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Corin, Maya, Nevin

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Wenn man sie da so sah, wie sie bei Tisch saßen, aßen, tranken, tanzten und lachten, dann hätte man kaum daran gedacht, dass es um das Land nicht gerade rosig stand. Dieses heitere Bild wirkte wie eine Oase des Friedens und der Fröhlichkeit.

Darf ich euch bekannt machen?

Ladies first, würde ich sagen. Im hinteren Bereich der großen Gaststube lehnte sich ein Mädchen ganz lässig gegen einen Pfeiler, flirtete mit einem hübschen, versnobten Jungen und verdrehte ihm dabei den Kopf. Nun, diese junge Dame war Maya.

Nein, nicht wie die Biene, die Biene schreibt man ja mit „J“. Maya war Ende zwanzig, hatte wunderschöne bernsteinfarbene Haare, die sie meistens zu zwei Zöpfen geflochten hatte, ein schelmisches Lächeln im Gesicht, tiefbraune Augen, kleine Grübchen und einen kleinen hellroten Mund. Maya war ein taffes, quirliges und freches Mädchen, das immer munter durch die Welt spazierte und mit beiden Beinen im Leben stand. Sie war überhaupt nicht auf den Mund gefallen und posaunte ihre Meinung stets geradeaus heraus. Am besten gefiel mir aber immer ihr Humor, denn sie war fürchterlich sarkastisch, was nicht immer jeder gerne mochte.

Der junge Mann an dem Tisch, vor dem ein Berg leerer Krüge stand, das war ihr Bruder, Corin. Ein richtiger Lebemann, das kann ich euch sagen. Er hatte Ähnlichkeit mit einem kalifornischen Surferboy, also blonde, zerzauste Haare, blaue Augen, in denen man sich verlieren konnte und einen athletischen Körper.

Ja, Ladies, ihr müsst ja schließlich auch etwas zum Gucken haben, obwohl ihr ja eigentlich schon mich habt, aber lassen wir das.

Corin war 34 Jahre alt und hatte meistens einen Blick und ein Grinsen im Gesicht, dass jedem das Herz aufging. Er hatte Ähnlichkeit mit seiner Schwester und war ein offener und fröhlicher Mensch, der immer für jeden Spaß zu haben war. Wären die beiden Geschwister nicht ein paar Jahre auseinandergelegen, dann hätte man vermuten können, dass sie Zwillinge waren.

Und neben ihm, der schlanke, schüchterne Kerl mit den schwarzen Haaren, der still ins Leere starrte, das war der jüngste Bruder, Nevin, Mitte zwanzig. Er war das genaue Gegenteil seiner Geschwister, zurückhaltend und ruhig, aber dafür war er ein umso größerer Denker. Ein ernster Mensch, der stets nach seiner Vernunft und nie spontan handelte. Seine Schwester nannte ihn immer einen Spießer und ihr gefiel seine Ordentlichkeit und seine Introvertiertheit nicht. Daher versuchte sie immer, ihn betrunken zu machen und ihn zu Schandtaten anzustiften, was ihr aber nur sehr selten gelang.

Der sonst so heitere Corin, wirkte aber an diesem Abend nicht ganz so heiter. Mit einem traurigen Blick starrte er die leeren Krüge vor sich an und versank dabei völlig in seinen Gedanken.

Da stürzte sich seine Schwester von hinten auf ihn: „Du denkst schon wieder an sie, stimmt’s?“

„Ja, heute vor 20 Jahren haben wir uns das erste Mal geküsst.“, seufzte er betrübt.

Ui, schleicht sich da etwa gar eine Liebesgeschichte in unser Epos ein? Das wäre ja der Hammer, denn so etwas darf natürlich auch nie fehlen, aber wir wollen da nicht schon wieder zu viel verraten. Ihr werdet begeistert sein, das kann ich euch versprechen, wir lassen wirklich überhaupt nichts aus, das wird in der Tat noch grandios.

