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Freitag, 20. September 2013 – 09:26 Flugaufsicht, Top Secret, London

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Densham fällt zunächst das Wort ‚Unbelehrbare‘ ins Auge. Dies entspricht offenbar der Verärgerung des Täters, weil seine letzte Drohung nicht gebührend respektiert worden war. Wenn er oder einer seiner Kumpane die Szene vor dem Bismarckplatz verfolgt hatte, so konnte er daraus nur schließen, nicht ernst genommen worden zu sein.

Die Notlandung in London ist von der Presse, auf ausdrücklichen Wunsch der Polizei, nicht publiziert worden, also wusste der Täter auch nicht definitiv, ob seine Maßnahme gefruchtet hatte. Es sei denn, jemand aus seiner Bande wäre vor Ort gewesen.

Der Täter ist jedenfalls verärgert und genau dies hätte Densham gern vermieden. Gekränkte, oder verspottete Täter reagieren sehr unberechenbar und mitunter echt skrupellos. Densham hatte schon mehrfach erlebt, wie Täter im sogenannten psychologischen Nebel keinem vernünftigen Verhandlungselement mehr zugänglich waren. Manchmal endet alles in einem Amoklauf, in ungezügelter Aggression, oder in Verzweiflungstaten, die weitere Opfer fordern. Soweit möchte es Densham keinesfalls kommen lassen. Zumindest, wenn es nach ihm geht, aber leider tut es dies eben nicht immer.

Aus den 100.000,- vom Anfang der Woche ist nun der 10-fache Betrag geworden. Der Schaden an der notgelandeten Maschine beläuft sich nach ersten Schätzungen auf mehr als 2 Millionen.

Was aber, wenn es nur ein Schmalspurbandit ist, der einfach 10 oder 20.000 abkassieren will? Es gibt relativ oft Fälle von Menschen, die in finanziellen Engpässen stecken und die nur aus ihrer persönlichen Klemme kommen möchten. Natürlich werden solche Dinge nicht publiziert, denn man will die Leute gar nicht auf die Idee bringen, dass fliegen unsicher wäre bzw. dass eine Erpressung zum Erfolg führen kann.

Densham fliegt schon seit Jahren nicht mehr, genau genommen seit er diesen Job macht, denn Erpressungsversuche bei Fluglinien sind inzwischen häufiger als Banküberfälle. Meistens sind die Täter nur so naive und schlichte Wesen, dass man sie spätestens nach der Geldübergabe schnappt.

Es gibt sogar einen eigenen Fond, in welchen die Fluggesellschaften freiwillig einzahlen, um sich solche lästigen kleinen Dinge vom Hals zu halten. Densham weiß seit langer Zeit, dass die Probleme nicht im Flugwesen liegen. Aus einer Sicherheitstagung weiß er, dass es ähnliche Vorkommnisse auch bei Passagierschiffen, Frachtschiffen, Eisenbahngesellschaften und sogar bei Paketdiensten gibt.

Dass es mehr Flugzeuge betrifft, liegt allerdings an der bescheidenen Phantasie der Menschen, die nur daran denken, dass ein Flugzeug herunterfallen kann. Bei anderen Transportmitteln rechnen die Täter mehr damit, dass man die Züge oder Schiffe anhalten kann. Dies ist zwar auch nur eine Illusion, denn ein Kreuzfahrtschiff braucht mehrere Kilometer um anzuhalten, aber die Menschen denken nun mal so.

Auf dieser Erde und in diesem Leben gibt es wohl keine Sicherheit. Das Problem dahinter ist die Armut der Menschen, sei es auf den anderen Kontinenten oder auch hier in Europa. Wer einigermaßen mit seinen materiellen Mitteln auskommt, der geht kein so hohes Risiko ein, jedenfalls wenn er bei klarem Verstand ist. In der Öffentlichkeit werden zumeist nur jene Fälle diskutiert, die auf Gier beruhen, aber das ist in Summe betrachtet eine Minderheit. Die meisten Fälle – was auch seine Praxis bestätigt – beruhen auf Verzweiflung und Not.

Manchmal geht es um ein Spenderorgan, zuweilen um eine teure Operation, eine Flucht aus dem Gefängnis, oder die Freipressung von Gefangenen. Bei dieser aktuellen Erpressung gibt es keinen Hinweis auf derartige Ansätze.

