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Kapitel 2 Der Kampf der Cazadores

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Der erste Teil des Weges war erstaunlich leicht gewesen. Luis Fernando Montoya de Mellendez, Conde des spanischen Reiches und als Graf persönlicher Vertrauter Ihrer Majestäten, des Königs und der Königin von Spanien, Oberst eines Regimentes der königlichen Leibgarde, kannte den Weg und war Schnelligkeit gewohnt. Sie hatten die kostbare Fracht aus Madrid bis nach Cáceres gebracht und wollten nun weiter, über die Brücke bei Andajoz nach Badajoz. Es war ihnen bewusst, dass die Truppen des französischen Kaisers diese gewaltige Festung nun besetzt hatten. Dennoch mussten sie an ihr vorbei. Die Patrouillen der Franzosen würden es ihnen nicht leicht machen. Sie würden sich an der Festung vorbeischleichen und sich dann für den weiteren Weg entscheiden. Der einfache führte nach Portugal. Auch die Portugiesen waren Gegner Napoleons, aber die Fracht in ihr Gebiet zu bringen, wäre dennoch riskant gewesen. Sie musste nach Cadiz, musste auf schnellstem Wege endgültige Sicherheit finden.

Sechzehn Maultierladungen mit spanischem Gold. Golddublonen von unschätzbar erscheinendem Wert und doch war dies nur ein Teil des spanischen Schatzes. Weitaus wertvoller war eine andere Fracht, die sie beförderten, und diese Fracht war ebenso kostbar wie gefährlich.

Mellendez Ziel war es, auf Badajoz zuzuhalten und dann südlich in Richtung auf Cadiz zu marschieren. Ein umständlicher Weg von Madrid aus, aber er wollte den Franzosen ausweichen, sie umgehen, um die kostbare Ladung sicher ans Ziel zu bringen. Cadiz war der freie südliche Hafen, den die Franzosen nicht besetzt hielten und in dem sich Teile der spanischen Regierung aufhielten. Cadiz, wo die englischen Verbündeten unter ihrem Lord Wellesley Nachschub und Truppen anlandeten.

Mellendez schätzte die ungläubigen Engländer nicht. Meist waren es Protestanten, die nicht dem einzigen und wahren Glauben folgten. Doch für Gott und Spanien würde man sich mit jedem verbünden, der ein Feind des Franzosenkaisers war.

Jedenfalls musste die Fracht nach Cadiz, um von dort an den endgültigen Bestimmungsort zu gelangen und dazu musste er den Fluss Alón überqueren. An einer Stelle, wo die schwere Fracht unbeschadet übersetzen konnte. Am Übergang bei dem kleinen Ort Andajoz.

Der Weg führte sie über ausgebaute Handelsstraßen und primitive Trampelpfade. Durch fruchtbare Täler und staubige Senken, zwischen Hügeln und Bergen hindurch. Mellendez nutzte Nebenwege um den französischen Patrouillen ebenso auszuweichen, wie dem einfachen Volk Spaniens. Spanien war ein Land von ausgesuchter und oft wilder Schönheit. Die Bevölkerung war meist arm und kämpfte um ihre Existenz. Mellendez wusste, dass mancher Mann seine Truppe gegen Gold an die Franzosen verraten würde, aus der Not heraus, seine Familie ernähren zu müssen. Zudem gab es, zur Schande jedes guten und gläubigen Katholiken, auch Spanier, die mit den Franzosen sympathisierten. Diese „Afrancesada“ erhofften sich von Kaiser Napoleon ein Zeitalter der Aufklärung für ihr Land. Mellendez verstand nicht, wie man etwas als Aufklärung anstreben konnte, dass den wahren Glauben und die Autorität des Königshauses erschütterte. Es gab eine von Gott gefügte Ordnung und niemand hatte das Recht, an ihr zu rütteln.

Im Augenblick führte der Colonello seine Truppe über einen der alten Schmugglerpfade, der sich unterhalb des Kamms einer hohen Hügelkette erstreckte. Ein schwieriger, gewundener Pfad, der sie nur langsam vorankommen ließ. Der Weg durch die Talsenken wäre bequemer und schneller gewesen, doch durch die Täler streiften französische Patrouillen.

Sie waren scharf geritten. So scharf, wie die Tiere es zuließen und Colonello Mellendez nahm mehr Rücksicht auf Pferde und Maultiere, als auf seine Männer. Aber seine Männer kannten den Grund hierfür. Sie murrten zwar über die steinigen Pfade, dass schlechte Wetter und die störrischen Maultiere, nicht jedoch über ihren hochgewachsenen Anführer, denn sie von Herzen respektierten und auf eine eigenwillige Weise auch liebten.

Mellendez war eine Legende in der spanischen Armee, so wie seine Cazadores eine Legende unter den spanischen Regimentern waren. Sie trugen ihre blutroten Uniformen mit Stolz, denn sie zeigten auf, dass sie zu einer Elite gehörten, ja, dass sie die Elite Spaniens waren. Es gab viele Regimenter, die man der Leibwache des spanischen Königs zuordnete und die meisten davon waren hervorragend geeignet, um bei Paraden mitzuwirken und einen glänzenden Eindruck zu hinterlassen. Mellendez und seine Cazadores hingegen waren hervorragend geeignet, die Feinde Spaniens zu töten.

