauchen gar keinen Boten zu entsenden.«


Bevor eine der Frauen fragen konnte, was er damit meinte, hatte der Erste

Schwertmann das Schlafgemach verlassen. Er rannte beinahe den Posten um,

der vor den Räumen Larwyns Wache stand, folgte dem Gang und erreichte

die Leiter, die zur Plattform des Signalturms hinaufführte. Hastig begann er

mit dem Aufstieg.


Als Pferdefürst Garodem die Hochmark gründete und die Burg von

Eternas errichtete, da war ihr Signalfeuer das Letzte in einer langen Kette von

Feuern gewesen, welche die Marken des Pferdevolkes miteinander verband

und sich bis ins Reich Alnoa erstreckte. Nun hatte man weitere Feuer entlang

des Passes des Eten errichtet, die auch das neue Bollwerk mit dem

Warnsystem verbanden. Ursprünglich hatten die Signalfeuer aus Stapeln von

Holz bestanden, das mit Öl und Fetten getränkt und mit Brennstein entzündet

wurde. In der Nacht sah man den hellen Schein, am Tage die hoch

aufsteigende Rauchsäule.


Vor einigen Jahren wurden die schlichten Feuerstellen gegen besondere

Kristallschüsseln der Zwerge ausgetauscht. Sie sammelten das Sonnenlicht

und sendeten es in einem gebündelten Strahl wieder aus. Am Tag trug ihr

Licht sehr weit. In der Nacht hatte man sich mit Brennsteinlampen beholfen,

deren Reichweite allerdings eher ungenügend war.


Was sich seit Kurzem oben auf der Turmplattform befand, war eine

Neuerung, die man aus dem Königreich Alnoa übernommen hatte. Darauf

setzte Nedeam all seine Hoffnungen.


Die Truppen der alnoischen Garde benutzten fein polierte Metallspiegel,

mit denen sie das Sonnenlicht reflektierten. Stand die Sonne in einem

ungünstigen Winkel, so konnte ihr Licht mit einem kleinen Umlenkspiegel

auf den Hauptspiegel geleitet werden. Diese Vorrichtungen vermochte nicht

den tödlichen Brennstrahl der Zwergenschüsseln zu erzeugen, doch ihr

Lichtschein trug weiter.


Auf der Plattform befand sich nun ein Metallspiegel von einer guten Länge

Durchmesser. Er stand auf einem metallenen Dreibein. Unter ihm befand sich

ein verstellbarer Metallarm, an dem die Umlenkschüssel befestigt war. In der

Nacht konnte diese durch eine starke Brennsteinlampe ersetzt werden. Die

Konstruktion war sorgfältig abgedeckt und wurde wenigstens einmal am Tag

gesäubert.


Aber das Instrument war nicht das Einzige, was das Pferdevolk von den

Alnoern übernommen hatte. Garde und Flotte Alnoas hatten ein

Zeichensystem entwickelt, durch das man mit den Spiegeln nicht nur auf

Gefahr hinweisen, sondern auch ganze Botschaften übermitteln konnte.

Hierzu wurde der Lichtstrahl mit einem Holzbrett unterbrochen, sodass man

kurze und lange Lichtblitze erzeugen konnte. Die begrenzte Anzahl an

Zeichen erlaubte es nur, kurze Nachrichten zu übermitteln. Nedeam hoffte, es

würde ausreichen, um sich verständlich zu machen. Allerdings durfte es in der

Übermittlung keinen Fehler geben. Jede Botschaft musste daher von der

empfangenden Station wiederholt und bestätigt werden, bevor sie an die

nächste weitergeleitet wurde. Das nahm Zeit in Anspruch, denn Fehler traten

immer wieder auf. Dennoch waren die Lichtbotschaften schneller als jedes

Pferd.


Die Schwertmänner, die auf den Signaltürmen ihren Dienst versahen,

konnten sich nicht mehr darauf beschränken, im Gefahrenfalle einfach einen

Brandstapel zu entzünden. Sie mussten nun den Umgang mit dem Spiegel und

die Blitzsignale beherrschen.


Die Wache runzelte leicht die Stirn, als Nedeam mit so ungewöhnlicher

Hast auf der Plattform erschien und ihr seine Absicht unterbreitete.


Sie strich sich über das Kinn. »Wir haben nur wenige Zeichen zu

Verfügung, Hoher Herr. Lasst es mich überdenken.« Der Mann leckte sich

über die Lippen, und Nedeam bezwang seine Ungeduld. »Es gibt keine

Lichtblitze für die Namen von Personen«, meinte der Mann. »Wir verwenden

Zeichen für die Völker, für Freund oder Feind, die Richtung und natürlich die

Truppenstärke. Auch den Städten der Marken sind Zeichen zugeordnet …

Hm.«


»Könnt Ihr die Botschaft übermitteln oder nicht?«, drängte Nedeam nun

doch.


Schließlich nickte der Mann. Nedeam half ihm, die schützende Hülle von

der Spiegelkonstruktion zu entfernen. Dabei wurde das Gerät leicht aus seiner

alten Position bewegt. Doch in der Brüstung des Turms waren Markierungen

angebracht. Mit ihrer Hilfe richtete der Signalmann nun die Achse des großen

Spiegels auf den südlichen Pass aus. Dann prüfte er den Sonnenstand und

stellte den Umlenkspiegel ein.


