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Kapitel 10 Der Anschlag
ОглавлениеSicherheitszentrale des Nachrichtendienstes, Deck 310, Sky-Base Arcturus
Im Direktorat der Menschheit unterlag das Militär der strikten Kontrolle des hohen Rates und stand im Blickfeld der Medien. Das galt besonders für Zeiten, in denen das Direktorat bedroht war. Natürlich informierten die Streitkräfte nicht über jede laufende Operation, doch die Öffentlichkeit wurde immer wieder – zumindest nachträglich – aufgeklärt, in welche Ereignisse Navy oder Cavalry verwickelt waren. Dies war erforderlich, um die Akzeptanz der Truppen und Schiffe und weiterhin die mehrheitliche Unterstützung durch die besiedelten Welten zu erhalten.
Der Tarn-Landungskreuzer D.S. Blackwing war daher immer wieder in den Medien erschienen und fast jeder im Direktorat kannte die Rolle, die er zum Beispiel bei der Vernichtung der Raumwerft Tensa gespielt hatte. Für die Menschen war es wichtig zu wissen, dass man auf der Bühne der Galaxis zwar keine bedeutende Rolle innehaben mochte, aber keineswegs hilflos oder rückständig war.
So war es selbstverständlich, dass Touristen und Besucher der Sky-Base Arcturus immer wieder ihr Interesse an dem bislang einzigartigen Schiff zeigten. So ungewöhnlich dies für Zeiten des Krieges auch sein mochte, so waren die Menschen nicht gewillt, auf ihr gewohntes Leben und Vergnügen zu verzichten. Trotz der potenziell drohenden Gefahren waren Kreuzfahrtschiffe unterwegs, die ihren Gästen auf verschiedenen Touren die großen und kleinen Wunder der Galaxis versprachen. Sky-Base Arcturus, als Hauptliegeplatz der Sky-Navy und Sitz des High-Command, war zu einem festen Bestandteil der meisten Touristikangebote geworden. Ein Besuch der Blackwing, oder doch zumindest ein Blick auf sie, gehörte zu den Highlights, auch wenn es keine Führungen an Bord gab.
In den Touristikführern wurden die prinzipiellen Möglichkeiten des Schiffes angegeben, doch das wahre Leistungspotenzial blieb ein Geheimnis. Inzwischen war es wieder einsatzbereit und wartete auf neue Befehle. Für die Tourguides der Besuchergruppen bedeutete dies, dass am Innentor des Werfthangars 3 Halt war und dieses sogar oft genug verschlossen blieb, um die Ereignisse in seinem Inneren zu verbergen. Zwei Trooper in der einteiligen Dienstuniform und mit leichter Bewaffnung achteten höflich und bestimmt darauf, dass alle Vorschriften eingehalten wurden.
An diesem Tag hatte das Kreuzfahrtschiff My Starship 4 angelegt und einige Hundert Touristen schwärmten über jene Bereiche der Basis aus, die für Besucher freigegeben waren. sowohl für die Ordnungskräfte als auch die Männer und Frauen des Nachrichtendienstes der Streitkräfte bedeutete dies stete Aufmerksamkeit. Die internen Beobachtungsmittel und Sicherheitseinrichtungen der Basis halfen dabei, die „Horde aufgeschreckter Hühner“, wie Major Saundra Schwertfeger, die Leiterin des Nachrichtendienstes auf Arcturus, zu sagen pflegte, im Auge zu behalten.
Da sich die Besucher nicht in sicherheitsrelevanten Bereichen bewegen durften, wurden sie nur den üblichen Scans unterzogen. Die Geräte zeigten keine Waffen oder potenziell gefährlichen Objekte oder Substanzen. Die Touristen erhielten die üblichen Gästeausweise und die strikte Auflage, sich nicht von den Gruppen ihrer Tourguides zu entfernen. Diese Gruppen waren zwischen sieben und dreißig Personen stark und Major Schwertfeger konnte nicht mehr als zwei ihrer Sicherheitskräfte für jede von ihnen abstellen.
„Ich bin froh, wenn die wilde Horde weiterzieht“, sagte sie zu einem ihrer Controller in der internen Sicherheitszentrale, die unweit des High-Command lag. Vierzig Männer und Frauen überwachten hier pro Schicht die Vorgänge innerhalb der Basis.