Sie waren Dragoner, berittene Soldaten, die mit einem schweren Reiterdegen und einem kurzläufigen Karabiner bewaffnet waren. Sie konnten vom Pferd aus den Feind mit blanker Klinge ebenso bezwingen, wie ihm in der Schützenlinie mit der Schusswaffe zu begegnen. Vor ihren blanken Degen zogen sich Infanterieformationen zum schützenden Karree zusammen. Wo andere Kavallerie dann auf die Unterstützung durch Infanterie oder Artillerie warten musste, um das Karre aufzubrechen, konnten die Cazadores mit ihren Karabinern die Reihen öffnen und dann, mit blankem Stahl, zwischen die verschreckten Soldaten zu preschen, um sie zu töten. Mellendez und seine Männer waren erfahren genug, um zu wissen, dass die Wirklichkeit nicht immer einfach und glorreich war. Im Augenblick war die Wirklichkeit sogar alles andere als glorreich. Oder, wie Teniente Calazon immer wieder erwähnte, sie war erschreckend bescheiden.

„Mit allem Respekt, Luis, es sieht ziemlich beschissen aus“, knurrte der Teniente missmutig. Regen floss über seinen Helm und das Gesicht, durchnässte Umhang und Uniform des Reiters und sein Pferd. Alles war nass, denn seit Tagen regnete es in Strömen und jeder der Männer hatte das Gefühl, sein Leben dafür zu geben, endlich wieder die Sonne Spaniens sehen zu können.

Oberst Luis Fernando Montoya de Mellendez, den sein Freund in Abwesenheit der unteren Dienstgrade auch duzen durfte, blinzelte in den Regen und nickte. „Ich weiß, Carlos, ich weiß. Aber der Regen hat auch seinen Vorteil Er bietet uns einen gewissen Schutz. Sie können uns nicht auf größere Distanz sehen.“

Teniente Calazon nickte. „Dafür können sie unseren Spuren umso besser folgen. Verdammt, Luis, die Hufe drücken sich tief in den Boden hinein. So steinig der Pfad auch ist, es gibt genug weiche Stellen und die Bastarde werden unsere Spur finden und ihr folgen. Ich glaube nicht, dass sie diese überhaupt schon einmal verloren haben.“

Colonello Mellendez nickte betrübt. Die Bastarde waren ihnen nun schon seit drei Tagen auf der Fährte. Ein ganzes Regiment französischer Chasseurs. Reiter, die wie seine Cazadores die blanke Klinge und einen Karabiner führten. Männer, die ihnen wie Bluthunde auf der Fährte waren. Sie trugen geflochtene Zöpfe in ihren Haaren. Diese Franzosen waren eine erfahrene Elitetruppe, so wie die Cazadores eine Elitetruppe waren.

Calazon verfolgte wohl dieselben Gedanken. Er wies mit einer unbestimmten Geste hinter sich in den Regen. „Sie haben uns ihre Besten auf den Hals geschickt.“

„Ich habe nichts anderes erwartet.“ Mellendez führte sein Pferd etwas zur Seite, um die Schlange von Männern und Tieren an sich vorbei zu lassen. „Nur Mut, Männer, der Regen lässt bald nach. Dann werden wir die Sonne Spaniens sehen.“

„Und die Chasseurs des französischen Kaisers“, erwiderte eine der kaum erkennbaren Gestalten.

„Gegen den Regen können wir nichts machen“, rief Mellendez grinsend. „Gegen die Chasseurs schon.“

Lachen drang aus dem Regen zurück und man spürte, dass die Männer noch lange nicht aufgegeben hatten. Der Regen trommelte auf sie herunter, als wolle der einzige und wahre Gott sie mit den Wassertropfen erschlagen, obwohl sie es doch waren, die für ihn kämpften und die heidnischen Franzosen von Spaniens Boden vertreiben wollten. Man konnte kaum zehn Schritte weit sehen und noch weniger weit hören, aber Mellendez und der vorausreitende Sargente Carrado kannten diese Gebirgspfade wie ihre Hosentaschen.

„Hoffentlich bleibt das Pulver der Karabiner trocken“, brummte Mellendez. „Bei unserem Herrn Jesus Christus, wenn es noch ein paar Stunden regnet, rosten uns noch die Degen in den Scheiden fest.“

„Die Männer lockern sie immer wieder“, scherzte Calazon lakonisch. Der Leutnant war eigentlich viel zu alt für seinen Rang als Teniente, aber Calazon hatte lieber auf die Beförderung zu einer anderen Einheit verzichtet, um bei Mellendez und den Cazadores bleiben zu können. „Die Karabinerschlösser sind mit Lappen umwickelt und die Männer haben ihre Patronentaschen unter die Jacken geschoben. Mehr können wir nicht tun.“ Er seufzte melancholisch. „Beschissenes Wetter.“