Inzwischen treffen erste Ergebnisse der Ermittlung ein. Der Brief wurde in einem anderen Stadtteil von London aufgegeben, einfach per Briefmarke und Postkasten. Dabei konnte der Kreis der in Frage kommenden Postkästen stark eingegrenzt werden. Die Auswertung der Kameras bei Banken, Geschäftsportalen, Kameras der Verkehrsüberwachung, und ähnliche Optionen brachten keinen Erfolg.

Es gibt einige Personen, die für den Briefeinwurf in Frage kommen, soweit man dies aus den Aufnahmen erkennen kann. Die Besonderheit daran ist, dass es offenbar mehrere Personen gibt, die mit einem Kuvert in dieser Größe losgeschickt wurden. Alle aufgespürten Aufnahmen zeigen jedoch nur die Rückseite der Personen und jede von ihnen ist in eine Jacke mit Kapuze gehüllt.

Im Grunde sehen alle sechs in Frage kommenden Personen gleich aus, jedenfalls von hinten. Erschwerend kommt noch dazu, dass diese Menschen offenbar genau wussten, wo sich die Kameras befinden und sie stets mit dem Rücken zur Kamera agierten.

Erfahrungsgemäß bringen Zeugenbefragungen nur Schilderungen von grünen Männchen oder sie sind sich einig, dass es eine Mischung aus Zwerg und Riese sein muss. Mit anderen Worten, eher aussichtslos. Man wird natürlich jede Spur verfolgen, aber man sollte sich davon nichts Bedeutendes erwarten.

Was den Ausdruck betrifft, so kommt man zur Erkenntnis, dass der verwendete Drucker eigentlich ein Kopierer ist. Dies bedeutet, dass der Ausdruck offenbar in irgendeinem Copyshop produziert wurde. Da es sich auch nur um eine einzelne Kopie handelt, wäre das Aufspüren eine mehrwöchige Aktion, die wahrscheinlich keinen Brauchwert hat. In jedem Copyshop in der City werden täglich tausende Kopien gemacht und niemand kann sagen, ob diese vorliegende Kopie vor zwei Tagen oder zwei Monaten angefertigt wurde. Also ist auch dies eine Sackgasse.

Densham überlegt, wie denn das Rote Kreuz in Bern in dieses Szenario passt. Wie möchte der Täter überhaupt feststellen, ob das Geld rechtzeitig dort einlangt? Selbst wenn der Täter ein Philanthrop wäre, der dem roten Kreuz auf die Sprünge helfen möchte! Wie kommt er an die Kontodaten, um den Eingang des Lösegeldes zu checken? Woher soll das Signal kommen, um diese Aktion zu stoppen, wenn der Täter keinen Einblick in das Konto hat? Darüber muss er noch weiter nachdenken.

Nun aber ist es Zeit, Kontakt mit Wilson Air aufzunehmen. Nach seinen Unterlagen wurde die Gesellschaft in London gegründet, hat aber ihren Sitz in Budapest. Sie wurde als Billigfluglinie für den osteuropäischen Markt konzipiert. Hier gibt es eine kleine Gemeinsamkeit, denn der Flug von easyFly vom Dienstag gehört auch zu einer Billigfluglinie, welche in London gegründet wurde. Hinter easyFly steckt allerdings ein zypriotischer Geschäftsmann.

In beiden Fällen Billigfluglinien, also vielleicht ist der Täter einfach jemand der gegen diese billige Art des Reisens ist. Zum Beispiel jemand, der für eine teurere Fluglinie arbeitet und der Preisdumping am Markt verhindern möchte?

Die geforderten Geldbeträge gefährden natürlich keine Fluglinie, dazu sind sie in beiden Fällen zu gering. Aber wenn diese Vorfälle durchsickern und dadurch das Image der Fluglinien leidet, so kann es schon einen Kundenschwund nach sich ziehen. Dies ist bisher noch die wahrscheinlichste Theorie. Dennoch ist es nur eine Spekulation.

Eher unwahrscheinlich ist es, dass irgendwelche Investoren dahinterstecken, die ihre Interessen schützen möchten. Auch dies hat Densham schon erlebt, aber hier gibt es zu viele Mitwisser, die im Spiel sind. Dieses Risiko geht kein Investor ein. Da haben sie schon andere Methoden zur Verfügung, um einen Konkurrenten vom Markt zu vertreiben.