Nun wieder zurück zu Maya: „Meine Güte, nicht das schon wieder! Vergiss sie endlich, sie ist weg und du weißt auch, dass es nicht deine Schuld war. Und ihren Vater darfst du auch keine Schuld geben, sie brauchte Abstand und er tat das Richtige.“

„Dass sie den Kontinent verließ, stört mich ja gar nicht, mich stört nur dieses Ende. Sie wirkte so verändert zum Schluss, das war nicht mehr das Mädchen, in das ich mich verliebt habe und ich habe keine Erklärung dafür.“, murmelte Corin weiter.

Seine Schwester schüttelte nur ihren Kopf und sprach: „Du musst nicht immer für alles eine Erklärung haben, Corin. Los, bestell dir noch einen Krug! Oder trinken wir eine Runde Heidelbeerschnaps? Ich hol welchen!“

Ihr Bruder schien ihr gar nicht zuzuhören und taumelte weiter in seinem Liebeskummer umher: „Sie war die Liebe meines Lebens. Glaubst du, dass sie auch noch manchmal an mich denkt? Wo ist sie jetzt? Was macht sie? Wie sieht sie aus? Zehn Jahre lang habe ich sie nicht mehr gesehen.“

Maya verdrehte ihre Augen und sagte: „Ok großer Bruder, du brauchst anscheinend wirklich einen Heidelbeerschnaps, am besten ich hole gleich eine ganze Flasche. Und Nevin! Du trinkst gefälligst auch mit, du bist ja noch stocknüchtern!“

Diese Einladung konnte Nevin nicht abschlagen: „Gut, gut, Schwesterherz, ich trinke mit, aber nur, damit du dann endlich still bist. Und Corin, sie hat ausnahmsweise einmal recht, vergiss sie endlich, sieh dich doch um, hier gibt es einige adrette Dirnen, du musst endlich einmal eine binden.“

„Hör mir doch auf damit.“, raunzte sein älterer Bruder.

Nevin trank einen klitzekleinen Schluck von seinem Bier und sagte: „So, das reicht jetzt, guter Bruder! Lass uns endlich das Thema wechseln.“

„Wahre Worte, lieber Nevin. Wir haben uns so lange nicht gesehen und Corin fällt nichts anderes ein, als über seinen ewigen Liebeskummer zu sprechen, Schluss damit!“, meinte Maya.

„Der erste vernünftige Satz von dir, Maya. Also Corin, wie war es denn in Woldawa?“, fragte Nevin.

Corin genehmigte sich einen etwas größeren Schluck als sein Bruder und legte los: „Über das Berufliche werde ich jetzt sicherlich nicht sprechen, das müssen wir in den nächsten Tagen ohnehin zur Genüge tun. Es war leider keine leichte Mission, aber Woldawa an sich ist malerisch. Dort herrscht eine ganz andere Stimmung als hier bei uns. Alles ist irgendwie dunkel, grau und schroff und die Leute haben dort auch einen ganz eigenen Charakter.“

„Du bist ebenfalls noch immer ganz grau und schroff, das kann es doch nicht sein! Wie waren die Kneipen in Woldawa?“, fragte Maya.

Corin sah sie merkwürdig an und sprach: „Glaubst du tatsächlich, dass wir Zeit für eine Sauftour hatten? Wir waren auf einer extrem wichtigen Mission. Mutter sagte früher immer, dass ich schlampig bin, aber ich glaube fast, dass du noch schlampiger bist, sonst würdest du um den Ernst unserer Reise Bescheid wissen.“

„Ach Quatsch, du klingst schon fast wie Nevin! Es wird wohl höchste Zeit für die Flasche Heidelbeerschnaps, ich hole sie jetzt endlich.“, äußerte sich Maya stürmisch.

Corin begann zu lachen und sagte: „Nein, das war doch nur ein kleiner Scherz, ich wollte schon immer einmal wie Nevin klingen.“

Dieser griff sich nur auf die Stirn und Corin fuhr fort: „Ein einziges Mal konnte ich eine urige Taverne besuchen und ich muss sagen, der Met dort ist vorzüglich, fast noch besser als jener von den Farvang Inseln.“

„Das wollte ich hören.“, sagte Maya und begab sich im Anschluss Richtung Theke, um den Heidelbeerschnaps zu holen.

Nevin verdrehte seine Augen und sagte: „Wir trinken aber nicht zu viel, morgen müssen wir zu Vater!“

„Du bist ja heute eine noch größere Spaßbremse als ich.“, lachte Corin.

