Читать книгу Die Hauptstadt des Sex - Michaela Lindinger - Страница 10

TEUFELSBRÄUTE

Оглавление

Dennoch: Der Teufel schlief im Mittelalter nicht. Vor allem die Frauen soll er im Visier haben – schrieben die Männer, die meist Kleriker waren. Wie Sexualität zu werten war, bestimmte als oberste moralische Instanz die Kirche. Ein ausschließlich männlicher Blickwinkel prägte den intimen Umgang zwischen den Geschlechtern. Da alle Frauen als Evas Töchter und somit Trägerinnen der Erbsünde angesehen wurden, sei ihr einziges Lebensziel die ununterbrochene Verführung der Männer. Frauen seien ständig von sexueller Begierde erfüllt, daher nähere sich ihnen der Teufel bevorzugt auf der sexuellen Ebene. »Das Weib ist das Einfallstor des Teufels« stand in einer theologischen Erörterung über das »Wesen des Weiblichen«. Dieses Frauenbild sagte zwar nichts über die Frauen selbst aus, dafür umso mehr über die Kirchenmänner, die es sich ausmalten. Das »Weib« wurde als »vir imperfectus« definiert, also als »fehlerhafter Mann«. Der Frau mangle es an Geist, daher müsse der Mann für sie entscheiden, was »richtig« oder »falsch« sei. Frauen seien »von Natur aus« geschwätzig, gehässig, willensschwach und scharfzüngig – alles negative Eigenschaften, die man später den Hexen zuschrieb.


Mode um 1300: »Teufelsfenster« [3]

In einer durchaus mit Wien vergleichbaren deutschen Stadt wetterte ein Priester, auf den langen Schleppen der Damen säße »eine große Zahl von Teufeln. Sie waren klein wie Haselmäuse (…), vollführten ein lautes Gelächter und klatschten in die Hände.« Grundsätzlich sei die »Putzsucht der Frauen ein Netz des Teufels«, schloss der Geistliche. Wobei das Wort »Putzsucht« auf den angeblich unersättlichen Drang der Frauen anspielte, sich modisch zu kleiden und zu schmücken. Heute würde man solche Frauen »Fashion Victims« nennen. Hätten sie ihre Neigungen auf die Sauberkeit der Wohnräume der Herren beschränkt, wären dem Mann Gottes die Manifestationen des Leibhaftigen vermutlich erspart geblieben.

»Teufelsfenster« nannte man übrigens die weiten seitlichen Öffnungen der Oberkleider, die vermögende Damen der Oberschicht im 14. Jahrhundert zu tragen pflegten. Die Unterkleider waren ziemlich eng, und so blickte man durch diese »Fenster« direkt auf den Körperbau der gut betuchten Dame. Zum Körperideal der Zeit gehörten eine enge Taille und schmale Hüften. Der Rücken sollte biegsam sein, der Bauch leicht gewölbt. Für die Frau als Mutter galten gerundete Hüften und straffe Schenkel als besonders erstrebenswert.

Und am Kopf, da spielte es sich erst richtig ab. Wer wissen will, wie die Frau »unter die Haube« kam, muss in der Bibel lesen. Da findet sich die Information, dass eine Frau sich entehre, wenn sie ohne Kopfbedeckung bete, und dass das bloße Haupt einer verheirateten Dame nichts an der frischen Luft verloren habe. Die Ehefrau »unter der Haube« war aber keineswegs vor Anfechtungen sicher, denn der Hennin, die heute bekannteste Kopfbedeckung der mittelalterlichen Frau, bot unzähligen Teufeln ein Versteck. Unter dem hohen, kegelförmigen Hut fanden sie genügend Platz – so die kirchlichen Beobachter.

Den Haaransatz sollte eine Frau nicht zeigen. Modern war eine möglichst hohe, am besten ausrasierte Stirn. Haarentfernung wurde zusätzlich mithilfe einer Schwefel- oder Kalkpaste praktiziert. Zur Verhinderung des Nachwuchses unschöner Stoppeln verwendeten die »Putzsüchtigen« des Mittelalters Fledermausoder Froschblut, Schierlingsextrakt oder aus Asche und Essig fabrizierte Tinkturen. Asche diente auch als Basis für Shampoo. Gemixt mit Eiklar hielt dieses Haarwaschmittel die vorzugsweise blonden Haare der Frauen sauber. Wer es sich leisten konnte, behandelte die Kopfhaut mit pulverisierten Bienen- oder Fliegenflügeln, gemahlenen gerösteten Nüssen oder der Asche von Igelstacheln.