Es ist bereits 12 Uhr 30 und es wird Zeit, dass Densham die Wilson Air kontaktiert. Das Telefonat ist mehr als mühsam. Zum einen sprechen die Menschen, mit denen er zu tun hat, ein grauenhaftes Englisch oder ein sehr gebrochenes Deutsch. Vor allem aber ist niemand für etwas zuständig oder verantwortlich. Es dauert mehr als eine halbe Stunde, bis er mit jemand sprechen kann, der scheinbar Verantwortung trägt. Letztlich meint Densham‘s Gesprächspartner aber ebenfalls, dass er doch nicht befugt ist, Entscheidungen in dieser Angelegenheit zu treffen. Er verspricht aber, sich in den nächsten zwei Stunden zu melden und die Entscheidungsbefugten zwischenzeitlich zu informieren. Da es jetzt kurz nach 13 Uhr ist, erwächst daraus kein Problem, denn die Maschine soll erst um 17 Uhr fliegen.

Densham lässt einige Sandwiches bringen und versammelt seine engsten Mitarbeiter, um mit ihnen die aktuelle Lage zu besprechen. Dabei ist die oberste Regel, dass jede Person am Tisch gleichberechtigt ist und daher alle ihren Teil beizutragen haben. Hier ist ebenso Platz für Pessimisten, wie für Optimisten. Niemand hat Recht und niemand Unrecht. Welche Entscheidungen danach umgesetzt werden, entscheidet Densham nach den Beratungen.

Jasmin, die Afroamerikanerin am Tisch hegt ein gewisses Misstrauen gegen gemeinnützige Organisationen. Sie hat früher entsprechende Erfahrungen gemacht und daher möchte sie gern die Mitarbeiter des Roten Kreuzes durchleuchten. Sie begründet dies auch mit ‚Cui bono‘ – also wem nützt dieses Szenario primär? In ihren Augen ist natürlich nicht die Hilfsorganisation der Bösewicht, aber vielleicht irgendein Buchhalter oder sonst wer, der Zugang zu den Konten hat. Wenn einer der dortigen Mitarbeiter Geld im Spielkasino verjubelt hat, so ist diese Art der Geldbeschaffung durchaus vorstellbar.

Luigi, der coole Denker, sitzt ebenfalls am Kopf des Tisches, aber gegenüber von Jasmin. Er kneift seine Augen etwas zu, gibt zunächst einen zustimmenden Laut von sich, hat aber dann doch einen Einwand. „Wie kommt diese Buchhalterseele zum entsprechenden Know How? Als Spieler leben diese Menschen in einem sehr schmalen Spektrum des Lebens und da passt ein technisches Fachwissen über die Elektronik eines Flugzeugs irgendwie nicht mehr hinein.“

„Was spricht gegen den spielenden Buchhalter und einen oder mehrere Komplizen?“ fragt Jerry. Er ist derjenige in der Runde, der sich immer alles vorstellen kann. Für ihn gibt es nichts Unvorstellbares und das hat der Runde schon öfter den Kopf gerettet.

Sandra möchte auf den Ablenkungseffekt aufmerksam machen. „London, Marokko, Bern, Essen, Budapest und Thessaloniki sind die bisherigen Berührungspunkte. Abgesehen von einer leichten Gewichtung von London gibt es keine lokale Anhäufung.

Natürlich streut die Fliegerei die Tatorte, aber dies scheint ihr doch ein wenig zu viel Streuung zu sein. Sandra gibt aber anschließend zu, dass sie sich selbst noch keinen rechten Reim darauf machen kann. Sie hat nur das Gefühl, dass von irgendetwas abgelenkt werden soll. „Aber fragt mich bitte nicht wovon!“

Monti macht darauf aufmerksam, dass es bisher nicht gelungen ist, irgendwelche Ansätze aus den recherchierten Gesprächen und den aufgefunden Gegenständen zu ziehen. Nicht einmal banale Fingerabdrücke hatten sie gefunden. Normalerweise erhaschen sie doch den einen oder anderen Zipfel vom Rock des Verbrechens. Nach Montis Meinung ist hier irgendein Profi am Werk. Da weiß jemand ganz genau, wie man die Spurenlage verwischt und dies beherrschen die wenigsten Laien. „Da ist vielleicht sogar ein Polizist am Werk oder sonst jemand, der sich mit den Ermittlungsschritten und Techniken recht gut auskennt.“

