Читать книгу Sweetland - Michael Crummey - Страница 11
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ОглавлениеWährend des Tages war Wind aufgekommen und der Ozean schlug nach ihnen, als sie auf dem Rückweg aus der Bucht kamen, das Boot träge mit einer vollen Ladung Holz. Als sie an Little Sweetland vorbeifuhren, bogen sie in den Windschatten ab, um ein paar Minuten aus dem Schlimmsten heraus zu sein. Die Insel war bucklig und karg und einsam. An der Südseite von Tilt Cove standen zwei einfache Hütten mit Satellitenschüsseln an der Außenwand. Sweetland hatte noch nie gesehen, dass jemand diese Hütten benutzte, obwohl sie seit Jahren dort waren.
» Hier haben sie die Büffel hingebracht «, sagte Jesse.
Jedes Mal, wenn sie an Tilt Cove vorbeikamen, wollte er das bestätigt haben und bestand darauf, die Geschichte zu hören, eingefordert wie eine Maut, um die Passage fortzusetzen.
» Das ist der Ort. «
» Wie viele Leute lebten hier? «, fragte Jesse und überraschte Sweetland damit. An diesem Detail hatte der Junge bisher kein Interesse gehabt.
» Da lebten fast hundert, als ich in deinem Alter war «, sagte Sweetland.
» Was ist mit ihnen passiert? «
» Sie wurden alle in den Sechzigern von der Smallwood-Regierung umgesiedelt. «
» Wo sind sie hingegangen? «
» Hierhin und dorthin «, sagte er. » Placentia Bay. Burgeo, Hermitage. St. John’s. «
» Jetzt sind sie alle tot. «
Sweetland nickte. Er wusste nicht, wo der Junge noch Dinge in seinen Kopf hinpacken konnte. » Die meisten, nehme ich an. «
» Du hast ihnen an Land geholfen «, sagte Jesse.
» Was meinst du? «
» Den Büffeln. «
» Das war ziemlich lustig «, sagte er.
Er war gerade zurück von seinem ersten Einsatz in Toronto, wo er als Deckarbeiter auf einem Schoner arbeitete, der Trockengut und Salzfisch an der Südküste transportierte. Die Ceciliene Marie. Sie waren durch die Meerenge nach Cape Breton gefahren, um Bison aufzunehmen, die Tiere wurden in Einzelcontainern mit einem Kran vom Dock gehoben und in einen improvisierten Pferch im Frachtraum gelassen. Insgesamt zwei Dutzend, die meisten einjährige Kühe. Zwei Bullen. Seltsam aussehende Dinger, jedes tausend Pfund schwer, das meiste Gewicht im massiven Kopf und den Schultern, superschwer auf ihren dünnen Beinen. Das Gegenteil von Eisbergen, dachte Sweetland, neun Zehntel über dem Wasser. Die Tiere waren glasäugig von der Betäubung und stanken nach Scheiße und Angst. Fünf waren im Waggon auf der Reise von Manitoba gestorben und Sweetland dachte, es wäre ein Wunder, wenn eins die Meeresüberfahrt überleben würde.
Das Amt für Wildtiere wollte sie dort ansiedeln, da es ein paar große Tiere den wenigen in der Provinz hinzufügen wollte. Sie planten, die Bisons nach Little Sweetland zu bringen, um sicherzustellen, dass es kein Krankheitsrisiko für lokale Tiere gab, bevor die Herde später zur größeren Insel Neufundland gebracht werden sollte. Doch das wurde nie gemacht.
Die Ceciliene Marie segelte an Sweetland vorbei, um die Nacht in Miquelon zu ankern. Dort betranken sie sich, die Beamten von der Behörde und Sweetland, ankerten am letzten Überbleibsel Neufrankreichs, das noch immer französisches Territorium war. Es war das einzige Mal, dass er dort war. Die Beamten waren alle Neufundländer, doch der Verantwortliche war ein Amerikaner aus Nevada. Er hatte den Halt in Miquelon gefordert, weil er, wie er meinte, jede Chance nutzen würde, eine Nacht in Frankreich zu verbringen.
