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Kapitel 8

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Aus dem vorderen Innenhof der Burg von Eternas drang fröhliches Geschrei. Dort stand ein achteckiger Brunnen mit einer Pferdestatue, aus deren Maul Wasser plätscherte, und die kleine Neliana machte sich einen Spaß daraus, mit den Händen gegen den Wasserstrahl anzukämpfen. Pferdefürst Nedeam hörte die Laute kaum, denn seine Aufmerksamkeit galt wieder einmal den Listen und Büchern, die das Leben des Pferdevolkes dokumentierten.

Fangschlag lehnte entspannt neben der Tür, die ins Treppenhaus führte, an der Wand. Er vertraute seine imposante Erscheinung und sein beträchtliches Gewicht nur selten einem Stuhl des Pferdevolkes an. Aus gutem Grund, denn wenn er sich nicht sehr behutsam setzte, konnte ein solches Möbel leicht nachgeben. In Nedeams Amtsraum trug man dem Rechnung. Dort stand ein Sitzmöbel, welches den Anforderungen eines wahren Rundohrs gerecht wurde. Dennoch bevorzugte Fangschlag es meist, mit leicht gespreizten Beinen zu stehen.

Der Ork war mit einigen Schwertmännern am Südpass gewesen und hatte die dortige Befestigung inspiziert. Nun sah er zu, wie Nedeam rechnete und seine Eintragungen machte. Das gelegentliche Seufzen des Pferdelords zeigte dessen Unbehagen.

„Das ist nicht die Arbeit eines Kriegers“, sagte Fangschlag mitfühlend.

Nedeam hob den Kopf von einer Liste und sah ihn ernst an. „Im Gegenteil, Fangschlag, dies ist die Arbeit eines Kriegers.“

„Ein Krieger muss sich im Umgang mit Waffen üben.“

„Auch dies ist ein Kampf, mein Freund. Wenn auch mit Zahlen und um goldene Schüsselchen.“

„Dann ist es der Kampf eines Handelsherren.“

„Auch der eines Pferdefürsten.“ Nedeam legte die Schreibfeder zur Seite und lehnte sich zurück. „In einer Mark gibt es viele Dinge zu regeln, die der Aufmerksamkeit ihres Fürsten bedürfen. Das meiste hat mit der Sicherheit ihrer Bewohner zu tun. Du weißt ja, dass der Pferdefürst die ständige Wache der Schwertmänner unterhält. Männer und Pferde müssen versorgt und ausgerüstet werden. Da sie keine andere Arbeit verrichten können, denn sie müssen ja Streife reiten und die Grenzen sichern, bringen die anderen Bewohner der Mark die notwendigen Kosten auf. Als Pferdefürst Garodem die Hochmark gegründet hat, verfügte er nur über fünfzig Kämpfer. Jetzt bringen wir schon acht Beritte in den Sattel, und der neunte wird schon bald folgen.“

Fangschlag nickte. „Garodem war ein guter Krieger und ein ehrenhafter Kämpfer.“

„Ja, das war er.“ Nedeam blickte unbewusst nach Osten, wo das Grab des einstigen Pferdefürsten lag. „Nun, ich brauche goldene Schüsselchen, damit all die Schwertmänner versorgt sind, und ich brauche ebenso goldene Schüsselchen zum Auffüllen der Vorratshäuser, zur Ausbesserung der Handelsstraßen und für viele andere Dinge. Wer im Pferdevolk nicht kämpft und nicht zu den Pferdelords gehört, der leistet seinen Beitrag, indem er einen Teil dessen, was er erwirtschaftet, an mich abgibt. In Form von Waren oder von goldenen Schüsselchen. Manche sind davon befreit.“

Nedeam erhob sich hinter dem Schreibtisch und trat an eines der Fenster, um über die Stadt zu blicken. „Nimm zum Beispiel ein kleines Gehöft, welches von einer Familie betrieben wird. Vielleicht hält man dort Hornvieh, vielleicht Schafe oder man züchtet Pferde. Die meisten Männer auf diesen Gehöften gehören zu den Pferdelords. Sie folgen ihrem Eid und ziehen in den Kampf. Schon mancher kehrte nicht zurück und hinterließ Frau und Kinder. Dann ist es schwer, ein Gehöft zu führen und zu überleben.“

Fangschlag nickte. „Ich weiß. Das Leben von euch Menschen ist recht … kompliziert.“

