Читать книгу Die Pferdelords 11 - Die Schmieden von Rumak - Michael Schenk - Страница 7

Kapitel 5

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Das menschliche Königreich von Alnoa war bedeutend größer als die Marken des Pferdevolkes und um einiges älter. Ebenso von mächtigen Gebirgen geschützt, die nur an wenigen Pässen für den Feind begehbar waren, hatte sich das Königreich entwickelt und von vielen seiner alten Traditionen gelöst. Dampfmaschinen arbeiteten in den Fabriken der großen Städte, Dampf trieb die Schiffe an, und Dampfkanonen schützten die Wälle der Festungen. Der Handel blühte und brachte den Menschen Wohlstand und Bequemlichkeit. Seit das Pferdevolk den Seefrieden mit den Schwärmen der See vermittelt hatte, befuhren die Handelsschiffe wieder die Meere. Händler aus fernen Ländern, wie dem Menschenreich Telan, kamen in die Hafenstadt von Gendaneris oder sogar den Fluss Genda hinauf bis zur Hauptstadt Alneris.

Die Hauptstadt des Königreiches war sicherlich eine Besonderheit, denn sie war um einen Kratersee erbaut worden, der über den Genda direkte Verbindung mit dem Meer hatte. Vor vielen Jahrtausenden hatte dort ein beeindruckender Berg gestanden, dessen hoher Kegel das Land weit überragte. Dann hatten Beben die Erde erschüttert, und der hohe Berg war in einer Wolke aus Feuer und Asche verschwunden. Glühendes Gestein war seine Flanken hinabgeflossen, und das Land war für lange Zeit in Finsternis versunken, bis die Sonne erneut hervorbrach. Aus dem Bergkegel war ein großer Krater mit steil aufragenden Seiten geworden.

Wenn man sich ihm vom Land her näherte, sah er wie ein steiler Kegel aus, dessen Spitze man abgetrennt hatte. Das Gestein wies die verschiedensten Schattierungen von Schwarz über Grau bis Braun auf, war scharfkantig und stieg vom Fuß des Berges immer steiler an. Oben, auf dem Rand des Kraters, erhob sich in strahlendem Weiß das typische glatte Mauerwerk alnoischer Baukunst. Eine hohe und massive Wehrmauer, die sich um den gesamten Krater zog, unterbrochen von achteckigen Türmen mit Plattformen, auf denen schwere Dampfkanonen standen. Überragt wurde diese Anlage von dem gewaltigen Turm, der sich inmitten des Kratersees auf einer Insel erhob. In seiner enormen Größe wirkte er trotz seines Durchmessers schlank und filigran, unterbrochen von zierlich aussehenden Balkonen und Brüstungen, bis die Spitze des Turms in der Plattform endete, auf der sich die Signalstation befand.

Der Turm war umgeben von säulengetragenen Gebäuden und Grünflächen. Hier wirkten König und Kronrat des Reiches von Alnoa. Geschwungene Brücken führten über den großen Kratersee zu seinem Rand. Die Häuser der Stadt folgten dem Verlauf der Kraterwände, zogen sich ringförmig herum und stiegen immer höher an, sodass die Stadt ein wenig den Eindruck vermittelte, die Häuser seien die Zuschauer in einem riesigen Amphitheater, dessen Bühne der Königspalast bildete. In der Stadt dominierte der weiße Stein, den die Bauherren des Reiches bevorzugten, und dies hatte dazu geführt, dass man die Stadt auch die „Weiße Stadt“ nannte. Sie war das politische und kulturelle Zentrum des Königreiches.

Der begrenzte Raum des Kratersees war Hauptankerplatz der königlichen Flotte, und die Schiffe aus fernen Ländern nutzten meist Gendaneris als Anlaufstelle. Ein reger Warenaustausch herrschte zwischen der Hauptstadt und den Städten des Reiches.