Ein greller Lichtpunkt war zu sehen, als der Turm am Eingang des Passes

reagierte. Der Schwertmann nahm ein rundes Holzbrett auf, an dem ein Griff

montiert war. »Gebt acht, Hoher Herr, dass Ihr mich nicht anstoßt, sonst

sende ich ein falsches Signal und muss wieder von vorne beginnen.«


»Freund … Grauer … Richtung … Eternas … Hilfe … Schnell«,

wiederholten wenig später die Lichtblitze vom Südpass. Der Signalmann

nickte zufrieden. »Die Botschaft ist auf dem Weg, Erster Schwertmann.«


Nedeam dankte und hoffte, dass die Zeichen in Enderonas richtig gedeutet

wurden und Marnalf sich auch dort aufhielt. Er verließ den Turm und

berichtete den Heilerinnen, was er veranlasst hatte.


»Dann können wir nur noch hoffen«, meinte Meowyn. »Dass Marnalf in

Enderonas weilt und die Zeichen richtig deutet. Und dass er weiß, wo das

Lebenswasser zu finden ist.«


Nedeam war bedrückt, denn all ihre Hoffnung beruhte darauf, dass der

gute Graue die Quelle kannte. Und darauf, dass sie das kostbare Elixier auch

beschaffen konnten.


Er nickte den Heilerinnen zu und ging hinunter in den Burghof. Bevor er

zu ihnen nach oben gekommen war, um sich nach Larwyns Zustand zu

erkundigen, hatte er Dorkemunt am Brunnen aufgesucht. Sein Freund und

Mentor hatte den Aufmarsch der Schwertmänner vor der Unterkunft bemerkt

und war nüchtern genug gewesen, dass Nedeam ihm erklären konnte, was

man Fangschlag vorwarf. Der alte Pferdelord war in brütendes Schweigen

verfallen, als sich Nedeam zu den Heilerinnen aufmachte. Als er nun

zurückkehrte, saß der kleinwüchsige Pferdelord noch immer auf der

Einfassung des Brunnens. Es tat Nedeam im Herzen weh, ihn so alt und

zerbrechlich vor sich zu sehen. Die Vorwürfe gegen Fangschlag schienen

Dorkemunt persönlich getroffen zu haben, denn er fühlte sich für den Ork

verantwortlich.


Als Nedeam sich zu ihm setzte, blickte der kleine Pferdelord kaum auf. Sie

schwiegen, denn keiner von ihnen fand die richtigen Worte. Schließlich

begann Dorkemunt an seinem zerschlissenen grünen Umhang zu zupfen. »Ich

kann und will es nicht glauben, mein Sohn. Nicht Fangschlag. Er ist dazu

einfach nicht fähig.«


»Er ist ein Ork, und man fand bei ihm den Beutel mit den Beweisen.«


»Man kann ihn durch das Fenster in die Kammer geworfen haben,

während er schlief.«


Nedeam deutete seufzend auf die alte Schwertmännerunterkunft. »Die

Fenster liegen sehr hoch und sind sehr klein. Kaum größer als

Schießscharten.«


»Aber man kann sie treffen«, brummte Dorkemunt.


»Ja, das kann man«, räumte Nedeam ein.


»Ich denke, man hat ihm den Beutel hineingeworfen.«


Nedeam sah seinen Freund teilnahmsvoll an. Fühlte dieser sich so

schuldig, dass er nun unbedingt an die Unschuld der Bestie glauben musste?

»Warum sollte man das tun, Dorkemunt? Sicher, Fangschlag ist eine Bestie,

und viele Menschen hassen ihn. Aber es wäre nicht ehrenhaft, ihn durch

gefälschte Beweise zu beschuldigen. Kein Pferdelord würde so etwas tun.«


»Es ist auch nicht ehrenhaft, die brave Larwyn ermorden zu wollen«, stieß

Dorkemunt grimmig hervor.


Nedeam schwieg. Was sollte er sagen? Es tat ihm leid, dass sein Freund so

enttäuscht worden war. Aber man musste sich den Tatsachen stellen. Auch

Nedeam hatte an der Schuld des Orks gezweifelt. Doch die Beweise waren

erdrückend. Auch wenn sich kein Grund für diese schreckliche Tat finden

ließ. Aber vielleicht war es so, wie Garwin gesagt hatte, und es lag den

Bestien einfach im dunklen Blut.


»Sag, Nedeam, mein Sohn, ist dir einmal der Gedanke gekommen, dass

Fangschlag der passende Sündenbock wäre?«


»Sündenbock?«


»Was liegt näher, als eine Bestie der feigen Tat zu bezichtigen?« Der alte

Pferdelord blickte trübsinnig zur Unterkunft hinüber. »Wer würde Fangschlag

schon glauben?«


Nedeam musterte den Freund nachdenklich. »Du tust es, nicht wahr? Du

vertraust dem Wort einer Bestie, trotz der Beweise, die wir fanden?«


»Man kann sie durchs Fenster geworfen haben.«


»Das sagtest du schon, alter Freund.«


»Erinnere dich an Merdonan. An Niyashaar und die alte Wache Rushaans.

Fangschlag ist ein Krieger, Nedeam. Er ist kein Mörder.«


»Morgen wird man über ihn richten«, murmelte der Erste Schwertmann.


»Das hat man längst getan«, erwiderte Dorkemunt. »Es geht nur noch

darum, das Urteil zu vollstrecken.«


Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne

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