„Nachbarn helfen einander“, sinnierte Nedeam, „und die Streifen meiner Schwertmänner halten nicht nur die Augen offen und die Waffen bereit, sondern sie flicken auch Dächer oder Zäune und helfen hin und wieder bei der Schur oder dem Auftrieb, wenn es nötig wird. Solchen Gehöften wird kein Anteil am Unterhalt der Mark abverlangt. Doch jene, denen es gut geht, haben ihre goldenen Schüsselchen zu entrichten.“ Der Pferdefürst wandte sich abrupt vom Fenster ab, und sein Unmut wurde erkennbar. „Früher war dies selbstverständlich, heute murrt so mancher, der in seinen persönlichen Beutel langen soll. Wer satt und zufrieden ist, vergisst rasch, in welcher Gefahr wir leben.“

Fangschlag kratzte sich und bleckte seine Fänge. „Kein Ork würde jemals vergessen, wozu er geworfen wurde. Jeder Ork weiß, dass sein Leben für den Kampf bestimmt ist. Nun, vielleicht von den kleinen Spitzohren abgesehen.“

„Ich weiß, du magst sie nicht.“

„Keiner mag sie“, versicherte das Rundohr. „Sie mögen sich nicht einmal selbst.“

Im Treppenhaus waren Geschrei und Gepolter zu vernehmen.

„Der Jungwurf“, kommentierte Fangschlag.

Nur Augenblicke später traten Llaranya und Neliana ein. Während sich die Elfin und Nedeam die Zeit nahmen, sich herzlich zu begrüßen, hatte das Mädchen längst das mächtige Rundohr erblickt und eilte freudestrahlend zu ihm. Neliana empfand keinerlei Frucht vor fremden Lebensformen, auch nicht, wenn es sich dabei um ein derart beeindruckendes Exemplar handelte. Ohne Zögern schlüpfte die Kleine unentwegt zwischen Fangschlags leicht gespreizten Beinen hindurch und umrundete dabei das linke. Der Ork bemühte sich sichtlich, eine halbwegs würdevolle Haltung zu bewahren.

Neliana war unzweifelhaft die Tochter eines Menschenmannes und einer Elfenfrau, und so unterschiedlich ihre Abstammung war, so verschieden waren gelegentlich auch die Ansichten ihrer Eltern.

„Sie ist ein Kind der Elfen und empfindet keinerlei Furcht“, sagte Llaranya mit stolzem Lächeln.

„Sie ist auch ein Kind des Pferdevolkes und sollte deshalb ein wenig mehr Respekt zeigen“, erwiderte Nedeam nach einem Blick in das unbewegt scheinende Gesicht des Kampfgefährten.

Die Elfin lachte leise und sah den Ork an. „Nun, Fangschlag, was meint Ihr dazu?“

Die Blicke des Rundohrs huschten zwischen dem Pferdefürsten und dessen Gemahlin hin und her. Inzwischen lebte er lange genug unter den Menschen, um zu erkennen, wie gefährlich die Beantwortung dieser einfach erscheinenden Frage sein konnte.

„Es ist gut, keine Furcht zu zeigen“, sagte er mit seiner kehligen Stimme. „Und es ist ebenso gut, Respekt zu bekunden.“

„Weise gesprochen wie ein Elf.“ Llaranya lachte erneut auf.

Fangschlag räusperte sich mit leisem Grollen. „Die Würfe der Menschenwesen werden mir immer ein Rätsel bleiben. Auch wenn ich inzwischen weiß, dass sich bei euch Menschen die Frauwesen und Mannwesen vereinigen müssen, um einen solchen Winzling hervorzubringen, so erscheint es mir doch immer noch sehr … unpraktisch.“

„Ich weiß.“ Nedeam setzte sich wieder und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Ihr Orks werdet schon ausgewachsen aus euren Schleimbeuteln geworfen und müsst nicht erst groß werden. Ihr seid es schon. Nun, wenigstens ihr Rundohren.“

Fangschlag nickte würdevoll und versuchte weiterhin, Nelianas Umkreisungen zu ignorieren. „Ist der Brutmeister der Bruthöhle zufrieden, so schickt er uns zum Waffenmeister, wo wir unsere Ausrüstung und Waffen erhalten. Nur zwei oder drei Monde der Übung, und wir sind fertige Legionäre. Von Anbeginn können wir laufen und sprechen. Wir müssen es nicht erst lernen.“ Er warf einen Blick auf Neliana, die dies bemerkte und ihn strahlend anlächelte. „Bei euren Würfen dauert dies viele Jahreswenden.“

„Neliana lernt sehr schnell“, wandte Llaranya ein und winkte das Mädchen zu sich. Fangschlags Erleichterung war offenkundig.

„Ja, das tut sie“, stimmte Nedeam zu. „Schneller als andere Kinder.“

„Sie ist eine halbe Elfin.“

„Wie könnte ich das vergessen?“, brummte Nedeam. „Du versäumst kaum eine Gelegenheit, dies zu erwähnen.“

Llaranya stutzte. Plötzlich nickte sie und trat zu Nedeam, um ihn sanft zu berühren. „Du weißt, dass ich keine Vorurteile gegen die Menschen hege. Du weißt, wie sehr ich dich liebe. Es mag sein, dass ich die Abstammung Nelianas ein wenig oft anspreche, doch ich tue dies nicht ohne Grund, mein Liebster. Sie wird schneller wachsen und schneller lernen als die anderen Kinder des Pferdevolkes, und das müssen wir berücksichtigen.“

„Wie meinst du das?“, fragte Nedeam irritiert.