Das Königreich von Alnoa bestand aus Provinzen mit ihren Hauptstädten und Dörfern, die dem König Tribut zollten, ansonsten jedoch eigenständig blieben. Sie unterhielten eigene Stadtmilizen, die nicht dem Oberbefehl des Königs unterstanden, und entsandten ihre Ratsherren, um sich durch diese im Kronrat vertreten zu lassen. Nur die Präsenz der königlichen Gardekavallerie zeigte an, dass die Provinzen Bestandteil eines geeinten Reiches waren.

Der König Alnoas war eher ein Repräsentant als ein Befehlshaber, und er musste auf die Wünsche der verschiedenen Interessengruppen Rücksicht nehmen. Nur im Kriegsfall, wenn das Reich unmittelbar durch einen Feind bedroht wurde, war seine Herrschaft uneingeschränkt. Dies führte immer wieder zu Spannungen im Kronrat, der für die goldenen Schüsselchen der Schatzkammer meist eine bessere Verwendung sah, als sie für die Garde auszugeben.

Venval ta Ajonas, König des Reiches und seiner Provinzen, hatte oft genug das Gefühl, eher ein Verwalter oder Kaufmann zu sein, als der Herrscher eines mächtigen Reiches. Manchmal wünschte er sich, allein über die Geschicke Alnoas bestimmen zu können, aber er war klug genug, die Weisheit zu erkennen, die darin lag, die Macht im Frieden zwischen dem Kronrat und dem König zu teilen. Ein absoluter Herrscher konnte sein Volk zu neuen Höhen führen, es aber ebenso rasch zugrunde richten.

Der König hatte keine beeindruckende Statur, doch selbst seine Widersacher mussten seine Klugheit und weise Regentschaft anerkennen, auch wenn man sich oft genug aneinander rieb.

Venval ta Ajonas wurde wieder einmal von Sorgen geplagt und hatte, auf den Rat eines besonderen Gastes hin, seinen Freund und Gardekommandeur Daik ta Enderos zu sich gerufen. Eher widerwillig musste Venval dabei auch die Anwesenheit des Adligen Welbur ta Andarat hinnehmen, der augenblicklich als Schatzmeister des Reiches fungierte.

Die Zusammenkunft fand in den privaten Arbeitsräumen des Monarchen statt. Sie befanden sich in den oberen Ebenen des Königsturmes. Von den zierlichen Balkonen hatte man eine prachtvolle Aussicht über die Kraterstadt Alneris und das umliegende Land. Ein Ausblick, der für den Gast des Königs höchst selten und sehr erfreulich war, wie er unumwunden zugab. Es war ein ungewöhnlicher Gast, dem man mit großem Respekt und zugleich auch mit instinktivem Unbehagen begegnete, denn er verfügte über keinerlei Ländereien und war doch überaus mächtig – Marnalf, der Graue Magier des Pferdevolkes.

Zur Zeit des ersten Bündnisses der freien Völker hatte es drei weiße Zauberer in ihren Türmen gegeben. Sie hatten die Balance zwischen den Mächten des Guten und des Bösen gehalten und sich dabei der Unterstützung ihrer Gehilfen, der Grauen Wesen, bedient. Niemand wusste genau, wie die Magier einst auf die Geschicke anderer Lebewesen eingewirkt hatten, sicher war nur, dass sie verschwunden waren und dass der Schwarze Lord seitdem immer stärker zu werden schien. Die einst gutmütigen Grauen Wesen hatten sich in bösartige Kreaturen verwandelt, die ihre Kräfte gegen jene wandten, die sie einst beschützt hatten. Nur eines von ihnen, Marnalf, war dem Bösen nicht verfallen, und dies machte den Magier zu einem einsamen Wesen. Seine eigene Art war ihm nun Feind, und jenen, auf deren Seite er stand, galt er aufgrund seiner Fähigkeiten als unheimliche Kreatur.

Äußerlich war Marnalf ein würdevoller alter Mann mit langem, wallendem Bart. Die graue Kutte, die einst das Zeichen seiner Zunft gewesen war, trug er nur noch selten. Er bevorzugte farbenfrohere Gewänder und Umhänge. Nur den langen Stab hatte er beibehalten, dem man magische Kräfte zuschrieb. Tatsächlich diente der verzierte Stock nur als bequeme Stütze und Konzentrationshilfe, denn das Holz besaß nicht die geringsten Zauberkräfte.