Als sie am nächsten Morgen in Tilt Cove ankamen, war es feucht und klamm. Dutzende Menschen waren von der Fortune Bay und der Burin-Halbinsel herübergesegelt, um das Ereignis zu beobachten, der Hafen gedrängt voll mit Booten, und Zuschauer auf den Dächern der Häuser, die noch in der Bucht standen.
Der Frachter konnte nirgendwo anlegen, weshalb sie im tieferen Wasser ankerten. Die Büffel wurden einzeln in Kisten geladen, um mit einem Floß an Land gebracht zu werden, das sie gebaut hatten. Diese hatten Duke Fewer angestellt, um das Floß mit seinem Longliner hin und her zu ziehen. Sweetland saß beim ersten Dutzend Umsetzungen auf dem Kran und senkte die Kisten auf das ebene Floß neben dem Schoner. Die Bisons sediert und mehr oder weniger still, als sie an Land gebracht wurden. Benommen stakten sie ins Freie, schüttelten ihre mächtigen Schultern und stolzierten trunken aufwärts und weg vom Wasser. Die Leute auf den Dächern johlten und schrien fassungslos, während die mythologischen Geschöpfe in ihrer verlorenen Herde herumzogen, hin und her gingen, an dem Riedmoos scharrten und die salzige Luft schnüffelten.
» Das sind keine echten Büffel «, verkündete Jesse.
» Ist das so? «, fragte Sweetland.
» Bisons sind nicht mit Wasserbüffeln oder afrikanischen Büffeln verwandt. «
» Womit sind sie dann verwandt? «
» Mit Kühen «, sagte Jesse. » Und Ziegen. «
Der Junge zitierte das Ergebnis einer Google-Recherche, ein Universum aus Fakten, das ihm zur Verfügung stand. Als wäre er nicht so schon anstrengend genug, dachte Sweetland. » Wie dem auch sei «, sagte er, » stört es Eure Hoheit, wenn ich sie trotzdem, für den Zweck dieser Geschichte, Büffel nenne? «
» Das stört mich nicht «, sagte Jesse.
Sweetland hatte nach dem Mittagessen auf das Floß gewechselt und stand mit einem Beamten da, während jede Kiste einzeln herangeflößt wurde. Dabei hielt er sich an der Oberseite der Kiste fest, um auf der engen Fläche Platz zu haben. Am Ufer stellte er sich nach hinten, während der Beamte die Tür öffnete. Falls sie eine Ermunterung brauchten, um ins Freie zu gehen, stupste Sweetland die Tiere von hinten mit einem Stock durch ein eigens gebohrtes Loch.
Sie treten sofort die Wand durch, wenn es ihnen in den Kopf kommt, warnte ihn der Beamte, also pass gut auf.
Die Tiere waren alle morgens betäubt worden, doch im Laufe des Nachmittags schienen sie langsam aus dem Nebel herauszukommen. Die vorletzte Kuh brüllte laut, bevor sie vom Schoner gehoben wurde, und brachte die Kiste in der Luft zum Schaukeln. Sie sicherten den Container auf dem Floß, wobei die Hufe des Büffels die Wände zum Beben brachten, während sie sich außen herumschlängelten. Der Geruch und dazu die Bewegung des Wassers schienen sie aus der Fassung zu bringen und sie schlug gegen die Kiste, während sie zur Landestelle schwammen. Die Holzfugen lösten sich, während das Tier innen in Panik geriet, bis der Container auseinanderfiel, ehe sie dreißig Meter hinter sich hatten. Der Beamte stürzte ins Wasser, als der Büffel ins Freie drängte und griff nach einer Ecke des Floßes, um sich über Wasser zu halten. Sweetland machte einen wilden, dummen Satz nach dem Schwanz der Kuh.
» Als hätte ich sie wie eine Ratte hochheben können «, sagte er zu Jesse.
Auf dem Floß war nicht genügend Platz, damit sich das Tier umdrehte. Es versuchte, sich am Rand zu fangen, kippte aber vornüber, da es oben so schwer war. Eine zersplitterte Seitenwand der Kiste trieb neben dem Floß und der Büffel fiel darauf, die hölzerne Platte gab unter seinem Gewicht nach. Sweetland stand über dem Tier, während es wild strampelte und sich aufzurichten versuchte. Zuerst sank es langsam, wie ein Boot, das zu Wasser gelassen wird. Doch als es untergetaucht war, sank es wie ein Stein, als ob es an einem Strick nach unten gezogen würde. Das dunkle Gesicht starrte hinauf zu Sweetland, die Augen weit aufgerissen, Luftblasen strömten aus den riesigen Nüstern. Er sah sie noch lange durch das klare Wasser hinabsinken.
