Читать книгу Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne - Michael Schenk - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеDer Mann wirkte trotz seiner vierunddreißig Jahre jugendlich, solange man
nicht in seine Augen sah. In ihnen lag der Blick eines Menschen, der in
seinem Leben zu viel Leid und Tod erlebt hatte. In den sanften Ausdruck
mischten sich Trauer und Müdigkeit. Fast die ganze Nacht hatte er über
Büchern verbracht und seine Zeichen auf Schriftrollen gesetzt. Nur eine
Brennsteinlampe hatte etwas Licht und Wärme gespendet, und nun, da der
Mann seine Arbeit getan hatte, seufzte er leise und blickte von seinem
Schreibtisch auf. Er wirkte fast ein wenig überrascht, als er in den Fenstern
den ersten Schimmer des Morgenrots sah. Mechanisch drehte er an der
Stellschraube, die die Abdeckung der Lampe über das Brennbecken senkte,
und der sanfte gelbe Schein erlosch.
Gegenüber dem Schreibtisch war ein leises Knarren zu hören, als sich eine
Gestalt in einem der gepolsterten Lehnstühle bewegte. Ein goldener Stirnreif
mit dem Symbol des Pferdevolkes blitzte auf im Licht des heraufbrechenden
Morgens, und ein ebenmäßiges Antlitz, umrahmt von langen blonden Locken,
wandte sich dem Mann zu. Die Hohe Dame Larwyn, Witwe des Pferdefürsten
Garodem und Mitregentin der Hochmark, war noch immer eine
bemerkenswert schöne Frau. Ihre Augen waren im Schatten verborgen, als sie
Nedeam ansah, und ihre Stimme klang sanft. »Fertig, Hoher Herr?«
Nedeam, Erster Schwertmann der Hochmark und Befehlshaber ihrer
Pferdelords, lächelte müde. »Nennt mich nicht so, Hohe Dame. Es ist mir
lieber, wenn Ihr mich weiterhin mit meinem Namen anredet.«
»Ich nenne Euch weit mehr, Nedeam.« Larwyn beugte sich leicht vor, und
ihr lächelndes Gesicht tauchte nun ganz in das Licht des Morgens. »In den
letzten drei Jahreswenden habt Ihr Euch als guter Freund erwiesen. Ihr steht
mir und der Mark getreu zur Seite. Garodem wäre stolz auf Euch.«
In den letzten Worten schwang Trauer mit. Sie vermisste ihren Gemahl
Garodem und sorgte sich um Garwin, ihren Sohn, der so wenig nach dem
Vater geraten war. Nedeam hatte sich lange gefragt, warum die Hohe Dame
so oft in der Nacht in den Amtsraum des Pferdefürsten kam, obwohl sie nur
selten das Gespräch mit ihm suchte. Inzwischen wusste er es. Der Erste
Schwertmann richtete sich auf und erhob sich hinter dem Schreibtisch.
Nachdenklich strich seine Hand über das alte Holz. Garodems Schreibtisch in
Garodems altem Amtsraum. Alles hier atmete noch immer seine Gegenwart,
obwohl nun offiziell Garwin an diesem Ort regierte. Der junge Pferdefürst
war keineswegs erfreut gewesen, als Larwyn dem Ersten Schwertmann die
Erlaubnis gegeben hatte, den Raum uneingeschränkt zu nutzen.
Zähneknirschend hatte Garwin sich dem Argument seiner Mutter gebeugt,
dass sie sich gelegentlich mit Nedeam besprechen müsse und man ihr
schwerlich zumuten könne, dafür dessen kleine Kammer aufzusuchen.
»Ich vermisse den Hohen Lord«, gestand der Erste Schwertmann ein. Es
war klar, dass er damit nicht Garwin meinte. »Es war ein weiter Weg vom
Wolltierzüchter zum Ersten Schwertmann der Mark. Ein beschwerlicher Weg,
und manchmal weiß ich nicht, ob ich nicht besser auf dem Gehöft meines
Vaters geblieben wäre.« Er deutete auf den Schreibtisch. »Das Arbeiten mit
Büchern und das Setzen und Deuten der Zeichen liegen mir nicht besonders.«
»Ihr hattet gute Fürsprecher, Nedeam, und Ihr habt sie immer noch.« Auch
Larwyn erhob sich nun und seufzte leise, als sie sich nach dem langen Sitzen
streckte. »Tasmund, den braven Mann Eurer Mutter Meowyn, Euren
Vorgänger als Ersten Schwertmann. Kormund, den bewährten Scharführer.