Marnalf stand an der steinernen Brüstung des Balkons und hatte seinen Stab in die Armbeuge gelegt. Er schien völlig in Gedanken versunken, und weder Venval ta Ajonas, noch sein Freund Daik ta Enderos wagten es, ihn zu stören. Marnalf diente dem König des Pferdevolkes und war auf Venvals Bitte hin nach Alneris gekommen. Die Berichte, die der König Alnoas aus der Ostprovinz erhielt, stellten ihn vor ein scheinbar unlösbares Rätsel.

Das Gesicht des kleinwüchsigen Gardekommandeurs Daik ta Enderos wirkte unbewegt. Nur das leichte Wippen auf den Fersen verriet seine zunehmende Ungeduld. Gelegentlich strich er sich über den schmalen Oberlippenbart und sein Blick haftete fest auf der Gestalt des Magiers. Ohne seine Rüstung wirkte ta Enderos ebenso wenig beeindruckend wie der König, aber seine Tapferkeit und Klugheit waren allgemein anerkannt. Er war bei den Gardetruppen geachtet und beliebt und, zum Bedauern einiger Hochgeborener des alnoischen Adels, ein unbestechlicher Freund und Verbündeter des Königs. Im Augenblick trug er eine schlichte Tunika, die, der Mode entsprechend, bis zur Mitte der Oberschenkel reichte. Die wadenlangen Beinkleider darunter konnten die ausgeprägten O-Beine nicht verbergen. Ta Enderos war ein leidenschaftlicher Reiter und hatte den größten Teil seines Lebens im Sattel verbracht.

„Nun?“

Die Frage kam von einem Mann, der in einigen Schritten Entfernung stand und dem die Nähe des Magiers sichtlich unangenehm war. Welbur ta Andarat war nicht nur ein Hochgeborener des Reiches, Mitglied des Kronrates und Verwalter der Schatzkammer, sondern auch ein ungewöhnlich gut aussehender Mann. Er hätte jederzeit für ein Kriegerdenkmal Modell stehen können, doch er kämpfte lieber mit Worten, als mit der Klinge. Er galt als Weiberheld und tat vieles, um diesen zweifelhaften Ruf zu nähren. Unbestritten hatte er Verbindungen zu den verschiedensten Kreisen der alnoischen Gesellschaft und gehörte zu jenen Ratsmitgliedern, die dem König und der Garde, im übertragenen Sinne, gerne Knüppel zwischen die Beine warfen.

Marnalf bewegte sich und strich sich nachdenklich über das Kinn. „Ich vermag nicht zu sagen, was es mit den Feuerbällen auf sich haben könnte. Jedoch scheinen sie mir nicht magischen Ursprungs zu sein. Kein Flammzauber wäre mächtig genug, sie zu erzeugen. Kein Wuchtzauber stark genug, sie über große Entfernung zu schleudern. Dennoch steht für mich außer Zweifel, dass sie kein natürliches Ereignis sind.“

„Ah, wahrhaftig? Zu dieser Erkenntnis gelangten wir ebenfalls“, sagte Welbur mit leichtem Spott in der Stimme und ignorierte die ärgerlichen Blicke des Königs und des Gardekommandeurs. „Dafür brauchen wir keinen Grauen Magier.“

„Marnalf ist Gast des Reiches und aufgrund meiner persönlichen Bitte zugegen“, wies ihn der König mit scharfer Stimme zurecht. „Es gebührt Euch nicht, dies infrage zu stellen, Welbur ta Andarat.“

Der Adlige zog ein feines Tuch aus der Tunika und betupfte sich geziert die Mundwinkel. „Eine Kritik am Gast Seiner Majestät lag mir fern“, versicherte er. „Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass ich mir von der Anwesenheit des Grauen Wesens mehr erhofft hatte.“

Marnalf wandte sich nun endgültig von der prächtigen Aussicht ab und betrat den Raum, den der König oft nutzte, um sich auf die Sitzungen des Kronrats vorzubereiten. Da sich dieses Refugium hoch oben in der Spitze des Königsturms befand, hatte es den Grundriss eines perfekten Halbkreises. Die Rundung folgte der Außenwand, hinter der geraden Seite lagen ein Ruheraum und das Treppenhaus. Dort befand sich, neben der endlos erscheinenden Treppe, auch eine Aufzugsplattform, die mithilfe einer Seilwinde und einer Dampfmaschine betrieben wurde.