» Konntest du sie unten am Boden sehen? «, fragte Jesse.
» Zu tief da draußen bei dem Schoner «, sagte er. » Habe nach einer Weile den Sichtkontakt verloren. «
Die restlichen Tiere überlebten die Fahrt, mit Ausnahme eines Bullen, der innerhalb von zwei Tagen nach der Landung starb. In jedem Frühling wurden Kälbchen geboren und die übrige Herde blieb fast dreißig Jahre dort, obwohl die Büffel es niemals schafften, auf der Insel heimisch zu werden. Sweetland hielt auf den Landspitzen nach ihnen Ausschau, wenn er an Little Sweetland vorbeikam, jenen zotteligen Umrissen, einsam im Nebel, als hätte jemand sie aus der Unterwelt heraufbeschworen.
» Was ist mit ihnen passiert? «, fragte Jesse.
» Weiß keiner so genau. Sie gingen immer raus an die Klippen, um das Salz von den Felsen zu lecken. Einige sind auf diese Weise gestorben. Womöglich haben auch Wilderer ein paar mitgenommen. «
Der Junge dachte eine Weile über diese Möglichkeit nach. » Hast du schon mal Büffel probiert? «
» Also, Jesse «, sagte er. » Das wäre wohl verräterisch, oder nicht. «
Wegen der flachen Oberfläche legte er am Kai an. Schickte Jesse nach seinem Geländefahrzeug und den Hänger zum Haus hoch, entlud das Holz vom Boot, während er wartete, warf die drei Meter langen Stämme auf die Betonfläche. Auf der anderen Seite des Wegs lehnte Loveless an einem kleinen Häuschen, das ungefähr die Größe eines Plumpsklos hatte; darin war der Geldautomat der Insel installiert. Sein Schoßhund lag zu seinen Füßen, ein Stück Schnur als Leine um den Hals. In seinem Mund steckte eine erloschene Pfeife, die er mit der Zunge von einem Mundwinkel zum anderen schob und wie einen Schaltknüppel hin- und herbewegte.
» Mehr Holz «, sagte Loveless schließlich.
» Sie haben wirklich eine Gabe für Beobachtungen, Mr Loveless. «
» Duke meinte, du hast genug Brennholz gelagert, um die Hölle eine halbe Ewigkeit zu befeuern. «
» Ich habe vor, noch eine ganze Weile zu bleiben. «
Loveless blickte hoch zum Häuserring. » Ich hab gehört, Hayward hat das Paket unterzeichnet «, sagte er. Und als Sweetland nicht antwortete, sagte er: » Jetzt nur noch wir beide. «
» Zwei sind so viele, wie wir brauchen «, sagte Sweetland.
Loveless sagte darauf nichts, seine Pfeife setzte ihre mechanische Reise fort.
» Dein kleiner Hund ist letzte Nacht frei auf dem Arm herumgelaufen «, sagte Sweetland.
» Bekomm ihn nicht eingesperrt, Moses. Ich schwöre, das kleine Miststück weiß, wie man den Türknauf dreht. «
Sweetland warf einen Blick auf das Tier. Da hatte noch ein anderer Hund mit einem » P « mitgemischt, Pekinese oder Pomeranisch, Loveless konnte sich nicht mehr erinnern, was es war. Hatte ein Vermögen dafür bezahlt, wie Sweetland annahm, da Loveless sich weigerte, die Summe zu nennen. Sara hätte niemals so eine sentimentale Anschaffung gestattet, wenn es um Tiere ging. Gibt genügend Hunde auf der Insel, hätte sie gesagt. Taugt nicht zur Arbeit, dieser da. Er ist hypoallergen, sagte Loveless gern, womit er die Anzeige des Züchters zitierte, als ob das die Kosten entschuldigen würde.
