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Kapitel 6

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FLV 5-01, nahe dem Stadtzentrum von Neuwstat.

„Okay, Major, es wird ein bisschen holperig.“ First-Lieutenant Fritz Wenders hatte eine Hand am Leistungshebel der Triebwerke und die andere am Joystick der Steuerung. „Das erinnert mich an die Übungslandung auf Casper-7, Ma´am, und der verdammte Planet ist nun wirklich berüchtigt für seine extremen Winde. Wenigstens bei uns Piloten. Himmel noch mal, Mireille, gib mir mehr Leistung auf die Backbordseite. Ich muss das verdammte Gewicht von den verdammten Containern ausgleichen.“

„Leistung für Backbordtriebwerk jetzt auf hundertdreißig Prozent“, sagte Master-Sergeant Mireille Delonge. „Können wir aber nicht allzu lange aufrechterhalten. Ist so viel Dreck in der Luft, dass die Turbinen früher oder später verstopft werden.“

„Dann filtere den Scheiß raus“, knurrte Wenders.

„Meinst du, ich drehe hier Däumchen? Ich habe die Ersatzfilter vor fünf Minuten einfahren lassen.“ Die Technikerin betrachtete missmutig die Anzeigen auf ihren Systemkontrollen. „Koslov sollte den Wartungsteams auf der Trafalgar mitteilen, dass die mit dem zweiten Schwung Ausrüstung auch gleich Filtersätze für die FLVs einpacken.“

Wenders sah kurz zu seinem Kopiloten. „Kos?“

Der Kopilot nickte. „Ich gebe das an Sky-Command durch.“

FLV 5-01 Sharky befand sich in der Endphase der Landung und schwebte noch knapp zwanzig Meter über dem Boden. Ein fähiger Pilot brachte die Masse eines Landungsbootes, unmittelbar vor dem Aufsetzen, im Schwebeflug senkrecht nach unten. Wenders war fraglos ein solcher Pilot, aber er musste gegen tückische Verwirbelungen ankämpfen. Die extrem aufgeheizte Luft über den zahlreichen Bränden erzeugte schwer vorherzuberechnende Strömungen. Der Captain der 5-01 brauchte all sein Fingerspitzengefühl, um diese auszugleichen, denn der vorgesehene Landeplatz reichte gerade aus, das Landungsboot aufzunehmen.

Joana Redfeather sah durch den Klarstahl des Cockpits hinaus. Rechts und links des FLV setzten andere zur Landung an und kämpften mit ähnlichen Problemen. Eine Handvoll hatte bereits aufgesetzt, andere suchten einen geeigneten Landepunkt, da der vorgesehene mit Trümmern versperrt war oder die Straße zwischen den Gebäuden einfach nicht genügend Platz ließ. Eine Beschädigung der Häuser musste jedoch vermieden werden, da man nicht wusste, ob dort nicht Menschen Schutz suchten. Lieutenant Koslovs Kopf mit dem VR-Helm bewegte sich hektisch hin und her. Der Kopilot suchte nach Anzeichen für Überlebende, was jedoch schwierig war. Es gab Unmengen von Trümmerteilen, die das Radar irritierten. Die Thermoscanner, die normalerweise die Körperwärme eines Menschen anzeigten, wurden durch die Hitze der Feuer beeinflusst. Also verließen sich Koslov und die Beobachter in den anderen Booten überwiegend auf ihre Augen. Mit ihnen einen Überlebenden zu erblicken, war nicht einfach. Immer wieder trieb dichter Rauch durch das Gesichtsfeld. Zudem hatte die Druckwelle des Absturzes so viel Erdreich und Staub mit sich geführt, dass alles am Boden damit gepudert zu sein schien. An einigen Stellen war die Straße von Fahrzeugen blockiert. Manche waren von der Druckwelle umgeworfen worden, keines machte auf den ersten Blick einen funktionsfähigen Eindruck. Unter all dem Schmutz hoben sich gelegentlich Konturen ab, die auf menschliche Überreste hinwiesen.

Joana Redfeather erkannte Bewegung am Boden und ging auf die allgemeine Frequenz der Sky-Troopers. „Erstes Bataillon Fünfte an alle: Überlebende im Bereich der Landepunkte. Achtung, die Leute sind derart mit Dreck und Staub gepudert, dass man sie nur schwer ausmachen kann. Das wird es schwieriger machen, Bewusstlose unter Trümmern zu finden. Redfeather Ende.“

Sie hörte Bestätigungsmeldungen der anderen Bataillone und Regimenter. Joana presste die Lippen aufeinander. Es würde tatsächlich sehr schwierig werden, hilflose Personen unter den Trümmern auszumachen und dabei drängte die Zeit. Die Feuer breiteten sich immer weiter aus. Sie schaltete auf die Frequenz, die der internen Kommunikation des fünften Regiments vorbehalten war. „Erstes Bataillon an Zweites und Drittes: Die Ausbreitung der Brände muss so schnell wie möglich gestoppt werden. Vermutlich befinden sich Überlebende in jenen Trümmern, denen sich die Feuer nähern. Ich empfehle zwei Drittel der Trooper direkt mit den Impuls-Löschkanonen einzusetzen, jedoch ein Drittel zur Suche nach Überlebenden abzustellen. Bis die Sechste, die hinter uns landet, mit der Bergung beginnen kann, könnte es für einige schon zu spät sein.“

Colonel Carruthers Stimme war plötzlich zu hören. „Alle Bataillone: Sehen Sie das als Befehl.“

„Festhalten, Leute“, rief Wenders. „Das wird jetzt ein wenig hart.“

Die 5-01 wankte unvermittelt heftig von rechts nach links und zurück und Joana klammerte sich instinktiv an ihrem Notsitz fest, obwohl die Gurte noch geschlossen waren. Das Landungsboot befand sich noch rund zehn Meter über dem Boden und der Pilot ließ es nun durchsacken. Der massige Rumpf setzte mit den drei Kufen auf, deren hydraulische Elemente bis zum Äußersten beansprucht wurden.

Noch während das FLV zurückfederte, löste Sergeant-Major Basari seine Gurte. „Alles auf, Troopers. Vergesst euren Plunder nicht. Galley, mach die Heckrampe auf. Riordan, deine Gruppe lädt die Container aus, und zwar schnellstens.“

Überall schnappten Gurtschlösser auf. Sergeant June Galley sprang zur Schaltung der Heckrampe und hieb mit der flachen Hand darauf. Summend begann sich die Rampe zu senken, während sich der Zug Sky-Trooper formierte. Die breite Klappe hatte den Boden noch nicht berührt, da sprang Galley bereits hinaus und die anderen folgten ihr, mit Ausnahme der sechs Trooper, die zu Riordans Gruppe gehörten. Diese begannen die Befestigungen der Frachtcontainer zu lösen.

Joana klopfte Wenders aufmunternd auf die Schulter und verließ dann das Cockpit. Sie verzichtete auf die Benutzung der Personenschleuse, da ihr dies zu lange gedauert hätte und die Heckrampe bereits offen war. „Basari?“

„Bin vorne am Bug, Ma´am. Sieht hier ziemlich trostlos aus.“

„Bin auf dem Weg“, versicherte Joana.

Wer seinen Helm noch nicht geschlossen hatte, tat es spätestens beim Verlassen des Landungsbootes. Die Luft schien schwer vom Rauch, der die Atemwege reizte. Joana stellte eine Verbindung zum siebten Regiment her. „Erstes Bataillon Fünfte an Siebentes: Starke Rauchentwicklung und Brandgase am Einsatzort. Wir müssen mit sehr vielen Rauchvergiftungen rechnen. Schickt an Sauerstoffmasken und Beatmungsgerät, was ihr entbehren könnt.“

Sie schaltete ihr Helmdisplay ein. Ein Symbolgitter legte sich halbtransparent über ihre Realsicht und sie sah die tetronischen Echoimpulse ihrer Trooper und der Einheiten im Umfeld. Sergeant Galley dirigierte ihre Trooper zu einer auseinandergezogenen Linie, mit jeweils fünf Metern Abstand zwischen den einzelnen Troopern. Es war keine beeindruckende Linie, aber mehr war nicht zu machen, wollte man, wenigstens in diesem Abschnitt, effektiv gegen das Feuer vorgehen.