„Dass wir nicht mehr lange zögern sollten, mit ihren Schulungen zu beginnen.“

„Sie ist erst zwei Jahreswenden alt“, knurrte der Pferdefürst.

„Je früher sie lernt, desto früher kann sie kämpfen“, meldete sich Fangschlag zu Wort. „Unsere Würfe beherrschen dies …“

„Misch dich da nicht ein“, meinte Nedeam verdrießlich. „Zudem ist unser Augenstern kein Wurf.“

„Ich weiß das“, führte Fangschlag unerschrocken aus. „Natürlich ist das für euren Jungwurf ein Nachteil und so …“

„Fangschlag!“

Dieser räusperte sich, während die Elfin ihm ein betörendes Lächeln schenkte. „Er hat dennoch Recht, Nedeam. Je früher sie lernt und die Waffenkunst übt, desto perfekter wird sie als Kriegerin sein.“

„Kriegerin?“ Nedeams Gesicht rötete sich. Er konnte sich seine süße Tochter kaum als blutrünstige Kämpferin vorstellen. Andererseits, wenn er die Kriegskunst ihrer Mutter bedachte … „Ich kann mich entsinnen, dass es bei den Elfen üblich ist, dass die Männer in den Krieg ziehen und nicht die Frauen. So wie es auch den Traditionen des Pferdevolkes entspricht.“

„Das mag für die elfischen Häuser des Waldes und jene der See gelten“, gab sie zu. „Ich hingegen bin vom Hause des Urbaums.“ Sie kraulte ihm sanft den Nacken, und die dortigen Härchen stellten sich unmerklich auf. „Als der Bannzauber der Grauen Wesen unsere Krieger traf, mussten wir Frauen das Waffenhandwerk beherrschen, und wir erlernten es gut. Du müsstest dies wissen, mein Liebster, denn ein gewisser Nedeam trug maßgeblich dazu bei, unser Haus des Urbaums aus dem bösartigen Bann zu befreien.“

„Sie ist erst zwei Jahreswenden …“

„Unsere Würfe …“, begann Fangschlag und wurde von Nedeam wütend unterbrochen.

„Hier geht es nicht um Würfe, sondern um Neliana, verdammt“, brüllte der Pferdefürst und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Sie soll ihr Kindsein genießen und wird wahrhaftig noch früh genug mit den Grausamkeiten des Lebens konfrontiert werden.“

Die aufflammende Wut des Vaters ängstigte das Mädchen, welches solche Ausbrüche kaum kannte. Tränen flossen über ihr Gesicht.

„Da hast du es“, sagte Llaranya ärgerlich. „Du hast sie erschreckt.“

Fangschlag öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und Nedeam sah ihn drohend an. „Keinen Laut, keinen Mucks, Fangschlag. Das hier ist ein Menschending.“

Das Rundohr nickte. „Ich, äh, habe sicher noch etwas Bedeutsames zu erledigen.“

„Davon bin ich fest überzeugt“, stimmte der Pferdefürst zu.

Der Ork verließ hastig das Arbeitszimmer, und Neliana beruhigte sich wieder, als ihr die Eltern gleichermaßen Trost spendeten.

Nedeam vermied es, das Thema wieder aufzunehmen. Er kannte Llaranya gut genug, um zu wissen, dass sie von ihrer Meinung nicht abrücken würde. Die Aussicht, dass seine Tochter die Waffenkunst erlernen sollte, behagte ihm in keiner Weise, auch wenn er eingestehen musste, dass Llaranyas Fähigkeiten schon gelegentlich sehr hilfreich gewesen waren.

Die Elfin schien seine Gedanken zu erraten. „Sie soll nicht gleich das Schwert schwingen, Liebster. Doch es kann nicht schaden, wenn sie damit umzugehen weiß.“

Kräftiges Pochen war an der Tür zu hören, und als sie aufschwang, standen Fangschlag und die Ehrenwache dahinter.

Das Rundohr sah Nedeams Gesichtsausdruck und machte eine beschwichtigende Geste. „Es geht nicht um euren Jungwurf“, sagte er rasch. „Die Hochmark hat einen unerwarteten Gast. Einen hohen Gast, wie ich meine.“

Hinter den beiden wurde eine dritte Gestalt sichtbar.

Nedeams Augen weiteten sich. „Marnalf.“


Die Pferdelords 11 - Die Schmieden von Rumak

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