Da kam Maya schon mit der Köstlichkeit der Heidelbeeren angetanzt: „So, möge die erste Runde beginnen! Wie viele schaffen wir wohl heute? Das letzte Mal waren es glaub ich 14 Runden!“

„Aber nicht, dass du dann wieder auf dem Tisch tanzt und herunterfällst, Maya!“, war Nevin besorgt und bekam den ersten Schnaps serviert.

„Pfui Teufel, das brennt ja wie Drachenfeuer, das ätzt ja sogar einem Ork den Dreck aus der Arschritze! Noch einen und alles ist vergessen.“, Corin schmeckte das hochprozentige Zauberwasser anscheinend besonders gut. Unverständlich, dass er nach dessen Genuss so oft husten musste.

„Na das habe ich dir doch gleich gesagt und jetzt kippst du noch schnell den nächsten hinunter und

dann machen wir ordentlich Stimmung! Jetzt sollte ohnehin bald ein Barde hier aufkreuzen, dann steppt der Bär.“, versicherte ihm seine kleine Schwester.

Corin leerte sich noch zwei Gläschen hinein und plötzlich wirkte er wie ausgewechselt: „So! Es geht los, heute wird gefeiert! Wo ist der Barde? Hoffentlich hat er die Lieder von Justus Holzsee auf Lager!“

„Wir sind nicht zum Feiern hier! Hast du schon vergessen, wer wir sind? Vater wäre darüber sicherlich nicht erfreut!“, wurde Nevin ernst.

Da fiel ihm Corin sofort ins Wort: „Ach papperlapapp, plappere nicht so viel herum und gönne dir das nächste Glas, Bruderherz.“

„Das ist der Bruder, den ich so liebe! Endlich kommst du in Fahrt! Kleiner Nevin, du musst noch viel lernen.“, äußerte sich die liebe Maya.

„Du bist schon wieder betrunken, und das ist nicht gut!“, antwortete Nevin.

Die Stimmung wurde immer ausgelassener und dann hatte Maya einen genialen Einfall: „Siehst du das schwarzhaarige Fräulein am Tresen, Corin? Die sieht schon die ganze Zeit zu dir rüber. So gaffen sonst nur hungrige Greifen ein paar Ziegen an.“

„Nein, nein, ich glaube, dass das keine gute Idee ist.“, entgegnete ihr Corin.

„Aber natürlich! Und los geht’s!“, drängte Maya und zehrte danach ihren Bruder vom Stuhl.

„Was ist, wenn das wieder so eine Dame ist, die Geld dafür verlangt?“, fragte Corin, als ihn Maya einen kräftigen Stoß gab.

Seine Schwester lachte und meinte: „Dann zahlst du eben, Vater wird uns morgen ohnehin einen ordentlichen Patzen Nobel geben.“

Nevin griff sich erneut auf seine Stirn und fragte: „Muss das denn immer sein, Maya? Können wir nicht einmal gemütlich beieinandersitzen?“

Maya klopfte ihm auf den Rücken und befahl: „Du trink jetzt gefälligst mehr, sonst besorg ich dir auch so ein Rendezvous!“

„Um Himmelswillen, bitte nicht. Ich trinke ja schon, keine Sorge.“, sprach ihr kleiner Bruder. Ja, er war dabei ein bisschen ängstlich.

Am Tresen angekommen, lehnte sich Corin eben gegen diesen und spähte die empfohlene Schönheit aus. Dann setzte er seinen besten Blick auf und sprach mit einem breiten Grinsen zur der edlen Lilie: „Ich war schon in sehr vielen Zwergenreichen, habe deren schönsten Schätze gesehen, aber nichts dort hat auch nur annähernd so gefunkelt wie Eure Augen.“

„Oh, ein Romantiker der alten Schule, darauf steht jede Frau.“, antwortete sie auf seinen genialen Anmachspruch, den ihr übrigens auch gerne einmal ausprobieren dürft. Der funktioniert zu 99,9%, das garantiere ich euch. Aber zurück zu Corin und seiner Lady.