„Okay, Leute, stellt die Impulskanonen auf maximale Reichweite und höchste Schussfolge. Diesem Mistfeuer müssen wir mit der groben Kelle begegnen“, war die Stimme der Sergeantin zu hören. „Wir gehen parallel und gleichzeitig vor. Achtet auf die Anzeigen. Wer auf fünfzig Schuss runter ist, fällt ins zweite Glied zurück. Bremer, Laumer und Keller ... Ihr holt neue Tornister für alle, wenn ihr auf Null runter seid.“ Die drei genannten waren die kräftigsten Trooper in Galleys Löschgruppe und würden die Reservetornister notfalls sogar ohne bionische Verstärkung holen können.

Die für die Brandbekämpfung vorgesehenen Männer und Frauen trugen große Tornister auf dem Rücken. In diesen befanden sich eine Pressluftflasche und ein Wasserbehälter mit zweihundert Litern. Ohne die bionischen Verstärkungen der Kampfanzüge hätte sich keiner der Trooper noch bewegen können. Zwei gepanzerte und hitzegeschützte Schläuche führten zu der Impuls-Löschkanone. Im Grunde ein unterarmlanges Rohr mit zwei Handgriffen. Am hinteren befand sich der breite Hebel, mit dem die Kanone ausgelöst wurde. Das Prinzip des Löschvorgangs war einfach und schon auf der Erde bewährt gewesen.

Wasser war noch immer eines der effektivsten Löschmittel. Durch sein hohes Wärmebindungsvermögen kühlte es Brandgut ab und brachte es damit unter eine Temperatur, in der es noch brennen konnte. Dafür verwendete man drei verschiedene Verfahren. Der massive und durchgehende Vollstrahl förderte Wasser über weite Strecken und drang aufgrund seiner Wucht tief in Brandgut ein. Ihn verwendete man, wenn man sich dem brennenden Objekt nicht genug nähern konnte, um stattdessen den Sprühstrahl einzusetzen. Bei diesem wurde das Wasser, wie der Name schon verriet, versprüht, wodurch es einen siebenfach stärkeren Abkühleffekt hatte, als ein Vollstrahl. Allerdings fehlte dabei die Wurfweite und man musste nahe an das Feuer heran. Bei beiden Methoden wurde das Wasser mit einem Überdruck zwischen fünf und acht Atmosphären eingesetzt. Das fünfte Regiment würde hier jedoch das Impuls-Löschverfahren nutzen. In die rohrartigen Löschkanonen wurde ein Liter Wasser eingelassen, der dann, in Form eines Impulses, mit rund fünfundzwanzig Atmosphären Überdruck „abgeschossen“ wurde. Die Schussweite war erbärmlich, aber der extrem feine Wassernebel entzog dem Feuer enorme Hitzemengen. Eigentlich hätte man dieses Verfahren bei den brennenden Häusern von Neuwstat nicht anwenden können, da die Hitze, Flammen- und Rauchbildung immens waren, aber die Sky-Trooper trugen ihre Kampfanzüge und konnten sehr dicht heran.

Von Sergeant Galleys Truppe war das dumpfe Abschussgeräusch der Impuls-Löschkanonen zu hören. Die modernen Geräte erlaubten es, alle zwei Sekunden einen „Wasserschuss“ abzugeben. Die Sky-Trooper schienen sich in einer eigenen Nebelwand aus Wasserdampf zu bewegen, während sie langsam, Schritt für Schritt, auf die Feuer zugingen.

„Auf die Temperaturanzeigen achten, Troopers“, mahnte Sergeant-Major Basari. „Die Anzüge sind zwar für knapp tausend Hitzegrade gut, aber das gilt nicht für eure Löschtornister.“

Inzwischen zog Sergeant Riordans Trupp die beiden Container aus dem Laderaum. Riordan sah sich kurz um, ob jemand im Gefahrenbereich war, und stellte dann die Verbindung zu Wenders her. „Okay, Kutscher, das Gepäck ist draußen. Gefahrenbereich ist geräumt. Guten Flug.“

„Roger. 5-01 meldet sich ab. Sind wahrscheinlich in fünfzig Minuten zurück. Viel Glück, Troopers.“

Riordan und die anderen duckten sich, als die im Leerlauf befindlichen Triebwerke des Landungsbootes zu dröhnen begannen. Eine Wolke aus Dreck und Staub wirbelte auf und hüllte alles ein, bis sich sie langsam senkte, als das FLV an Höhe gewann.

„Also los, Leute, holen wir die Schätzchen aus dem Geschenkpapier.“ Der Sergeant eilte zu einem der Container und schlug auf die Verriegelung. „Na los doch, Galley kann das Feuer mit ihren Spielzeugkanonen nur begrenzt aufhalten. Wir brauchen das schwere Gerät.“

Die anderen kamen herbei und halfen ihm die beiden Flügelklappen zu öffnen. Ein gedrungenes Fahrzeug wurde sichtbar, welches den Innenraum fast vollständig ausfüllte. Einer der Männer kroch über die Frontpartie zu der offenen Mannluke. Augenblicke später erwachte die Turbine des Ungetüms zum Leben und es rollte auf breiten Gleisketten aus seinem Gefängnis hervor. Das Fahrwerk war multifunktional und konnte mit verschiedenen Aufbauten versehen werden. Die grellrote Lackierung dieses Fahrzeugs wies auf seine Bestimmung zur Brandbekämpfung hin, noch bevor man den schwenkbaren Turm mit der schweren Wasserkanone sah.

Ein zweiter Trooper bestieg das Fahrzeug, um den Wasserwerfer zu bedienen. Dumpf brummend rollte der Löschpanzer in die Richtung von Galleys Truppe, während Riordan und der Rest das zweite Fahrzeug einsatzbereit machten.

Hätte Joanas Abteilung es noch mit den Bränden von mehrgeschossigen Häusern zu tun gehabt, so wäre das Impuls-Löschverfahren nicht nutzbar gewesen. Die Trooper mussten sehr dicht an das brennende Objekt heran, um noch effektiv zu sein, und die Gefahr, dass ein Gebäude über ihnen einstürzte, wäre einfach zu groß gewesen. Die Kampfanzüge machten die Männer und Frauen stark und ausdauernd, und schützten vor vielen Gefahren, aber sie machten nicht unverwundbar.

Die beiden Löschpanzer waren ein anderes Kaliber. Ihre Hochdruckkanonen förderten das Wasser über bis zu zweihundertfünfzig Meter und mit großer Wucht.

„Achtung, Löschpanzer“, wandte sich Joana an die Fahrzeugführer. „Schlagt Schneisen in die Feuerfront und dämmt die Brände ein, Galleys Leute kümmern sich dann um die Glutnester.“

„Negativ, Ma´am“, meldete sich June Galley prompt. „Von den Holzhäusern bleiben nur große Scheiterhaufen. Um da an die Glutnester zu gelangen, brauchen wir Wasser, dass mit großer Wucht und tief eindringt. Das schaffen wir mit den Impulskanonen nicht.“

Joana stieß einen unhörbaren Fluch aus. Galley hatte recht. „Achtung, Löschpanzer, Befehl zurück. Panzer Eins schlägt Schneisen, Panzer Zwei unterstützt Sergeant Galleys Truppe beim Ablöschen der Glutnester.“

Sie hörte die Bestätigung und wie June Galley die Trooper Bremer, Kelly und Laumer zurückbefahl, um Reservetornister zu holen.

Aus den Augenwinkeln sah sie eine Gruppe von Gestalten, die geisterhaft wirkten. Alles an ihnen war schwarz und grau, und starrte von Schmutz. Augen und Münder wirkten surreal sauber. Die Leute schrien erregt, als sie die Trooper so unerwartet vor sich sahen. Hastig kamen sie heran. Aus der Nähe wurde deutlich, dass zwei der Überlebenden nahezu unbekleidet waren. Die Trooper kannten die Auswirkungen von Druckwellen und wunderten sich kaum. Der Mensch erwies sich oft als zäher als die Kleidung, die er trug.

Eine Frau, die offensichtlich die Wortführerin war, dankte Joana überschwänglich, dass endlich Hilfe eingetroffen war. Ein Mann in ihrer Begleitung stand einfach nur da und weinte hemmungslos. Die Tränen hinterließen helle Furchen in seinem Gesicht. Ein junges Paar hielt sich an den Händen und starrte die Trooper ungläubig an.

Basari winkte zwei Trooper aus Riordans Gruppe heran, damit diese den Leuten Wasser gaben.

