Читать книгу Ich richte dich! - Mika Benthe - Страница 5

Kapitel 3

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Der Bericht meiner neuen Klientin Claire Nolan, die ich zu begutachten hatte, lag mir schon seit Wochen vor.

Er war gut geschrieben, sehr gut sogar. Und sehr ausführlich.

Der typische Lebenslauf einer Verliererin.

Von Anfang an keine Chance gehabt und dennoch immer gekämpft.

Irgendwann völlig ausgerastet und Amok gelaufen. Vierzehn Menschen, darunter kleine Kinder, hatte sie erwischt.

Ich sollte ihre Zurechnungsfähigkeit beurteilen.

Für solche herausragenden Fälle beauftragten die Gerichte in der Regel mich als Sachverständigen für psychiatrische Gutachten.

Kein Wunder.

Ich war bereits mit dreiundzwanzig Jahren approbierter Psychiater, hatte mit fünfundzwanzig bereits den Professorentitel und lehrte an verschiedenen Universitäten. Mein Ruf eilte mir stets voraus – ich war der Beste auf meinem Gebiet. Und dafür auch in der einschlägigen Literatur bekannt.

Professor Dr. Christopher Duning, inzwischen achtundvierzig Jahre alt und bis dato unerreicht in der forensischen Psychiatrie.

Ich unterhielt auch eine kleine Praxis, allerdings eher als Hobby. Die reichen Snobs mit ihren alltäglichen Problemen und Psychosen. Eine willkommene Abwechslung dann und wann.

Und natürlich ein nicht zu verachtendes Zubrot.

Aber zurück zu Claire Nolan, sechsundvierzig Jahre alt, eine Frau vom Lande mit Bauernhof.

Und nun eine Witwe und Mörderin.

Nach diesem Bericht wusste ich, sie würde sicher keine Strafvergünstigungen bekommen.

Sie war klar und gesund.

Shit happens.

Der Fall war klar.

Dennoch standen Gespräche an. Vorschrift unserer Rechtsprechung und in manchen Fällen wie dieser hier reine Zeitverschwendung.

Ich betrachtete die Polizeifotos in ihrer Akte.

Sie war zwar um die Mitte Vierzig, sah aber älter aus. Korpulent, trug Brille, hatte einen leeren Blick. Ihr Gesicht war fett. Doppelkinn. Sie stand gebeugt. Typ unzufriedene Hausfrau. Sie erzeugte kein Mitleid mit ihrer Gestalt.

Keine großen Kinderaugen und keine zarte Statur. Sie lud regelrecht dazu ein, ihr noch einmal eins zu verpassen und sie wegzusperren, damit man nicht mehr daran denken musste, dieses menschliche

Wrack nicht seinen Tag störte, wenn man genüsslich einen Kaffee trank und die Sonne schien.

Merkwürdig. Ihre intelligente Art zu schreiben passte nicht zu diesem Bild. Sie hatte sich – wenn man die Umstände betrachtet - kurz gefasst und nicht wirklich emotional lamentiert. Sie hatte lediglich Feststellungen und Tatsachen aufgeschrieben, selbst die, die emotionaler Natur waren.

Und doch... irgendetwas löste dieser Bericht in mir aus. Mitgefühl? Ärger?

Es packte mich irgendwas und ich wollte wissen wieso. Der Besuch würde eine Pflicht sein, der ich ungern nachging, aber ich war neugierig genug, um dem Ganzen einen wenn auch kleinen persönlichen Stellenwert zuzumessen.

Also machte ich einen baldigen Termin aus.

Als wir uns begrüßten war ich perplex. Vor mir stand eine andere Person als die, die ich erwartet hatte. Ich rief mir nochmal die Fotos vor Augen. Ja, es gab die gleichen Merkmale, sie war es tatsächlich. Aber sie war deutlich schlanker, hatte ein feingeschnittenes Gesicht und dadurch wirkten ihre Augen größer. Sie waren blau. Ihre Haare waren länger und blond.

