Читать книгу Die chinesische Messaging-App WeChat als virtuelle Sprachinsel - Michael Szurawitzki - Страница 11

2.5. Öffnungspolitik

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Im vorliegenden Abschnitt folgen wir der Darstellung der deutsch-chinesischen Beziehungen bei Huang (2019; Kap. 3.1.2.). Deutsche Politiker, beginnend mit Franz Josef Strauß (CSU) 1975, begannen China zu besuchen und schlugen somit ein neues Kapitel der Annäherung auf. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) wurde im Oktober 1975 von Mao Zedong in Peking empfangen (Huang 2019: 39). Im Dezember 1978 verkündete China die offizielle Reform- und Öffnungspolitik; „[d]anach fanden regelmäßige hochrangige Staatsbesuche zwischen Bonn und Peking“ (ebd.) statt. Diese dienten einer Annäherung beider Seiten, allmählich adjustierte die Volksrepublik China gewisse Aspekte ihres politischen Systems:

Nach dem Tod von Mao Zedong 1976 regierte sein Nachfolger Deng Xiaoping China, der die politische Priorität auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes setzte. Ohne ideologische Scheuklappen sprach Deng aus: „Egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse“ (Der Spiegel, 1997, S. 156). Zum Zeichen der Kurswende der chinesischen Regierung unter der Führung von Deng Xiaoping wurde die kapitalistische Marktwirtschaft anstelle der sozialistischen Planwirtschaft eingeführt. Die Ideologisierung der chinesischen Außenpolitik wurde allmählich durch eine Ökonomisierung abgelöst. Die seit 1978 bestehende Reform- und Öffnungspolitik Chinas hat die bilaterale wirtschaftliche Zusammenarbeit angestoßen, die zu einer Markterschließung nach internationalem Standard führte. Ein Jahr darauf riefen beide Regierungen durch ein Abkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit einen gemeinsamen Ausschuss für wirtschaftliche Kooperation auf ministerieller Ebene ins Leben (Hederer, 2015). Von 1979 bis 1989 vervierfachte sich das Volumen des bilateralen Außenhandels von 2,7 auf 10,4 Mrd. DM (Runge, 2003, S. 68). (Huang 2019: 39)

Die Bundesrepublik Deutschland und China unterzeichneten sukzessive weitere Abkommen, so zur Kooperation im Bereich der Technologie (1982) sowie im Finanzwesen (1985) (Huang 2019: 39).1 Seit 1982 hatte die BRD in diesen beiden Bereichen Entwicklungshilfe geleistet, die sich nachhaltig positiv auswirkte (Huang 2019: 39-40). „Seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen nach den 1980er-Jahren [sic] hat die bilaterale wirtschaftliche Zusammenarbeit an Gewicht gewonnen, welche auch heute noch den wichtigsten Aspekt im Verhältnis der Bundesrepublik und der VR China darstellt.“ (Huang 2019: 40) Dahingegen wurde weniger Kooperation im Bereich der Kultur angestoßen:

Im Vergleich zu den diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen waren die bilateralen kulturellen Beziehungen nicht sehr auffällig. Im Oktober 1978 unterzeichneten beide Seiten ein Abkommen über die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit. Im kulturellen Bereich wurde ein Kooperationsabkommen über den kulturellen Austausch zwischen den beiden Staaten im Jahr 1979 abgeschlossen. Im Juni 1988 vereinbarten die deutsche und die chinesische Regierung die Einrichtung einer Zweigstelle des Goethe-Instituts in China (Bundesgesetzblatt im Jahrgang 1988), welches damals die einzige ausländische Kultureinrichtung in China war. (Huang 2019: 40)

Politisch beschäftigte Mitte der 1980er Jahre die Tibet-Frage, die durch die neu gegründete grüne Partei im deutschen Bundestag thematisiert wurde, die deutsche Politik und erschwerte punktuell die deutsch-chinesischen Beziehungen. Seit der Niederschlagung der chinesischen Studentenbewegung 1989 sind die Menschenrechte dauerhaft Teil der deutschen Chinapolitik (Huang 2019: 41) und geben immer wieder Anlass zu Störungen der diplomatischen ansonsten zumeist guten Beziehungen.

