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Sweetland war mitten in einer Partie Texas Hold’em, als Clara zum Haus kam. Er hatte sie schon den ganzen Abend erwartet und sich nicht richtig auf das Spiel konzentrieren können. Er spielte das Short Deck, hatte zwei Paare, Buben über Neunen. Spielte gerade hellwach mit einem leichtsinnigen Anfänger, der sich als Flush angemeldet hatte, im Jackpot fast zweihunderttausend.

» Du guckst nicht etwa Pornos, oder? «, fragte sie.

» Hab ich zur Fastenzeit aufgegeben «, sagte er und winkte sie in die Küche, ohne vom Laptop aufzusehen. Clara stellte die Plastiktüte mit dem Kaninchenkörper auf den Tisch und setzte sich.

Er sah sich die River Card an und Flush setzte All-In. » Ach, verdammt «, sagte er.

» Das ist kein echtes Geld «, sagte Clara.

» Gott sei Dank! « Er faltete die Hände und seufzte laut, schloss dann langsam und widerstrebend das Laptop.

Clara hob die Tüte mit dem Kaninchen an, um sie ein Stück näher zu ihm zu schieben. » Es ist außerhalb der Saison. «

» Dieses Jahr sind es einfach zu viele «, sagte er. » Sie werden im Wald sterben, wenn der Winter kommt. «

» Ich will es nicht im Haus haben «, sagte sie.

Er sah zu der Plastiktüte auf dem Tisch. Wässrige Blutstriemen in den Falten. » Ich habe nur ein Dutzend Fallen ausgelegt «, sagte er. » Der Junge liebt es, da draußen zu sein. «

» Jesse hat eine Woche Schule mit mir in St. John’s verpasst «, sagte sie. » Mehr darf er nicht verpassen. «

» Es war dein Hund, der heute Morgen Krawall geschlagen und ihn aufgeweckt hat. «

» Hättest du ihn nicht einfach wieder nach Hause schicken können? «

Sweetland zuckte mit den Schultern. » Er hat seinen Großvater gefragt, ob er mitkommen darf. «

Clara legte eine Hand über die Augen und wirkte wie ihre Mutter, dachte Sweetland. Sonst hatte Clara fast nichts von Ruth, doch diese subtile Geste der Erschöpfung oder Furcht oder Verärgerung, das war Sweetlands Schwester, wie sie im Buche stand. Er trug das Fleisch durch die Küche zur Kühltruhe, um etwas mehr Abstand zwischen sich und diese unheimliche Verwandlung zu bringen.

Jesse war noch ein Säugling gewesen, als Clara nach Sweetland zurückkehrte und kein Wort darüber verlor, wer der Vater war oder was aus ihm geworden war. Soweit er wusste, hätte Clara das Kind genauso irgendwo unter einem Felsen finden und nach Chance Cove bringen können, um es als ihr Eigenes aufzuziehen. Sie war fast zehn Jahre weggewesen, zunächst an der Universität in St. John’s, und dann als Wanderarbeiterin auf dem Festland. Nach ihrer Rückkehr ging sie in den ersten Monaten immer sonntags mit Jesse auf dem Rücken hinaus zum Leuchtturm. Er konnte sie kommen sehen, wenn er im Turm war und sich der rote Fleck ihrer Goretex-Jacke über die Marsch bewegte. Er beobachtete, wie sie langsam vorwärtskam, bis sie schließlich nahe genug war, damit er ihre Gesichtszüge erkannte. Dann ging er die Wendeltreppe hinunter und setzte den Kessel auf.