Corin musste dann selbstverständlich noch einen nachlegen: „Ich bitte Euch, Ihr seid doch keine Frau, Ihr seid eine Dame. Habt Ihr hier eigentlich schon den Spezial-Met gekostet? Extra von den Farvang Inseln importiert, ein Gedicht sage ich Euch. Es würde mich wahrlich erfreuen, wenn ich Euch einen Krug davon ausgeben darf.“

„Spendabel seid Ihr auch noch, Ihr gefällt mir ja immer besser. Womit verdient Ihr denn Eure Nobel?“, wurde die holde Maid neugierig.

Der güldene Jüngling zwinkerte ihr zu und sagte: „Das darf ich Euch nicht sagen, nur so viel, dass wir einen kleinen Familienbetrieb führen.“

Da wurde die Dame im noblen roten Seidenkleid wunderfitzig: „Oh, ein Geschäftsmann?“

„So in der Art. Seid doch so gütig und nennt mir Euren Namen, ich bin überzeugt, dass er genauso schön ist wie Ihr.“, baggerte Corin weiter und strich dabei sanft über ihren Arm.

„Nennt mich doch einfach Pea und wie darf ich Euch nennen?“

Corin sah ihr tief in ihre glitzernden Augen und sagte: „Ihr könnt mich nennen, wie Ihr wollt, aber nehmen wir heute doch einfach Jesper, Jesper von Brandenberg. So sagt Pea, wollt Ihr Euch zu uns an den Tisch setzen? Im Sitzen trinkt und redet es sich besser.“

„Aber nicht zu lange, guter Jesper, denn ich will ja heute noch Euren morgenfrischen Tau auf meinen lubrifizierten Rosenblättern empfangen.“, sprach sie mit einer ganz besonders charmanten Stimme.

Na bitte, da war jetzt auch einmal ein bisschen Erotik dabei, so etwas darf ja auch nie fehlen.

Wie ihr euch sicherlich vorstellen könnt, wurde das noch ein ziemlich lustiger und vor allem feuchtfröhlicher Abend. Nach dem elften Schnaps tanzte dann Maya wieder auf dem Tisch. Sie konnte einfach nicht anders, immerhin spielte der Barde ihr Lieblingslied: „Wecke mich auf“ vom elfischen Komponisten Iiciva.

„Hey Maya, pass ja auf!“, meinte Corin zu seiner tanzenden Schwester und brachte den Heidelbeerschnaps lieber in Sicherheit. Und auch der introvertierte Nevin taute langsam auf und wurde von Maya auf den Dancefloor am großen Holztisch dazu geholt. Dieses Mal stürzte zum Glück niemand ab.

Corin ging dann mit seiner Eroberung nachhause und zeigte ihr seine Briefmarkensammlung. Das ist eigentlich ziemlich witzig, denn damals gab es noch keine Briefmarken.

Noch einmal zurück zu den drei Geschwistern: Die wirkten doch gerade wie ein paar ganz normale junge Menschen. Alkoholische Getränke, ein Aufriss, ein Tanz am Tisch, Spaß eben. Nette Leute, die einen schönen Abend in der Taverne verbrachten und einem die ganzen Sorgen, die in diesem Land herrschten, vergessen ließen. Auch wenn sie so wirkten, sie waren keine normalen jungen Menschen. Corin, Maya und Nevin waren die Kinder von Pero von Lunvahld.

Und wisst ihr, wer Pero von Lunvahld war? Nein, weil ich es euch ja noch nicht erzählt habe!

Pero war der oberste General der kaiserlichen Armee. Drei Mal dürft ihr nun raten, was unsere lieben neuen Freunde als Beschäftigung hatten.

Richtig, alle drei waren ebenfalls in der Armee tätig. Corin erwähnte ja der hübschen Pea gegenüber das Familienunternehmen, so eine Art Familienunternehmen.

Die liebe Maya genoss schon sehr früh eine der besten Nahkampfausbildungen im Kaiserreich und statt mit Puppen, spielte sie mit Schwert und Axt. Sie konnte es ohne Probleme mit mehreren Männern gleichzeitig aufnehmen und wenn es darauf ankam, dann stand es um ihr Gegenüber ziemlich schlecht. Aber sie war eben eine Frau und Frauen durften nicht an der Front kämpfen. Deswegen hatte ihr Vater viel bessere Pläne mit ihr. Maya war eine Spionin. Ein unschuldiges Mädchen, eine bessere Spionin konnte sich Pero nicht wünschen.