„Ihr seid vom Militär?“, fragte die Wortführerin schließlich und setzte dankbar die Flasche ab. „Mein Gott, ihr glaubt nicht, wie froh wir sind, dass ihr gekommen seid. Wir dachten nicht, dass überhaupt jemand kommen würde. Ich meine, ihr kommt ja sicher von weit her. Und dann diese elend langen Flugzeiten, nicht wahr?“

Die Frau war erleichtert und der Schock der bisherigen Ereignisse löste sich. Für den Moment. Er würde wiederkehren, zu einem späteren Zeitpunkt, und dann möglicherweise noch sehr viel schwerer ausfallen. Alle Überlebenden mussten daher intensiv betreut werden. Doch im Augenblick hatte Joana andere und weit dringlichere Probleme.

„Raumkavallerie des Direktorats“, sagte sie leise und eindringlich. „Wir sind von der fünften Sky-Cav, aber es sind noch zwei weitere Regimenter im Einsatz. Wir kamen mit der Trafalgar. Die steht direkt über uns im Orbit.“ Sie legte ihre Hand auf die Schulter der Frau. „Wir wollen helfen. Wir wollen allen helfen, verstehen Sie? Ich muss wissen, ob Sie irgendwo Leute gesehen haben, die sich in einer akuten Notlage befinden. Haben Sie andere Leute gesehen?“

Das Gesicht der Frau wurde nachdenklich, dann seltsam geistesabwesend. „Die Familie Stretwald. Ja, die habe ich gesehen. Die sind alle tot. Wie das Haus. Das ist auch tot. Und die Merkers und die Gretfells ... Aber die sind auch tot. Glaube ich. Aber das Haus von den Smetjes ... Das ... Das ist auch weg ... Aber da habe ich Schreie gehört.“

„Wo ist dieses Haus, in dem Sie Schreie gehört haben?“

„Das ist da.“ Die Frau wandte sich um und sah in Richtung des Feuers. „Da, wo es brennt.“ Ihr Gesicht verzerrte sich. „Es brennt! Mein Gott, wir werden alle verbrennen! Alle verbrennen ...!“

„Niemand wird mehr verbrennen“, sagte Joana eindringlich. „Wir sind da und wir helfen Ihnen. Ihnen und den anderen. Keiner wird mehr verbrennen.“ Joana zog die Überlebende herum und deutete in die entgegengesetzte Richtung, wo gerade ein Landungsboot der zweiten Welle aufsetzte. „Gehen Sie dorthin. Dort wird man Ihnen helfen. Schaffen Sie es, dorthin zu gehen?“

Das junge Paar kam näher. „Wir schaffen das“, versicherte der Mann. „Wir bringen sie und die anderen dorthin, wo die Schiffe landen.“

Joana hatte kein besonders gutes Gefühl, als sie der Gruppe noch ein paar Wasserflaschen aushändigen ließ und dann zusah, wie die Überlebenden in Richtung der aufsetzenden FLV gingen. Es wäre besser gewesen, wenn jemand sie begleitet hätte, aber sie konnte keinen ihrer Trooper entbehren. Sie waren hier die vorderste Linie und die mussten sie halten, damit die anderen Regimenter ihre Arbeit machen konnten, ohne vom Feuer bedroht zu werden.

Sie warf einen Blick zu Mario Basari, der Daten in seinen Mini-Comp eingab, und blickte dann auf ihr Display. Sie waren erst ein paar Minuten auf der Oberfläche von Neijmark, und wenn sie sich die Ergebnisse der Scans und die taktischen Daten ansah, dann schien es im Augenblick noch nicht so, als wären die Trooper in der Lage, die Oberhand zu gewinnen.

***

Lieutenant Bradshaw landete mit der sechsten Raumkavallerie in der zweiten Welle. Hier gab es kaum Brände, aber er und seine Troopers waren von einem Trümmerfeld umgeben. Aus einiger Entfernung war das Prasseln der Brände zu hören. Gelegentlich trieb eine Rauchschwade heran, doch insgesamt blieben sie verschont. Der Lieutenant hörte, wie die Sergeants seine Bergungseinheit formierten und das Gerät aus dem FLV luden. Er versuchte, mit zunehmender Verzweiflung, Ähnlichkeiten zwischen der Satellitenaufnahme der ursprünglichen Stadt und dem derzeitigen Chaos zu finden. Er war von beschädigten oder zusammengebrochenen Holzhäusern umgeben. Nur rechts von ihm stand ein Bau, der aus gebrannten Lehmziegeln errichtet worden war. Unter anderen Umständen hätte sich Bradshaw für diese archaische Bauweise interessiert, doch im Augenblick war er dankbar, dass die Siedler wenigstens ein Gebäude zuwege gebracht hatten, welches nicht nur aus Holz bestand. Viel war davon allerdings nicht übrig. Zwei der Außenwände waren noch intakt, die anderen in sich zusammengestürzt. Dabei hatten sie die beiden Stockwerksebenen mit sich gerissen. Ein paar Dachbalken reckten sich empor und erinnerten an Finger, die sich anklagend gen Himmel richteten.

Über allem hing Staub und überall lagen größere und kleinere Fragmente von Holz. Dazwischen, wie Bradshaw mit Schaudern erkannte, die Überreste von Menschen. Es war schwer, sie unter all dem Dreck zu erkennen. Selbst das geronnene Blut wirkte grau und schwarz. Einige der Toten schienen unverletzt und wirkten seltsam friedlich, so als schliefen sie nur. Andere waren verstümmelt oder zeigten schwere Wunden. Münder waren in einem letzten Schrei oder einem erbarmungswürdigen Stöhnen erstarrt. Augen stierten blicklos in den Himmel und Bradshaw war froh, dass der Staub sie bedeckte und ihm die Illusion vermittelte, als seien sie doch geschlossen.

Man hörte das Knacken von Holz, wenn Trümmerteile nachgaben und ins Rutschen gerieten.

Auf den ersten Eindruck schien es nicht so, als könne es hier Überlebende geben, aber Bradshaw wusste, dass dies täuschen konnte. So verletzlich die menschliche Spezies auch sein mochte, ihr Körper erwies sich immer wieder als überraschend zäh und widerstandsfähig. Wenn es Überlebende gab, und darauf setzten Bradshaw und seine Truppe all ihre Hoffnung, dann würden sie diese auch finden und retten.

Der Lieutenant und sein First-Sergeant, José Fernandez, teilten sich die Aufgabe. Während sich die Bergungstruppe hinter ihnen formierte, gingen die beiden Männer auf jeweils einer Straßenseite entlang, hatten die Scanner ihrer Kampfanzüge auf maximale Leistung geschaltet und suchten das Umfeld zusätzlich mit ihren Augen ab. Da es hier keine Brände gab, lieferten die Thermoscanner zuverlässige Ergebnisse. Sie registrierten mehrere Körper, deren Lebensfunktionen erloschen waren. Einer von ihnen gab eine abklingende Wärmestrahlung ab. Bradshaw seufzte schwer. Wären sie doch nur früher eingetroffen, vielleicht hätten sie den Unglücklichen noch retten können.

Der First-Sergeant schob mit der Stiefelspitze etwas Schmutz von der Straße. „Kein normaler Belag, Sir. Was ist das für ein Zeug? Sind das Steine?“

„Ich weiß es nicht. Sieht in etwa so aus, wie das Zeug, aus dem sie die festeren Häuser gebaut haben. Ich halte es für gebrannte Ziegel.“

„Hätten diese Idioten guten Bauschaum bei den Gebäuden benutzt, wären die Schäden nicht so schwerwiegend und es gäbe auch kaum Brände.“

„Auf dem Mars soll es ein paar Leute geben, die ihre Häuser inzwischen auch aus Holz errichten lassen, um damit ihren Wohlstand zu zeigen. Allerdings ist das Material zusätzlich imprägniert und damit stabiler und feuerfest.“ Bradshaw zuckte die Schultern. „Die Siedler haben genommen, was ihnen die Natur hier überreichlich bietet.“

Einige der Holzhäuser waren zwar angeschlagen und ihre Wände wirkten verschoben, doch sie standen noch. Bei anderen waren kaum mehr als zwei oder drei Außenwände intakt geblieben und der Rest war nach innen gestürzt oder von der Druckwelle fortgeschleudert worden. Dazwischen waren sogenannte Trümmerkegel, bei denen die Reste von Haus und Inventar ein wildes Durcheinander bildeten.