Sweetland hatte kein Wort über ihre Entscheidung verloren, für die Schule von der Insel zu gehen, obwohl er von Anfang an dagegen war, da Ruthie tot war und Pilgrim allein im Haus zurechtkommen musste. Und auf eine kleine, gehässige Weise hatte er sich von Clara abgewandt. Soll sie doch kriegen, was sie will, dachte er, ohne jemals darüber nachzudenken. Eine kaum wahrnehmbare Kälte ihr gegenüber, die er sofort verleugnet hätte, wenn sie es ihm vorgeworfen hätte. Er saß an seinem Küchenfenster, als sie vom Kai die Fähre bestieg. Sie wandte sich um und sah den Hügel hinauf, da sie wusste, dass er sie beobachtete. Er hatte die ganze Zeit kein Wort von ihr gehört, als sie unterwegs war, abgesehen von dem, was er aus zweiter Hand durch Pilgrim oder Queenie erfuhr.

Er nahm an, dass Clara sonntags den ganzen Weg bis zum Leuchtturm ging, um den erwarteten Kirchgang zu vermeiden. Sie saß dann auf dem Sofa und trank Tee, während Sweetland mit Jesse über den Boden krabbelte, ihn an den Füßen hochhob und Pupse auf seinen Bauch blies, um den Jungen zum Lachen zu bringen. Ihm war noch kein Kind begegnet, das weniger zum Lachen neigte, und er nahm es als persönliche Herausforderung, ihn von diesem Leiden zu heilen. Er konnte jetzt nicht mehr sagen, ob er schon damals gespürt hatte, dass mit Jesse etwas nicht in Ordnung war, oder ob es ihm nur in der Rückschau so vorkam, dass es eine unnatürliche Distanz im Blick dieses Kindes zu geben schien. Als schaute der Junge vom weit entfernten Ende eines Tunnels auf die Welt.

Bei diesen Besuchen sagte Clara kaum ein Wort, sah nur zu, wie Sweetland mit Jesse auf dem Boden herumalberte. Zwischen ihnen war eine bedeutungsvolle Stille, als würde sie darauf warten, dass ihr für irgendein Vergehen vergeben würde. Oder um ihm die Gelegenheit zu bieten, selbst um Vergebung zu bitten. Und sein Versagen, das eine oder andere zu tun, war eine weitere Sache, die sie jetzt gegen ihn einnahm. Dabei bestand die schlichte Wahrheit darin, dass er sich davor fürchtete, mit dieser Frau zu sprechen.

» Jesse sagt, er wird mit dir hierbleiben, wenn alle andere gehen «, sagte Clara. Sie hatte die Stimme erhoben und Sweetland merkte, dass dies der wahre Grund für ihr Kommen war. Dass es sie Mühe kostete, das Thema anzuschneiden.

» Wirklich? «

» Ich hoffe, du hast nichts gesagt, um ihm diesen Gedanken in den Kopf zu setzen. «

» Er hat seinen eigenen Kopf. «

» Er kommt mit Veränderungen nicht so gut zurecht, wenn du das meinst. «

Sweetland wandte sich vom Kühlschrank zu ihr. » Hast du ihm erzählt, dass Hollis einen Winter im Krankenhaus verbracht hat? In St. John’s? «

» Onkel Hollis? «

» Jesse behauptet, dass er es von Hollis selbst gehört hat. «

» Weshalb war er drin, Tuberkulose? «

» Jesse sprach, als würde Hollis mit uns im Wald sitzen. «

Clara zuckte mit den Schultern. » Der Doktor sagt, das wäre normal genug. «

» Normal genug? «

» Er sagt, dass sich das bei Jesse vielleicht auswächst. «

» Haben die schon einen Namen dafür? «, fragte er.