Corin war ganz wie sein Vater, ein Krieger und ein künftiger Heeresführer. Trotz seines jungen Alters von gerade einmal 34, war er die militärische Karriereleiter schon weit nach oben geklettert und sollte eines Tages seinen alten Herren beerben.

Er war tapfer, manche sagen sogar tapferer als sein Vater. Er war jemand, der nicht zwischen den diversen Dienstgraden unterschied, ein Mann und Kämpfer, so wie alle anderen an seiner Seite und er war sich nicht dafür zu schade, auch einmal die Drecksarbeit zu übernehmen. Jeder mochte ihn, als fröhlicher und ehrlicher Mensch war er bekannt und beliebt. Doch auch er konnte ganz andere Saiten aufziehen lassen und zögerte nicht eine einzige Millisekunde, wenn es darum ging, dem Feind die stählerne Klinge in die Eingeweide zu rammen. Corin sollte eines Tages seinen Vater beerben und er war auf einem guten Weg dorthin, allerdings war Corin irgendwie noch nicht zur Gänze erwachsen und musste noch einiges Lernen. Nicht was den Kampf an sich betraf, da konnten ihm nur wenige das Wasser reichen und er besaß auch großartige Führungsqualitäten, aber er war sehr emotional und handelte oft nach seinem Herzen und nicht nach seinem Verstand. Dennoch war er einer der besten Männer seines Vaters und jeder seiner Kameraden konnte sich auf ihn verlassen. Ihm fehlte eben noch der letzte Schliff, das lag vermutlich auch an seinem jungen Alter. Corin war eben Corin, ihr werdet ihn noch genau kennenlernen, dann wisst ihr, was ich meine.

Nevin war da komplett anders, kein Kämpfer, aber dafür ein Tüftler, ein Stratege, ein Analytiker, nicht nur ein Genie, was das Militärwesen betraf, sondern auch in den Naturwissenschaften. Der Sheldon Cooper der damaligen Zeit. Mit nur 16 Jahren schloss er die Markus von Losjaveg Universität in Wickenheim ab, die beste Universität des ganzen Landes. Eine sündteure Privatuniversität, mit der die staatlichen Universitäten nicht einmal ansatzweise mithalten konnten. Ja, sogar die kaiserliche Universität in der Kaiserstadt schnitt gegen die Markus von Losjaveg Universität grottenschlecht ab.

Warum, fragst du mich?

Na ganz einfach, mein Freund mit dem netten Hipsterbart. An den staatlichen Akademien, wie es die kaiserliche Alma Mater nun einmal war, durfte sich auch das Proletariat weiterbilden. Kaiser Hieronymus veranlasste in seiner Bildungsoffensive, dass 25% der Studierenden aus den unteren Gesellschaftsschichten stammen und diese für ihr neuerworbenes Wissen auch nichts entrichten mussten. Also ein Teil des Pöbels konnte gratis studieren, so ähnlich wie bei uns in Österreich.

Genau deswegen war die Situation an den staatlichen Universitäten dann genau so beschissen, wie sie in unserem schönen Land nun einmal ist. Aber vielleicht nicht ganz so beschissen, denn Bildungsflüchtlinge, wie wir sie hier zum Beispiel aus Deutschland haben, gab es nicht. Hieronymus war schlauer als unsere Wichtigtuer im Parlament und untersagte den ausländischen Lebewesen das Studieren an seinen Hochschulen.

Dennoch war zu viel an ihnen los, es mangelte an Personal und Räumlichkeiten und dadurch, dass 25% der Studenten keine Gebühren zahlen mussten, kam auch weniger Zaster in die Kassa.

Das Niveau sank und sank und die gehobenen Klassen wollten sich das nicht mehr länger antun und gingen auf Privatuniversitäten. Mehr Leute dort bedeuten wieder weniger zahlende Kunden auf den staatlichen Unis und das Niveau sank dort erneut. Ein Teufelskreis.