Der Controller lachte. „Ist die eine Horde vorüber, erscheint schon die nächste am Horizont. Wenigstens ist nicht so viel los, wie vor den Angriffen der Negaruyen. Ein paar Touristen scheinen die Überfälle doch abgeschreckt zu haben.“
„Ich habe gelesen, dass das Touristik-Unternehmen ‚My Starship‘ mächtig Druck auf den hohen Rat ausübt und verlangt, dass man Eskorten für seine Kreuzfahrtschiffe abstellt“, meldete sich ein anderer zu Wort. „Als hätte die Navy nichts Besseres zu tun.“
„Ja, habe ich auch gehört“, gab der Major zu. „Glücklicherweise hat man diesen Blödsinn abgeschmettert. Die Navy ist ja kaum in der Lage, die normalen Patrouillen aufrechtzuerhalten, geschweige denn, solche unsinnigen Sonderaufträge zu erfüllen.“
„Ohne die vielen Langstrecken-FLVs, die als Patrouillenboote im Dienst sind, wären wir ganz aufgeschmissen“, schaltete sich ein weiblicher Controller ein. „He, Major, ist was dran an dem Gerücht, dass man einige Boote außer Dienst stellen will? Ich meine, gerade jetzt, wo wir sie doch so dringend brauchen?“
„Der Hoch-Admiral hat das Thema bei unserer letzten Morgenbesprechung erwähnt“, bestätigte Saundra. „Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee. Jeder weiß ja, dass wir knapp an Hiromata-Kristall sind. Der Admiral will die Nullzeit-Antriebe einiger Dutzend Long-Range-FLVs ausschlachten und deren Kristalle für den Bau neuer Nullzeit-Scanner verwenden.“
Die anderen nickten beifällig. „Mit Nullzeit-Scannern bekommen wir eine bessere Raumüberwachung als mit herumfliegenden Schiffen, die nur die langsamen Cherkov-Scanner einsetzen können.“
„Not macht erfinderisch“, brummte der weibliche Controller. Plötzlich zuckte sie zusammen und an ihrer Konsole blinkte ein rotes Licht, während ein heller Summer ertönte. „He, verdammt, was ist da los?“
Saundra Schwertfeger war sofort alarmiert. „Wo?“
„Im Hangar 310-03. Da, wo die Blackwing steht.“
Werfthangar 3, Deck 310, Sky-Base Arcturus
Die junge Frau schien sich eifrig Notizen zu machen, während sie dem Tourguide lauschte. Sie tat es nicht mit dem üblichen tragbaren Mini-Comp am Handgelenk, sondern auf die altmodische Art, indem sie einen Schreibstift und einen Block aus echtem Papier benutzte. In letzter Zeit war „retro“ wieder groß im kommen und dank der vielen besiedelten Welten und vorhandenen Wälder, war Holz erneut zu einem nachhaltigen und preiswerten Rohstoff geworden.
Die Gruppe stand im offenen Innenschott des Werfthangars und lauschte den Erklärungen des Führers. Die beiden Wachen warfen nur gelegentlich einen Blick auf die Männer und Frauen, schienen jedoch wachsam.
Dennoch wurden alle überrascht, als die junge Frau den Stift auf die beiden Posten richtete. Zwei 3-Millimeter-Sprengranaten wurden vom Federmechanismus ausgestoßen und töteten die Wachen. Gewebeteile, Blut und Splitter fegten umher und trafen einige der Umstehenden, die schockiert aufschrien.
Die junge Frau war bereits in Bewegung. In einem rekordverdächtigen Sprint rannte sie in den Hangar hinein, wo die Arbeiter und wenigen Besatzungsmitglieder der Blackwing nun erst realisierten, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging.
Während die meisten ratlos dastanden und sich umsahen, fiel die Frau aufgrund ihres raschen Laufes auf.
„Aufhalten!“, rief ein Besatzungsmitglied des Kreuzers, der sie als Bedrohung identifizierte. „Haltet die Frau da auf!“
Der Mann setzte sich selbst in Bewegung und einige andere folgten nun halbherzig, unsicher, ob sie das Richtige taten.
Eine der kleinen Granaten zerfetzte die Brust des herbeieilenden Besatzungsmitgliedes, eine weitere verwundete einen Schweißer, der mit flammendem Gerät auf die Frau zueilte.
Hoch-Ingenieur Penders stand auf einer der letzten Arbeitsbühnen, die noch nicht zurückgefahren waren und kontrollierte gerade mit einem Messgerät die Fugen des neuen Wabenschirms der Blackwing. Die Arbeiten waren äußerst schwierig gewesen, da die Tarnfähigkeit nicht durch den neuen Schutz beeinträchtigt werden durfte.