» Du musst den Hund kastrieren lassen «, sagte Sweetland. » Danach wird er nicht mehr halb so viel herumstrolchen. «
Loveless griff nach unten und das Tier streckte sich auf dem Rücken aus, um den Bauch gekrault zu bekommen, die Beine weit gespreizt. » Ein hübsches Paar Eier hat er da «, sagte Loveless und strich einmal herzlich über die Testikel. » Wäre eine Sünde, sie abzuschneiden. «
Sweetland schüttelte den Kopf. Er warf das Holz in einem gleichbleibenden Rhythmus hoch, jede Bewegung gemächlich und wohlbedacht. Es landete auf dem Kai, als käme es von einem Fließband. » Ist deine Kuh so weit zu kalben? «, fragte er.
» Jeden Moment. «
» Kümmerst dich selbst drum, oder? «
» Sara ist mir keine Hilfe, tot und begraben. «
» Du warst ihr keine Hilfe, gesund und munter. «
» Ich habe das eine oder andere von ihr gelernt «, sagte Loveless. » Geht dich aber nichts an. «
» Sie hat dir kein verdammtes Bisschen Schach beigebracht. «
Loveless blickte verblüfft vor sich hin, von der plötzlichen Wendung des Gesprächs ein wenig verunsichert.
» Du hast die Partie mit Duke versaut «, sagte Sweetland.
Loveless nahm die Pfeife aus dem Mund, zeigte mit dem feuchten Ende runter auf Sweetland. » Duke meinte, das sei ein kluger Zug von mir «, sagte er.
Sweetland streckte sich von der Arbeit, stemmte die Hände in die Hüften. » Wie oft hat Duke ein Schachspiel im Laden verloren? «
Loveless hob die Pfeife, um zu antworten, erkannte aber, dass er gegen dieses Argument nicht ankam. Er klemmte sich das Ende wieder zwischen die Zähne und drehte den Kopf, um zu beobachten, wie Jesse mit dem Quad den Hügel herunterkroch. Unten angekommen riss der Junge das Fahrzeug herum, sodass es neben dem wachsenden Holzhaufen zum Stehen kam.
Jesse nahm den Helm ab und kam rüber, um sich auf Armlänge entfernt vor den Hund zu hocken. Er wollte wissen, wie alt er war und wo er geboren war und was er gern fraß und ob man ihm beibringen könnte, auf die Toilette zu gehen. Beide aus demselben Holz, Mann und Junge, dachte Sweetland. Und bedauerte sofort, dass er das gedacht hatte. Mit dem Jungen war etwas nicht in Ordnung, doch er war trotzdem ein anderes Geschöpf als Loveless.
Sie beluden den Hänger, mit Loveless als Publikum, und unterwegs den Hügel hinauf ließ Sweetland Jesse an dessen Tür raus.
» Überprüfst du morgen die Fallen? «
» Morgen ist Sonntag. «
» Was ist mit Montag? «
» Wenn das Wetter halbwegs ordentlich ist. «
» Ich könnte mitkommen. «
» Du hast Schule «, sagte Sweetland.
Er fuhr an seinem Haus vorbei zum Schuppen. Stellte das grüne Holz an den Zaun am Ende seines Grundstücks. Es würde bis nächsten Frühling dauern, bevor er es schneiden und stapeln konnte. Er hatte Scheite in verschiedenen Trockenheitsgraden auf dem Grundstück, alle warteten auf die Kettensäge. Er würde sich bald einen neuen Platz suchen müssen, wo er sie noch lagern konnte. Der hintere Anbau war voll, eine Seite des Schuppens vom Boden bis zur Decke reihenweise mit Holzstücken bedeckt, und weitere an der windabgewandten Wand. Der Schnurschuppen und das alte Plumpsklo dienten schon lange als Lager für Feuerholz. Als er beim Straßenbau auf der Burin-Halbinsel gearbeitet hatte, hatte er ein übrig gebliebenes Stück Metalldurchlass mitgenommen und es auf Hayward Coffins Stechkahn herübergeschafft. Hatte es von vorn bis hinten vollgepackt, vierzig oder fünfzig Klafter Holz, wie er annahm. Die Leute meinten, so lange würde er gar nicht mehr leben, um alles zu verbrennen, doch er konnte sich nicht zurückhalten und holte noch mehr aus dem Wald. Es war wie Geld auf der Bank.