Die Brille fehlte. Ich fragte nach.

„Ach, die ist kaputt gegangen“, erklärte sie freundlich. „Aber das macht nichts, ich konnte mit der zum Schluss auch nicht mehr richtig sehen und ich hatte kein Geld für eine neue.“ Ich wies sie darauf hin, nun eine neue bestellen zu können. Für so etwas sorgt der Staat.

Doch sie entgegnete: „Nein, manchmal ist es besser, nicht zu genau hinzusehen.“

Wir ließen das Thema ruhen. Ich beschloss dennoch, die Gefängnisleitung darauf hinzuweisen.

Es konnte losgehen.

„Wie geht es Ihnen?“ fragte ich.

„Gut, danke. Ich hoffe Ihnen auch. Was möchten Sie wissen? Warum sind Sie hier?“

Der Smalltalk war beendet.

Sie wollte offenbar keine Zeit verschwenden. Sehr effektiv. Ich öffnete die Akte.

„Ihr Bericht“, sagte ich, „war sehr eindrucksvoll. Sie schreiben sehr gut. Ich habe allerdings noch ein paar Fragen dazu. Zuerst möchte ich wissen, warum Sie im ersten Teil in der dritten Person geschrieben haben. Und im zweiten Teil die Ich-Form gewählt haben.“

Sie zuckte mit den Schultern, sah mir offen ins Gesicht. Sie scheute den Blickkontakt nicht. Aber ihr Blick verriet keine Verbindlichkeit, als sie antwortete.

„Mir war danach. Meine Vergangenheit konnte ich so viel besser schildern, als wäre das nicht ich gewesen, der das passiert ist. Die so viel Mist erlebt hat, den Umständen nichts entgegensetzen konnte. Na ja, aber der zwölfte Oktober, der war eindeutig mein Tag. Da habe ich zumindest das wesentliche endlich einmal selbst entschieden.“

Sie machte eine kurze, nachdenkliche Pause und sprach dann weiter.

„Sie haben noch weitere Fragen? Nun, ich dachte, ich hätte alles nötige aufgeschrieben. Sie sollen doch nur feststellen, ob ich schuldfähig bin. Klar, natürlich bin ich das. Bitte keine mildernden Umstände. Sie sind Gutachter, ein Sachverständiger, und werden mit Sicherheit sehr viel zu tun haben. Ich will Ihnen keine Zeit stehlen.

Andere werden Sie nötiger haben.“

Immer die anderen zuerst, sie selbst in ihren Augen unwichtig. So stellte sie sich also dar.

Ein Automatismus. Oder doch nur ein Spiel?

Ich machte mir die ersten Notizen.

„Nein, Sie sind genauso wichtig wie die anderen auch. Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie Ihre Tat heute beurteilen, diesen Amoklauf. Darum geht es mir.“

Sie lehnte sich zurück.

„Nun, ich habe getötet. Ich versuche nicht daran zu denken. Der Bericht war nicht einfach für mich und ich möchte eigentlich nur das Urteil hören und wieder in mein Zimmer – später wohl einmal eine Zelle - gehen.“

„Fühlen Sie sich sicher in, sagen wir mal, Verwahrung?“

„Auch das. Aber ich kann so niemandem mehr schaden. Das ist die Hauptsache für mich. Und ich habe endlich meine Ruhe.“

Hier hakte ich ein.

„Ich würde mich auf diese trügerische Ruhe nicht verlassen. Irgendwann holt Sie die Geschichte ein. Wie wollen Sie damit umgehen?“

Sie schwieg einen Moment und wirkte sehr gelassen.

