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Psychokinese – die Brüder aus Braunau

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Willy (auch: Willi) und dessen jüngerer Bruder Rudi Schneider wurden mehrere Male als Medien nach Schönau geholt. Vor allem der gelernte Zahntechniker Willy galt als großer Star der damaligen Parapsychologie. Beiden Brüdern wurde besondere Geschicklichkeit in den Bereichen Teleplastik, Telekinese und Psychografie attestiert, was bedeutet, dass sie fähig waren, Materialisationen hervorzurufen, Dinge zu bewegen, ohne sie zu berühren, sowie Fragen zu beantworten – in sogenannter automatischer Schrift. Die automatische Schrift erfreute sich großer Beliebtheit bei Leuten, die in Kontakt mit dem Übernatürlichen treten wollten. Erzsi konnte Fragen an Verstorbene richten und das Medium schrieb in einem Zustand des Halbbewussten die Antwort nieder. Die automatische Schrift unterschied sich stark von der „alltäglichen“ Schrift des betreffenden Mediums.

Willy und Rudi Schneider gehörten in den 1920er-Jahren zu jenen Medien, die in ganz Europa herumgereicht wurden. Die Brüder stammten aus Braunau und waren unter 20 Jahre alt. Sie zeigten ihre „Kunst“ in Wien, München, Zürich, Prag und in London vor der „Gesellschaft für Psychische Forschung“. Der deutsche Schriftsteller Carl Zuckmayer war überzeugt, das Herkunftsgebiet der Bauernsöhne hätte ihre „Leistungen“ beflügelt. Er sprach vom Innviertel als einem besonderen Ort, der geeignet sei, „das Wachstum zwielichigter zweitgesichtiger medialer oder auch pathologisch deformierter Halb-Genies oder Ganz-Charlatane“ hervorzubringen. Zu den Letztgenannten zählte er „auch die berühmten ‚Schneider-Büben‘“, die seiner Ansicht nach „ihre an sich vorhandenen Fähigkeiten mit Hilfe eines ‚Gang‘s von Erwachsenen geschickt ausgebaut und durch alle möglichen Tricks merkantilisiert“ hätten. Vom Physiker Hans Thirring wurden sie in seinem Institut an der Universität Wien untersucht. Willy Schneider musste ein „Sitzungskostüm“ tragen und wurde durch Thirring und eine weitere Person in seinen Bewegungen kontrolliert. Die Sitzung fand wie üblich beim Licht einer Rotlampe statt. Schrenck-Notzing schrieb in seinem Aufsatz „Neuere Untersuchungen über telekinetische Phänomene bei Willy Schneider“ (April 1926), dass sich die innere Kraft des Mediums in der Nähe einer weiblichen Vertrauten steigere. Wie Schrenck-Notzing schon früher postuliert hatte, existiere demnach ein Zusammenhang zwischen psychischen Phänomenen und Sexualität. Thirring war sehr geneigt, dieser These zuzustimmen. Die Telekinese betraf in diesem Fall Gegenstände, die sich teils auf einem Tisch bzw. einer Bank und außerhalb der Arm- oder Fußreichweite Schneiders befanden. Eine andere Sitzung gipfelte darin, dass Rudi Schneider eine Glocke, die sich hinter seinem Rücken in fast zwei Meter Entfernung befand, zu Boden warf. Stellten sich bei wiederholten Experimenten nicht die erwarteten, schon einmal erzielten Erfolge ein, gingen Kritiker dieser Versuche von Betrug aus. Schrenck-Notzing machte in seinem Text hingegen „die Ungeduld von seiten der Professoren“ (es waren oft Ärzte der „Wiener Landesirrenanstalt am Steinhof“ anwesend) für die „schwächeren Ergebnisse der Sitzungen“ verantwortlich. Thirring beobachtete beispielsweise ein periodisches Abflauen und Anwachsen der Kraft des Mediums. Der damals sehr bekannte Parapsychologe Harry Price wurde von Schrenck-Notzing folgendermaßen zitiert: „Wenn es sich wirklich um psychische Phänomene handelt, dann muß zur Erlangung eines echten, guten Phänomens das Vorhandensein eines wohlmeinenden, harmonischen, seelischen Kontakts zwischen Medium und Teilnehmern notwendig sein.“ Price sei überhaupt der Meinung, dass Musik oder gelöste Unterhaltung der Sitzungsteilnehmer das Medium positiv beeinflussen könnte. Schrenck-Notzing ergänzte: „Wenn das Ganze einer Prüfung, einem Examen gleicht, dann kann und wird sich niemals ein Phänomen ereignen.“