Mellendez nickte. „Wirklich beschissen.“

Sie mussten beide lachen und einer der Männer, die an ihnen vorbei zogen, hob irritiert den Kopf. Es war einer der zivilen Maultiertreiber, die man angeheuert hatte. Ein guter Katholik, der auf die Bibel geschworen hatte, sein Leben für diese Mission zu geben. Die Seitennähte seiner Hose und die Weste waren dicht mit goldenen und silbernen Knöpfen besetzt. Mellendez kannte die Eigenheit der Maultiertreiber, die ihre Bedeutung mit der Anzahl der von ihnen getragenen Knöpfe gleichsetzten. Der Mann führte eines der Maultiere, dass klaglos seine schwere Fracht trug. Doch dem Tier blieb auch nichts anderes übrig. Allen Maultieren waren die Stimmbänder durchtrennt worden. Eine blutrünstige doch sichere Art um zu verhindern, dass eines der störrischen Tiere im falschen Augenblick schrie und so den Feind auf die Truppe aufmerksam machte. Mellendez war froh, dass diese Tortur den Pferden erspart geblieben war. Sie hatten keine fremden Pferde mitnehmen müssen und die Reittiere der Cazadores waren trainierte Kämpfer. Sie töteten mit Gebiss und Hufen fast so ebenso sicher, wie die Reiter mit ihren Waffen. Es befanden sich auch keine Stuten unter den Reittieren, denn ein rossiges Tier hätte zwangsläufig zu Unruhe unter den Hengsten geführt. Nein, Mellendez schätzte enthaltsame und ruhige Tiere. Seine Männer mochten weniger enthaltsam sein, doch diese Freiheit ließ er ihnen, solange sie wie die Racheengel für Gott und Spanien kämpften, und das taten sie.

Capitan Salerno, der Hauptmann, der den Zug der Maultiere führte, nickte den beiden anderen Offizieren zu. „Ich bete für besseres Wetter, Senores.“

„Das kann nie schaden“, erwiderte Mellendez und tippte an seinen Helm. „Es ist nie verkehrt, ein gutes Wort bei unserem allergnädigsten Herrn einzulegen.“

Salerno ritt weiter und Calazon stieß ein verächtliches Schnauben aus. Mellendez grinste. „Du magst ihn nicht?“

„Er war früher Priester“, brummte Calazon. „Ich traue keinem Priester, der erst Weihrauch schwingt und dann den Degen. Er ist kein Kämpfer, Luis.“

„Nein, das ist er nicht“, sagte sein älterer Freund. „Das ist unsere Aufgabe. Seine Aufgabe ist es, das Gold Spaniens und das Dokument in Sicherheit zu bringen.“

Das Ende der Kolonne erreichte sie und die vier Männer der Nachhut versicherten Mellendez und Calazon, dass von den Froschfressern des französischen Kaisers nichts zu sehen und zu hören war. Bei diesem Wetter hatten die Worte jedoch kaum eine beruhigende Wirkung. Obwohl es überflüssig war, ermahnte Teniente Calazon die Männer, Augen und Ohren offen zu halten. Die vier Soldaten grinsten ihnen zu, während die beiden Offiziere der Kolonne folgten und die Nachhut ein Stück zurückließen.

„Schade, dass Badajoz gefallen ist“, seufzte der Teniente.

„Ja, wirklich schade.“ Mellendez kratzte sich ausgiebig und fluchte unterdrückt. „Ist ein verflucht weiter Weg nach Cadiz, mit all dem schönen Gold und all den Froschfressern hinter uns.“

Sie konnten den direkten Weg nicht nehmen. Überall zogen Trupps der Franzosen durch das spanische Land und es schien unglaublich, über wie viele Soldaten Napoleons Heer verfügte. Eigentlich kein Wunder, dass die spanischen Armeen geschlagen wurden, die gegen sie ins Feld gezogen waren. Die meisten Spanier waren schlecht ausgerüstet und miserabel ausgebildet gewesen. Sie bestanden aus wenig mehr als einer Horde herausgeputzter und goldstrotzender Offiziere, golddurchwirkter riesiger Fahnen und einem nachfolgenden Pöbel von Bauern, die wohl effektiver mit Mistgabeln denn mit Musketen kämpfen konnten. Nein, es war kein Wunder, dass solche Truppen vernichtend geschlagen wurden. Die wenigen guten Regimenter hatten sich tapfer gehalten, aber sie waren von der Übermacht förmlich hinweggefegt worden. Den Cazadores würde das nicht geschehen. Sie waren die Elite und wenn man sie wirklich schlug, so würden die Franzosen einen furchtbaren Blutzoll zu entrichten haben und noch lange an den Kampf zurückdenken.

„Es klart auf.“

Calazon´s Bemerkung schreckte Mellendez aus seinen Gedanken und er blickte zum Himmel auf. „Ah, ein wenig dunkles Dunkelgrau in einem Meer von Schwarz. Das nennst du aufklaren, mein alter Freund?“

Der Teniente nickte. „Warte es ab. Ich spüre es, dass wir in zwei Stunden einen blanken Himmel haben.“

Man mochte es kaum glauben, aber Calazon behielt Recht. Sofort wartete Mellendez auf die Männer der Nachhut und richtete sein Teleskop den Bergpfad entlang. Er konnte zunächst keine Verfolger entdecken, bis Teniente Calazon einen heiseren Fluch ausstieß.