Die recht umständlichen Frisuren wurden durch falsche Haarteile aus unterschiedlichen Materialien, hauptsächlich Rosshaar, verstärkt. Danach wurden Silber- und Goldfäden oder Perlenschnüre eingeflochten.

Von der Spitze des kopfbedeckenden Hennins fiel dann ein bodenlanger Schleier auf die Schleppe des Kleides herab. Und obwohl die Kirchenväter altrömische Sitten wie duftende Bäder und »bemalte Gesichter« – angeblich ein Anzeichen für Prostitution – verdammten, Luxus und Überheblichkeit auf dieselbe moralisch niedrige Stufe stellten: Kosmetische Prozeduren gehörten selbstverständlich zum Tagesablauf der Dame des Mittelalters. Der weibliche Hochadel puderte sich mit Schichten aus Bleiweiß, Essig und Eiweiß. Die Haut wurde mit Lotionen behandelt, die Wangen durch künstliches Rot aufgefrischt, die Augen schwarz betont. Das Gesicht glich einer Maske, an der man den sozialen Status ablesen konnte.

Jede wohlhabende Frau erledigte somit das Werk des Teufels und handelte gegen das natürliche Werk Gottes. Das aufgemalte Gesicht, drohten die Prediger, repräsentiere das Antlitz des Höllenfürsten. Es dürfe nicht die Stelle des gottgegebenen Gesichts einnehmen. Wer diese Warnungen zu Lebzeiten in den Wind schlage, werde am jüngsten Tag unzweifelhaft daran erinnert: denn Christus könne die geschminkte Person nicht erkennen und werde sie in die Tiefen der Hölle schicken.

In den medizinischen Codices des Mittelalters finden sich Rezepturen zur Aufhellung des Teints (»wie Schnee« oder »wie die Lilie«), zur Haarkoloration, gegen Pigmentflecken und gegen Falten. Zur attraktiven Erscheinung des 12. und 13. Jahrhunderts gehörte vor allem Jugendlichkeit: Als »ideale Schöne« galt ein Teenager von 15 Jahren. Mit 25 war eine Frau für gewöhnlich mehrfache Mutter und somit an der Schwelle zum Alter. Das »ideale« Haar sollte hell sein, sehr lang, hochgesteckt oder zu Zopffrisuren gelegt. Wangen und Lippen sollten als Sinnbilder der Gesundheit vor »natürlicher« Farbe strahlen. Zur Obsession der hohen Stirn gehörte die Gestaltung der Augenwimpern, die ein regelrechtes Kult-Dasein genossen und an denen sich Männerfantasien entzündeten. Sie sollten dunkelbraun sein und möglichst flattern – also einladend und verführerisch wirken. Um die Augen groß und glänzend erscheinen zu lassen, empfahlen Ratgeber einen Schuss Zitronensaft – eine zweifellos sehr unangenehme Behandlung. Als glücklich sollte sich ein Mädchen schätzen, das Kinngrübchen sein Eigen nennen konnte.

»Natürlichkeit« wurde als Synonym für Schönheit verwendet. Doch nicht anders als heute ging der erstrebten »natürlichen Schönheit« ein intensiver Transformationsprozess voraus, der als »teuflisch« gebrandmarkt wurde. In der bildenden Kunst oder der Literatur stand die weiße Haut für Reinheit und Schönheit genauso wie für die ewige Jugend im Paradies. Gebräunte, »schwarze« Haut hingegen stand für die ewige Verdammnis, genauso wie brüchige Zähne, schlechter Atem, graue Haare. Zusammen ergeben die letztgenannten Merkmale das tragische Abbild einer alten Frau, eine satanische Vorstellung, die in der mittelalterlichen Kunst mit abschreckenden Darstellungen der Verdammnis und der Apokalypse einhergeht.

Die Hauptstadt des Sex

Подняться наверх