Und vergesst nicht Euren Freund Dorkemunt, den kleinen Pferdelord. Sie alle
schlugen Euch vor, und mein Gemahl hat ihnen von Herzen zugestimmt.«
Garodem hatte die Hochmark einst gegründet. Nun war er seit drei Jahren
tot. Nicht ruhmreich in der Schlacht gefallen, sondern auf einer Treppe zu
Tode gestürzt. Ein sinnloses Ende, aber die Menschen des Pferdevolkes
hatten Garodems Tapferkeit immer geachtet und wussten, dass er nun in allen
Ehren zwischen den Goldenen Wolken ritt.
»Ich bin dankbar für dieses Vertrauen, Hohe Dame, und ich weiß, dass die
Versammlung der Schwertmänner meiner Wahl bereitwillig zugestimmt hat.
Doch manchmal glaube ich, dass ich für Euch und die Mark zu einer Last
werde.«
»Ich verstehe.« Larwyn legte ihre Hand sanft an seinen Oberarm. »Ihr
meint den Zwist zwischen Euch und Garwin, nicht wahr?«
Die Mark war an Garodems Sohn übergegangen. Der
Zweiundzwanzigjährige bereitete auch Nedeam große Sorgen. Er war
eigensinnig, arrogant und zudem rechthaberisch. Es war ein weiser Entschluss
des Königs Reyodem gewesen, Larwyn ihrem Sohn an die Seite zu stellen.
Obwohl Garwin Pferdefürst und damit eigentlich der uneingeschränkte
Herrscher der Hochmark war, verfügte seine Mutter über ein Einspruchsrecht.
Und zu Garwins Verdruss machte sie durchaus Gebrauch davon. Nedeam
musste sich eingestehen, dass er seinem neuen Vorgesetzten gegenüber eine
tiefe Abneigung empfand. Jeder Kämpfer des Pferdevolkes mochte seine
Eigenheiten haben, aber ihnen allen war es eine Ehre, den grünen Umhang
der Pferdelords zu tragen. Er war das Symbol ihrer Treue zur Mark und zu
ihrem Fürsten. An Garwin hingegen war nur wenig Ehrenhaftes. Schon als
Siebzehnjähriger hatte er sich geweigert, der bedrängten Hafenstadt
Gendaneris und den zur gleichen Zeit bedrohten Elfen beizustehen. Damals
hätte man es vielleicht noch seiner Unerfahrenheit zuschreiben können, doch
nur zwei Jahre später war Nedeam mit seinen Pferdelords in der Festung
Niyashaar von den Truppen der Mark abgeschnitten worden. Garwin hatte
gezögert einzugreifen, obwohl ein überwältigender Angriff der Orks
bevorstand. Für einen wahren Pferdelord gab es nichts Schändlicheres, als
einen Kameraden oder einen Verbündeten im Stich zu lassen. Doch eben
dieser Makel haftete nun Garwin an. Immerhin konnte man ihm keine
Feigheit vorwerfen. Vielleicht hatte König Reyodem recht darin getan, ihn als
Pferdefürsten zu bestätigen. Garwin mochte sich noch entwickeln und
bewähren.
Doch Nedeam zweifelte daran.
Und auch wenn ihm die Arbeit mit den Schwertmännern Spaß machte, so
vermisste er doch hin und wieder das einfache Leben auf dem Gehöft, die
Gesellschaft Dorkemunts und den Umgang mit Wolltieren und Hornvieh. Aber
er konnte nicht so einfach zurück. Er trug Verantwortung gegenüber der Mark
und der Hohen Dame Larwyn. Er durfte sie nicht Garwins Willkür ausliefern.
Denn was Nedeam niemals für möglich gehalten hätte, war eingetreten.
Garwin hatte Anhänger im Pferdevolk und sogar unter den Schwertmännern
gefunden. Es waren nicht viele, doch Nedeam wusste, dass ein einziger fauler
Apfel einen ganzen Korb verderben konnte.