„Die Leute haben recht stabil gebaut“, räumte Fernandez ein. „Massive Balken und die Wände sind sehr dick. Ist das alles massives Holz, Sir?“

„Dann müssten die hier eine Menge mordsmäßiger Bäume haben“, erwiderte der Lieutenant. „Nein, das Gerüst des Hauses besteht aus massiven Balken, der Rest sind dicke Bretter. Die Wände wirken nur so dick, weil sie die Hohlwände mit Isoliermaterial ausgestopft haben. Da, an der Wand dort, können Sie das sehr gut erkennen, Sarge.“

„Ist aber eine Menge von dem Isolierzeugs, Sir.“

„Schätze, die haben hier sehr kalte Winter.“ Bradshaw tippte ein paar Daten in sein taktisches Display. „Wir müssen auf die Keller achten“, erinnerte er. „Ein paar sind sicherlich intakt geblieben und bieten recht gute Überlebenschancen. Da, wo die Trümmer der oberen Stockwerke hineingestürzt sind, haben die Leute kaum eine Chance gehabt. Doch selbst da kann es Überlebende geben.“

„Roger, Sir. Ich würde empfehlen, dass Sie an den Gebäuden scannen, bei denen alles nach unten eingebrochen ist. Ihre Scanner sind stärker.“

„Guter Vorschlag, Sarge. Machen wir es so.“ Die Kampfanzüge der Offiziere waren mit besseren Scannern und Kommunikationseinrichtungen versehen, was sie allerdings erheblich verteuerte und somit nicht zum Ausrüstungsteil der Unteroffiziere und Trooper machte.

Beide aktualisierten die Lagekarte kontinuierlich mit den Ergebnissen ihrer Scans und markierten die beschädigten oder zerstörten Gebäude mit den entsprechenden Symbolen. Seit Jahrhunderten gab es taktische Zeichen, mit denen man die Zerstörungen einfach und doch bildhaft darstellen konnte. Für die Bergungskräfte ein wichtiges Mittel, um einschätzen zu können, welche Hilfsmittel sie benötigten und welche Gefahren bestanden, wenn man die Trümmer absuchte.

„Ich habe hier drei Echos, Fernandez!“, rief Bradshaw erregt und gab seinem Unterführer einen Wink. „Hier, an diesem Haus.“

Der Lieutenant stand an einem Holzhaus, das ursprünglich aus Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss bestanden hatte. Drei der Wände standen noch, auch wenn sie stark beschädigt waren. Die vierte war nach außen gestürzt. Dach und Böden der Stockwerke waren nach innen eingebrochen, hatten dabei die Kellerdecke durchschlagen und lagen nun schräg, wie die Karten eines Spiels gestapelt, übereinander. Trümmer und die Einrichtung der drei Etagen waren in den Keller hinabgerutscht.

„Ich komme, Sir.“ Der Sergeant gab den wartenden Troopern ein Zeichen und eine der Gruppen hastete heran. „Können Sie das auf mein Display übertragen? Ah, danke, Sir, ich habe es.“

José Fernandez hielt neben seinem Offizier. „Sehr schwache Echos. Ich glaube, die kommen von unten, da, wo sich der Keller befinden müsste. Wird übel, Sir. Das ganze Zeug ist da hineingekracht.“

„Mit Schichtung ausgepresster Raum“, dozierte Bradshaw düster. „Die Böden der Stockwerke sind wie die Karten eines Spiels nach unten gesackt und stehen nun im schrägen Winkel. Lehnen sich alle an die Nordwand. Die werden wir abstützen müssen, ihre Balken werden das Gewicht nicht lange halten.“

„Na, bis jetzt hat es das“, brummte Fernandez. „Aber hier ist genug Holz, um jede Menge Abstützungen und Aussteifungen vorzunehmen. Bei der Schichtung müssten wir eigentlich von der Seite ran, aber da ist kein Platz. Aufklappen, Sir?“

Damit meinte der Sergeant, die schräg stehenden Böden der Stockwerke, die nun im Keller standen, nacheinander zur Seite zu klappen, so, wie die Seiten eines Buches.

„Etliche der Balken und Bohlen der Etagenböden sind angeschlagen. Die werden brechen, wenn wir sie bewegen. Nein, erst einmal müssen wir den Kleinkram nach oben ausräumen. Dann bekommen wir Platz, damit wir von der Seite zwischen die Schichtungen können.“

„Wir könnten durchbrechen, Sir. Ist nur Holz und das bekommen wir schnell klein.“

„Ja, klar, und wenn es bricht, dann werden die Leute darunter aufgespießt. Nein, Sarge, wir werden die Siedler lebend da rausholen und ihnen nicht den Rest geben, weil das schneller geht.“

„Sir, am zweiten Gebäude halb links hat Trooper Saumer etwas gehört“, meldete einer der beiden Corporals des Trupps.

„Was hat er gehört?“

„Ich bin mir nicht sicher, L-T“, gab Saumer zur Antwort und benutzte dabei das übliche Kürzel für einen Lieutenant. „Aber ich meine, meine Mikrofone haben so etwas wie ein Stöhnen aufgefangen.“

„Diese Häuser machen alle möglichen Geräusche“, meinte ein anderer.

„Verwundete auch“, erwiderte Bradshaw mit harter Stimme. „Okay, Corporal Weil, Sie und Saumer gehen mit dem zweiten Halbtrupp der Sache nach. Der erste Halbtrupp arbeitet mit mir an diesem Haus. First-Sergeant Fernandez, Sie nehmen die beiden anderen Halbtrupps und suchen weiter die Straße entlang. Sorgfältig scannen und was frei ist, markieren. Wir kümmern uns zuerst um die Lebenden, aber kennzeichnen Sie auch die Gebäude, wo Sie auf Tote stoßen.“

„Keine Sorge, Sir, ich kenne das Verfahren.“

„Weiß ich, Sarge, aber markieren Sie nicht nur auf unseren taktischen Displays, sondern machen Sie auch Farbmarkierungen am Objekt. Wenn die Einsatzkräfte der Siedler kommen, dann müssen wir davon ausgehen, dass denen keine Displays zur Verfügung stehen. Also, malen Sie schön fett und deutlich das Andreaskreuz. Oben mit der Markierung der Gefahren am Objekt, also zerstörte Versorgungsleitungen oder Gefahrstoffe, links tragen Sie die Zahl der lebend und rechts die der tot geborgenen Personen ein.“

„Natürlich, Sir.“ Man merkte Fernandez an, dass er ein wenig genervt war. „Und unten im Kreuz markiere ich, welche Einheit das Objekt abgesucht hat.“

„Entschuldigung, Sarge, ich bin ein wenig nervös.“

„Sind wir wohl alle, L-T.“

Bradshaw wies auf zwei Stellen an der Straße. „Geräteablage richten wir dort ein. Verletztenablage da drüben. Stellt einen Sichtschirm auf. Die Geretteten sollen das Chaos nicht noch ständig vor Augen haben.“

„Und, äh, die Toten, Sir? Ich meine, die lassen wir doch nicht drin, oder?“

„Die wir leicht erreichen können, legt dort ab. Wenn möglich, stellt ihre Identität fest. Die Toten, die wir erst ausbuddeln müssen, lassen wir liegen, bis wir alle Lebenden gerettet haben.“

Der Trupp mit Trooper Saumer stand an dem Gebäude, aus dem der Soldat das Stöhnen gehört haben wollte. Die Männer und Frauen fächerten zu einer Linie auseinander und begannen, langsam und vorsichtig, auf den Trümmerkegel des Gebäudes zuzugehen. Sie achteten sehr genau darauf, wohin sie ihre Füße setzten, um nicht auf Überlebende, die Überreste von Toten oder nachgebende Elemente zu treten.

Bei Bradshaw war inzwischen ein voller Halbtrupp versammelt. Wenig genug, wenn man sich vor Augen führte, welche Aufgabe sie zu bewältigen hatten. Aber sie besaßen nicht nur Werkzeug, sondern vor allem ihre bionisch verstärkten Kampfanzüge.

