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LIEBE ODER EHE?

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Das in der Antike als Liebe bekannte Wort »amor« hat in mittelalterlichen Überlieferungen ganz andere Bedeutungen: Es bezeichnet entweder das körperliche Begehren (damals eine rein männliche Eigenschaft) oder den Reichtum einer »guten Partie«; später auch die Liebe zu Gott (»Seelenbrautschaft«). Weiters gab es noch die höfische Liebe, die in den neumodischen Liebesromanen eine große Rolle spielte. Es handelte sich dabei um eine Literaturgattung, die seit dem Aufstieg des Christentums verschwunden war. Die letzten Liebesromane, die man in Europa kannte, stammten aus der Spätantike.

Ehe hatte mit Liebe weder im Mittelalter noch in den folgenden Jahrhunderten etwas zu tun. Im Gegenteil. Romantische Liebe unter Paaren im heutigen Verständnis ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Sehr wohl aber hatte Ehe mit Sex zu tun. Ehe und Sexualität waren praktisch eins.

»Ehe« geht auf das Wort »ewa« zurück, das schlicht »Recht« oder »Gesetz« bedeutet. Hochzeiten wurden von den Familienvätern nach wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gesichtspunkten vereinbart. Sie fanden in der Kirche statt. Frauen unterschiedlichster gesellschaftlicher Herkunft hatten im Mittelalter eines gemeinsam: Juristisch gesehen waren sie ihr Leben lang Unmündige. Die »Munt« hatte der Mann über die Frau. Aus der »Munt« ging das Wort »Vormund« hervor. Der Herr im Haus war der Vater oder Ehemann, die Tochter oder Ehefrau war ihm zu Gehorsam verpflichtet. Rechtsgeschäfte, die sie betrafen, schloss ausschließlich der Mann ab, er verwaltete auch das von der Frau in die Ehe mitgebrachte Vermögen.

Nicht-konfessionell geschlossene Ehen waren in Österreich bis 1938 nicht möglich. Obwohl als wichtigste Aufgabe der Ehefrau die Produktion möglichst vieler Kinder definiert war, könnte man sich fragen, wie unsere Vorfahrinnen das bewerkstelligt haben – bei Regelwerken wie diesen: »Wegen der geisttötenden Gewalt des Geschlechtsverkehrs« – so eine religiöse Quelle – sollten Eheleute an folgenden Tagen keinen Sex haben: 20 bis 40 Tage vor Weihnachten. 40 Tage vor Ostern. Zwei Wochen vor und eine Woche nach Pfingsten. In allen Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag. Vor einem und an einem Feiertag. An den wöchentlichen Bußtagen – also an jedem Mittwoch und Freitag. Hatte man vor, zur Kommunion zu gehen, kamen noch die drei Nächte davor dazu. Besonders bemerkenswert: Im Mittelalter wurde empfohlen, die Hochzeitsnacht sowie die ersten drei Tage nach der Trauung sexuell enthaltsam zu verbringen. Vermutlich wegen Undurchführbarkeit nahm die Kirche später von diesem frommen Wunsch Abstand.

Insgesamt hatte man in der Ehe demnach über zwei Drittel des Jahres keinen Sex zu haben. Vermutlich hielt sich der überwiegende Teil der Bevölkerung nicht daran. Dass sich aufgrund zärtlicher Zweisamkeit zur Heiligen Nacht oder bei Frühlingsgefühlen am Karfreitag keine sichtbaren Folgen einstellten, war in erster Linie einer bestimmten Gruppe von Frauen zu verdanken: Frauen aller Altersstufen, die über Leben und Sterben Bescheid wussten und später zu einem überwiegenden Teil dem Hexenwahn zum Opfer fielen; jenen Frauen, die das tatsächlich »älteste Gewerbe der Welt« ausübten: nämlich den Hebammen und »weisen Frauen«, die gelegentlich auch Männer waren. Mit ihrer Ermordung rottete die Kirche die Reste der alten Überlieferungen aus den vorchristlichen Epochen in Europa aus. Ab der frühen Neuzeit galt: Egal ob Frau oder Mann, ob jung oder alt, ob bettelarm oder ziemlich vermögend – vor einer Anklage wegen Hexerei war niemand sicher. Der Opferkreis wurde immer größer, je mehr sich die Verfolgungen von »Hexen und Zauberern« ausweiteten.

Die Hauptstadt des Sex

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