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14.11.1972 - 08:00 - Kutambati, Kenia
ОглавлениеDie Weite der um diese Jahreszeit grünen Savanne wurde von mächtigen Baobabs und Schirmakazien beherrscht. Vereinzelt sah man Impalas mit ihren imposant gebogenen Hörnern in kleinen Gruppen auf der Futtersuche. Die Luft war nach dem nächtlichen Regen noch etwas feucht, die rote Sandpiste jedoch begann in der Sonne schon wieder zu trocknen. Bald würde sie den Elefanten wieder dazu dienen, sich in einem ausgiebigen Sandbad mit rotem Staub zu bedecken.
Der kleine Ort Kutambati in der Nähe des Nationalparks bestand aus einfachen Holzhütten und einigen Häusern aus roh gemauertem Stein.
"Heerdt-Stiftung" stand in ausgeblichenen Lettern über dem hölzernen Tor am Ortsausgang. Auf dem großen Hof hinter dem Bretterzaun saßen, standen und lagen dutzende von Einheimischen und warteten auf das Erscheinen der Ärzte.
Hier in Kutambati fand man in hundert Kilometer Umkreis die einzige funktionierende Klinik, die dazu noch kostenlos arbeitete. So war es kein Wunder, dass sich an jedem Morgen ganze Völkerscharen dorthin auf den Weg machten.
Zu dieser frühen Stunde war es eigentlich noch recht kühl. Die schwüle Wärme der Nacht war von der Frische des Morgens abgelöst worden. Sogar die Moskitos gaben für kurze Zeit Ruhe. Dennoch waren die drei Wasserhähne auf dem Gelände dicht belagert. Wasserholer aus der Nachbarschaft, die jeden Morgen hier ihre Gefäße füllten, stritten sich lautstark mit den Patienten und deren Begleitern. Jeder drängelte jeden beiseite, um zuerst ein paar Liter Wasser zu erhalten. Schließlich hatten die meisten hier zum ersten Mal Gelegenheit, so bequem an frisches, kühles Wasser zu gelangen.
Die Weißen waren schon wunderlich. Überall sonst musste das Wasser mühsam aus Flüssen oder Bächen geholt oder teuer bezahlt werden. Hier dagegen gab es hunderte von Litern völlig umsonst. Immer mehr Menschen strömten auf den Hof, und das Gedränge hatte seinen Höhepunkt erreicht, als das Hauptportal der kleinen Klinik geöffnet wurde.
Schlagartig änderte sich das Bild. Jeder raffte seine Habe zusammen. Kranke wurden aufgehoben und gestützt, und alles drängte sich in den großen Warteraum in der Vorhalle.
Zwei Kenianer, Bedienstete der Stiftung, wiesen ihren Landsleuten Plätze auf dem Fußboden zu. Gleichzeitig wurden Zettel mit Nummern verteilt, die die Reihenfolge der Behandlung bestimmen sollten.
Das Durcheinander war unbeschreiblich: Kalebassen mit Proviant und saurer Milch wurden abgestellt. Decken und Matten wurden ausgebreitet. Familien, die von weit her gereist kamen, hatten ihre Kochgeschirre mitgebracht, und jeder der Anwesenden tauschte mindestens dreimal seinen Platz, um möglichst viele Freunde und Verwandte in seiner Nähe zu haben. Schwangeren Frauen wurden dabei immer die besten Plätze zugewiesen, das hatte Doktor Wallmann so angeordnet und daran hielt man sich auch.
Zwei Frauen aus dem Dorf hatten, wie jeden Morgen, am Eingang der Halle ein kleines Restaurant eröffnet. Ein aufgeschnittenes Blechfass voll glühender Holzkohle diente als Herd; und nach wenigen Minuten waren die ersten Patatas in der großen, flachen Blechschüssel gargekocht. Auf einem zweiten Herd wurden Mangoschnitzel und Hühnchenteile als Beilage in Öl gebacken.
Ab und zu kamen noch Nachzügler. Aber obwohl der große Raum schon überfüllt war, fand sich für alle noch ein Plätzchen am Boden.