» Für was? «

» Was auch immer mit dem Jungen nicht in Ordnung ist. «

» Da gibt es eine ganze Bandbreite «, sagte sie. Sie blickte vor sich auf den Tisch, als würde sie sich dafür schämen, wie schwach sich diese Erklärung anhörte. » Und er ist nicht typisch, das haben sie mir auch gesagt. «

» Das hätte ich dir alles gratis sagen können «, sagte er. » Hätte dir die Reise erspart. «

» Der Doktor hat Jesse noch nicht oft genug gesehen, um mehr sagen zu können. Wenn wir in St. John’s leben würden, dann könnten wir ihn richtig untersuchen lassen. Wir könnten ihn für ein Schulprogramm anmelden. «

» Jesse wäre nirgendwo anders glücklich als hier «, sagte Sweetland, » das weiß ich genau. « Er schob den Wasserkessel auf die Hitze des Ofens. » Er will morgen mitkommen, wenn ich eine Ladung Holz hole. «

» Oh, Gott «, murmelte Clara.

» Es ist sowieso Samstag «, sagte Sweetland leise. » Willst du eine Tasse Tee? «

Doch sie war bereits halb zur Tür heraus.

Vor Einbruch der Dunkelheit machte er seinen Abendspaziergang. Obwohl es bereits die erste Juniwoche war, fühlte sich die Luft kühl an. Der Wind ließ mit der untergehenden Sonne nach. Er ging bis zu seiner Steghütte am Ufer, dann weiter den ganzen Weg zur Metallglocke der alten Müllverbrennungsanlage auf der Landzunge. Kilometerweit entfernt konnte er ein Containerschiff auf seinem Weg seewärts erkennen, die Lichter in der Dämmerung gerade noch zu erkennen. Es wirkte wie eine Kleinstadt am Horizont, die nach Osten trieb.

Er wandte sich zurück zur Bucht, zu der weißen Kirche auf dem gegenüberliegenden Arm, dem umzäunten Friedhof am Hang über den Häusern. Ein paar Jugendliche spielten auf dem Kai an der Church Side Straßenhockey, da dort die einzige ebene Fläche war, zu der sie Zugang hatten. Pilgrims Hund sprang mit den Spielern hin und her und musste den Ball aus dem Hafenbecken holen, wenn er durch einen missratenen Schuss über den Rand fiel. Sweetland zählte sieben oder acht Kinder, ungefähr die gesamte schulpflichtige Bevölkerung, abgesehen von Jesse, der kein Interesse an Sport hatte. Sweetland spähte wieder hinaus aufs Meer, die Sonne am Horizont, und wartete, bis sie im Ozean versank, bevor er wieder losging.

Er bemerkte eine kleine Bewegung oberhalb des Pfades, sodass er anhielt, um durch das Gebüsch zu blicken. Loveless’ Hund rannte wieder frei herum. Eine Art Minipudelmischling, den Love­less in den Kleinanzeigen gefunden hatte, nachdem Sara gestorben war. Er hatte Sweetland gedrängt, mit ihm die Reise rüber nach Hermitage zu machen und den Hund auf dem Rückweg in seiner Manteltasche getragen. Voll ausgewachsen waren die drei Kilo jetzt tropfnass. Nur Haut und Knochen.

Sweetland rief den Hund im Gebüsch und pfiff leise, doch das Tier ignorierte ihn und verschwand in der Dämmerung. Loveless hatte den Hund wegen seines rabenschwarzen Fells Smut getauft, obwohl er nicht auf seinen Namen oder irgendwas anderes reagierte, sondern seinen eigenen wilden Weg ging, wenn Loveless ihn nicht mit einer Leine angebunden hatte. Manchmal war er die ganze Nacht draußen im Wald, folgte durch das Krummholz seiner Nase nach Rebhühnern und Moorhühnern und Kaninchen. Tauchte dann am Morgen an Loveless’ Tür auf, verdreckt und verfilzt und ausgehungert. Sweetland rechnete damit, dass der Hund eines Tages verschwinden würde, gerissen von einem Fuchs oder Adler, oder von Kojoten, falls die es jemals bis zur Insel schaffen würden.