Die gesamte Längswand wurde von einer Karte des Reiches eingenommen. Dazu hatte man das Mauerwerk sorgfältig mit Holz vertäfelt und dieses dann farbig bemalt. Tür und Rahmen waren darin einbezogen. Eine ähnliche Karte war in den Boden des Versammlungsraums des Kronrates eingelassen, doch diese hier war weitaus detaillierter. Sie wies Markierungen und handschriftliche Anmerkungen des Königs auf. An etlichen Stellen steckten lange Nägel, an die verschiedenfarbige Stoffstreifen geknotet waren.

Entlang der Außenwand standen Regale mit den unvermeidlichen Schriftrollen und Büchern, unterbrochen von den großen Fensteröffnungen und Balkontüren. Der Schreibtisch hatte die ungewöhnliche Form eines Hufeisens, mit einem gepolsterten Stuhl innerhalb der Rundung und drei anderen außerhalb. Bedienstete hatten Speisen und Erfrischungen auf der Tischplatte abgestellt, die aus poliertem weißem Stein gefertigt war.

Der graue Magier schritt zu der Kartenwand und sah dann Daik ta Enderos an. „Die Berichte aus den Provinzen Eures Reiches sind zuverlässig?“

„Es sind Berichte der Garde“, erwiderte der Gardekommandeur mit einem Unterton der Empörung. „Selbstverständlich sind sie zuverlässig.“ Ta Enderos schob ein Tablett zur Seite und zog einen kleinen Stapel Papier hervor. „Wir wissen von acht Feuerbällen, die glücklicherweise nur wenig Schaden angerichtet haben. Ich habe die Einschlagstellen auf der Karte markiert.“ Er deutete hinüber. „Es sind die Nägel mit den roten Tuchstreifen. Wir verwenden rote Farbe als Gefahrenzeichen, da sie der Farbe des Blutes entspricht.“

Marnalf nickte. „Ich will die Berichte keineswegs in Zweifel ziehen. Doch seid so gut und lasst uns die Karte nochmals markieren.“

„Wozu das?“, knurrte Welbur. Er schenkte sich einen Becher Wein ein. „Die Markierungen sind sicherlich an den richtigen Stellen.“

„Wie ich soeben erwähnte, ziehe ich das nicht in Zweifel“, erwiderte der Magier mit sanfter Stimme. „Das Muster scheint zufällig, und doch ist etwas daran, was mich irritiert. Ich möchte die Nägel erneut setzen, und zwar in der Reihenfolge, in der die Feuerbälle erschienen sind.“

Daik ta Enderos nickte. „Ich verstehe Eure Absicht, Hoher Herr Marnalf. Doch diesbezüglich sind die Berichte nicht so zuverlässig, wie ich es mir wünschen würde. Einige Einschläge wurden nicht direkt beobachtet, sondern erst nach Tageswenden entdeckt. Es mag also sein, dass die zeitliche Reihenfolge nicht ganz korrekt ist.“

„Dennoch wird es hilfreich sein, um sich ein näheres Bild zu machen.“ Marnalf blickte die Karte an und konzentrierte sich kurz.

Die drei Alnoer bemühten sich ihre Fassung zu bewahren, als sich die Nägel mit den roten Markierungen aus der Karte lösten und, wie von Geisterhand bewegt, zum Tisch hinüberglitten, wo sie sich vor Daik ta Enderos aufreihten und scheinbar schwerelos in der Luft hingen.