Wie weiter oben (2.4.) erwähnt, hatte es bereits seit 1949 diplomatische Beziehungen zwischen der DDR und der VR China gegeben. Diese wurden nachhaltig durch den Bruch der VR China mit der Sowjetunion verschlechtert (von 1960 bis 1979; Huang 2019: 41). Die Konstellation hatte jedoch keine Auswirkungen auf die diplomatischen Kontakte Westdeutschlands nach China (ebd.).

Huang (2019: 41-42) zieht folgendes Fazit der Entwicklungen:

Ein entscheidendes Motiv für die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der VR China waren zum einen die wirtschaftlichen Interessen. […] Durch die Aufnahme der bilateralen diplomatischen Beziehungen konnte China als ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat zumindest den geplanten Beitritt der beiden deutschen Staaten nicht blockieren (Leutner, 1995, S. 141). […] Im Vergleich zu der Bundesrepublik konnte die VR China mehr von der Normalisierung der bilateralen Beziehungen profitieren. Was die Motive und Interessen der chinesischen außenpolitischen Ausrichtung nach Westen angeht, hatten China und der Westen eine gemeinsame Bedrohung vonseiten der Sowjetunion. Aufgrund der Spannung mit Moskau betrachtete China die Sowjetunion als einen gemeinsamen Gegner mit dem Westen. Weil die Bundesrepublik unter militärisch-strategischen Aspekten als NATO-Frontstaat die größte Armee in Westeuropa hatte, galt sie für China als ein strategischer Partner. Im Grunde genommen wurde China vom Westen offensichtlich als ein strategisches Gegengewicht gegenüber der Sowjetunion gezielt aufgewertet (Heilmann, 2002, S. 1). Außerdem hoffte die chinesische Regierung auf die Unterstützung der Bundesrepublik bei der Modernisierung Chinas. Aus militärisch-strategischen und wirtschaftlichen Interessen näherten sich die beiden aneinander an. […] Gegensätzlich zu anderen westlichen Staaten hat die Bundesrepublik auf eine Anerkennung Taiwans verzichtet und die Volksrepublik China als ausdrücklich einzige legale Regierung Chinas anerkannt. Die Zurückhaltung in der Taiwan-Frage der zwei deutschen Regierungen [sic] und die Unterstützung der Wiedervereinigung Deutschlands aus der VR China trugen dazu bei, die deutsch-chinesischen Beziehungen nach der Wiedervereinigung ohne historische Belastung im Allgemeinen weiter zu entwickeln. Obwohl die VR China jeweils mit der Bundesrepublik und der DDR diplomatische Beziehungen aufnahm, sprach sie sich gegen eine dauerhafte Teilung der deutschen Nationen aus. […] Die Bundesrepublik und China befanden sich während des Ost-West-Konflikts auf unterschiedlichen Polen. Das offensive Demokratieverständnis des Westens und die ungelösten Legitimationsprobleme des politischen Systems in China sorgten immer wieder für Spannungen zwischen Deutschland und China (Maull, 2014, S. 852). Dies hatte zur Folge, dass sich die sino-sowjetischen Beziehungen auch auf die bundesdeutsche Chinapolitik auswirkten. Mit anderen Worten war die Chinapolitik der Bundesrepublik stark von den Gegebenheiten des Ost-West-Konflikts geprägt. (Huang 2019: 41-42)

Huang (2019) betrachtet sukzessive die Entwicklungen der deutsch-chinesischen Beziehungen im Lichte der Chinapolitik der Bundesregierung bis in die neueste Zeit: Er trennt dabei nach Kanzlerschaften, d.h. Kohl (Huang 2019, Kap. 4: 53-91), Schröder (Huang 2019, Kap. 5: 93-139) sowie Merkel (Huang 2019, Kap. 6: 141-233).

Eine genauere Nachzeichnung dieser Linien ist im Kontext der vorliegenden Studie aus Umfangsgründen nicht möglich; Interessierte seien daher auf die genannte Literatur verwiesen. Abschließend für das vorliegende Kapitel werfen wir einen Blick auf die Entwicklung der Germanistik und der Beschäftigung mit der deutschen Sprache in China.

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