„Was ist?“

Calazon wies nicht den Pfad zurück, sondern den Berg hinunter in das Tal. Winzig klein und doch unangenehm deutlich erkannte man dort ameisenhafte Gestalten, die viel zu geordnet das Tal entlang zogen, um eine Horde wilder Schafe zu sein.

„Chasseurs, möchte ich wetten“, knurrte Mellendez enttäuscht. „Während wir uns über den Bergpfad quälen, reiten die verdammten Bastarde bequem durchs Tal.“

„Das sind aber nicht alle.“ Calazon nickte seinem Freund und Vorgesetzten dankbar zu, als der ihm das kleine, ausziehbare Teleskop reichte. Er spähte angestrengt hindurch, zog die Schärfe nach und schob das Instrument mit einem metallischen Schnappen zusammen. Schulterzuckend reichte er es zurück. „Ungefähr die Hälfte der Froschfresser. Die anderen sind wahrscheinlich hinter uns, damit wir nicht umkehren oder unbemerkt einen anderen Weg nehmen.“

„Ja, die wollen auf Nummer sicher gehen“, stimmte Mellendez zu. „Die wissen genau wo wir sind und das wir nicht woanders hinkönnen.“

„Wenigstens scheint die Sonne und die Uniformen können trocknen.“ Calazon grinste. „Und die Karabinerschlösser auch.“

Die Sonne entwickelte binnen kürzester Zeit eine erstaunliche Kraft. Kaum eine Viertelstunde später begann Dampf von verdunstender Nässe aufzusteigen und schien die Cazadores, die Tiere, die Berge und das Tal gleichermaßen in einen sanften Nebel zu hüllen.

„Was meinst du, wie stark sind die Bastarde?“ Mellendez schloss mit seinem Freund und Untergebenen auf und drängte sich an der langen Kolonne vorbei. „Zwei Kompanien Chasseurs? Also Vierhundert Rattenschwänze?“

„Ja, vierhundert Froschfresser mit Zöpfen“, stimmte Calazon zu. „Aber ein gutes Stück dahinter folgt der Rest ihres Regiments und dazu ein ganzes Bataillon ihrer Infanterie.“

Sie waren mit Dreihundert Mann aufgebrochen, bis sie überraschend auf die Chasseurs gestoßen waren. Die Franzosen hatten ihnen eine Falle gestellt und Mellendez verfluchte sich, weil er wie ein Anfänger hineingetappt war. So nahe an Salamanca hatte er noch nicht mit Franzosen gerechnet, aber seine Männer hatten den Franzosen einen guten Kampf geliefert und die wertvolle Fracht gerettet. Sie hatten Hundertfünfzig gute Männer eingebüßt, die gefallen oder verwundet worden waren, und die sie hatten zurücklassen müssen. Aber sie hatten die sechzehn Maultiere mit dem spanischen Gold gerettet und die viel kostbarere Schatulle. Vorläufig, denn die Franzosen waren ihnen auf den Fersen und waren sogar dabei, sie zu überrunden.

„Drei Kilometer voraus führt ein Nebenpfad ins Tal hinunter“, sagte Mellendez entschlossen.

„Du willst runter?“ Calazon zog den stoffbezogenen Helm vom Kopf und kratzte sich.

„Wir brauchen freie Fläche, um uns ihnen stellen zu können“, knurrte der Colonello.

Der Teniente nickte. „Es kann sein, das wir dann genau zwischen beiden Truppen sitzen. Wie Körner zwischen zwei Mühlsteinen, du verstehst?“

Mellendez lachte. „Mehl kann nicht beißen, mein Freund. Wir schon.“

Der Pfad unter dem Kamm des lang gestreckten Berges war zu schmal, um die Männer versammeln und mit ihnen sprechen zu können. Die beiden Offiziere ließen die Kolonne halten, gaben nur die notwendigsten Anweisungen, und als sie die Abzweigung ins Tal hinab erreichten, lenkten sie Pferd und Maultier ohne Zögern nach unten. Gelegentlich ertönten das Klirren von Metall und das Schnauben eines Pferdes, der leise Fluch eines Mannes und das Poltern von rutschenden Steinen. Mellendez war Gott dankbar, dass die im Tal befindliche Gruppe der Chasseurs nicht nach oben blickte und aus seinem Blick entschwand. Von der zweiten Feindgruppe war nichts zu sehen. Vielleicht konnten sie den Talgrund rechtzeitig erreichen und die erste Gruppe der feindlichen Reiter bezwingen, bevor die anderen aufschlossen. Sonst würde hier im Tal die Hoffnung Spaniens begraben werden.

Eines der Maultiere rutschte auf losem Gestein, stolperte und stürzte mit seinem Führer über den Hang hinaus. Das Poltern der Steine war zu hören und der dumpfe Aufschlag der Leiber in der Tiefe.

Die beiden Offiziere sahen sich bedrückt an.