„Okay, Troopers, ausschwärmen und langsam vorgehen. Lose Trümmer, die wir ausräumen können, nach links zur Seite. Werft nichts auf die Straße, die wird noch gebraucht. Und achtet darauf, wohin ihr eure Füße setzt.“ Bradshaw schaltete den Außenlautsprecher seines Anzuges ein und hob gebieterisch den Arm. „Achtung, alle Arbeiten kurz unterbrechen.“ Er hob seine Stimme. „Hier ist die Sky-Cav! Wir sind hier, um euch zu retten! Wenn ihr antworten könnt, gebt uns ein Zeichen. Ruft oder klopft gegen ein Trümmerteil.“

Wenn ein Verschütteter Glück hatte, lag er so, dass er gegen ein Metallrohr schlagen konnte. Das leitete den Schall sehr gut. Ein solches Lebenszeichen würde die Trooper anspornen, auch wenn das Klopfen kaum geeignet war, den Hilfesuchenden ausfindig zu machen. Das verbogene Rohr einer Versorgungsleitung konnte in den bizarrsten Winkeln zwischen den Trümmern entlang führen. Ihm zu folgen kostete wertvolle Zeit. Aber hörte man ein Lebenszeichen, dann konnte man eine genauere Ortung versuchen. Die meisten Verschütteten litten schon nach kurzer Zeit unter Wassermangel und Luftnot, und hatten kaum Kraft oder die Stimmgewalt, um sich durch Rufen bemerkbar zu machen.

„Hier ist die Sky-Cav!“, wiederholte Bradshaw. „Wir sind hier, um euch zu retten! Wenn ihr antworten könnt, gebt uns ein Zeichen! Ruft oder klopft gegen ein Trümmerteil!“

„Hier, Sir“, meldete sich einer der Männer. „Ich glaube, ich habe was gehört.“

Der Lieutenant bewegte sich vorsichtig zu dem Trooper hinüber, der zwischen die Trümmer deutete. „Da, wo die Decken übereinander gestürzt sind?“

„Äh, nein, Sir, ich meine, es wäre aus dem Schutt davor gekommen.“

Bradshaw rief erneut und regelte die Außenmikrofone auf höchste Empfindlichkeit. Wenn jetzt einer der Männer neben ihm hustete, konnte er nur hoffen, dass der automatische Lärmfilter schnell genug reagierte.

„Da, Sir!“ Einer der anderen Männer deutete nun ebenfalls zwischen die Trümmer.

Der Lieutenant nickte. „Hab es gehört, Leute. Das ist kein Ruf, aber jemand scheint mit irgendwas gegen Holz zu schlagen. Das Geräusch ist schwach, aber man kann es hören.“

„Regelmäßig, Sir?“, fragte eine Frau skeptisch. Lose Trümmerteile konnten manchmal vom Wind oder aus anderen Ursachen bewegt werden und dabei ein meist gleichmäßiges Klopfgeräusch hervorrufen.

Bradshaw öffnete das Visier seines Helmes und grinste erleichtert. „Wie man es nimmt. Das ist das interstellare Krachfunkzeichen für einen Notfall.“

Einer der Trooper spuckte symbolisch in die Hände. „Also dann, L-T, holen wir ihn raus.“

„Schön behutsam. Denkt daran, direkt daneben ist die Schichtung und dort haben wir ebenfalls Lebenszeichen.“

Schnell und vorsichtig begannen sie damit, die Trümmer abzuräumen. Sie mussten darauf achten, dass das Material nicht nach unten nachrutschte und den Überlebenden gefährdete oder ihm, gar im letzten Augenblick, im Angesicht seiner Rettung, das Leben kostete.

„Corporal Götz, da sind ein paar solide Balken zwischen dem ganzen Schutt. Sortieren Sie die nach rechts. Auch massive Bohlen. Daraus können wir Abstützungen und Aussteifungen anfertigen. Und wir werden Keile brauchen. Stellen Sie zwei Trooper ab, die das erledigen.“

Eine Gruppe hatte in der Zwischenzeit die beiden Panzerfahrzeuge und zusätzliches Material aus den Frachtcontainern geholt. Eines der Fahrzeuge war mit Räumschaufel und Auslegerkran ausgestattet und sollte vor allem die Verbindungswege freimachen. Das zweite diente der Stromversorgung und würde, sobald die Dunkelheit hereinbrach, seine Lichtmasten und Leuchtballons aufsteigen lassen. Auch wenn man mit den Kampfanzügen über Restlichtverstärker und Infrarot verfügte, so waren andere Helfer doch auf die Sehkraft ihrer Augen angewiesen.

Zur Bergungsausrüstung gehörte eine Vielzahl von Werkzeugen, die seit Jahrhunderten bekannt und bewährt waren. Sägen, Beile, Stemmeisen, Fäustel, Meißel, bis hin zur simplen Schaufel. Die Trooper konnten viele dieser Hilfsmittel durch die Hände ihrer bionischen Kampfanzüge ersetzen. Die Handschuhe waren kraftverstärkt, mit den Handkanten ließen sich selbst dicke Balken durchschlagen und beim Zuschneiden oder Durchtrennen setzte man die schweren Kampfmesser ein.

Corporal Götz, der stabile Stempel und Auflagen für Abstützungen oder Aussteifungen sowie Holzkeile fertigen sollte, nutzte den Scanner seines Helmes, um die erforderlichen Maße zu nehmen, und schnitt das Holz dann mit der scharfen Klinge seines Messers durch. Vor allem Keile würden hilfreich sein, da man durch sie häufig auf Klammern oder Nägel verzichten konnte.

„Hier!“, rief ein Trooper. „Hier ist ein Arm!“

Bradshaw eilte hinüber und hoffte, dass der Soldat damit nicht nur ein einzelnes Körperteil meinte. Zu seiner Erleichterung gehörte der Arm tatsächlich zu jenem Verschütteten, der sich durch das Klopfen des Notsignals bemerkbar gemacht hatte.

Außer Hand und Unterarm war noch nichts zu sehen und Bradshaw zog einen der Handschuhe aus, damit er die Hand des Hilfesuchenden mit seiner eigenen berühren konnte. „Wir holen Sie da raus. Halten Sie nur noch ein kleines bisschen durch. Wir räumen nur noch den Schutt zur Seite.“

Zwei andere Trooper kamen zu ihnen und halfen, die Trümmerteile vorsichtig anzuheben und zur Seite zu räumen. Jedes Mal vergewisserten sie sich, dass keine anderen Teile nachrutschen konnten. Schließlich gelang es ihnen, Brustkorb und Kopf des Verschütteten freizulegen.

„Wir haben Sie gleich“, versicherte Bradshaw. Das Gesicht war dick mit Schmutz verkrustet und der Lieutenant bemerkte, dass der Mann vergeblich versuchte, die Augen zu öffnen. Ein heiseres Krächzen war zu hören. „Moment, ich gebe Ihnen etwas Wasser, dann geht es besser.“

Bradshaw gab einem der Trooper einen Wink und der Soldat träufelte Wasser über Augen und Gesicht des Mannes. Der Lieutenant half behutsam, die Haut grob zu säubern und nahm dann die Feldflasche in die eigene Hand, um ein paar Tropfen in den Mund des Geretteten tropfen zu lassen. Man spürte, wie das Wasser die Lebensgeister weckte.

„Gott sei Dank“, ächzte der Mann. „Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon liege. Hatte die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben. Dann hörte ich dieses Rufen. Konnte nicht antworten. Hals zu trocken. Habe geklopft.“

„Das war genau das Richtige.“ Bradshaw gab nun ein paar kleine Schlucke zu trinken. „Wir werden jetzt die übrigen Trümmer abräumen und Sie ganz herausholen. Haben Sie irgendwelche Verletzungen erlitten? Schmerzen?“

Der Gerettete grinste verzerrt. „Jede Menge Schmerzen. Liegen Sie mal stundenlang zwischen diesem Mistzeug. Aber ich glaube, es ist nichts Ernstes. Die Beine und die Brust tun weh, aber das ist ja wohl ein gutes Zeichen nicht wahr?“

„Ja, das ist es“, stimmte Bradshaw zu. „Ich bin Tim Bradshaw. Wie heißen Sie?“

„Per. Per de Jongen.“

„Schön, Per. Wir haben noch weitere Lebenszeichen geortet. Wissen Sie, wer ...?“

„Meine Frau und die Kinder.“ Die Augen des Mannes weiteten sich. „Sie waren im Erdgeschoss. Ich hatte auf dem Dachboden aufgeräumt, als ... als ...“

„Nur ruhig, Mann. Wir kümmern uns um Ihre Frau und die Kinder. Keine Sorge, sie sind am Leben. Wir haben ihre Wärmeimpulse gescannt und bereiten gerade ihre Rettung vor. Wir holen sie alle hier heraus.“

„Herrgott, ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal froh sein werde, Soldaten zu sehen“, gestand der Mann. Er stöhnte leise auf, als die Trooper ein schweres Teil von seinen Beinen anhoben. „Scheiße, Leute, das tut weh.“

Der Trooper warf das Teil zur Seite und schob den kleinen Medo-Scanner über die freigelegten Beine. „Du hast verdammtes Glück, Mann. Die waren eingeklemmt, aber nicht zu schlimm. Das tut jetzt weh, weil das Blut wieder richtig zirkuliert.“

„Ist gleich geschafft.“ Lieutenant Bradshaw sah zu den beiden Soldaten hinüber, die an der Schichtung arbeiteten. „Sie sind gleich draußen, Per, und dann holen wir Ihre Frau und die Kinder raus.“

Während zwei Trooper den Mann endgültig befreiten und dann behutsam hervorholten, tippte der Lieutenant den Namen des Mannes in seinen Mini-Comp. Die Daten gingen sofort an Sky-Command und wurden von dort auf den Mini-Comps aller Einsatzkräfte synchronisiert.