"Breakfast, Bwana!" Laut klopfte es gegen die Tür. Verwirrt schlug Fischer die Augen auf. An die Anrede "Bwana" hatte er sich noch nicht gewöhnen können. Bis vor kurzer Zeit hatte er für die Zweigstelle der Heerdt-Stiftung in Indien gearbeitet. Dort hatte man ihn natürlich mit "Sahib" angeredet.
"Bwana Doktor Fischer! Breakfast!", kam es wieder dumpf durch die Tür.
"Ja, ja, schon gut!" Fischer richtete sich auf und schlug das Moskitonetz zurück. Auf der Bettkante sitzend zündete er sich eine Zigarette an. Nach ein paar Zügen war ihm schon besser. Nur die halbvolle Whiskyflasche auf dem Nachttisch ekelte ihn an. Er hatte nun mal kein Talent zum Säufer. Ein Schluck zu viel - und ein Riesenkater war ihm sicher. - Und gestern Abend waren es mindestens drei Schlucke zu viel gewesen - wenn nicht sogar vier.
Unsicher stand er auf und ging ins Bad. Schwankend stand er vor der Toilette, wobei er das Becken ein paar Mal gründlich verfehlte. Ohne sich darum zu kümmern, drehte er sich weg. Der Hausboy würde nachher schon wieder alles in Ordnung bringen. Die Dusche blieb heute unbenutzt. Fischer fühlte sich einfach zu schwach auf den Beinen. Seine Morgenwäsche beschränkte sich auf ein flüchtiges Fingerabspülen.
Priscilla oder Clarissa, oder wie sie auch immer hieß, lag noch schlafend auf dem Bauch, als er zurückkehrte. Die Decke war hoch gerutscht, entblößte die braunen Schenkel und die strammen, nackten Pobacken. Augenblicklich spürte Fischer die Reaktion in seinem Körper. Die Übelkeit ließ nach, und das Verlangen nach diesem schlanken, dunklen Mädchenkörper überkam ihn so heftig, dass er selbst staunte. Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante. Sanft legte er seine Hand zwischen die Schenkel des Mädchens und begann mit kleinen massierenden Handbewegungen.
Ein Kichern unter der Bettdecke verriet ihm, dass die Kleine sich nur schlafend gestellt hatte. Dann war die reizvolle Pose, in der er sie vorgefunden hatte, vielleicht kein Zufall gewesen. Das ließ sich herausfinden: Rasch kletterte er in das Bett und kniete sich zwischen ihre Beine.
"Come on." Mit beiden Händen erfasste er ihr Becken und hob sie in eine kniende Stellung.
"Oh Martin, I love you!" stöhnte die Kleine, als er in sie eindrang.
"What's your name?" Fischer presste sie noch enger an sich.
"Crissie."
"I love you, Crissie!" sagte Fischer und kam sofort.
"Wie viele sind es denn heute?" Fischer war zu spät zum Frühstück erschienen. Wolters und Wallmann, die beiden anderen Ärzte der Klinik, waren fast schon fertig.
"Bis jetzt schon über achtzig." Wolters nahm sich noch Kaffee. "Wird mal wieder ein harter Tag."
Fischer langte kräftig zu. Gebratener Reis, gebackene Kochbanane und alles, was der Koch sonst noch für europäische Küche hielt, stand reichlich auf dem Tisch. Als Krönung gab es heute allerdings ein Päckchen Original-Schweden-Knäcke mit Sardellenpaste aus Wolters privaten Beständen.
"Bedien dich!" ermunterte er Fischer, was dieser auch dankbar tat.
"Denkt bitte daran", ermahnte Wallmann, der Chefarzt, seine beiden Mitarbeiter. "In zehn Tagen wird die Schmerzmittel-Versuchsreihe III abgeschlossen. Von den geforderten Berichten liegt erst knapp die Hälfte vor. Haltet euch also ran!"
"Wir wissen doch schon jetzt, dass das Zeug nichts taugt. Dieser Versuchsmist, den die Zentrale uns geschickt hat, ist dermaßen unverträglich, dass mir die Leute schon fast hier auf dem Hof umkippten." Wolters schüttelte den Kopf. "Bei 30 Prozent waren die Schädigungen des Magen-Darm-Traktes so schwer, dass wir das wir sie sofort aus dem Programm rausnehmen mussten." Der Chirurg war aufgestanden und ging zur Tür.