Woody ist mehr der stille Beobachter, der erst mal alle anderen ans Werk lässt und sich dann etwas vom Angebot des Tages aussucht. „Ich finde das höchst interessant, dass jede Person hier in eine andere Ecke zieht. Ich jedenfalls kann keine großen Gemeinsamkeiten heraushören, außer dass es dem Täter gelungen ist, jeden hier in eine andere Ecke zu dirigieren. Dies ist fast genial – und – besser hätten wir das auch nicht hinbekommen!“

Densham möchte noch etwas anderes wissen. „Was geschieht, wenn heute bezahlt wird, oder was geschieht im gegenteiligen Fall“

Hier herrscht plötzlich völlige Einigkeit unter den Kollegen. Sie meinen praktisch einheitlich, dass das Wort ‚Unbelehrbar‘ deutlich genug war und daher würden sie wohl alle mit ernsten Konsequenzen rechnen.

Densham bedankt sich, teilt dann noch abschließend mit, dass der oder die Täter ab jetzt den Codenamen ‚Jimmy‘ erhält. Ab jetzt sollten sie nur mehr von Jimmy sprechen, bis sie einen konkreten Täternamen haben.

Es ist kurz vor 15 Uhr und der Anruf der Fluggesellschaft ist bisher noch nicht eingegangen. Fast fürchtet Densham, dass sich die Betreibergesellschaft ebenso unelegant aus der Affäre ziehen möchte, wie die Mitarbeiter der Bank am Dienstag.

Densham muss sich nun noch klar darüber werden, was er selbst der Fluggesellschaft nahelegen möchte. Am Dienstag war der Zahlungsverpflichtete eine Bank und das bedrohte Unternehmen easyFly. Heute liegen aber beide Rollen in derselben Hand. Zahlen soll die gleiche Firma, die dem Bedrohungsszenario ausgesetzt ist. Dies macht durchaus einen Unterschied aus. Da kann man sich nicht mehr so einfach abputzen.

Um 15 Uhr 15 versucht Densham eine telefonische Urgenz, erfährt aber nur, dass es noch keine definitive Entscheidung gibt. Wichtige Entscheidungsträger konnten bisher noch nicht erreicht werden.

Densham bleibt weiterhin gelassen, auch wenn ihm durch den Kopf geht, dass er dieser Firma als Passagier nicht gern ausgeliefert wäre. Bei einer Entführung müssen oft Entscheidungen innerhalb von Minuten getroffen werden, da kann man nicht so lange taktieren.

Densham findet inzwischen auch, dass hier eine Verwirrungstaktik im Spiel sein könnte. Es wird ihm erst jetzt klar, was es mit dem Roten Kreuz in der Schweiz auf sich hat. Egal welches Geschütz sie auffahren würden, in der Schweiz kommt man als Behörde sogar im Idealfall erst nach Monaten an die Bankdaten, während das Geld in Minutenschnelle an Auslandskonten in der halben Welt transferiert wäre. So wie es aussieht, ist das Geld durch den Schweizer Transfer unwiderruflich weg. Auslandskonten auf den Cayman Islands sind in der Praxis nicht zu checken.

Natürlich haben sie auch Hacker im Team, die sich relativ schlau machen können, aber das sind dann Erkenntnisse, die man schwer in die offiziellen Ermittlungen einfließen lassen kann. Also kann man aus dem Bewegungsprofil der Beute in diesem Fall ermittlungstechnisch keine großen Sprünge erwarten.

Um 15 Uhr 45 melden sich die Ungarn und fragen nach, wie weit die Ermittlungen gediehen sind. Densham gibt sich bedeckt und lässt nur durchblicken, dass sie noch keine Möglichkeiten zum Einschreiten hätten, weil noch nicht alle Hinweise ausgewertet sind. Die Ungarn wiederum meinen, dass sie noch keine definitive Entscheidung hätten. Sie würden sich noch melden.

Densham überlegt, ob es Sinn macht, mit dem Roten Kreuz in Bern Verbindung aufzunehmen. Nein, es wäre besser die Mitarbeiter zu durchleuchten und parallel dazu beschatten zu lassen. Da es in solchen Organisationen viele freiwillige Helfer gibt, lässt sich aus der Liste der Angestellten ohnehin kein umfassendes Urteil bilden. Also gibt er die Beschattung durch seine Schweizer Kollegen in Auftrag. Die Einsatzgruppe soll sich laufend mit seiner Kollegin Jasmin absprechen. Mal sehen, ob sich hier wirklich ein Spielsüchtiger herauskristallisiert.