„He, L-T, können Sie sich das einmal ansehen?“ Einer der Trooper an der Schichtung winkte.

Tim Bradshaw lächelte dem Geretteten noch einmal kurz zu, der von einem der Soldaten zur Straße gebracht und dort weiterversorgt werden würde, bis ihn Sanitäts- und Betreuungskräfte übernehmen konnten.

„Was gibt es, Moskov?“, fragte er leise, als er die beiden Männer erreicht hatte.

„Wie Sie sehen, haben wir eine Menge von dem Mist zur Seite geräumt. Aber dabei haben wir das da bemerkt.“ Trooper Moskov wies auf die vordere der drei Deckenkonstruktionen. Ihre Balken und Bohlen waren, mit einer Ausnahme, intakt. Diese Ausnahme war ein schwerer Balken, der wohl zur Tragekonstruktion gehört hatte. Er war geborsten und hatte sich durch die dahinter liegende Decke gebohrt. „Direkt hinter dem Scheißding liegt einer der Überlebenden, aber dessen Wärmeimpulse werden kalt.“

„Verfluchter Dreck.“ Bradshaw setzte seinen eigenen Scanner erneut ein und nickte dann betrübt. „Vorhin war der Wärmeimpuls noch stark. Der Balken ist aber nicht durch unsere Räumarbeiten nachgerutscht.“

„Aber der Typ dahinter stirbt, Sir.“

„Wahrscheinlich war er schwer verletzt und hat es einfach nicht geschafft. Verdammtes Pech. Die Temperatur ist schon zu weit abgesunken. Hat keinen Sinn, zu ihm vorzustoßen und eine Reanimation einzuleiten. Die Hirnschäden wären schon viel zu weit fortgeschritten. Sehen wir zu, dass wir die beiden anderen herausholen.“

Die drei nach unten gestürzten Deckenkonstruktionen waren angeschlagen und jede zusätzliche Belastung konnte dazu führen, dass sie in sich zusammenbrachen und die beiden Überlebenden hinter ihnen doch noch erschlugen. Sie durften also nicht belastet oder erschüttert werden. So sehr es die Kavalleristen auch zur Eile drängte, sie konnten nicht einfach mit der Kraft ihrer Anzüge zupacken und die Hindernisse auseinanderreißen. Eine Soldatin brachte die Kombisäge, mit der man auch senkrecht in Material hineinsägen konnte. Leise singend fraß sich das Sägeblatt in das Holz und die Frau schaltete das Gerät sofort ab, als sie dahinter auf einen Hohlraum stieß.

„Wie groß wollen Sie es, L-T?“

„Selbst wenn wir kriechen ... Mit unseren Anzügen brauchen wir etwas Platz“, seufzte Bradshaw. „Wenigstens einen Meter breit und achtzig Zentimeter hoch. Wenn es geht, darf es auch mehr sein.“

Die Frau schaltete auf Hochdruckstrahl und fräste sich durch das Holz. Nur Augenblicke später konnte das ausgeschnittene Holzstück herausgeholt werden.

Bradshaw sah in die Öffnung. Ein wenig Licht fiel durch Ritzen zwischen den Bohlen hindurch, aber es war zu wenig, um wirklich etwas erkennen zu können. Er schaltete die Restlichtverstärkung ein, denn er befürchtete, dass das grelle Licht seiner Helmscheinwerfer die Verschütteten erschrecken könnte. „Hier ist die Sky-Cav. Wir sind hier, um euch zu retten. Könnt ihr mich hören?“

Er hörte ein Wimmern und sah eine schattenhafte Kontur, die allerdings wenig mit einem Menschen gemein zu haben schien. Der Lieutenant brauchte einen Moment, bis er begriff, dass er es mit zwei Kindern zu tun hatte, die sich eng aneinander klammerten. „Hallo Kinder, mein Name ist Tim. Wir werden euch jetzt da herausholen. Ihr braucht keine Angst mehr zu haben, okay?“

Überreste der Einrichtung blockierten den Zwischenraum. Bradshaw überlegte, welche Optionen sie hatten. Die sperrigen Sachen nach und nach herauszuräumen, würde Zeit beanspruchen. Er betrachtete die angeschlagene Decke, die sich zu seiner Rechten befand. Dort, wo seine Leute bereits einen guten Teil der Trümmer ausgeräumt hatten. Sollten sie doch einen Durchbruch riskieren? Nein, nur wenn sie zuvor Abstützungen angebracht hatten. Der nach innen gebrochene Balken, der ein Leben gekostet hatte, war Warnung genug. Bradshaw fluchte lautlos. Das erlöschende Wärmeecho musste die Mutter der beiden Kinder sein. Nein, kein Risiko, wenigstens die Kinder mussten überleben.

Er schaltete seinen Funk ein. „First-Sergeant Fernandez, falls Sie Zeit haben ...“

„Auf dem Weg, Sir“, kam die sofortige Erwiderung. „Was brauchen Sie?“

„Kombisäge, Bergungstuch und Material zum Abstützen. In der Reihenfolge.“

„Und ein paar zusätzliche Hände, Sir“, stellte der Unteroffizier sachlich fest. „Alles auf dem Weg, L-T.“

Die Soldatin schob sich hinter den Lieutenant. „Wollen Sie das selber machen, Sir?“

„Geben Sie schon her, verdammt, ich werde mich schon nicht schneiden.“

Die Frau grinste und reichte ihm das Werkzeug. „Ich klebe Ihnen am Arsch, Sir. Reichen Sie mir, was Sie nicht mehr brauchen.“

Bradshaw begann die störenden Teile in handliche Fragmente zu zerlegen und schob sie hinter sich, wo die Frau sie übernahm und weiter nach hinten durchreichte. Langsam arbeitete sich der Offizier vorwärts. Die Kinder mochten rund fünf Meter von ihm entfernt sein. Eine kurze Strecke, wenn kein Hindernis dazwischen lag und man gehen konnte, doch Bradshaw kroch auf dem Bauch, denn es war nicht viel Platz.

„Der Sarge ist mit dem Bergungstuch und zwei Jungs da“, meldete ihm die Soldatin. „Jetzt geht es schneller. Soll ich das Tuch nach vorne reichen?“

„Ja. Und der Sarge soll mir ein paar Hölzer und Keile nach vorne geben.“ Bradshaw nahm die erforderlichen Maße mit seinem Scanner und übermittelte sie an Fernandez und Corporal Götz, der inzwischen einen ansehnlichen Stapel solider Hölzer und Keile unterschiedlicher Größe vorbereitet hatte.

Die Soldatin schob das Bergungstuch zu ihm vor. Es besaß die Abmessungen eines Menschen, sechs Handgriffe und war aus extrem reißfestem Gewebe hergestellt. Man konnte mit ihm Verletzte oder, wie in diesem Fall beabsichtigt, Trümmerteile und Schutt transportieren. Bradshaw begann damit, die zerkleinerten Teile auf das Tuch zu räumen und als er fertig war, zog die Frau es nach hinten, wo es von Fernandez angenommen wurde. Es wurde ausgekippt und wieder zum Lieutenant geschoben. Da man jetzt nicht jedes Teil einzeln von Hand zu Hand reichen musste, kam der Offizier schneller voran. Endlich hatte er die Kinder erreicht.

Er erinnerte sich an das, was man ihm beigebracht hatte. Dass Kinder oft erschraken, wenn sie die Schutzhelme von Helfern vor sich sahen. Bradshaw löste seinen Helm und nahm ihn ab, regulierte die Scheinwerfer auf geringe Leistung und legte die Kopfbedeckung dann so ab, dass sie genug Licht gab, damit die Kinder ihn erkennen konnten.

