Читать книгу PROJEKT KUTAMBATI - Michael Stuhr - Страница 8
14.11.1972 - 13:00 - Kutambati, Kenia
Оглавление"Frang-fu! Frang-fu!" Der Postboy versuchte die deutsche Aussprache nachzuahmen, die er von Wallmann gehört hatte. Ohne Rücksicht auf seine Mittagspause kam er, begleitet von einer Horde Kinder, laut rufend in einer riesigen roten Staubwolke über den glühend heißen Hof gerannt. Das Telegramm in der hocherhobenen rechten Hand, raste er direkt auf das offene Fenster des Gemeinschaftszimmers zu, in dem die Ärzte gerade beim Essen saßen.
"Jambo Bwana Doktor Wallmann!" grüsste er außer Atem. "Telegramm from Frang-fu!"
"Jambo Christoph, thanks a lot!" Wallmann stand auf und nahm dem Jungen das Papier ab. Umständlich kramte er in der Hosentasche und reichte ihm einen Shilling. Staunend verfolgte die Kindermeute, wie Christoph seinen Lohn in sein Taschentuch knotete und am Gürtel befestigte.
"Na, was wollen die Frankfurter schon wieder?" Wolters war ungeduldig.
Wallmann überflog das Telegramm. "Seidel kommt."
"Oh nein!" Wolters stöhnte auf. "Ausgerechnet dieser Kotzbrocken."
"Nun beruhige dich mal, Felix. Diesmal brauchst du ihn wohl nicht zu sehen. Ich treffe mich mit ihm im "River Thames" in Mombasa."
"Wann denn?"
"Schon heute Abend. Das Scheiß-Telegramm war mal wieder drei Tage lang unterwegs. Ich versuche Pavarone zu erreichen." Wallmann steuerte das Funkgerät an.
"He Gerd, warte doch mal!" fiel Fischer ein. "Du fliegst heute noch nach Mombasa?"
"Ja!"
"Wann kommst du zurück?"
"Wahrscheinlich morgen früh!"
"Nimmst du mich mit?"
"Na hör mal!"
"Komm Gerd, sei kein Frosch. Nimm mich mit! Felix schafft das hier schon alleine bis morgen. Stimmt's Felix?"
"Wenn ich nur diesen Seidel nicht sehen muss, ist mir alles recht."
"OK Martin, aber wenn ich länger bleiben muss, fliegst du morgen früh alleine zurück.
"Yes, Sir!" Fischer strahlte Wallmann an. "Na denn - wann geht's los?"
Wallmann hatte inzwischen die richtige Frequenz eingestellt. "Heerdt-Klinik ruft Pavarone! Heerdt-Klinik ruft Pavarone! Komm Junge, melde dich!"
Wallmann ließ die Sprechtaste los und wartete einige Sekunden. Alle hörten gespannt auf das Knacken des Lautsprechers.
"Hallo, hier ist Franco! Heerdt-Klinik, was ist los?"
"Tag Franco, hier ist Gerd. Du hör mal, hast du einen Lift für uns? Zwei Personen nach Mombasa und morgen früh zurück. Wann kannst du hier sein?"
"Na, zwei Stunden werde ich schon brauchen. Ich muss erst noch Staub wischen."
"In Ordnung! Wir sind kurz nach drei an der Piste."
"Ja, aber probiert diesmal rechtzeitig, ob euer Wagen anspringt. Ich habe keine Lust, wieder stundenlang zu warten. Ende!"
"Ende!"
Um halb drei fuhr Wolters die beiden Kollegen zum Landeplatz, der zirka sieben Meilen außerhalb des Dorfes lag. Der Pilot hatte recht gehabt. Der VW-Kübel hatte zu lange gestanden und musste tatsächlich wieder angeschoben werden. Jetzt lief er einwandfrei, und kurz vor drei stand der Wagen mit laufendem Motor neben der Piste.
"Ich möchte doch mal gerne wissen, was dich so gewaltig nach Mombasa zieht." Wolters hatte sich zu Fischer herumgedreht.
"Das kann ich dir erklären: Vor vielen Jahren träumte ich davon, einmal eine Klinik an der Küste zu leiten. Und was habe ich bis heute bekommen? Zweitklassige Stellungen in der Steppe, in der Wüste, im Dschungel und im Sumpf. Ich finde einfach, dass ich es meinem Traum von damals schuldig bin, wenigstens ab und zu ein bisschen Seeluft zu schnuppern."
Wallmann, der auf dem Beifahrersitz mitgehört hatte, lachte kurz auf.
"Tja", stellte Wolters fest, "In jedem Arzt steckt ein Romantiker - oder steckte zumindest", setzte er bitter hinzu und wandte sich ab.
Wenige Minuten später trudelte auch Franco Pavarone mit seiner einmotorigen Cessna ein.
"Viel Spaß und viel Glück", rief Wolters zum Abschied, als Fischer und Wallmann in die Maschine eingestiegen waren, "und bringt mir bloß den Seidel nicht mit!" Er hob grüßend die Hand.
Pavarone schob den Gashebel nach vorne, und die Cessna begann zu rollen.
"Was gibt's Neues in Wajir?" Wallmann hatte sich vorgebeugt und brüllte dem Piloten die Frage ins Ohr. Seit einer Stunde war die Cessna nun schon in Richtung Mombasa unterwegs.
"Oh, bei uns tut sich allerhand." Mühelos übertönte die gewaltige Stimme Pavarones den Motorenlärm. "Unser Flugplatz ist jetzt auch nachtlandetauglich. Die Provinzregierung hat den Ankauf von zwölf Petroleumlampen zur Landebefeuerung beschlossen." Pavarone lachte Tränen über den eigenen Witz, den er seit Wochen jedem Passagier erzählte.
"Ich habe gehört, dass es bei euch ein neues Bordell gibt. Erzähl doch mal!" brüllte Wallmann erneut.
Die Cessna flog nur circa 300 Fuß hoch. Bei jedem Wechsel der Landschaftsformation wurde das kleine Flugzeug von heftigen Turbulenzen geschüttelt. Pavarone hatte alle Hände voll zu tun. "Ist schon wieder zu", berichtete er. "Hat massiven Ärger mit der Polizei gegeben. Wir sind nämlich ein moralisches Land, wisst ihr. - Jedenfalls wenn die Schmiergelder nicht pünktlich fließen."
Wallmann nickte und lehnte sich zurück. Mit geschlossenen Augen träumte er von verpassten Gelegenheiten.