Es ist 16 Uhr 30 und das Boarding in Budapest hat bereits begonnen, aber diese ‚(zensiertes Wort)‘ Ungarn rufen einfach nicht an. Fast wäre ihm jetzt ein noch schlimmeres Wort entschlüpft. Zehn Minuten später läutet endlich das Telefon.

Die Lage hat sich bei ihnen ein wenig zugespitzt. Während die Passagiere bereits mit dem Einchecken begonnen haben, führte der Pilot noch einen letzten Kontrollgang durch und dabei stieß er auf kleinere Ungereimtheiten. Nichts Großes, aber Grund genug für einen Wechsel der Maschine.

Die Ungarn haben sich entschieden nicht zu zahlen und sahen darüber hinaus nur die Möglichkeit, die Piloten über die gegenwärtige Situation zu informieren. Immerhin müssten sie eine besondere Sensibilität an den Tag legen und auf Störfälle gefasst sein. Daraufhin weigerten sich die Piloten den Flug anzutreten, umso mehr, als das Geld nicht bezahlt werden soll.

Die gewerkschaftliche Vertretung, welche in Ungarn noch sehr schwach organisiert ist, machte aber ausreichend Wind unter den anderen Piloten, sodass sich auch keine Ersatzmannschaft finden ließ, nicht einmal mit einer ausgetauschten Maschine.

Während dieses Gespräches mit Densham werden die Passagiere bereits von einem technischen Defekt informiert und dann auf neue Flüge ab Samstagmorgen umgebucht. Die Fluglinie bietet den Passagieren die Übernachtung in einem nahegelegenen Hotel als Entschädigung an.

Der Flug ist definitiv abgesagt. Densham will dann noch wissen, warum die Entscheidungsfindung so lange dauerte und ob dieses lange Prozedere nur ein Einzelfall war. Die Antwort ist eine einzige Ausflucht und damit weiß Densham, dass dies wohl kein Sonderfall ist.

Das Krisenteam bekommt die Entwarnung, führt aber die Ermittlungen noch weiter. Auch das Beobachtungsteam in Bern soll weiter arbeiten. Vielleicht ergeben sich doch noch brauchbare Ansätze.

Densham steht wieder vor einem Berg von Berichten, die er zu ergänzen, zu berichtigen und abzuändern hat. Densham hasst diesen Teil des Jobs, denn dafür sollte es eigene Beamte geben, deren Lieblingsbeschäftigung der Kampf mit dem Papier ist. Die Aussicht, dies in Einsparungszeiten bewilligt zu bekommen, ist allerdings gering bis aussichtslos.

Da Densham die Ungarn nicht gerade als verlässliche Partner kennengelernt hat, möchte er über sein Flugradar am Computer nachprüfen, ob die Maschine wirklich am Boden bleibt. Wenn man sich die kontrollierenden Behörden vom Hals geschafft hat, so fällt vielen Fluglinien ein kreativer Weg ein, wie sie ihre materiellen Interessen retten können.

Nein, die Maschine bleibt am Boden und es startet auch keine andere in die ursprünglich geplante Destination. Etwas gedankenverloren scrollt er am Bildschirm nach unten und da fällt ihm noch etwas anderes ins Auge.


Der winzige Punkt oberhalb der Schrift zeigt den Flughafen Thessaloniki und darunter das rote Signal (das Fragezeichen) für ‚ein verloren gegangenes Signal‘.

Densham weiß, dass es viele Ursachen dafür geben kann, aber dass es ausgerechnet bei der Zieldestination des bedrohten Fluges auftaucht, ist wohl ein bisschen viel des Zufalls. Mal sehen, was dort unternommen wird. Er lädt den Browser neu und vergrößert den Bildausschnitt.


Zwei Flugzeuge suchen bereits das Gebiet ab. In den nächsten Stunden überfliegen immer wieder neue Maschinen diesen Ort.

Kurz nach 19 Uhr kommt dann eine andere Meldung herein. Eine Boeing 777 der Airfrance, Flugnummer AFR10, hat auf dem Weg nach New York umgedreht und möchte wieder zum Ausgangspunkt in Paris zurückkehren.