Der Gardekommandeur warf Marnalf einen abwägenden Blick zu, ergriff die Markierungen ohne Zögern und trat zur Karte. Er hatte die Fakten im Gedächtnis und brauchte nicht auf die Berichte zu blicken. „Der erste Einschlag wurde hier bemerkt“, sagte er und steckte eine Markierung in die Karte. „Der Zweite erfolgte an dieser Stelle.“

Bei drei Feuerbällen konnten sie sich in der zeitlichen Reihenfolge nicht sicher sein, doch es wurde offensichtlich, worauf der Magier abzielte.

„Sie wandern über die Karte“, murmelte Welbur ta Andarat überrascht und tupfte sich den Mund. „Ungefähr von der Mitte der Ostprovinz auf die Hauptprovinz zu.“

„Und sie nähern sich dabei eurer Hauptstadt Alneris“, fügte Marnalf ernst hinzu. „Als werfe jemand Geschosse und versuche damit diese Stadt zu treffen.“

„Solche Geschosse gibt es nicht“, knurrte der Gardekommandeur. „Und schon gar keine Waffe, mit der man sie werfen könnte. Nicht so große Geschosse und nicht so weit.“

„Nein, so große Dampfkanonen gibt es nicht“, meinte nun auch Welbur ta Andarat, dem die Betroffenheit ins Gesicht geschrieben stand. „Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Orks so große Kanonen und genügend Berstpulver besitzen.“

„Nein, Berstpulver wäre dazu niemals in der Lage. Aber die Einschläge der Feuerbälle nähern sich unzweifelhaft eurer Stadt“, bekräftigte Marnalf. „Und sie kommen in verhältnismäßig regelmäßigen zeitlichen Abständen, soweit wir dies beurteilen können. Ich glaube nicht, dass es sich um ein natürliches Phänomen handelt. Das ist ein wichtiger Hinweis.“

„Ein Hinweis? Inwiefern?“

„Die Feuerbälle kommen aus dem Osten, aus dem Reich des Schwarzen Lords. Ich bin davon überzeugt, dass sie von dort geworfen werden, obwohl ich nicht weiß, welcher Zauber das bewirken könnte. Auch wenn ich selbst ein Magier bin, so mag es doch Kräfte geben, die mir verborgen sind“, räumte Marnalf ein. „Nun, der zeitliche Abstand zwischen den Feuerbällen scheint mir Beweis dafür zu sein, dass diese Objekte mit der Absicht erscheinen, eurer Stadt Schaden zuzufügen. Gehen wir also davon aus, dass es so ist, dann bedeutet dies, dass derjenige, der die Feuerbälle wirft, Informationen darüber benötigt, ob seine Absicht gelingt.“ Er sah die fragenden Gesichter der Alnoer und lächelte freudlos. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Schwarze Lord Verbündete in eurem Reich hat. Verbündete, die ebenso wie eure Garde Berichte über die Feuerbälle sammeln und genau beobachten, wo diese einschlagen. Ich kann mir ebenso gut vorstellen, dass diese Verbündeten den Schwarzen Lord über ihre Beobachtungen informieren.“

Daik ta Enderos erblasste ein wenig. „Wie der Ausguck im Mast eines Dampfkanonenschiffes, der die Einschläge beobachtet und dem Kanonier sagt, wie er die Waffe besser richten soll.“

„Genau so.“

„Das ist Unsinn“, ereiferte sich Welbur ta Andarat. „Niemand von Verstand würde sich mit dem Schwarzen Lord verbünden.“

„Seid kein solcher Narr“, wies ihn der König zurecht. „Es gibt inzwischen wahrhaftig genug Menschen in unserem Reich, die dem Glanz der goldenen Schüsselchen verfallen und bereit sind, alles zu tun, wenn es nur ihren Beutel füllt.“

„Es müssen keine Alnoer sein, die der Macht der Finsternis oder ihrer eigenen Gier verfallen sind“, meldete sich Daik ta Enderos zu Wort. „Denkt an das Menschenvolk der Rumak, welches dem Schwarzen Lord dient. Diese verdammten Kerle können sich unerkannt unter uns bewegen, denn sie sehen aus wie wir. Natürlich kann man sie an ihren Armtätowierungen erkennen, und wir suchen nach den heimtückischen Burschen, aber man kann die Tätowierungen versteckt halten. Wir wissen ja nicht einmal, ob jeder Rumakmensch diese Zeichen trägt.“