"Richtig, Felix", rief Wallmann ihm nach. "Trotzdem besteht die Zentrale auf den Auswertungen!"
"Ich weiß", entgegnete Wolters. "Wir hören mal rum, wer von den Versuchskaninchen noch in der Nähe ist. Wir kriegen das schon hin. Notfalls ..."
"...werden die letzten Berichte einfach aus Wahrheit und Dichtung zusammengemixt." fiel Fischer ein. In Indien hatte er vor ganz ähnlichen Problemen gestanden. In diese verdammten Landkrankenhäuser kamen die Einheimischen nur, wenn es Ihnen nicht zu gut oder zu schlecht ging. Besserte sich ein Leiden, blieben die meisten Patienten einfach weg. Ging es Ihnen wirklich schlecht, verkrochen sie sich in ihre Hütten zum Sterben. Man konnte Versuchsreihen mit tausend Personen starten und bekam unter Umständen doch nur zweihundert Langzeitbeobachtungen zustande. Von einer repräsentativen Untersuchung konnte man da überhaupt nicht mehr reden - aber das hatte die Zentrale noch nie gestört.
"Wahrheit und Lüge? Na, na, was soll denn das?" wies Wallmann Fischer zurecht. "Halten wir es doch bitte wie üblich. Alle wissen Bescheid - und keiner spricht darüber." Auch er erhob sich. "In diesem Sinne: - frohes Schaffen liebe Kollegen!"
Fischer spülte das letzte Stück Knäcke mit echtem Kenia-Kaffee runter und folgte den beiden.
Die drei Ordinationsräume lagen dem Haupteingang gegenüber und teilten den ganzen Block in zwei Hälften. Die vordere Abteilung enthielt den großen Warteraum und die sanitären Anlagen für die Besucher. Hinter den Sprechzimmern lagen die Privaträume der drei Ärzte sowie die Küche und der Gemeinschaftsraum. Koch und Hausboy lebten mit dem anderen Personal zusammen im Nebengebäude, wo es auch 15 Betten zur stationären Behandlung von Patienten gab.
Fischer ging in sein Sprechzimmer und schloss die Vordertür auf. Kurz darauf wurde von einem der Helfer der erste Patient hereingebracht.
"Jambo,Bwana!"
"Jambo!" Fischer nickte dem alten Mann freundlich zu. "Verstehst du englisch?"
Der Alte blickte verständnislos.
Fischer seufzte. "Erzähl mir, was er will", befahl er dem Helfer. "War er schon mal hier?"
Der Helfer sprach ein paar schnelle Worte in Suaheli. Bedächtig wiegte der Alte den Kopf und schaute misstrauisch zu Fischer hinüber. Die Antwort war für afrikanische Verhältnisse sehr kurz. Schon nach ungefähr acht Sätzen durfte der Dolmetscher übersetzen.
"Nein, er war noch nicht hier. Aber er will jetzt den Doktor sehen."
"Sag ihm, dass ich der Doktor bin."
"Sorry, Bwana Doktor Fischer, er wird mir nicht glauben, weil er es nicht sehen kann."
"Wieso?" Fischer blickte an sich herunter. "Oh Scheiße!" murmelte er auf Deutsch. Er hatte vergessen, sich seinen Kittel anzuziehen. Langsam stand er auf und ging zu dem schmalen Wandschrank, in dem er seine Dienstkleidung verwahrte. Er nahm sich einen frischen Kittel vom Bügel und zog ihn über, ohne die Knöpfe zu schließen. Als Krönung nahm er dann sein Etui mit den elf Kugelschreibern aus der Brusttasche des alten Kittels und steckte es gut sichtbar ein.
Ehrfurcht zeichnete sich auf dem Gesicht seines Patienten ab. Dieser Mann war bestimmt ein großer Doktor! Selbst der Polizist in seinem Heimatdorf besaß nur drei Kugelschreiber - und der Bürgermeister sogar nur zwei!