Densham möchte sich auch das auf dem Flugradar ansehen. Dort wird angezeigt, welche Route geplant war, und zugleich die wirklich eingeschlagene Flugroute.


Densham ist ganz froh, dass er sich um diese Fälle nicht kümmern muss; sollen seine Kollegen auch etwas arbeiten. Für heute hat er genug und so verabschiedet er sich im Büro und macht, dass er nach Hause kommt.

Zu Hause warten bereits seine Kollegin Jasmin, seine Tochter Yvette und ein leckeres Irish Stew auf ihn. Jasmin ist schon seit 4 Jahren mit ihm zusammen und natürlich nennt sie ihn zu Hause nicht Mr. Densham, sondern Phil, aber in der Arbeit verhalten sie sich nur wie Kollegen zueinander. Yvette stammt aus seiner ersten Ehe, wobei seine Frau bei einem Flugzeugabsturz das Leben verlor. Damals war Yvette gerade mal ein Jahr alt. Phil war damals völlig geknickt und so kam es, dass Jasmin sich zunächst um das Baby und dann auch um Phil kümmerte.

Jasmin kam aus Iowa und hatte in Afrika beim Aufbau einer Flugsicherung mitgearbeitet. Womit sie damals nicht zurecht kam, war die Mentalität der Leute, mit denen sie zu tun hatte. Es schien dort weder Zeit noch Dringlichkeit zu geben und so verloren sich alle Bemühungen in dieser endlosen Gelassenheit. Jasmin hatte ständig das Gefühl zu versagen, weil nichts voran ging. Schließlich bewarb sie sich nach Europa und landete bei Phils Abteilung.

Da es Mitarbeitern strengstens untersagt ist, als Paare zusammenzuarbeiten, bleibt ihre Beziehung im Verborgenen und nur sein Freund Woody ahnt etwas von der Lebensgemeinschaft, aber auf dessen Verschwiegenheit kann man sich verlassen.

Normalerweise mag Phil Lammfleisch und er hat sich sogar auf das Stew gefreut, aber jetzt, wo es vor ihm steht, überfällt ihn doch eine gewisse Appetitlosigkeit. Irgendwie kommt er sich heute wie ein Opferlamm vor. Seit Dienstag hatten sie diese Vorwarnungen des potentiellen Attentäters Jimmy, was auf eine gewisse Weise ein Vertrauensbeweis war. Jimmy hätte sich auch gar nicht an die IATA wenden müssen und es hätte auch genügend andere Wege gegeben, das Geld zu erpressen.

So hatten sie die Chance, dem Spuk ein Ende zu machen. Es war aber weder eine Zusammenarbeit mit der Bank möglich noch mit den Ungarn, und damit war sein Team für die weitere Entwicklung aus dem Spiel. Sie waren auf dem Altar des Hochmuts geopfert worden, wie ein Opferlamm. Wo waren die Zeiten, als das Wort der Obrigkeit noch Gesetz war, dem sich alles unterwarf?

Jasmin kennt diesen bedrückten Gesichtsausdruck von Phil schon sehr gut und irgendwie hat sie dies auch für heute erwartet, als sie von der Absage des Fluges W6 2447 hörte. Jasmin hat Yvette deshalb schon zu ihrer Cousine Polly gebracht, die ebenfalls in dieser Gegend wohnt. Jasmin hoffte dennoch, dass sie einen gemeinsamen, ruhigen, aufregungsfreien und kuscheligen Abend verbringen könnten.

Phil fällt erst jetzt auf, dass Yvette offenbar bei Polly ist, aber dies ist durchaus auch in seinem Sinn, denn in der letzten Zeit hatten sie wenig Zeit füreinander.

„Glaubst du, hören wir nochmals von Jimmy?“ möchte er von Jasmin wissen. „Dass wir noch von seinen Taten hören werden? Bestimmt, aber ob er sich nochmals an uns wendet ist doch sehr fraglich.“

Jasmin kredenzt ihm seine Lieblingsnachspeise. Während er danach greift, zieht sie die Nachspeise wieder weg und meint: „Erst nach dem Irish Stew!“

Phil muss lachen und dann macht er sich doch über das Stew her. Es schmeckt wie immer phantastisch und dies sagt er ihr auch. Nach dem Dessert gibt es einen Liebesfilm im Fernsehen, den die beiden kuschelnd genießen. Die Handlung des Films ist aber nicht der Hauptakteur des heutigen Abends. Die beiden lassen sich weder durch die Dialoge, noch durch das aufdringliche Läuten an der Wohnungstür stören. Sie beschließen in dem Moment einfach, nicht da zu sein.