Der König nickte. „Ich weiß, in allen Provinzen sucht man nach diesen Leuten, und ich möchte darauf wetten, dass sich immer noch einige von ihnen bei uns verborgen halten. Ja, es wäre durchaus möglich, dass sie Verbindung zu ihrem dunklen Herrn haben.“

Ta Enderos seufzte. „Wenn wir uns mit Signalen über große Entfernungen verständigen können, so werden sie das wohl auch beherrschen. Diese Rumaki sind sicherlich nicht so einfallslos wie die Orks.“

„Sie sind Menschen“, stimmte Marnalf zu. Er trat an einen der bequemen Stühle und ließ sich darauf nieder. „Hat man in den Grenzfesten etwas Ungewöhnliches bemerkt? Mit Ausnahme der Feuerbälle, meine ich. Irgendetwas, das Signale sein könnten, die dem dunklen Herrscher gelten?“

Daik ta Enderos stieß einen leisen Fluch aus. „Ja, das hat man, und ich maß dem keine Bedeutung bei, da es mir sinnlos erschien. In der Grenzfeste Nerianet hat man gelegentlich in der Nacht Lichter beobachtet, die unregelmäßig erschienen und Ähnlichkeit mit unseren Signalsprüchen hatten. Sie kamen aber von keiner unserer Signalstationen und waren auch nicht an Nerianet gerichtet.“

„Nein“, sagte Marnalf leise. „Sie waren an den Schwarzen Lord gerichtet und berichteten ihm, wie nahe die Feuerbälle Alneris kommen.“

„Ich Narr“, knurrte ta Enderos. „Es hätte mir auffallen müssen.“

„Grämt Euch nicht“, wiegelte der Magier ab. „Ihr konntet Euch den Ursprung der Feuerbälle nicht erklären, und auch jetzt haben wir kaum mehr als einen Verdacht, für den es nicht viele Beweise gibt. Genau genommen wissen wir nur, dass die Feuerbälle aus dem Reich des Schwarzen Lords kommen und sich eurer Stadt nähern. Doch wir wissen nicht genau, woher sie kommen und wie es bewerkstelligt wird.“

„Schön, dann müsste halt jemand nachsehen“, spottete Welbur ta Andarat.

Marnalf nickte. „Das ist auch meine Meinung.“

Ta Andarat betupfte sich erschrocken die Mundwinkel. „Wie meinen?“

„Wir können nicht einfach hier sitzen und abwarten, wann die Feuerkugeln eure Stadt in Schutt und Asche legen.“ Marnalf griff sich nun ebenfalls einen Becher Wein und nahm mehrere lange Schlucke, bevor er die drei Alnoer nacheinander ansah. „Was der hohe Herr ta Andarat soeben sagte, ist der einzige Weg, der uns bleibt. Wir müssen nachsehen, was im Reich des Schwarzen Lords vorgeht.“

„Das ist unmöglich“, brummte Daik ta Enderos. Er trat erneut an die Wandkarte und schlug erregt auf mehrere Stellen. „Hier, der Nordpass zur Öde von Rushaan. Bewacht von unseren Freunden, den Pferdelords und den Zwergen. Hier, der Pass von Merdoret bei den weißen Sümpfen, ebenso vom Pferdevolk geschützt. Dort der neue Spaltpass, von unserer Feste Nerianet und der Garde gehütet, und hier und hier ...“ Er schlug mit wachsendem Grimm gegen die Karte. „... das alte Reich der Magier von Jalanne, von der Garde und den Irghil bestreift. Keine Legion der Orks oder Rumak könnte sich über die Grenze schleichen, und wenn sie es mit großer Macht versuchen, dann werden sie an unseren Truppen zerschellen. Sie können nicht zu uns herein“, bellte Daik ta Enderos erregt, „und ebenso wenig können wir zu ihnen hinüber. Sie halten die Pässe genauso besetzt, wie wir oder unsere Verbündeten das tun.“