„Ein guter Mann.“

Mellendez nickte. „Einer der Besten. Glücklicherweise war es nicht das Maultier.“

Calazon nickte. „Ja, ein wenig Gold können wir entbehren.“

Das Maultier konnte nicht schreien, aber auch der Mann hatte geschwiegen, hatte den Todesschrei unterdrückt, um die Truppe nicht zu verraten. So hatten sie nun ein Maultier mit seiner wertvollen Ladung und einen tapferen Mann verloren. Die beiden Offiziere bekreuzigten sich und Mellendez nahm sich die Zeit, die aufsteigende Seele des Mannes mit einem Vaterunser zu begleiten. Dann folgten sie den anderen den Hang tiefer hinab, immer weiter, bis sie endlich den Talgrund ereichten.

Die Cazadores und die Maultiertreiber brauchten nicht viele Worte. Mellendez sah die Männer kurz an. „Halbe, halbe.“

Die Hälfte der Cazadores formierte sich zur berittenen Linie und nahm die Sattelkarabiner schussbereit auf die Oberschenkel, die andere Hälfte der Männer formierte sich hinter den Maultieren und ihren Treibern. Sie wussten, was auf dem Spiel stand und trotz ihrer Erschöpfung grinsten die Cazadores ihren Oberst mit grimmigem Trotz an.

Das Tal war breit und langgestreckt. Der Weg führte in seiner Mitte entlang, folgte einem kleinen Bachlauf, an dessen Rändern Gras und wilde Blumen wuchsen. Ein Stück vor ihnen schienen die Ränder der hohen Hügel und Berge aufeinander zuzuwachsen. Dort verengte sich das Tal und wurde zu einer schmalen Schlucht. Durch diese Schlucht waren die Chasseurs des Franzosenkaisers verschwunden. Nun würden die Cazadores ihnen folgen müssen und Mellendez betrachtete die im Schatten liegende Schlucht mit Misstrauen.

Teniente Calazon schien die Gedanken des Obersts zu erraten. „Man kann die Hänge der Schlucht erklimmen.“

„Nicht mit Pferden“, meinte Mellendez. „Mit Maultieren, ja. Aber nicht mit den Pferden.“

Sie näherten sich dem Zugang der Schlucht, durch welche der Weg weiterführte. Die Truppe begann sich automatisch zusammenzuziehen, bildete wieder die lange Marschkolonne. Eine Gruppe trieb die Pferde an, um als Vorhut zu sichern. Das leise Pochen der Hufe wurde lauter, als sie sich nun zwischen den engeren Hängen der Schlucht bewegten. Alle Geräusche waren nun deutlicher und die geflüsterten Gespräche der Soldaten verstummten und machten angespanntem Schweigen Platz.

„Zwei Kilometer, dann kommen wir aus dieser Enge heraus und können uns wieder besser bewegen“, stellte Mellendez fest und sah Calazon aufmunternd an. „Dann stoßen wir auf die alte Handelsstraße, die nach Andajoz und zur Brücke führt.“

Die Schüsse hallten unnatürlich laut in der Schlucht. Eine kleine und unregelmäßig klingende Salve, bei der die Anzahl der Schützen nur schwer zu schätzen war, denn der Nachhall schwang zwischen den Hängen.

„Ich habe es gewusst“, zischte Mellendez und stieß seine rechte Hand vor.

Erregte Schreie erklangen von seinen Männern, als die vorderen Reihen die Pferde antrieben, um sich der Quelle der Schüsse zu nähern. Vor ihnen, am Grund der Schlucht, erkannte Mellendez leblose rote Flecken am Boden. Drei Männer der Vorhut, die gefallen waren. Einer der Cazadores bewegte sich schwach, richtete sich halb auf und sackte dann reglos vornüber. Eines der Reittiere lag am Boden und schlug hilflos mit den Hufen, bis es erschlaffte. Ein anderes Pferd lag ebenfalls, jedoch von seinem Reiter am Zügel gezogen, der hinter dem Tier in Deckung gegangen war und mit seinem Karabiner auf die Rauchwölkchen zielte, die vor ihm sichtbar waren.

„Sie haben die Schlucht gesperrt!“, schrie Teniente Calazon und Mellendez parierte sein Pferd und gebot seinen Männern zu halten.

„Die ersten drei Gruppen bereithalten!“, befahl er mit lauter Stimme und musterte das, was vom Feind sichtbar war.

Viel war es nicht. Die französischen Chasseurs hatten eine provisorische Barrikade über die Breite der Schlucht errichtet. Diese war an jener Engstelle kaum dreißig Meter breit, ideal, um einen Hinterhalt zu legen oder den Ausgang zu blockieren. Die Franzosen hatten Steine und Holz angeschichtet und in unglaublich kurzer Zeit einen kaum Halbmeter hohen Wall errichtet, hinter dem die Helme der Chasseurs sichtbar waren. Gelegentlich stieg ein Rauchwölkchen vom Abschuss eines ihrer Karabiner auf.

Der kleine Wall und die kaum zwei Dutzend Chasseurs waren kein ernstliches Hindernis, man konnte ihn und seine Verteidiger in einem einzigen Ansturm nehmen.

„Sie versuchen uns einzuschüchtern und aufzuhalten, bis die zweite Gruppe Chasseurs heran ist“, knurrte Teniente Calazon.