Die beiden sind auf der Insel ihrer Träume und dort gibt es weder Flugzeuge, noch Schiffe, sondern nur Sandstrand, Palmen, Sonne, Meeresrauschen, ein paar Drinks und die beiden Liebenden.

Zwei Gläser südafrikanischen Rotweines versüßen ihr Bemühen, den Alltag für ein winziges Stückchen Zeit auszublenden. Irgendwann gegen zwei Uhr früh kommen dann die Nachrichten im Fernsehen und damit wird ihr Traum unsanft beendet. Also beschließen sie, die Abendtoilette zu erledigen und dann zu Bett zu gehen.

Als Gentleman lässt Phil ihr den Vortritt, doch Jasmin kommt nur bis zum Vorzimmer. Als sie bei der Eingangstüre vorbeigehen will, um ins Badezimmer zu gehen, sieht sie einen abgerissenen Zettel am Boden liegen. Offenbar hat ihn jemand unter der Türe durchgeschoben.

Hurtig hebt sie das Papier auf und bringt es zu Phil, zumal sein voller Namen auf einer Seite steht. Auf der anderen Seite steht die eigentliche Nachricht. Beide erinnern sich schlagartig, dass es vor ein paar Stunden an der Tür geläutet hatte.


Phil ist verdutzt, warum ihn jemand einen hinterlistigen Feigling nennt. Er nimmt sich weder als Feigling war, noch als hinterlistig. Aus dem Schriftstück und dem Wort ‚Feigling‘ kann Phil nur einen Schluss ziehen. Es ist die nächste Nachricht von Jimmy.

Durch das Verhalten der Bank am Dienstag und die Absage des Fluges heute, kurz vor dem Start, konnte Jimmy durchaus kombinieren, dass Phil die Dinge hinterlistig verhindert hatte. Dass Phil absolut nichts dafürkonnte, kann Jimmy eigentlich nicht wissen.

Was Phil allerdings aus der Fassung bringt, ist etwas ganz Anderes. Wieso weiß Jimmy, dass er hier wohnt? Hatte Jimmy oder einer seiner Komplizen ihn vielleicht beschattet? Wer war an der Wohnungstür? An Jasmins Wohnungstür!

Und zu guter Letzt, wie bringt er dies seinen Mitarbeitern bei? Verheimlichen kann er es ihnen schlecht, zumal indirekt ein weiteres Attentat angedeutet wird. Die verträumte Stimmung von vorhin ist jedenfalls blitzartig weggeblasen.

Phil versucht von der Klingel Fingerabdrücke abzunehmen, aber da sind keine. „Hat wohl Handschuhe angehabt“ murmelt er.

Da dieses Haus auch keine Überwachungskamera hat, kann er nicht einmal nachvollziehen, wann der Briefschreiber oder Bote hier gewesen ist.

„Er ist aber schon recht keck, hier zu läuten. Hätten wir geöffnet, oder durch den Türspion gesehen, hätten wir ihn sogar sehen können“ echauffiert sich Jasmin.

Phil hört nur halbherzig hin, denn er denkt gerade über die Worte ‚wirklich schwierig‘ nach. Er möchte es überhaupt nicht schwierig haben, aber was ist wirklich schwierig? Jimmy ist offenbar stinksauer und dies kann Phil auch irgendwie nachvollziehen.

„Wenn man einmal die Spekulation anstellt, dass der Ausfall des Höhen- und Geschwindigkeitsmessers auf den Fehlleistungen eines Mechanikers beruhte, dann würde dies bedeuten, dass Jimmy keine gefährlichen Aktionen bis jetzt gesetzt hat. Dann wäre alles bisher nur Androhungen gewesen, aber kein wirklicher Attentatsversuch“ erläutert Phil gegenüber Jasmin.

Doch das sind alles nur Spekulationen. Phil und Jasmin beschließen, jetzt endlich ins Bett zu gehen. Zum Glück ist jetzt Samstag und da können sie ausschlafen.

Airport 2013

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