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2. Inschriften

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Was folgt, versteht sich als grundsätzliche Einführung in Quellengattungen, ohne die unser Wissen von der Antike noch weitaus lückenhafter wäre, als es ohnehin schon ist, zumal für eine durch Texte schlecht dokumentierte Periode wie die Soldatenkaiserzeit. Inschriften, Papyri (und Pergamente), Münzen sowie archäologische Quellen im engeren Sinn (Architektur, Bildwerke, Keramik, Kleinfunde) bereiten besondere analytische Schwierigkeiten, eröffnen aber auch Zugänge zu sonst verborgenen Bereichen antiker Geschichte. Die folgenden Abschnitte vermitteln für die Darstellung der Epoche elementares Wissen und wenden sich an einen Leserkreis, der über keine bis wenig Erfahrung mit nichtliterarischen Zeugnissen verfügt.

Angesichts des vielstimmigen Schweigens der literarischen Quellen liegen Versuch und Versuchung nahe, anderen, materiellen Hinterlassenschaften der Antike jene Informationen zu entlocken, die die Autoren so hartnäckig verweigern. Diesem Bemühen verdanken drei Teildisziplinen der Alten Geschichte ihre Existenz: Epigrafik (Inschriftenkunde), Numismatik (Münzkunde) und Papyrologie.

Inschriften, Papyri und Münzen gehören zum archäologischen Fundgut. Wie bei den Überresten antiker Architektur, Bildwerke und anderer Gegenstände ist auch ihre Erhaltung bzw. Auffindung wesentlich eine Frage des Zufalls. Bedenkt man, dass bisweilen der Fund einer einzigen Inschrift oder eines einzigen Papyrus unser Bild einer Epoche fundamental ändern kann, so wird klar, dass jede Rekonstruktion von Geschichte, die wesentlich auf archäologischem Material fußt, unweigerlich ihr Verfallsdatum in sich trägt. Auf der anderen Seite bieten nichtliterarische Quellen unbestreitbare Vorzüge. In einer Gesellschaft, in der literarisches Schaffen nur von kleinen elitären Minderheiten rezipiert wurde, verengte sich ihr Gesichtskreis zwangsläufig auf die Lebenswirklichkeit einer exklusiven Gruppe. Die überwältigende Mehrheit der Menschen bleibt in den Texten normalerweise stumm. Ihr verleihen Archäologie, Epigrafik und Papyrologie, aller Problematik des Befunds zum Trotz, eine Stimme.

Inschriften unterscheiden sich hauptsächlich durch ihre andere, gleichsam unmittelbare Überlieferungsgeschichte von literarischen Texten. Sie sind auf dauerhaftem Material, in der Regel Stein, aber auch Metall oder Keramik, verfasst. Fast immer lag es also in der Absicht der Verfasser, eine Botschaft, wenn nicht für die Ewigkeit, so doch für sehr lange Zeiträume, publik zu machen, nach Möglichkeit für kommende Generationen. Wer mit der Botschaft angesprochen werden sollte, verrät meist der Aufstellungsort: Inschriften auf zentralen Plätzen, etwa Märkten, sollten von möglichst vielen Menschen wahrgenommen werden, aber auch Inschriften eher privater Natur suchten häufig einen breiten Adressatenkreis. So wenden sich entlang der antiken Gräberstraßen, die zugleich immer Ausfallstraßen der Städte waren, aufgestellte Grabinschriften oft an die vorbeigehenden Reisenden.