In Erzsis Versuchsanordnung in Schönau saß das Medium Willy Schneider auf einem Sessel. Schrenck-Notzing stand, um alles im Blick zu haben, neben ihm saß Erzsis ältester Sohn Franzi. Willy Schneider wandte Selbsthypnose an und fiel in Trance. Im Raum breitete sich kühle Luft aus. Die Hände des Mediums wurden kalt, was Schrenck-Notzing mit „Energieverlust“ erklärte. Ein Lufthauch streifte die Teilnehmer. Wenige Sekunden lang hörte man eine Melodie. Und dann soll sich ein Astralleib präsentiert haben, noch dazu ein weiblicher: „Minna“. Im nächsten Moment drehte sich der Bronzeluster an der Decke. Schrenck-Notzing ersuchte „Minna“, dies sofort einzustellen. Der Luster hing wieder still. Dafür erhoben sich nun auf einem Tisch ausgelegte Fächer in die Luft. Zu allem Überfluss drang aus der Tapete hinter Schneider ein schwarzer Schleier hervor und verformte sich zu einer Hand, deren Finger mehrere Fächer nahmen, als würden diese davongetragen. Während der Erscheinung hörte man Stöhnen, Keuchen und Seufzen, da die Materialisationen für das Medium körperlich anstrengend waren. Als sich die Phänomene dem Ende zuneigten, erklang aus der Spieldose auf dem Nebentisch eine Melodie. Der Körper Schneiders wurde von Krämpfen geschüttelt. Dies sei ein physisches Phänomen, das nachließe, sobald die Manifestation vorbei sei, erklärte Schrenck-Notzing. Alles spielte sich anderthalb Meter entfernt von Schneider ab.


Eine Telekinese-Vorstellung: Es geht um die Frage, ob Gegenstände bewegt werden können, ohne diese anzufassen. Hier das damalige Star-Medium in diesem Zusammenhang, Eusapia Palladino, beim Tischrücken, 1892.

Im Sommer 1923 erlosch das Licht in Erzsis Boudoir von selbst. Willy Schneiders Alter Ego („Spalt-Ich“) „Minna“ erteilte den Befehl: „Eine Kette bilden“. Auf diese Weise sollte die Energie der Teilnehmer mit der des Mediums verbunden werden, um angestrebte Phänomene zu verstärken. Der Tisch, an dem Willy saß, erhob sich, sodass zwei Tischbeine in Schwebe verharrten. Die Gegenstände auf dem Tisch, ein Taschentuch, die Spieldose und eine Tabatiere, blieben jedoch auf ihrem Platz. Diese halbe Levitation dauerte wenige Sekunden. Der Tisch war so schwer, dass Schrenck-Notzing ihn nicht anheben konnte. Lediglich im Moment der Levitation wurde er ganz leicht. Das Medium erschauerte, schwitzte, atmete schwer. Das rote Taschentuch erhob sich von der Lampe und eine Hand erschien, die sich auf Schrenck-Notzings Knie legte. Sie war durch einen immateriellen Faden mit Schneider verbunden. Schrenck-Notzing sagte später, die Hand sei warm und zehn Sekunden lang zu sehen gewesen.

Eine andere Versuchsanordnung führte dazu, dass ein gasförmiger Nebel aus Willy Schneiders Arm stieg. Die wie getönter Rauch aussehende Masse nahm die Form eines schwach leuchtenden Tellers an und als er verschwand, floss etwas Weißes von der Schulter des Mediums herab. Dieses weißliche Material kennt man unter dem bereits erwähnten Namen „Ektoplasma“. Es wird nach der Materialisierung in den Körper des Mediums, aus dem es stammt, zurückgesaugt. Das Ektoplasma wird meist als von dicklicher Beschaffenheit und als lichtempfindlich beschrieben. Es sei die direkte Ursache für paranormale Phänomene, eine sichtbare „Verstofflichung“ der vom Medium ausgehenden Energie, so die Parapsychologen.

Willy Schneider kehrte unter Zuckungen aus der Trance zurück. Er war erschöpft, die typischen „Medienkrankheiten“ Kopfschmerzen und Depressionen plagten ihn und er benötigte nach einer intensiven Sitzung wie der beschriebenen mehrere Tage Ruhe.

Als die Versuchsreihe fortgesetzt wurde, gestattete Schneider eine Sitzung ohne Rotlicht. Es war nun hell im Raum. Ähnlich wie beim Experiment in Thirrings Institut erhob sich eine kleine silberne Glocke von einem Tischchen, schwebte in zehn Zentimeter Höhe und klingelte. Dann setzte sie wieder auf und es wurde still. Das war aber noch lange nicht alles. Die erstaunten Sitzungsteilnehmer wurden Zeugen, wie sich eine Hand manifestierte, die einen Rosenstrauß fest umklammert hielt. Der Duft der Rosen breitete sich im gesamten Zimmer aus und alle konnten ihn wahrnehmen. Das Phänomen währte jedoch nur sehr kurz.

Elisabeth Petznek

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