Die Schüsse der französischen Verteidiger waren nahezu wirkungslos und besaßen eher moralische Effekte. Die einschüssigen Karabiner konnten allenfalls auf fünfzig Meter etwas treffen und die Cazadores waren fast achtzig Meter entfernt. Auf solche Entfernung traf nur die Muskete eines Infanteristen oder das Gewehr eines Jägers oder Schützen.

Mellendez deutete die Hänge hinauf. „Rechts und Links sind nur eine Handvoll. Die ignorieren wir. Mit den Karabinern können sie uns kaum erwischen. Der Haupttrupp von ihnen wartet hinter dem Wall, beritten und mit blanker Klinge.“ Er wandte sich im Sattel an seine Männer. „Lasst die Karabiner, Männer. Wir greifen mit blankem Degen an. Über den Wall und auf die Chasseurs, die dahinter auf den Pferden warten. Teniente Calazon, nehmen Sie eine Gruppe und kümmern Sie sich um die Chasseurs am Wall, wenn wir darüber hinweg sind.“

Mellendez reckte den blanken Degen vor. „Für Ferdinand von Spanien und die Heilige katholische Kirche.“

Er trieb sein Pferd auf den Wall zu und die Männer folgten ohne Zögern. Der hinter seinem Pferd kauernde Cazador der Vorhut erhob sich, zog sein Pferd hoch, um aufzusitzen und sich der angreifenden Truppe anzuschließen. Drei oder vier französische Karabiner wurden instinktiv und wirkungslos abgefeuert, als der Hornist der Cazadores das aufpeitschende Signal zum Angriff blies, aber die meisten Chasseurs waren erfahren genug, ihr Feuer zurückzuhalten, bis die Angreifer in Reichweite waren. Mellendez fühlte das aufputschende Adrenalin, welches ihn immer erfüllte, wenn er mit blanker Klinge einem Feind entgegen ritt. Die französische Salve fiel, Mellendez spürte eine Bleikugel, die an seinem Kopf vorbei pfiff, hörte irgendwo den Aufschrei eines Mannes und das schmerzerfüllte Wiehern eines Pferdes.

Die Pferde überbrückten die Distanz in Sekunden und den Chasseurs blieb nur Zeit für diese eine Salve. Mellendez bemerkte ungläubig, dass einige der Soldaten mit den merkwürdigen Zöpfen tatsächlich versuchten, die Waffen nachzuladen. Narren, die hätten wissen müssen, dass dies niemals rechtzeitig gelang. Die Mehrzahl der Chasseurs ließ jedoch die Karabiner achtlos fallen und zog die leicht gekrümmten Säbel.

Pferde setzten über den niedrigen Wall, Klingen zischten herab oder wurden zur Abwehr erhoben. Mellendez genoss den kurzen Ruck, mit dem er seinen Degen aus der Brust eines Chasseurs frei bekam und seine Blicke waren längst bei der Hauptmacht der Chasseurs, die kaum hundert Meter entfernt in zwei Linien angetreten war und nun die Pferde antrieb.

Er hörte Geräusche hinter sich. Flüche, das Klirren von Metall auf Metall oder Stein, das seltsame Schmatzen, mit dem Stahl sich aus menschlichem Fleisch löste, das Seufzen und Flehen verwundeter oder sterbender Soldaten. Französischer Soldaten, denn dieser Wall war einfach lächerlich und kein Hindernis für seine Männer.

Er hörte den Hufschlag hinter sich und den fordernden Klang der Trompete. Seine Männer schlossen zu ihm auf, formierten sich im Galopp zur Linie. Der Hornist mit seiner reich verzierten Uniform schob sich an Mellendez Seite. Der Klang der Trompete war im vollen Ritt ein wenig abgehackt, nicht so elegant, aber er peitschte die Rotuniformierten Cazadores den Chasseurs entgegen.

Männer und Pferde prallten aufeinander. Mellendez hörte das angestrengte Grunzen eines französischen Chasseurs mit dem Streifen eines Feldwebels am Arm, der versuchte, die spanische Klinge abzuwehren. Mellendez parierte, ließ seine Klinge an der des Franzosen entlang gleiten, drückte diese zur Seite und stieß die eigene in die Achselhöhle des Chasseurs. Er ignorierte den erstaunten Ausdruck im Gesicht des Sterbenden, befreite seine blutbeschmierte Klinge und trieb das Pferd gegen einen anderen Reiter.

Um ihn herum schrieen Männer und fluchten. Mellendez tötete einen französischen Offizier, beobachtete dabei seine Cazadores. Ihr Säbeldrill war makellos. Obwohl die Franzosen fast doppelt so stark wie die Spanier waren, setzten die spanischen Klingen ihnen auf furchtbare Weise zu. Die Cazadores kämpften mit heiligem Zorn, der Hand Gottes und dem Bewusstsein, das sie siegen mussten und so siegten sie.

Irgendwo blies ein französisches Horn zum Rückzug und von den 150 Chasseurs blieben kaum Sechzig im Sattel, die seinem Ruf folgen konnten.