Auf seinem Weg kam er am Fenster vorbei, wo Queenie Coffin Rauch in die frische Luft blies. Sie rief ihn zu sich und er lehnte sich an den Fensterrahmen, während sie die Zigarette beendete. Sie trug ihren gesteppten Bademantel, die Haare in Lockenwicklern aufgedreht. Die alten, an die er sich von seiner Mutter erinnerte, die mit Haarklammern befestigt wurden. Lippenstift am Zigarettenfilter, ein aufgeklapptes Buch im Schoß. Queenie sah man nur selten ohne ein Buch in Reichweite. Sie war eine unersättliche Leserin von nicht sonderlich originellen Liebesromanen und Kriminalromanen, die so vorhersehbar waren, dass sie die letzten fünfzig Seiten selbst hätte schreiben können. Es war nur ein Mittel, um die Zeit totzuschlagen, sagte sie, um die Nachmittage zu verbringen, während der Fernseher lief und stummgestellt war.

» Kühle Nacht «, sagte sie.

» Ganz schön frisch. Hab gesehen, dass du die Woche deinen Garten eingesät hast. «

» Ja, zertritt bloß nicht alles «, sagte sie.

» Werden wahrscheinlich eh vor Kälte sterben, wenn sie rauskommen. «

Queenie lachte und hustete feucht in ihre Faust. Eine Stimme rief aus der oberen Etage und sie hob für die Antwort den Kopf. » Ich rede nur mit meinem Freund «, rief sie.

Sweetland konnte von oben das gedämpfte Geräusch des Fernsehers hören.

» Hayward meint, du warst nicht bei der Gemeindeversammlung. «

» Ich habe die Kartoffeln eingesät. Ich werde dir im Herbst eine Ladung beiseite stellen. «

Sie winkte mit der Hand, in der sie die Zigarette hielt. » Im Herbst bin ich nicht hier. «

» Das sagst du schon seit zwanzig Jahren oder länger, Queenie. «

Als sie antworten wollte, fing sie laut und heftig zu husten an. Für Sweetland klang es, als wäre ihr ganzes Innerstes aufgeweicht. » Wird Zeit, damit aufzuhören «, sagte sie, als sie wieder zu Atem gekommen war. Sie nahm einen Zug und beugte sich zur frischen Luft, um den Rauch auszustoßen.

Sweetland versuchte sich zu erinnern, wann er Queenie das letzte Mal außerhalb ihres Hauses gesehen hatte. Als ihre ältesten Kinder noch jung waren, dachte er, bevor sie das Innenklo eingebaut hatten – das war 1969 oder 1970, irgendwann nach der Mondlandung. Queenie hatte durch die körnigen Bilder in einer Life-Zeitschrift geblättert und anschließend damit ihrem Mann gewunken. Sie können einen Mann auf den Mond bringen, sagte sie ihm, da können wir verdammt noch mal auch ein Spülklo haben. Hayward argumentierte, dass alles nur ein Scherz sei, dass man die Bilder gefälscht und in irgendeinem Hinterhof in Hollywood aufgenommen habe. Die Hälfte der Leute in Chance Cove glaubte das. Doch Queenie bekam ihre Toilette.

In all den Jahren danach war sie nicht mehr über die Schwelle ihres Hauses getreten. Sie stand nur in der offenen Tür oder saß am Fenster, rief die Leute für ein Gespräch zu sich, während sie rauchte. Sie hatte einen der Überlebenden vom Rettungsboot aufgenommen, als Sweetland sie angeschleppt hatte, hatte den Mann gewaschen und gefüttert und ihm ein Bett für die Nacht gegeben, in der sie in der Bucht blieben, doch sie war anschließend nicht mit runtergegangen, um zu sehen, wie er zum Schiff der Küstenwache gebracht wurde, als sie wieder wegfuhren. Drei ihrer Kinder hatten in der Kirche an der Landzunge geheiratet und sie hatte in ihrem besten Kleid in der Küche gewartet, bis die Hochzeitsgesellschaft hochkam, um die Fotos mit ihr im Wohnzimmer aufzunehmen. Eine städtische Krankenschwester kam zweimal im Jahr mit der Fähre raus, um nach ihrem Herzen zu horchen und sie vor den Zigaretten zu warnen. Jeder, der aus geschäftlichen Gründen oder für Familienbesuche die Insel verließ, brachte ihr zwei oder drei Liebesromane für ihre Bibliothek mit.