Da Pero nur das Beste für seinen letztgeborenen Sohn wollte, schickte er ihn eben nach Wickenheim, das wie gesagt, das beste Haus im ganzen Kaiserreich war und Nevin wurde dessen jüngster Absolvent.

Da war der Papa stolz, das könnt ihr mir glauben. Hätte es damals schon Autos gegeben, dann hätte der Bub mit Sicherheit eines zur Sponsion bekommen. Einen schicken Corsa zum Beispiel! Oder hätte ihm sein Vater gar einen 3er Golf geschenkt?

Wir werden es niemals erfahren, was wir aber stattdessen wissen ist, dass Nevin ein schlauer Kerl war und nach seinem Abschluss sofort von seinem Vater engagiert wurde. Mit Beziehungen konnte man eben auch schon in längst vergangen Zeiten die besten Jobs erlangen.

Unser Freund Nevin war ein viel beschäftigter Mann in der Armee seines Vaters. Er forschte mit den Wissenschaftlern und Alchemisten, konstruierte neue Waffen, Katapulte und andere Kriegsmaschinen und aufgrund seiner speziellen Fähigkeit, alles glasklar analysieren zu können, schickte ihn sein Vater oft zu diplomatischen Verhandlungen mit und setzte ihn in der Planung ein. Nur kämpfen konnte er überhaupt nicht, diese Rolle mussten dann eben seine Schwester und sein älterer Bruder einnehmen.

Die drei Geschwister hatten sich schon sehr lange nicht mehr gesehen und kamen erst am Vorabend ihres Kneipenbesuches wieder zusammen. Da ist es ja nur verständlich, dass man gehörig einen über den Durst trinkt, wir kennen das ja alle.

Doch so fröhlich sie alle an diesem Abend waren, desto ernster war die tatsächliche Lage im Kaiserreich und sie drohte noch viel ernster zu werden. Deswegen trafen sie sich am nächsten Tag mit ihrem Erzeuger und tauschten mit ihm die neuesten Erkenntnisse aus.

Richtig fit waren sie allerdings noch nicht, die letzte Nacht hinterließ leider ihre Spuren. Daher gönnten sie sich bei einem Marktstand eine mit Dachsblut gefüllte grüne Natter in Pökelsalz, das war damals das mit Abstand beste Mittel gegen den Kater. Zum Runterspülen gab es einen Stierhodenwodka dazu, der half auch immer.

Als das Festmahl in ihrer Magengrube lag, fragte Corin: „Wie spät wird es denn eigentlich jetzt sein?“

Eine lässige Smartwatch hatten sie damals noch nicht, aber man konnte die Zeit relativ gut anhand des Sonnenstands einschätzen, daher antwortete Nevin: „Dürfte wohl so eine Breite nach der Mittagsstunde sein.“

Für alle Unwissenden unter euch: Eine Breite entsprach damals zirka einer Stunde.

„Gut, dann haben wir noch etwas Zeit. Kommt, wir machen noch einen Abstecher zum Diamantenplatz!“, meinte Corin.

„Was tun wir denn dort?“, fragte Maya neugierig.

„Na Lubin Belinn, die rechte Hand von Kolja von Gorod, wird hingerichtet, wir haben ihn in Woldawa gefangen genommen. Er ist für den Angriff auf den Fürstenpalast verantwortlich und gilt als Drahtzieher vom Massaker in Rotbach.“, klärte Corin seine Geschwister auf.

„Wie erfreulich, dass dieser Mistkerl heute brennen wird, hast du ihn selbst festnehmen können?“, wollte seine neugierige Schwester wissen.

„Nein leider, das war eine andere Einheit, ich war mit meinen Männern in den Bergen und habe nach Kolja selbst gesucht. Leider war Lubins Festnahme der einzige Erfolg unserer Mission, aber ich habe andere höchst interessante Dinge erfahren.“

„Was denn?“, jetzt wurde auch Nevin neugierig.

„Warte ab, bis wir bei unserem Vater sind, ich erzähle die Dinge nur ungern zwei Mal. Gehen wir, die weiße Wacht wird den Scheiterhaufen bald entzünden.“, trieb Corin die anderen beiden an.