Für eine Weile herrschte Schweigen im Amtsraum des Pferdefürsten, und
beide Anwesenden ahnten, dass ähnliche Sorgen sie bedrückten. Erneut war
es Larwyn, welche die Stille brach und Nedeam mit einem Seufzen zu einem
der Fenster führte. Es wies nach Süden und bot einen Ausblick über das Tal,
in dem die Burg und die Stadt von Eternas lagen. Die Kuppen der
umliegenden Berge und die Spitzen der Dächer waren in morgendliches Licht
getaucht, und sehr bald würde die Sonne das gesamte Land mit ihrem Glanz
erhellen.
»In den vergangenen drei Jahreswenden hat sich viel getan, Hoher Herr
Nedeam. Das ist auch Euer Verdienst.«
Ja, die Hochmark wandelte sich, vor allem die Stadt Eternas. Aber dies
nicht ausschließlich zu ihrem Vorteil, wie Nedeam meinte. Die Enge der Stadt
empfand er als bedrückend. Und Eternas war wirklich beengt. Vor einem Jahr
hatte Larwyn angeordnet, die Zuwanderung aus den anderen Marken zu
stoppen. Denn das Wachstum des eigenen Volkes war schon groß genug. Dies
bereitete Larwyn Sorgen, und auch Nedeam sah das Problem. Noch war die
Hochmark in der Lage, ihre Bewohner selbst zu ernähren und sogar einen
Überschuss zu erwirtschaften. Aber wenn die Zahl der Menschen weiter
wuchs, würde sie auf Güter aus den anderen Marken angewiesen sein. Diese
grenzten unmittelbar aneinander und waren nicht so leicht zu isolieren. Doch
die Hochmark lag eingebettet in das Gebirge von Noren-Brak. Der Südpass
verband sie mit den unteren Marken, der Nordpass führte zu den Städten der
Zwerge und weiter hinauf in die nördliche Öde und das daran anschließende
Kaltland. Wenn es einem Feind gelang, den Südpass zu blockieren, war die
Mark von der Versorgung von außen abgeschnitten. Eine erschreckende
Vorstellung, und so unterstützte Nedeam das Streben Larwyns nach
Selbstversorgung mit aller Kraft.
Der Handel mit den anderen Marken und mit den beiden Städten der
Zwerge florierte. Getreide, Fleisch, Lederwaren und Schmiedearbeiten
verließen die Hochmark im Tausch gegen Klarstein, feine Stoffe und andere
Dinge, die das Leben angenehm machten.
Am Ostrand der Stadt Eternas, entlang des Flusses Eten, befanden sich
Schmieden, Färbereien, Gerbereien und sonstige Handwerksbetriebe. Aus
dem Reich Alnoa waren drei Dampfmaschinen gebracht worden, deren
Stöhnen und Stampfen am Tag zu hören war und deren Kolben und Riemen
inzwischen viele Werkzeuge antrieben. Nedeam mochte diese Maschinen
nicht. Denn wenn sie die Produktion auch erhöhten, so nahm doch die
Qualität der Waren ab. Wenn es um ein treffliches Schwert und eine gute
Rüstung ging, war die Hand des Meisters noch immer unübertroffen.
Nedeam trat dicht an das Fenster heran und legte eine Hand an den
Rahmen. Noch zu Garodems Zeiten war dies eine schlichte Maueröffnung
gewesen, die man zum Schutz gegen Kälte und schlechtes Wetter mit dicken
Stoffvorhängen verschlossen hatte. Nun schimmerte hier Klarstein aus dem
Reich Alnoa im hölzernen Rahmen und bot ungehinderte Sicht. Nedeam hatte
sich erst an die Neuerung gewöhnen müssen, die sich nun überall ausbreitete,
und sich direkt nach dem Einbau sogar die Nase an dem unsichtbaren
Vorhang gestoßen. Noch immer perlte Llaranas Lachen über das
Missgeschick in seinen Ohren, doch aus dem Spott war ein langer Kuss
geworden, und so dachte er mit einem wohligen Schauer daran zurück.
Die Hohe Dame Larwyn sah den Ersten Schwertmann von der Seite an.