» Wie ist dein Buch? «, fragte Sweetland.

Sie hob das Kinn, als deutete sie auf etwas in der anderen Zimmerecke und seufzte. » Ich wünschte, sie würde mir nicht mehr diese Dinger schicken, die machen es nur noch schlimmer. «

Ihre Tochter versuchte, ihren ungebildeten Geschmack beim Lesestoff mit etwas zu rehabilitieren, das Queenie » ernste « Bücher nannte – literarische Erzählungen, preisgekrönte Titel, Oprahs Auswahl. Sandra schickte sie ihr aus Edmonton mit ermutigenden Bemerkungen, die sie in die Buchdeckel kritzelte. Queenie rührte keins davon an, abgesehen von den wenigen, die von Neufundländern geschrieben wurden oder von Neufundland handelten. Die nahm sie als eine Art patriotischer Pflicht, obwohl es eine Qual für sie war, sie zu lesen. Sie seien alle deprimierend, sagte sie. Oder es passiere überhaupt nichts. Oder die Geschichte ergebe keinen Sinn. Die Hälfte der Bücher, die angeblich in Neufundland spielten, betrafen keine Gegend, die Queenie erkannte, und sie fühlte sich beleidigt, weil sie ihr Leben erobert hatten. Sie klangen alle so, als wären sie von Städtern geschrieben worden, pflegte sie zu sagen.

Sie drehte das offene Buch auf ihrem Schoß um. » Du hast gehört, Hayward hat für das Paket unterschrieben. «

» Ich wurde informiert. «

» Bringt dich in eine schwierige Lage, nehme ich an. «

» Ich habe noch Loveless «, sagte Sweetland, und beide lachten darüber. Er lehnte die Schulter an den Fenstersims. » Hätte nie gedacht, dass du Hayward unterschreiben lässt. «

» Sandra war es, die es ihm eingeredet hat «, sagte sie. » Beschaffen uns eine Wohnung bei sich im Untergeschoss. Sie kann es gar nicht erwarten, uns drüben zu haben, sagt sie. « Queenie machte wieder dieses kehlige Geräusch, um anzudeuten, dass es für sie genauso wahrscheinlich war, den Fuß auf den Mond zu setzen wie nach Alberta.

Sweetland hielt auch nicht viel davon. Jesse besuchte Queenie hin und wieder und dann sahen sie sich auf seinem Laptop gemeinsam Titanic an. Oder der Junge fragte sie nach ihrem Lieblingsbuch oder -film oder -lied, wann die Toilette eingebaut wurde oder wo ihre Kinder jetzt lebten und als was sie arbeiteten. Queenie hatte dieselben Fragen schon zehntausend Mal beantwortet, doch sie hatte unendliche Geduld für den Jungen. Seine monotone Befragung wie ein weiterer kleiner Raum, in den sie sich einzuschließen beschlossen hatte.

» Ich bin hier in der oberen Etage geboren «, sagte sie. » Fünf Kinder habe ich in dem Raum bekommen, in dem ich geboren wurde. Hayward kann unterschreiben, was er will «, sagte sie und drückte die Zigarette in einem Ascher neben dem Stuhl aus. » Ich verlasse dieses Haus nur in einer Kiste. «

Er war schon vor Tagesanbruch auf, saß mit Tee und dem Laptop an seinem Tisch, um den Wetterbericht zu hören. Die CBC plapperte im Hintergrund aus dem Radio, in Burin wurde eine Fabrik geschlossen, der Fischereiminister versprach Umschulungen und Beschäftigungsmaßnahmen für die Betroffenen.