Maya meinte darauf: „Das ist wieder typisch! Die Armee erledigt die ganze Arbeit, nimmt Lubin gefangen und die Stadtwache darf ihn hinrichten.“

„Du weißt doch, liebe Schwester, in der Kaiserstadt darf nur die weiße Wacht Hinrichtungen durchführen.“, mischte sich Nevin schnell oberschlau dazwischen und fuhr fort: „Ist unser Vater eigentlich auch dort?“

Corin antwortete: „Vermutlich nicht, du kennst ihn ja, wenn er selbst nicht das Feuer entzünden darf, dann interessieren ihn solche Veranstaltungen nicht. Ich will aber dennoch sehen, wie dieser Hurensohn in Flammen aufgeht, jetzt kommt endlich!“

Die drei huschten flink durch die verwinkelten Gassen zu dem besagten Platz. Eine prachtvolle, weitläufige und eindrucksvolle Lokalität, umrundet von hohen Gebäuden aus hellem Stein, von denen die imposante Kaserne der weißen Wacht am meisten hervorstach und deren Turm erstrahlte in der späten Mittagssonne besonders weiß. In der Platzmitte war eine Art Bühne aufgebaut. Auf ihr befand sich der große Scheiterhaufen, auf dem schon das Grillgut festgebunden war und rund um ihn versammelten sich wichtige Leute. Yaldralad, der Elfenmagier, den wir ja bereits kennen, war dort. Neben ihm stand Jaron, der Fürst der Kaiserprovinz und gleich neben der großen Feuerstelle, schon mit der Fackel in der Hand, stand Tinus, Oberbefehlshaber der weißen Stadtwache.

Der ganze Platz war voll von Menschen und Elfen, sogar ein paar Zwerge waren dabei, um Lubin Belinn brennen zu sehen. Um die tausend schaulustige Lebewesen waren es mit Sicherheit.

Euphorischer Jubel brach aus, als Tinus den Arm mit der Fackel in die Höhe streckte und kurz darauf mit lauter Stimme zu dem Mann am Scheiterhaufen sprach: „Lubin Belinn! Ihr wurdet wegen Massenmordes, Abtrünnigkeit und Widerstand gegen das Kaiserreich zum Tode verurteilt. Dieser hätte Euch wesentlich humaner, durch Enthauptung, ereilen können, aber selbst unter Folter wolltet Ihr nicht preisgeben, wo sich Euer Herr, Kolja von Gorod, befindet. Daher müsst Ihr nun qualvoll in den Flammen verenden. Im Namen der Stadt und im Namen des Kaiserreichs werde ich das Feuer nun entzünden, auf das der Gestank Eures verbrannten Leichnams noch Tage durch die Straßen ziehen möge. Laut dem Gesetz habt Ihr auch kein Recht auf letzte Worte. Ich frage nun das Volk: Wollt ihr diesen widerlichen Schädling brennen sehen?“

Wieder brach großer Jubel aus und in Sprechchören hallte es: „Brenn! Brenn! Brenn!“

„Ihr habt gehört, nun soll Euch das Feuer holen!“

Dann warf Tinus die Fackel auf den Scheiterhaufen. Rasch schoss die Feuersbrunst empor, fraß sich unter seine Haut und verbrannte alles an ihm. Im ersten Moment schrie er noch wie wild, aber bald raubten ihm die dornigen Schmerzen den Atem und jegliches Gefühl. Die Menge tobte vor Freude, bis nur noch ein verkohltes Skelett übrigblieb. Wieder ein Bastard weniger.

Dieser Tage waren die Hinrichtungen in der Stadt zahlreich. Je nach Verurteilung gab es den Scheiterhaufen, den Galgen oder den Henker zu bejubeln.

Sonst war die Kaiserstadt aber noch ein friedlicher Ort und eine der wenigen Städte in Ithrien, in der es keine Unruhen gab und auch der Hass zwischen den einzelnen Völkern noch nicht ausgebrochen war. Alles war so, wie es auch unter Hieronymus war, wenigstens in der Kaiserstadt lebte sein Traum noch weiter. Doch kein Frieden hält ewig und die wichtigen Personen, die noch wichtigere Ämter innehatten, wussten das.

Deswegen traf sich nun Pero mit seinen drei Kindern.

Märchenstunde

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