Читать книгу Sweetland - Michael Crummey - Страница 12

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Sweetland erreichte mit seiner Schiffsladung Überlebender im Schlepptau den Kai und warf Duke Fewer ein Seil hinauf. Sagt am Leuchtturm Bescheid, bat er. Seht zu, ob Bob-Sam die Küstenwache anfunken kann.

Wir haben nichts davon gehört, dass ein Schiff untergegangen ist, sagte Duke.

Nun, vielleicht waren sie auf einer Ruderfahrt unterwegs und haben sich verirrt. Ruf Bob-Sam an.

Es waren kleine, schmächtige Männer, mit großen Augen und wacklig auf den Beinen. Sweetland kletterte ins Boot, um ihnen zu helfen, als sie auf den Kai hochgehoben wurden. Von da half man ihnen zur Fisherman’s Hall, wo die Frauen sie in Decken wickelten und sich daranmachten, ihnen Suppe in den Mund zu löffeln.

Als das Boot leer war, saßen zwei noch immer achtern, die Sweetland jünger erschienen. Der größere hatte einen Arm um die Schultern des anderen gelegt, eine blaue Windjacke war über beide gebreitet. Sie sahen aus, als hätten sie keine Absicht, sich von da wegzubewegen, wo sie saßen.

Sweetland rief Duke, ohne den Blick von ihnen abzuwenden. Geh und hol den Reverend, sagte er.

Der Jüngere war tot und das wohl schon eine Weile. Der andere versuchte, sie mit der freien Hand abzuwehren, als sie auf ihn zu kamen.

Lass ihm eine Minute, sagte der Reverend.

In einer Minute wird der Junge auch nicht weniger tot sein, sagte Duke.

Gib mir eine Decke, ja, Moses?

Der Reverend bedeckte die beiden und ließ sich neben ihnen im Boot nieder. Ich rufe, wenn ich euch brauche, sagte er. Er hielt dem lebenden Mann eine Flasche Wasser an die Lippen und wischte ihm das Gesicht mit einem Taschentuch ab und sprach mit leiser Stimme zu ihm. Betete, wie Sweetland annahm, obwohl das wahrscheinlich nicht die Art von Gebet war, die sie gewohnt waren. Der Mann wandte den Blick nicht vom Gesicht des Reverends. Nach einer Weile stand der Reverend auf und rief nach Sweetland auf dem Kai.

Sie mussten den toten Jungen wegbringen und das war eine seltsame Aufgabe. Er wog fast nichts, doch die Leichenstarre hatte schon eingesetzt und der Körper war wie ein kunstvolles Möbelstück. Der lebende Mann war fast genauso steif und unbeholfen, gekrümmt und trat behutsam auf, als würde er über zerbrochenes Glas gehen.

Bring den anderen hoch zur Kirche, sagte der Reverend zu Sweetland. Ich bin in einer Minute da.

Er wartete mit Duke, bis sie außer Sichtweite waren, dann hoben sie den Leichnam auf den Kai. Sie brachten ihn zur Kirche, noch immer in seiner Sitzposition, die Knie fast bis zur Brust angezogen. Sweetland fasste den Leichnam unter den Armen, der Kopf war zur Seite geneigt, sodass es schien, als hätte er das Gesicht gehoben, um ihn anzusehen, aber Sweetland hielt den Blick starr nach vorn gerichtet, um den Anblick zu vermeiden. Ohne Absprache gingen sie am Haupteingang der Kirche vorbei zur Seitentür ganz hinten, zu dem Raum, wo der Reverend einen Schreibtisch hatte und seine Gewänder neben den lila Chorroben an einer Stange hingen. Sie wollten den toten Jungen nicht auf den Schreibtisch des Reverends legen und taten ihn stattdessen auf den Fußboden. Doch sie empfanden es beide als Respektlosigkeit, ihn dort liegen zu lassen, und Sweetland ging den Tisch aus dem Vorraum holen, wo gewöhnlich die sonntäglichen Gemeindebriefe auslagen.

Dann traten der Reverend und Ruthie direkt hinter ihm durch die Tür, und sie gingen alle durch den Mittelgang nach hinten, wo sie den Leichnam auf den Tisch hoben. Der Reverend wandte sich an Ruth. Haben wir ein Laken oder so etwas?, fragte er.

Sie war eine der Kirchenfrauen, die sonntags früh kamen und nach dem Gottesdienst noch blieben, um aufzuräumen, und sie verbrachte zwei Abende in der Woche im Altarraum, um den Boden zu wischen und die Fenster zu putzen und die Kerzenständer am Altar zu polieren. Sie ging zu einem Schrank voller Weihnachtskränze und unbeschriebener Mitteilungsblätter und Druckertinte und wühlte hinten herum, bis sie ein vergilbtes Altartuch fand. Sie war mit Clara schwanger, obwohl das noch niemand in der Bucht wusste. Die Frau half dem Reverend, den toten Jungen mit dem Laken zu bedecken, während sie mit gefalteten Händen um ihn herumstanden.

Es scheint nicht richtig, ihn hier hinten allein zu lassen, sagte Ruth.

Wir bringen ihn raus in den Altarraum, wenn wir Betten für die anderen gefunden haben. Setzen jemanden zu ihm.

Ruth wandte sich an den Pfarrer und legte ihm die Hand auf den Arm. Können wir das Vaterunser sprechen?

Er zögerte einen Augenblick, als wäre ihm bei diesem Wunsch irgendwie unbehaglich. Das wird gewiss keinen Schaden anrichten, sagte er schließlich.

Sweetland

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