„Hallo, Kinder, da bin ich. Ich bin Tim und hole euch jetzt hier heraus. Euer Vater Per wartet schon sehnsüchtig auf euch.“

Die Kinder reagierten nicht und der Lieutenant begann, beruhigend auf sie einzureden. Schließlich reagierte eines der Mädchen und Tim Bradshaw konnte dessen Hand berühren. Die Kleine begann zu weinen und fragte nach ihrer Mutter. Tim presste die Lippen aufeinander und versicherte den Kindern dann, dass man sich um ihre Mutter kümmere.

Langsam gelang es ihm, so viel Vertrauen zu gewinnen, dass die Kinder ihm endlich folgten.

Das Wiedersehen der beiden mit ihrem Vater war herzzerreißend und hinterließ einen schalen Beigeschmack bei den Troopern, denn die kleine Familie hatte einen geliebten Menschen verloren.

First-Sergeant Fernandez spürte genau, was in seinem Lieutenant vor sich ging. „Wir haben die Mädchen und ihren Vater herausgeholt, L-T. Das war verdammt gute Arbeit, Sir.“

„Aber die Mutter haben wir nicht gerettet.“

„Nein, Sir, das haben wir nicht. Aber wir können nicht alle retten, Sir. Manchmal kommt man einfach zu spät und muss das akzeptieren.“ Fernandez deutete auf die Überlebenden der Familie. „Wir haben ein Leben verloren, aber wir haben drei auf der Haben-Seite. Und jetzt, Sir, sollten wir uns darauf konzentrieren, dass auch andere auf unsere Hilfe hoffen.“

Tim Bradshaw atmete mehrmals tief durch. „Sie haben recht, Sarge. Die Leute verlassen sich auf uns und sie sollen nicht umsonst auf Hilfe hoffen.“

„Das ist die richtige Einstellung, Sir.“

Der Lieutenant straffte sich und erhob seine Stimme. „Das habt ihr verdammt gut gemacht, Troopers. Und jetzt weiter. Wir haben noch eine Menge zu tun.“

„Ihr habt den L-T gehört“, knurrte Fernandez. „Wir sind die Sky-Cav und die Cav kommt immer rechtzeitig, um Hilfe zu bringen. Also, bewegt euch.“

***

Die Einheiten der siebenten Raumkavallerie wurden hinter den Löschkräften und Bergungstruppen abgesetzt. Die Siebente sollte die medizinische Versorgung sicherstellen und die Überlebenden betreuen. An den Landepunkten des Regiments gab es kaum Zerstörungen. Zwar erwiesen sich viele Häuser als beschädigt und hatten Fensterscheiben oder Dächer eingebüßt, doch die Wände waren meist unversehrt. Die Straßen waren größtenteils frei von Trümmern oder wurden gerade geräumt.

Die Sky-Trooper registrierten dankbar, wie viele Überlebende es gab und vor allem, dass diese sich größtenteils als gut organisiert zeigten. Natürlich gab es auch Verletzte und unter Schock stehende, doch sie wurden versorgt und betreut. Hier zeigte sich der Mensch von seiner besten Seite und half, oft mit nur einfachsten Mitteln.

Gruppen wurden organisiert, die intakte Bodenfahrzeuge bestiegen und einfache Löschgeräte und verschiedenste Werkzeuge mitführten. Sie alle fuhren in jene Bereiche, in denen es die schweren Zerstörungen und Brände gab. Andere brachten Lebensmittel herbei, um die Überlebenden zu versorgen, und betreuten die Verletzten und die Kinder. Es gab hier keine Anzeichen des Chaos, nur den festen Willen, die Katastrophe zu überstehen.

Die Landung der FLV wurde mit Jubel belohnt und viele Kolonisten eilten herbei. Nicht, weil sie Hilfe in Anspruch nehmen wollten, sondern die ihre anboten.

Captain Doris van Dyke und ihre Halbkompanie wurden zusammen mit zwei Frachtcontainern abgesetzt und beeilten sich, das FLV zu entladen, damit es rasch starten und die nächste Ladung bringen konnte. Nach dem taktischen Einsatzplan sollten die fünf Mobilen Hospitäler in einigem Abstand zueinander errichtet werden. Weit genug von der Gefahrenzone entfernt, so dass man in Sicherheit arbeiten konnte. Die Offizierin sah überrascht auf fast hundert Siedler, die sich dem Landeplatz näherten.

Eine junge Frau, mit einem schlichten Bauhelm auf dem Kopf, erwies sich als die Wortführerin und sprach van Dyke sofort an. „Wir sind verdammt froh, dass Sie kommen, und wir können Ihre Hilfe auch echt gut gebrauchen. Aber ich vermute, dabei können wir Sie ganz gut unterstützen. Ich habe hier gute Leute aus allen betroffenen Stadtbezirken, die sich dort bestens auskennen und auch wissen, wer wo wohnt. Wenn Sie also Suchtrupps rausschicken ... Die Leute stehen Ihnen zur Verfügung.“ Die junge Frau legte den Kopf ein wenig schräg, da sie van Dyke´s Zögern als Ablehnung wertete. „Und kommen Sie ja nicht erst auf die Idee, uns abzuweisen. Wir können und wir werden helfen. Und wenn Sie unsere Hilfe nicht annehmen, ziehen unsere Leute eben alleine los. Die meisten sind ja ohnehin schon unterwegs.“

Captain Doris van Dyke schüttelte lächelnd den Kopf. „Keine Sorge, wir helfen gerne und wir sind selber für jede Hilfe dankbar. Wenn wir unsere Kräfte und Kenntnisse vereinen, dann nutzt das ja vor allem jenen, die auf unsere Hilfe hoffen. Sie, äh, befehligen diese Leute?“

„Ah, typisch Militär.“ Die Frau lachte. „Wir haben eine ganze Reihe von Leuten, die hier das Sagen haben. Aber wir haben das aufgeteilt, je nachdem, wer von was eine Ahnung hat. Belmer da drüber, das ist der mit dem Feuerwehrhelm, kommt aus der Feuerzone. Er gehört zu unserer städtischen Brandwehr und hat sich verletzt. Der Einsatzleiter hat ihn zurückgeschickt und jetzt organisiert er hier den Nachschub für die Löschkräfte und ein paar Leute, die diese dabei unterstützen. Marte betreut unseren provisorischen Kindergarten. Kettler und seine Leute stellen fest, wer es alles aus der Gefahrenzone geschafft hat. Alles auf handschriftlichen Listen. Wir haben zwar ein paar Mini-Comps und einige dieser veralteten Smart-Comps, aber die Energiezellen sind am Ende und unsere Stromversorgung ist am Arsch. Keine Möglichkeit zum Aufladen, und wenn es nachher dunkel wird, dann werden wir uns wohl mit Taschenlampen, Partyleuchten und Lagerfeuern behelfen müssen.“

„Sie haben keine Ahnung, was wir alles so mit uns schleppen“, erwiderte van Dyke. „Das hier ist nur die erste Einsatzwelle, weil wir nicht alles auf einmal in den zweihundert Landungsbooten unterbringen können. Da kommt noch viel mehr nach.“

„Zweihundert?“ Die Frau riss die Augen auf. „Wie viele Schiffe habt ihr da oben?“

„Trägerschlachtschiff D.C.S. Trafalgar“, erwiderte die Offizierin. „Wir bringen drei volle Regimenter Sky-Cav mit achtzehnhundert Troopern nach hier, und dazu jede Menge Ausrüstung und fünf komplette MHs.“

„M ... was?“

„Mobile Hospitäler. Dazu fünfzig Ambulanzwagen. Wie Sie sehen, sind meine Leute schon dabei, die ersten auszupacken.“

Einer der Container am Landepunkt von van Dyke´s FLV enthielt zwei kleine Ambulanz-Fahrzeuge. Die Trooper ihrer Halbkompanie waren bereits emsig dabei, sie zu entladen. Die beiden Fahrzeuge in den Farben des Rettungsdienstes, mit dem großen blauen „Star of Life“ an den Flanken, wirkten seltsam deplatziert in ihrer Sauberkeit.