Zum ersten Mal war er ihr als zwölfjähriger Knabe begegnet. Damals hatte er
seine Mutter, die von Orks verletzt worden war, nach Eternas gebracht.
Seitdem hatte Nedeams Gesicht an Kontur gewonnen. Wind und Wetter
hatten ihre Spuren darauf hinterlassen. Aus dem Jungen von einst war ein
Mann geworden, der viel Verantwortung auf den Schultern trug. Nedeam war
daran gereift. Eine solche Entwicklung hätten sich Larwyn und ihr Gemahl
auch für Garwin erhofft. Hatten sie und der Pferdefürst den Launen ihres
Sohnes zu oft nachgegeben? Warum hielt Garwin so wenig von den alten
Traditionen? Warum machte er dem grünen Umhang so wenig Ehre? Larwyn
seufzte leise und blickte zur Stadt hinüber.
»Garwin ist mit einer kleinen Schar draußen«, sagte Nedeam in die Stille.
»Er durchstreift die Mark.«
»Ja, er reitet oft hinaus«, stimmte Larwyn zu.
Der junge Pferdefürst war häufig in der Hochmark unterwegs und schien
sich nur wenig um die Angelegenheiten der Festung Eternas und ihrer
Schwertmänner zu kümmern. Nedeam war dies nur recht, auch wenn er ihn
manchmal gerne besser im Auge behalten hätte. Was die Führung der
Schwertmänner anging, so brauchte Nedeam inzwischen kaum noch den Rat
des alten Tasmund. Als er den schlichten grünen Umhang der Pferdelords
gegen den blau gesäumten eines Schwertmannes tauschte, da hatte er sich an
manche Besonderheit gewöhnen müssen. Die einfachen Pferdelords waren
Männer, die ihren Berufen nachgingen und einmal im Jahr zur Wehrübung
nach Eternas kamen. Sie rüsteten sich selber aus und nahmen als Waffen oft,
was ihnen auch im täglichen Leben von Nutzen war. Der Bogen des Jägers
oder die Axt, mit der sich Holz ebenso gut wie ein Orkschädel spalten ließ.
Die typische Stoßlanze des Reitervolkes hatte jedoch außerhalb des Kampfes
keinen praktischen Nutzen und wurde daher aus der Waffenkammer des
Pferdefürsten gestellt. Die Wehrübungen dienten dazu, den Umgang mit der
Lanze zu trainieren und den einfachen Pferdelords die Manöver in einem
geordneten Beritt zu vermitteln. Im Gegensatz zu diesen Kämpfern waren die
Schwertmänner Berufssoldaten, die das ganze Jahr unter Waffen standen und
dem Herrn der Mark als ständige Wache dienten. Die Ansprüche an sie waren
weitaus höher. Sie lernten, wie man Knie an Knie die engen Formationen ritt
und mit dem Schwert umging. Sie waren es, die in der Schlacht als Erste auf
den Feind prallten und unter denen es auch die ersten Opfer gab. Die
Schwertmänner waren stolz auf ihren blauen Saum und die blauen
Rosshaarschweife an ihren Helmen. Nedeam war nun einer von ihnen und
zugleich weit mehr als das. Als Erster Schwertmann zeichnete er für ihre
Ausbildung und Versorgung verantwortlich und führte sie in der Schlacht,
wenn der Pferdefürst diese Ehre nicht selbst beanspruchte.
Nedeam trug ebenfalls Harnisch und Handschuhe der Schwertmänner, und
doch gab es ein Detail, in dem er sich deutlich von ihnen allen unterschied.
Statt dem geraden Schwert des Pferdevolkes führte er eine leicht gekrümmte
elfische Klinge. Ein Geschenk von Jalan-olud-Deshay, dem Ersten des
Hauses Deshay. Vor Jahren hatten die Pferdelords den Elfen gegen die Orks
und Grauen Zauberer beigestanden, und Nedeam hatte sich dabei besonders
hervorgetan. Nach der Schlacht um Merdonan hatte Jalan ihm sein eigenes
Schwert zum Geschenk gemacht.