Fischer kam sich, wie immer im ersten Moment, recht lächerlich vor. Die Metall- und Plastikclips zierten seine Brust, als sei er ein russischer General in Paradeuniform, aber die Wirkung blieb nicht aus. Der Alte taute zusehends auf und begann, in schnellen Worten zu erzählen. Der Helfer übersetzte:
"Er ist drei Tage lang gegangen, um hierher zu kommen. Er freut sich, Sie hier anzutreffen und wünscht Ihnen ein langes Leben. Er fragt, wie es Ihnen geht und ob auch ihre Familie wohlauf ist. Es war ein langer Weg hierher - und die Sonne war sehr heiß. - Aber seine Brüder..."
"Moment! Frag ihn, was ihm weh tut."
Die beiden Schwarzen unterhielten sich nun angeregt.
"Well", meinte der Dolmetscher schließlich. "Er ist auf eine Palme geklettert, um Früchte zu holen. Da ist er abgerutscht und auf den Boden gefallen. Dabei ist er mit dem Knöchel auf einen Stein geschlagen. Das tat sehr weh. Seitdem kann er nicht mehr richtig laufen - und jetzt ist er hierher gekommen, um sich heilen zu lassen."
Fischer ließ sich den Fuß zeigen. Schon der erste Blick zeigte ihm, dass er hier nichts mehr ausrichten konnte. Fast der ganze Fuß war bei dem Sturz zerschmettert worden, und die Brüche waren samt und sonders schief zusammengewachsen.
"Wieso kommt er erst jetzt? Und wieso klettert er in seinem Alter noch auf Palmen herum?" fragte er den Dolmetscher.
Der gab die Fragen an den Alten weiter, der wieder zu einer längeren Rede ansetzte. Als er damit fertig war, erfuhr Fischer den wahren Sachverhalt: Der Alte hatte gar nicht sofort kommen können. - Als der Unfall passierte, war er noch ein Kind gewesen.
Fischer seufzte. Da erwartete dieser arme Alte doch wirklich, dass der weiße Wunderdoktor einen mindestens 50 Jahre alten, schlecht verheilten Knochenbruch repariert. Aber die Weißen waren ja selbst schuld, wenn sie überfordert wurden. Jahrzehnte-, ja jahrhundertelang hatten sie sich als Alleskönner und Wundertäter aufgespielt. Und so was war nun die Quittung dafür.
"Hier, das ist gute Medizin!" Aus der Schreibtischschublade hatte er ein Röhrchen mit Zuckerpillen geholt und reichte es dem Alten. "Jede Woche eine Pille - und den Fuß schonen!" ließ er übersetzen. "Aber er soll nicht zu viel erwarten, die Sache braucht Zeit."
Erfreut nahm der Alte die Medizin entgegen und humpelte Danksagungen murmelnd hinaus.
"Glück gehabt, alter Junge. Für einen Feldversuch mit neuen Präparaten bist du einfach zu alt", stellte Fischer bei sich fest und ließ den nächsten Patienten hereinholen.
Zwei Geschwüre, zwei Durchfälle, drei Bilharziosen und einige andere Krankheiten später: Fischer fühlte sich total ausgelaugt. Er war kein Arzt aus Leidenschaft. Die Routine der Behandlungen, die Krankheitsgeschichten, die ewig gleichen Begrüßungsformeln machten ihn krank.
Aus Prestigegründen hatten seine Eltern darauf bestanden, dass er Medizin studierte. Eigentlich hätte er viel lieber eine künstlerische Laufbahn eingeschlagen. Aber um des Familienfriedens willen hatte er schließlich eingewilligt.
Schon bald hatte er allerdings festgestellt, dass er dem Arztberuf wirklich nicht viele positive Seiten abgewinnen konnte. Seine Schwierigkeiten mit den hierarchischen Strukturen des Ärztestandes hatten ihm schon in den ersten Semestern Unmengen von Ärger eingetragen. Dass er trotzdem seine Scheine zusammenbekam und auch ganz gut abschnitt, grenzte an ein Wunder. Immerhin ließ er keine Gelegenheit ungenutzt, sich unter der Professorenschaft Feinde zu machen.
Mitten in diesem Dilemma kam ihm seine Idee, den Fachbereich "Tropenmedizin" zu wählen, wie eine Erlösung vor. Der 22jährige Medizinstudent Martin Fischer träumte davon, eines Tages in einem hübschen kleinen Krankenhaus, in einem interessanten Land - mit netten farbigen Kollegen - nette farbige Patienten zu behandeln.