Er sollte das gottverdammte Radio einfach auslassen, dachte Sweetland, und eine Weile den Frieden genießen. Er ging raus in die Kühle, dann durch die Stille runter Richtung Kai, bis Pilgrims Hund anschlug, um sein Vorbeigehen zu vermerken.

» Halt den Mund, Diesel «, sagte er. Der Hund zog an seiner Kette und bellte weiter, bis Sweetland das Wasser erreicht hatte. Es gab nur eine einzige Laterne auf dem Kai, an dem ein halbes Dutzend Boote vertäut war. Sweetland wandte sich nach links, vom Kai weg, und ging auf dem Arm hinaus zu seiner Steghütte. Es war ein ordentliches zweigeschossiges Gebäude, der obere Stock ein Schnurspeicher, wo sie früher einmal ihre Kabeljaunetze geknüpft hatten. Niemand wusste, wie alt das Gebäude war, doch Sweetland hatte es auf einem hundert Jahre alten Bild der Bucht am Ufer stehen sehen. Seit einer Generation wurde es nicht mehr dazu genutzt, Kabeljau zu säubern oder gesalzenen Kabeljau zu lagern, doch er hielt das Gebäude in makellosem Zustand, flickte und teerte das Dach im Frühling und im Herbst, strich die Außenwände mit rotem Ocker. Das hatte er sogar beibehalten, während er auf dem Leuchtturm arbeitete, hatte die Fenster abgekratzt und gekittet, die Stützbalken ersetzt. Dein kleines Museum, wie Clara es nannte.

Er legte die Kettensäge und den Benzinkanister und die Axt und den Essensbeutel ans Ende des Stegs und kletterte hinunter in sein Boot, überprüfte dann den Motor und das Funkgerät.

Jesse war außer Atem, als er über die Planken stampfte. Das Hemd hing ihm aus der Hose, das Gesicht war noch vom Schlaf zerdrückt. Eine Jacke hing ihm schlaff in der Hand.

Sweetland nickte ihm zu. » Gib mir mal die Kettensäge «, sagte er, und ihm kam ein Gedanke. » Du hast doch nicht vor, jemanden mitzunehmen, oder? «

» Nur Hollis «, sagte der Junge.

» Ich nehme Hollis nicht mit. «

» Er wird auch nichts sagen. «

» Als er gelebt hat, mochte er es nie, auf dem Wasser zu sein. Da werde ich den Arsch auch jetzt nicht mitnehmen. Kommst du oder nicht? «

Der Junge wandte sich ab, um flüsternd mit dem toten Mann zu sprechen. Sweetland konnte nicht sagen, zu welchem Ergebnis es führen würde, bis Jesse die Axt nahm und runter auf das Dollbord trat.

Es war schon fast hell, als sie sich zur Mündung der Bucht wandten und hinaus in die Schaumkronen des offenen Meeres fuhren. Eine dreistündige Tour bis zu der Bucht, wo er sein Holz schlug, und Jesse schlief auf halbem Weg ein. Sweetland stand mit dem Gesicht im Wind und beobachtete die Küstenlinie, die sich wie eine langsam treibende Flutwelle aus Fels und Fichten aus dem Ozean erhob.

Er weckte Jesse, bevor er in die Bucht einbog, ließ den Jungen das Ruder übernehmen. Über ihnen steile Hänge, zwischen den Fichten eine Mischung aus Birken und Balsamtannen. » Bring es drüben bei Nancy’s Rocks herum «, sagte Sweetland, ging am Bug entlang und machte das Boot an einem verrosteten Eisenring fest, der vor ewigen Zeiten dort in den Granit gebohrt worden war. Zusammen stiegen sie aus und traten ans Ufer und der Junge sprang hoch zu den Bäumen, ungeduldig wie ein Hund.

Sweetland

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