Inschriften sind ihrer Natur nach an bestimmte Orte gebunden. Sonst aber gelten für ihre Interpretation die gleichen Maßstäbe wie für literarische Quellen. Beide sind, im weitesten Sinn, erzählende Texte. Auch für sie gilt es daher stets, Kenntnis über Erzählperspektive, -absicht und -situation zu erlangen. Mehr noch als literarische werfen epigrafische Texte, so vielseitig sie sind, ein analytisches Problem auf: Sie sind praktisch nie aus sich selbst heraus verständlich, sondern immer nur im Zusammenhang. Ihre Interpretation – oft auch nur die Lesung beschädigter Inschriften – erfordert ein hohes Maß spezifischen Wissens. Auf der anderen Seite wüssten wir ohne epigrafische Tradition über zahlreiche Funktionsbereiche der römischen Gesellschaft nur einen Bruchteil dessen, was wir dank der Inschriften wissen: Das Innenleben von Militär, Verwaltung und Religion bliebe uns fast vollständig verborgen.

Gleichwohl war natürlich nur ein kleiner Ausschnitt menschlicher Lebensbereiche Gegenstand von Inschriften. Allein zwei Bereiche privater bzw. halbprivater Aktivitäten finden überhaupt in nennenswertem Umfang Eingang in das Korpus antiker Inschriften: Tod und Religion (wobei sich über den privaten Charakter von Religion im Altertum wiederum streiten ließe). Der dritte, gänzlich offizielle, Sektor ist das breite Feld administrativer Tätigkeit; hier spricht, durch die Inschriften, mehr oder weniger direkt die Staatsmacht – ob Stadt, Statthalter oder Kaiser – zu uns: Inschriften bewahren uns Gesetze, Entscheidungen kaiserlicher oder kommunaler Behörden, militärische Direktiven, Organisation von Kulthandlungen oder Ehrendekrete.

Ein Großteil der erhaltenen Inschriften, auch des 3. Jahrhunderts, enthält, jedenfalls vordergründig, kaum historisch verwertbare Aussagen. Grabinschriften einfacher Leute etwa folgen durchweg einheitlichem Formular und enthalten an Wissenswertem allenfalls den Namen des oder der Verstorbenen. Auch Weihungen an Götter oder den Kaiser und seine Familie müssen nicht unbedingt von inhaltlichem Interesse sein. Und doch kann allein der Umstand, dass eine Inschrift in einer bestimmten Sprache an einem bestimmten Ort aufgestellt wurde, Informationen von großer Tragweite liefern: Ganz wesentlich durch Inschriften erschließt sich uns die „Sprachgeografie“ (Fergus Millar) der antiken Welt. Wichtig, weil Aufschlüsse über die Datierung und Funktion von Gebäuden enthaltend, sind fast immer Bauinschriften. Auch die Meilensteine römischer Straßen sind erstrangige Dokumente und geben oft sekundär Aufschluss über politische und militärische Entwicklungen.

Ein erheblicher Teil des Aufgabenspektrums römischer Kaiser bestand im höchstrichterlichen Entscheid von Rechtsstreitigkeiten und der Beantwortung von Eingaben und Petitionen, meist von ganzen Dorfgemeinschaften oder Städten. Hatte eine Gruppe das erlangt, was sie vom Kaiser erbeten hatte, so stellte man die Antwort des Kaisers, sein Reskript, und oft auch die Eingabe selbst an prominenter Stelle für alle sichtbar auf. Unzählige kaiserliche Verfügungen sind so erhalten. Sie sind wichtige Zeugnisse nicht nur herrscherlicher Rechtsprechung, sondern auch für die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in allen Teilen des Reiches.

Der „Tatenbericht“ Šapurs

Die bedeutendste historische Inschrift der Soldatenkaiserzeit ist so ein Text und stammt, wie es der Zufall will, nicht aus dem römischen Imperium. Es handelt sich um die Res gestae divi Saporis, den „Tatenbericht“ des Sasanidenkönigs Šapur I.: eine monumentale trilingue Inschrift, die auf einem Turmbau in Naqš-i Rustam nahe Persepolis angebracht ist. Die Inschrift schildert unter anderem, in einer nicht immer leicht zu durchschauenden Erzählstruktur, die Feldzüge Šapurs gegen die Römer. Sie ist, neben einigen Bildwerken, das bedeutendste persische Selbstzeugnis zu den Kriegen und schon als solches von unschätzbarem Wert.

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