„Sammeln und formieren!“, rief Mellendez seinem Hornisten zu und das Signal rief die über den Kampfplatz verstreuten Männer zusammen. Sicher hätten sie nun gerne die Toten geplündert und die Wertsachen an sich genommen, so war es Soldatenbrauch seit Menschengedenken, aber Mellendez konnte ihnen diese Zeit nicht zugestehen. Er sah, wie die verbliebenen vierzig Reiter seiner Gruppe sich erneut formierten, während die Maultiere mit der kostbaren Fracht aus der Schlucht strömten.

„Schützt die Fracht!“, rief er den Männern zu. „Bleibt bei ihr und schützt die Fracht.“

Er selbst trieb sein Pferd in die Schlucht zurück, dorthin, wo erneut Schüsse zu hören waren. Viel mehr Schüsse als zuvor und er wusste, dass der zweite Trupp Chasseurs sie eingeholt hatte und nun mit der anderen Hälfte seiner Männer kämpfte.

Am Wall knieten Cazadores zwischen toten Chasseurs. Ihre Karabiner knallten, wenn die Männer ein Erfolgversprechendes Ziel fanden. Vor ihnen wirbelten Pferde und Männer durcheinander. Die roten Uniformen spanischer Cazadores und die grünen Uniformen französischer Chasseurs. Viel mehr Grün als Rot und der Oberst zögerte keine Sekunde, sich in das Getümmel zu werfen. Allein die Übermacht auf engstem Raum drohte seine Männer zu überwältigen, die sich in der engen Schlucht gleich mehrerer Gegner erwehren mussten.

Erneut hörte Mellendez die Trompete. Plötzlich war der Hornist an seiner rechten Seite. Dann war der brave Calazon an seiner Linken. Sie hackten und stießen um sich. Der Kampf wurde zu einer Abfolge sekundenschneller Eindrücke. Einem Cazador und einem Chasseur, die sich gegenseitig aufgespießt hatten und fast gleichzeitig aus den Sätteln sanken. Einem Franzosen, dessen Helm gespalten war und der mit blutüberströmtem Gesicht schreiend vom Pferd sank. Einem Mann, dem der wuchtige Hieb eines Säbels das Bein vom Oberschenkel hackte und der dennoch auf den Gegner einhieb. Eine Orgie aus Blut und Schmerz, aus Verzweiflung und Heldenmut, in der es nun nicht mehr um höhere Ziele, sondern um das nackte Überleben ging.

Ein Säbel hieb ein Büschel aus dem Rosshaarschweif von Mellendez Helm, eine andere Klinge fetzte durch seine rote Jacke, ohne dass er eine Verletzung gespürt hätte, doch das mochte später folgen, wenn der Adrenalinstoß nachließ und der Schmerz einsetzte. Ein Säbel stieß harmlos zwischen seinem Arm und Oberkörper hindurch und das Gesicht des Reiters verwandelte sich in eine Fratze des Schmerzes, als Mellendez Klinge durch den aufgerissenen Mund des Mannes in dessen Hirn stieß. Der von Pferdehufen aufgewirbelte Staub schränkte die Sicht ein und nach wenigen Metern drangen nur noch die Geräusche des Tötens durch den Schleier.

Dann, mit einem Mal, war es vorbei.

So unerwartet, dass Colonello Mellendez sich verwirrt umsah, als kein weiterer Gegner auf ihn eindrang. Keuchend saß er auf seinem Pferd und sein Arm sank nach unten, schien ihm seltsam kraftlos, während er sich umsah. Der Hornist war noch immer neben ihm. Seine golden schimmernde Trompete war nun staubbedeckt und wies eine mächtige Beule auf, wo der Soldat sie an den Schädel eines Feindes geschlagen hatte. Die gelbe Jacke des Hornisten, mit den zahlreichen goldenen Schnüren und Winkeln des Musikers, war blutbefleckt und aufgerissen, Knöpfe fehlten und aus dem Ärmel hing das Innenfutter. Am Schenkel des Mannes klaffte ein blutiger Riss, denn der Reiter ignorierte.

Der Staub hing in der Luft und Mellendez sah einige seiner Männer. Am Boden oder beritten, doch die Männer am Boden waren weit zahlreicher. Stöhnen und Weinen war zu hören, eine Stimme, die verzweifelt nach der Mutter rief, um dann kläglich zu verstummen. Mellendez versuchte zu lächeln und spürte dabei eingetrocknetes Blut, das in sein Gesicht gespritzt war und nun einriss. Er wollte dem Hornisten einen Befehl geben, doch die Stimme versagte und er musste mehrmals schlucken und sich räuspern.

„Blas zum Sammeln“, krächzte er schließlich. Die wenigen Worte ließen ihm die Kehle wund erscheinen. Er tastete nach der tönernen Wasserflasche, die an seinem Sattel befestigt war, doch nur noch der Flaschenhals hing an dem ledernen Riemen. Der Trompeter reichte ihm die seine und der Colonello trank einen Schluck um die Kehle zu befeuchten und spuckte Staub aus. Dankbar nickte er dem Mann zu.

Der Staub begann sich nun zu legen und das Signal zum Sammeln hallte durch die Schlucht.