Bei diesem Abenteuer hatte Nedeam noch ein weitaus wertvolleres
Geschenk erhalten. Seine Liebe zu Llarana, der Tochter Jalans. Es hatte lange
gedauert, bis die Elfin seine Gefühle erwiderte, doch als sie es endlich tat,
geschah es mit der Bedingungslosigkeit der elfischen Seele.
»Darf ich meinen Ersten Schwertmann etwas fragen?«
Nedeam runzelte überrascht die Stirn. »Herrin, ich …«
»Ich will offen sein, Nedeam, mein Freund.« Sie legte ihm erneut in
vertraulicher Geste die Hand auf den Arm. »Ihr dürft niemals vergessen, wer
Ihr seid. Ich meine damit nicht den Ersten Schwertmann der Mark, sondern
den Menschen und Pferdelord dahinter. Ihr vergrabt Euch zu sehr in die
Arbeit, Nedeam. Nehmt Euch mehr Zeit für Euch selbst und für die
Menschen, die Euch nahestehen.« Larwyn deutete auf den Schreibtisch. »Die
ganze Nacht hindurch habt Ihr über Listen gebrütet und an Eure Pflichten
gedacht.«
»Der Hohe Herr Tasmund hat mir eingeschärft, nichts zu übersehen.«
Larwyn lachte leise. »Und doch ist Euch etwas entgangen, mein Freund.«
Nedeam ging im Geiste fieberhaft die Dokumente durch, die er bearbeitet
hatte. Die Vorräte der Festung mussten aufgestockt werden, drei Sättel waren
zu ersetzen und zwanzig Pferde einzureiten. Zwei neue Scharführer mussten
benannt werden, aber das würde die Versammlung der Schwertmänner selbst
übernehmen, und deren Urteil konnte er vertrauen.
Die Herrin der Hochmark lachte erneut. »Denkt an die Bedeutung des
heutigen Tages für Euer Leben, Nedeam.«
Der Erste Schwertmann errötete. »Ich habe es nicht vergessen. Ich wollte
nur …«
Abermals unterbrach sie ihn, und ihre Stimme war gleichermaßen sanft
und bestimmt. »An einem Tag wie diesem sollten Eure Gedanken nur der
Verbindung mit Eurem künftigen Weibe gelten. Heute wird Llarana zu
Llaranya werden. Ein Moment von großer Bedeutung für unser Volk und für
das der Elfen. Würdigt ihn, Nedeam, denn mit diesem Tag beginnt ein neuer
Abschnitt in Eurem Leben. Also, geht nun. Heute werdet Ihr Eure Elfin
wiedersehen. Vergesst die Arbeit und widmet Euch ganz dem freudigen
Ereignis.«
Nedeam nickte zögernd. Der angebrochene Tag war tatsächlich etwas
Besonderes. Heute würde die Verbindung zwischen Llarana und Nedeam
offiziell besiegelt werden. Das Datum war mit Bedacht gewählt worden, denn
an den Weißen Sänden des elfischen Volkes lagen die Schiffe bereit, um auch
die letzten Elfen endgültig zu den Neuen Ufern zu bringen. Er freute sich
darauf, Llarana genau an diesem Tag zu ehelichen, auch wenn ihm die
Zeremonie selbst ein wenig Unbehagen bereitete. Sie würde nicht dem Ritus
des Pferdevolkes, sondern dem der elfischen Häuser folgen. Sein
Einverständnis dazu war das Mindeste, was er seiner Llarana und den Elfen
schuldete. Sie war eine Unsterbliche und dazu bereit, ihr Volk aufzugeben,
um an seiner Seite zu bleiben. Ein beachtliches Opfer. Nedeam würde altern,
und irgendwann musste Llarana allein zurückbleiben. Sie empfanden beide
Furcht davor, und doch war ihre Liebe groß genug, das Schicksal
anzunehmen. »Kurzen Jahren des Glücks mögen lange Jahre der Trauer und
Einsamkeit folgen«, hatte Llarana schlicht gesagt, »doch werde ich immerhin
zu jenen gehören, denen für eine Weile das größte Glück beschieden war. Das
wird mir immer ein Trost sein.«
Wie so oft im Leben, schienen auch hier Freude und Leid miteinander
verknüpft zu sein.
Aber die Hohe Dame Larwyn hatte recht. Dieser Tag gehörte nur dem
freudigen Ereignis.