Penders sah die junge Frau näherkommen und beugte sich vor. Niemand brauchte ihm noch zu erklären, was da auf ihn zukam.
„Legt sie um!“, brüllte er in aufkeimender Panik. „Legt dieses Miststück um!“
Mit großen Augen beobachtete er, wie sie den Stift nun in den Notizblock steckte und dann irgendetwas machte, was er nicht deuten konnte. Doch als sie schwungvoll ausholte und beides in seine Richtung warf, hechtete er mit einem verzweifelten Sprung zur Seite.
Vom Innenschott war das grelle Pfeifen von Hyperschall-Projektilen zu hören, die das Leben der Frau beendeten, doch es war zu spät.
Notizblock und Stift trafen auf die Oberseite der Blackwing, ein Stück hinter dem Sockel, auf dem der dreißig Meter durchmessende Diskus des Nullzeit-Scanners montiert war.
Eine donnernde Explosion erfolgte.
Der Diskus des kostbaren 300-Lichtjahre-Scanners wurde angehoben und zur Seite geworfen. Teile seiner Außenhülle wurden abgesprengt, eine Stichflamme schlug aus dem Inneren hervor. Der Sockel wurde eingedrückt, eine Handvoll Wabenfelder des neuen Schutzsystems zersprang unter dem enormen Druck.
Penders hatte unglaubliches Glück. Die Druckwelle schleuderte ihn über die Oberfläche des Kreuzers und der Aufprall gegen einen ausgefahrenen Gefechtsturm bewahrte ihn vor einem Sturz in die Tiefe. Mit schmerzverzerrtem Gesicht gegen die Bewusstlosigkeit ankämpfend, nahm er kaum wahr, wie unter ihm Sicherheitskräfte und Rettungsteams eintrafen. Dann sprang ein Sky-Trooper im Kampfanzug auf die Blackwing und nutzte die bionische Verstärkung, um Penders auf die Arme zu nehmen und ihn am Boden schonend und sicher in die Hände eines Medo-Teams zu übergeben.
Kaum eine halbe Stunde später standen Major Schwertfeger, die beiden Hoch-Offiziere und Hoch-Koordinatorin Candice Bergner im Hangar und versuchten, sich einen Überblick über das Ausmaß der Schäden zu machen.
„Bei Manitu, Schwertfeger, wie konnte das geschehen?“, fragte der erboste Hoch-Admiral. „Wie ist es dieser Frau gelungen, die Blackwing dermaßen zu beschädigen?“
Commodore Faso hatte die Leiche gemeinsam mit einem Arzt des Medo-Teams flüchtig untersucht und kam nun heran. „Der Tourguide berichtete mir von Schreibstift und Notizblock der Frau. Können Sie sich noch daran erinnern, wie sich die Negaruyen in den Besitz des Händlerschiffes Juliette Beecher brachten?“
Die Augen des Hoch-Generals verengten sich. „Bei Allah, reden wir hier von einer Infiltratorin der Negaruyen?“
Faso nickte. „Sieht mir ganz danach aus. Wir wissen, dass zu deren Agentenausrüstung auch Schreibstifte gehören, die über einen Federmechanismus verfügen und mit denen man kleine Sprenggranaten verschießen kann.“
Die beiden Hoch-Offiziere und Major Schwertfeger schlossen sich dem Commodore an, der sie zu der Toten führte. Der Arzt des Notfallteams beendete gerade einige Untersuchungen und löste die Sensoren seines Gerätes.