„Versorgt die Verwundeten“, befahl der Colonello. „Wer reiten kann, kommt mit.“

Was mit den anderen geschah, brauchte niemand zu erwähnen. Sie waren der Gnade des Feindes ausgeliefert und Mellendez hoffte, dass diese Gnade nach dem heftigen Kampf groß genug war, um die Verwundeten zu pflegen oder sie zumindest rasch von ihren Qualen zu erlösen. Er hatte einmal hilflos mit anhören müssen, wie man einen Verwundeten zu Tode quälte und er schämte sich noch immer dafür, dass es ein französischer Soldat gewesen war, der unter spanischen Klingen gelitten hatte.

Der Oberst stieß ein leises Ächzen aus, als er Calazon erkannte. Sein Unterführer und Freund saß zusammengekrümmt auf seinem Pferd, die abgebrochene Klinge eines französischen Säbels ragte aus seinem Rücken. Als Mellendez sein Pferd hinüber trieb erkannte er, dass der Stumpf der Klinge vorne zwischen Calazon´s Fingern heraus ragte. Calazon litt Schmerzen und der Blick seiner Augen war trübe, als er seinen Freund und Befehlshaber ansah.

„Es tut gut, dich noch einmal zu sehen, mein Freund“, sagte der Teniente mit gepresst klingender Stimme. Sein Pferd bewegte sich und der Leutnant stöhnte schmerzerfüllt auf. „Ist es den Preis wert? All unsere Männer?“

Mellendez sah auf die Toten, Verwundeten und Sterbenden.

„Der Preis ist Spaniens Zukunft.“

Calazon lächelte verzerrt. „Dann werden wir ihn zahlen.“

Die Augen des Teniente weiteten sich und wurden unvermittelt starr. Mellendez wusste, dass er tot war, beugte sich hastig vor, um den Fall des toten Körpers zu verhindern, aber Calazon entglitt seinem Griff.

Der Hornist trabte heran, in Begleitung von Capitan Salerno, dem Führer des Packzuges. Salerno bekreuzigte sich hastig, während der Trompeter auf den Toten hinunter sah. „Er hat uns vor der Schlucht noch einmal gegen die überlebenden Chasseurs geführt, Colonello, als diese sich sammeln wollten. So flohen sie endgültig und wir konnten Ihnen zu Hilfe kommen, ohne den Packzug zu gefährden.“

Mellendez bekreuzigte sich und sah auf seine Männer, die einige Verwundete versorgten und auf die Pferde hoben. Sargente Carrado, der Hauptfeldwebel der Cazadores, kam zu ihnen herüber. „Zehn von uns und einige der Franzosen sind zu schwer verwundet.“

„Gebt ihnen Decken, Brot und Wasser“, befahl Mellendez leise. „Wir müssen sie der Gnade Gottes und der Franzosen überlassen. Was bleibt uns, Sargente?“

„Vierzig Mann und die Führer der Maultiere“, erwiderte Sargente Carrado heiser.

Die Rechnung des Schlachters war hoch und brutal. Fast 110 Männer hatte Mellendez verloren und die Verluste der Franzosen mussten mehr als doppelt so hoch sein. Doch die Franzosen würden rasch Verstärkungen nachführen können. Verstärkungen, die ihm und seinen Cazadores fehlten. Es war ein schrecklicher Sieg, der niemanden erfreuen konnte.

„Wir müssen weiter, Don Luis“, drängte Capitan Salerno. „Die Froschfresser werden bald Verstärkung erhalten.“

Mellendez stieß die Luft schnaubend aus und nickte. „Es bleibt keine Zeit, die Toten zu bestatten. Capitan Salerno, Sie führen die Kolonne auf den Weg nach Andajoz.“

Der Capitan runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht. Was ist mit Ihnen, Colonello?“

„Ich werde in einigen Minuten folgen. Gehen Sie, Capitan, Sie haben ihre Befehle.“

Capitan Salerno schien etwas erwidern zu wollen, doch dann tippte er an seinen Helm und rief den Männern seine Befehle zu. Mellendez nickte seinem Trompeter zu. „Reiten Sie, mein Freund. Ich folge gleich.“

Es blieb keine Zeit, die Toten zu bestatten, doch Mellendez wollte seinem Freund einen letzten Dienst erweisen. Während die anderen an ihm vorbeizogen und einige der zurückgelassenen Verwundeten ihm zusahen, kniete er sich neben Teniente Calazon. Sorgfältig zog er die Beine des Toten gerade, faltete seine Hände und legte den Degen an die Seite des Freundes. Dann kniete er sich zu Boden und empfahl Calazon´s Seele der Gnade des Herrn.

Minuten später grüßte er die zurückbleibenden Verwundeten mit stummem Salut, dann preschte er hinter der kleinen Kolonne von Cazadores und Maultieren her. Nun waren sie wirklich auf der Flucht, denn sie würden nicht die Kraft haben, sich erneut dem Feind zu stellen. Was ihnen blieb, das war die Hoffnung, die römische Brücke über den Fluss Alón zu erreichen. Die Brücke bei Andajoz.

Velasquita

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