„Der ehrenwerte Kommandeur der Garde hat recht“, versicherte Wilbur ta Andarat hastig. „Wir können nicht nachsehen. Das ist einfach unmöglich.“

„Ihr habt recht, ein militärischer Angriff gegen das Reich des Schwarzen Lords hätte sicherlich verheerende Folgen“, gab Marnalf zu. „Aber ich spreche nicht davon, ein Heer über die Grenze zu senden. Im Gegenteil, unsere Stärke liegt nicht in der Anzahl unserer Truppen, sondern in der List.“

Welbur ta Andarat stierte den Magier verwirrt an, während das Gesicht von Gardekommandeur ta Enderos plötzliches Interesse zeigte.

Der König räusperte sich. „Erklärt uns das, guter Herr Marnalf.“

„Ich denke hier an die Pferdelords.“

Welbur ta Andarat lachte. „Nun, Ihr dient dem Pferdevolk, da mag man Euch nachsehen, dass Ihr in seinem Wirken alles Heil seht.“

Für einen Moment blitzte Zorn in Marnalfs Augen. „Ihr täuscht Euch, Alnoer. Ich bin kein Diener des Pferdevolkes. Aber ich bin sein Freund, und ich kenne seine Fähigkeiten.“

Daik ta Enderos leckte sich über die Lippen. „Unbenommen, guter Herr Marnalf, ich schätze unsere Freunde wohl ebenso wie Ihr, doch warum sollten die Pferdelords besser für eine List geeignet sein, als die Männer meiner Gardekavallerie?“

„Weil wir Männer brauchen, die sich unerkannt in das Reich der Finsternis begeben können.“

Welbur ta Andarat gewann seine Fassung und seinen Spott zurück. „Ich verstehe. Ihr meint wohl, mit den klappernden Rüstungen der Garde sei dies ein wenig schwierig, nicht wahr?“

Der Magier sah den Hochgeborenen kurz an, und seine Augen strahlten dabei etwas aus, das Welbur unwillkürlich frösteln ließ. „In der Hochmark des Pferdevolkes leben rund fünfhundert Krieger der Rumaki, die sich auf Ehrenwort in die Gefangenschaft beim Pferdefürsten Nedeam begeben haben. Mit ihrer gesamten Ausrüstung.“

Ein breites Grinsen glitt über das Gesicht des Gardekommandeurs. „Pferdelords in den Rüstungen von Rumak-Kriegern? Ha, das wäre in der Tat eine große List.“ Er zuckte mit den Schultern. „Dennoch glaube ich nicht, dass es gelingen könnte. Wie sollten die Männer unerkannt an den Wachen des Feindes vorbeigelangen?“

Marnalf nippte an seinem Becher. „Es mag Wege geben, die zum Ziel führen. Doch dazu muss ich mich mit dem Pferdefürsten Nedeam beraten.“

„Was auch immer Euer Plan ist, Hoher Herr Marnalf, ich kann nur von Herzen hoffen, dass er gelingen möge“, sagte der König leise. „Wann wollt Ihr aufbrechen?“

„Noch zur heutigen Tageswende. Doch zunächst muss ich mir eine der Einschlagstellen genauer ansehen. Vielleicht finde ich dort einen Hinweis, der einen Teil des Rätsels löst, und zudem brauche ich Beweise, um den Pferdefürsten von meinem Plan zu überzeugen.“

„Er wird nicht zögern“, sagte Daik ta Enderos überzeugt. „Er ist ein guter Freund und ein tapferer Mann.“

„Daran besteht kein Zweifel.“ Der Magier lächelte freudlos. „Doch er ist kein Narr, und er wird sehr wohl daran denken, wie rasch der Weg in den Tod führen kann. Ein Weg, denn man daher nicht ohne guten Grund beschreitet.“


Die Pferdelords 11 - Die Schmieden von Rumak

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