„Nun, Doc, was können Sie uns sagen? Ist das nun ein Mensch oder tatsächlich ein Negaruyen?“
„Wir müssen noch einen Tiefen-Scan durchführen, um die DNA aufzuschlüsseln, aber ich bin mir eigentlich sicher, dass wir es hier mit einem Menschen zu tun haben.“
„Das kann nicht sein“, knurrte ibn Fahed. „Es muss eine genetisch veränderte Negaruyen sein.“
Faso schüttelte den Kopf. „Keineswegs, Sir. Wir wissen längst, dass es auch echte Menschen gibt, die mit den Negaruyen zusammenarbeiten. Aus welchen Gründen auch immer. Es gibt immer Unzufriedene, die das Direktorat hassen, oder andere, die sich mit Credits locken lassen.“
„Zu einem Selbstmordanschlag?“, zweifelte ibn Fahed. „Der Frau musste doch bewusst sein, dass sie den Anschlag nicht überlebt.“
„Es gab zu allen Seiten Fanatiker, die sich durch den eigenen Tod nicht abschrecken ließen“, murmelte John Redfeather. „Es gibt sogar die Möglichkeit, dass man die Frau zu der Tat gezwungen hat, in dem man beispielsweise ihr Kind entführt und als Druckmittel benutzt hat.“
„Ich werde der Sache nachgehen, Sir“, versicherte Saundra Schwertfeger. „Tut mir leid, ich habe versagt. Ich hätte damit rechnen müssen, dass es auch Menschen gibt, die sich freiwillig der Sache der Negaruyen anschließen.“
„Oder die ihr eigenes Süppchen kochen“, wandte ibn Fahed ein. „Vielleicht hatte sie gar nichts mit den Negaruyen zu tun.“
„Hatte sie.“ Faso blickte zum Kreuzer zurück. „Dieser Stift ist wohl ein eindeutiger Hinweis darauf. Und ihr Angriff galt definitiv der Blackwing.“
„Grundgütiger“, ächzte Saundra. „War das ein gezielter Anschlag, weil sie in Erfahrung gebracht haben, dass wir im Besitz der Karten sind?“
„Ich hoffe nicht. Aber immerhin wissen die Negaruyen sehr genau, dass die Blackwing unser einziges Tarnschiff ist und welche Bedeutung es für uns hat. Nicht nur wegen der Tarnfähigkeit, sondern auch wegen des 300-Lichtjahr-Scanners. Eines von zwei Exemplaren und das ist nun hin.“ John Redfeather seufzte vernehmlich. „Damit haben wir unser stärkstes Aufklärungsmittel eingebüßt.“
„Das ist nicht unbedingt gesagt, Sir.“ Faso deutete zur Hoch-Koordinatorin, die mit einigen Technikern auf der Oberseite des Schiffes stand. „Professor Bergner winkt. Sie scheint mit uns sprechen zu wollen.“
Sie fuhren mit einer Hebebühne zur Rumpfoberseite hinauf. Gerade wurden ein paar Flammen mit einem Feuerlöscher erstickt, die aus einer der Waben schlugen. Aus dem aufgerissenen Langstrecken-Scanner stieg etwas Rauch auf, was einen Techniker mit Atemschutz nicht daran hinderte, halb in das Gerät hineinzukriechen. Sein Funkgerät war mit dem Headset verbunden, welches die Hoch-Koordinatorin angelegt hatte.
„Nun, Candice, wie steht es?“
„In meinem offiziellen Bericht wird stehen, dass der Scanner ein Totalschaden ist und die Blackwing für Monate ausfällt.“
John Redfeather und ibn Fahed wurden bleich, doch Faso grinste auf unverschämt wirkende Weise. „Und wie lautet der inoffizielle Bericht?“
„Das wir eine Menge Glück gehabt haben“, antwortete sie sichtlich zufrieden. „Okay, die Schüssel des Scanners ist Schrott, aber Kristalle und Tetronik blieben unbeschädigt. Nun, ein paar der Tetronik-Platinen wurden natürlich in Mitleidenschaft gezogen, aber die können wir ersetzen. Und die Schüssel ist kein Problem. Zufällig weiß ich, dass man bei Mars Military Industries bereits einen dritten Scanner diesen Typs fertiggestellt hat. Dem fehlen nur noch die Hiromata-Kristalle. Ich schlage vor, die Schüssel des neuen Scanners zu verwenden und die Innenteile von dem hier einzubauen. Die sind nämlich schon kalibriert und das erspart uns eine Menge Arbeit. Wir müssen ein paar Reparaturen am Tarnsystem und den Waben vornehmen, doch das ist schnell erledigt.“
„Wann ist die Blackwing wieder einsatzbereit?“
„Kommt darauf an“, antwortete sie lächelnd. „Hier wird es sicher vier Wochen dauern. In der Orbitalwerft von Hollmann Constructions wahrscheinlich nur eine.“
„Dann geht die Blackwing zum Mars“, entschied John prompt.
„Sir, wenn ich einen Vorschlag machen darf?“, meldete sich Saundra Schwertfeger zu Wort. „Wir sollten geheim halten, wie schnell das Schiff wieder klar ist. Wir sollten tatsächlich einen offiziellen Bericht der Hoch-Koordinatorin durchsickern lassen, der den Feind in Sicherheit wiegt und aussagt, dass wir die Blackwing für Monate nicht einsetzen können. Und wir sollten ebenso ihren späteren Abflug vom Mars geheim halten.“
Der Hoch-Admiral nickte. „Das ist wohl das Beste. Ich möchte nicht, dass unsere Feinde es nochmals versuchen und dann vielleicht sogar noch mehr Erfolg haben.“