„Alle Rettungswagen gehen nach vorne ins Katastrophengebiet“, sagte der Captain zu der Frau. „Meine Sanitäter sind sicher für jede Unterstützung dankbar.“

„Daran fehlt es nicht. Uns fehlte es bisher nur an der passenden Ausrüstung. Unsere beiden Krankenhäuser liegen leider in dem Gebiet, dass es so schwer erwischt hat. Ah, ich bin übrigens Jenna Olden.“

„Doris van Dyke“, erwiderte der Captain. „Ich hätte eine Bitte, Jenna ... Könnten Ihre Leute den großen Platz dort freiräumen? Dann können wir dort unser Mobiles Hospital aufbauen.“

„Kein Problem.“

In kurzer Zeit gaben die Stadtbewohner die entsprechende Fläche frei. Während ein Halbzug der Trooper, begleitet von Dutzenden von Kolonisten, mit den beiden Rettungsfahrzeugen aufbrach, wurde der zweite Container an den Rand des leeren Platzes geschoben. Mit wenigen Handgriffen wurden die Verriegelungen gelöst und die Seitenflächen nach oben geklappt und abgestützt. Der Container bildete das erste von insgesamt fünfundzwanzig Modulen, aus denen sich das Hospital zusammensetzte. Dieser enthielt das Versorgungsmodul, in dem sich Energieversorgung, Lufterneuerung und Filtersysteme befanden. Genormte Anschlüsse und modulare Technik würden es ermöglichen, die einzelnen Bestandteile außerordentlich schnell miteinander zu verbinden.

Doris van Dyke war etwas schockiert, als sie von Jenna erfuhr, dass fast fünfundvierzigtausend Menschen in Neuwstat lebten oder zumindest gelebt hatten. Das war fast das Doppelte von dem, was Sky-Command bislang angenommen hatte. Sie gab die entsprechenden Informationen weiter und trieb dann ihre Leute an.

Nach knapp dreißig Minuten des ungeduldigen Wartens erhielt sie endlich die ersehnte Information, dass die zweite Landung der FLV bevorstand. Fünfzig der Landungsboote waren dafür abgestellt worden, die Module der fünf Hospitäler nach unten zu bringen. Dazu kamen medizinische Vorräte, Lebensmittel und Trinkwasser, da Sky-Command keine Informationen vorlagen, wie es um die Versorgungslage der Stadtbewohner bestellt war.

Am Landeplatz von Doris van Dyke und ihrer Gruppe herrschte hektische Aktivität, als die FLV in rascher Reihenfolge landeten, entladen wurden und wieder starteten, während Trooper und Siedler einander halfen, die Module miteinander zu verbinden und betriebsfertig zu machen.

Inzwischen war auch ein Arzt aus Neuwstat bei van Dyke eingetroffen. Ein alter Mann, von den Tätigkeiten der letzten Stunden erschöpft, und doch seltsam entrückt lächelnd, während das Mobile Hospital vor seinen Augen wuchs.

„Wie viele können Sie versorgen, Doktor?“, fragte er freundlich und schien dabei zu unterstellen, dass van Dyke einen medizinischen Abschluss hatte. Doch das stimmte nur bedingt.

„Das hängt von der Schwere der Verletzungen ab. Jedes MH kann bis zu fünfhundert Patienten stationär versorgen. Aber, offen gesagt, Doktor Perlau, ich bin nur Medo-Tech und keine Ärztin. Aber das sollte Sie nicht erschrecken. Wir haben natürlich auch ein paar richtige Ärzte im Regiment. Aber die sind nur da, um die Diagnosen zu bestätigen und nötigenfalls eine entsprechende Behandlung zu veranlassen. Das meiste machen wir Techs und unsere Geräte.“

„Äh, Geräte?“ Doktor Perlau blinzelte irritiert.

„Im Gegensatz zu einer Arztpraxis oder einem normalen Hospital ist ein MH für Katastropheneinsätze oder Kampfeinsätze konzipiert. Das bedingt, die verschiedensten Arten von Verletzungen oder Erkrankungen so effektiv wie möglich zu diagnostizieren und zu behandeln.“

„Und wie soll das gehen?“

„Die Eingänge sind keine normalen Eingänge, Dok. Es sind hochsensible Medo-Scanner. Sobald eine verletzte Person da durchgeht oder durchgeschoben wird, wird sie auch schon vollständig gescannt. Direkt hinter dem Scanner wird ein Chip mittels Hochdruck implantiert. Der beinhaltet die Angaben über die Identität des Patienten, die Diagnosen und die Behandlungen. Verwechslungen sind da ausgeschlossen. Ist übrigens ein Bio-Chip. Funktioniert zwei Wochen, danach beginnt er zu zerfallen und nach drei Wochen ist er völlig aufgelöst. Notfalls wird halt ein weiterer implantiert.“

„Schön, aber was können Sie behandeln?“

„Nichts, wenn Sie länger als fünf Minuten ohne Sauerstoffversorgung waren. Ansonsten so ziemlich alles. Wir haben sogar eine Bio-Bank, die Organe, Nerven oder Gehirnzellen aus den Stammzellen der Verletzten züchten kann. Okay, wenn Ihre Wirbelsäule gebrochen und die Nervenbahnen durchtrennt waren, dann dauert es schon einmal fünf oder sechs Monate, bis Sie wieder laufen können und Gefühl in Ihren Zehen haben, aber, glauben Sie mir, Dok, wir kriegen Sie wieder hin. Hier in Neuwstat rechne ich mit jeder Menge Verletzungen durch diese verdammten Holzsplitter und anderen Dreck, dazu dürften eine Menge Schwerstverbrannter kommen. Letztere sind heikel, da ihr Kreislauf so angeschlagen ist, dass man kaum Schmerzmittel verabreichen kann. Wir verwenden Hypnoschlaf und Wasserbetten mit haldaner Lösung. Die ganz schweren Fälle stabilisieren wir und versetzen sie in Kryo-Schlaf, damit man sie auf ein Hospitalschiff oder in eine Spezialklinik bringen kann. Übrigens, Doktor, das Hospitalschiff Henry Dunant wird morgen ebenfalls im Orbit eintreffen.“

Perlau nickte. „Ich hoffe, ich kann Ihnen behilflich sein.“

„Doktor, damit wir uns nicht missverstehen ... Wir alle sind verdammt froh, wenn Sie und Ihre Kollegen uns behilflich sind. Sehen Sie, wir Medo-Techs sind wirklich gut, aber wir sind auch in erheblichem Umfang auf unsere Geräte und vor allem die Tiefenscanner angewiesen. Jeder Trupp der Sky-Cav da draußen verfügt über einen Sanitäter mit einem einfacheren Scanner, mit dem man Verletzungen diagnostizieren kann. Aber da draußen können wir jeden Humanmediziner gebrauchen, der unseren Leuten sagt, welche Prioritäten bei dem zu erwartenden Massenanfall von Verletzten zu beachten sind. Ich will es einfach ausdrücken, Doktor: Da draußen arbeiten unsere Leute nach dem Prinzip, was schreit, das lebt und hat noch Kraft. Wir machen uns primär um die Sorgen, die ruhig sind.“

„Im Grundsatz ist das richtig“, meinte Perlau lächelnd. „Was machen Sie übrigens mit erkrankten Personen?“

„Wir können in jedem MH die Bio-Schutzstufe Vier einrichten. Absolute Isolation für bis zu dreihundert Patienten. Jedem Patienten wird beim Passieren der Scanner von einem Medo-Tech etwas Blut abgenommen, um Blutgruppen und Erkrankungen festzustellen. Die Blutgruppenbestimmung benötigen wir eigentlich nur für den absoluten Notfall, wir haben nämlich große Vorräte an Nullblut, welches ja für jeden Patienten verwendbar ist. Na, jedenfalls, bei der Blutentnahme wird auf alle Substanzen oder Bestandteile untersucht, die da normalerweise nicht hineingehören. Entdecken wir Bakterien, Viren oder etwas anderes, dann geht das Ergebnis an die Ärzte. Die müssen ...“ Captain van Dyke unterbrach sich und lauschte. „Hört sich so an, als träfen gleich die ersten Patienten ein.“

Perlau vernahm nun ebenfalls das typische Auf und Ab der Schallgeber eines Rettungsfahrzeuges. „Wenn ich mich irgendwo frisch machen kann, dann würde ich gerne behilflich sein.“

Der Captain zeigte dem Mediziner den Weg. Jedes der Mobilen Hospitäler verfügte über zwanzig Ärzte verschiedener Fachrichtungen und einen Hundertschaft an Medo-Technikern. Dazu kamen jene Trooper, welche die Funktion der Krankenträger und Pfleger wahrnahmen. Doris van Dyke war über jede Hilfe dankbar, denn sie ahnte, dass die medizinischen Versorgungseinheiten bald bis an die Grenzen ihrer Kapazität ausgelastet sein würden.

Sky-Troopers 3 - Piraten!

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