Heute, 37jährig - nach sechsjährigem, fast ununterbrochenem Einsatz in verschiedenen Ländern - wusste er, dass Entwicklungsarbeit immer bedeutete, bis über beide Ellbogen im Dreck zu wühlen. Aber das war noch nicht das Schlimmste.
Viel mehr als Hitze, Staub und Langeweile machte es ihm zu schaffen, dass er ständig gezwungen wurde, seine Patienten zu Versuchszwecken zu missbrauchen. Fast alle europäischen Pharmakonzerne unterhielten im Rahmen der Entwicklungshilfe Versuchsstationen in der Dritten Welt. Hier wurden die Medikamente getestet, die in Europa nicht an Menschen erprobt werden durften.
Wie entsetzt war er gewesen, als er bei seinem ersten Einsatz in Westafrika feststellte, dass täglich dutzende von vollständig gesunden Bergarbeitern durch die Sprechzimmer geschleust wurden, an die er neu entwickelte Beta-Blocker zu verteilen hatte. Da Beta-Blocker auch Depressionen auslösen können, hatte man dem Präparat eine gute Dosis Stimmungsaufheller beigemengt. Jeder Mann musste Urin- und Stuhlproben abgeben, Blut wurde abgenommen und Reaktionstests wurden durchgeführt. Anschließend musste jeder Arbeiter seine Pille für die Nacht unter Aufsicht einnehmen und durfte dann nach Hause gehen. Die Ehefrauen maulten zwar etwas, weil ihre Kerle nachts zu absolut nichts mehr zu gebrauchen waren, aber das war nicht weiter schlimm. Viel bedenklicher stimmte es, dass die Jungs auch am nächsten Morgen noch völlig high gewesen waren. Fröhlich lächelnd hatten sie bei der Arbeit sich selbst oder anderen - ganz aus Versehen - ein paar Finger oder sonstige Körperteile abgehackt. Eilig war nach Deutschland telegrafiert worden, und man hatte den Versuch sofort abgebrochen. Das neu entwickelte Präparat, das drei Wochen später angeliefert wurde, wirkte schon erheblich milder; musste aber noch zweimal verbessert werden, bevor es in Deutschland in den Handel kam.
Unzählige andere Tests folgten: Appetitzügler, Cortisoncremes, Kreislaufmittel, Rheumasalben und vieles andere wurde in stetem Wechsel auf Wirkung und Verträglichkeit getestet. Die Menschen, an denen diese Versuche vorgenommen wurden, hatten sich alle freiwillig gemeldet. Andererseits hätte die Yekepa Mining Company jeden gnadenlos gefeuert, der sich nicht zur Verfügung gestellt hätte. Schließlich erhielt sie von dem Pharmakonzern ein hohes Kopfgeld für jede Versuchsperson.
Brauner, Fischers damaliger Vorgesetzter, hatte in einem abendlichen, privaten Gespräch dann auch noch die letzten Illusionen zerstört, die Fischer bis dahin noch hätte haben können. Fischer, frisch aus Deutschland importiert, hatte schwere Skrupel wegen des menschenverachtenden Vorgehens seiner Firma. Beiläufig hatte er durchblicken lassen, dass er beabsichtige, einen Bericht auszuarbeiten und die Presse über die skandalösen Zustände zu informieren.
Brauner hatte ihm das allerdings ganz schnell ausgeredet. Er hatte Fischer vor Augen geführt, was passieren würde, wenn diese Klinik geschlossen werden müßte. Die einheimische Bevölkerung würde dann zwar nicht mehr als Versuchsmaterial missbraucht, aber sie würde auch sonst ohne jede medizinische Versorgung sein.
Fischer hatte das einsehen müssen, aber es hatte ihm absolut nicht gefallen. Er war zu keiner Antwort fähig gewesen. Er hatte sich knapp verabschiedet und war in sein Zimmer gegangen In dieser Nacht hatte der junge Doktor Fischer zum letzten Mal in seinem Leben geweint. Es waren Tränen der Hilflosigkeit, der Enttäuschung und der Wut gewesen.