„Ich weiß es nicht, ich bin gut im Verdrängen. Vielleicht werde ich eines Tages einfach meine Medikamente nicht mehr nehmen und einen Anfall provozieren, sollte mich das alles irgendwann einmal einholen. Ich bin Epileptikerin, wissen Sie. Einen großen Anfall mit Status Epilepticus übersteht man nicht so unbeschadet. Da vergisst man mit Sicherheit! Das weiß ich aus meiner Tätigkeit in der Pflege.“

„Sie haben also einen Plan. Sie setzen Ihre Gesundheit auf´s Spiel.“

Ich war wirklich verblüfft. Hätte ich ihr nicht zugetraut.

„Wenn es nicht mehr erträglich ist, natürlich. Das ist doch logisch.“

Wir schwiegen. Ich machte mir weitere Notizen.

Es wurde komplizierter als gedacht.

Die Epilepsie zum Beispiel hatte ich überlesen. Oder war sie gar nicht erfasst?

Claire Nolan spielte mit ihrem Ärmel und schien abzuwarten.

„Wie lange haben Sie schon die Krankheit?“ fragte ich.

„Seit meiner Pubertät, mit vierzehn Jahren ging es los. Aber die Anfälle waren seltener geworden, alle drei Jahre mal einen großen, ansonsten nur kleine Ausfälle oder Zuckungen in den Armen oder Beinen. Und ich spüre es vorher, also keine Gefahr. Deshalb bin ich auch Auto gefahren.“

„Wie äußern sich diese Anfälle?“

„Die großen sind das übliche. Schwindel, Krampfen, Aufschrei, fallen, wegtreten, sich einnässen. Nach ein paar Minuten zu sich kommen, ins Bett gehen und ein paar Stunden schlafen.“

„Und die kleinen?“

„Watte im Kopf, unklare Gedanken, kleine Zuckungen.“

Ein Begriff ließ mich aufhorchen.

„Sie beschreiben den Begriff „Watte im Kopf“. Wie meinen Sie das?“

„Na ja, also alles ist dumpf, als säßen Sie unter einer Käseglocke. Als wären Sie in einer dicken Schicht Watte gepackt. Alles ist langsamer. Zeitlupentempo. Sie sehen alles überdeutlich passieren. Jedes Detail an den Dingen, die Sie umgeben. Sie denken keinen Gedanken zu Ende, laufen auf Autopilot und erledigen alles nur noch instinktiv richtig.Vielleicht ein kleiner Kopfschmerz. Und dann zucken die Arme, Beine oder der ganze Körper, als würde Sie etwas erschrecken.“

„Und was tun Sie dann?“

„Meistens lege ich mich hin. Ich will nicht, dass es zu einem großen Anfall kommt.“

„Das ist vernünftig“.

„Das einzige was man tun kann.“

„Hatten diese Anfälle etwas mit Ihrer Tat zu tun? Ihrer Meinung nach?“

„Nein.“

Wieder Notizen. Ich glaubte, sie würde sich irren – würde ihr das aber nicht sagen.

Ein anderer Punkt war ebenfalls wichtig.

„Sie erwähnen oft Gott in Ihrem Bericht. Sind Sie sehr gläubig?“

Sie lächelte.

„Als Kind vielleicht. Ja, sogar sehr, wenn ich darüber nachdenke. Ich hatte viele Gründe zu beten. Aber das hat sich schon seit langer Zeit erledigt.

Allerdings schleichen sich immer noch solche Gedanken dann und wann ein. Ich wurde streng katholisch geprägt. Das sitzt drin, aber ist nicht mehr relevant.“

Okay.

Eine klare Ansage zu einem der intimsten Emotionen, zu denen ein Mensch fähig sein kann. Unerschütterlicher Glaube.

Bei Claire Nolan allerdings hatte sich das Motiv religiöser Fanatismus – oder Fatalismus – mit dieser Aussage erledigt. Sie brachte es überzeugend rüber, keine Bindung mehr an ihrem Glauben zu haben.

Ich hakte es ab und kam wieder auf das eigentliche Thema zu sprechen. Direkt und überraschend.

„Wie fühlten Sie sich, als Sie Ihren Mann erschossen?“

Wieder sah sie mir direkt in die Augen – und wieder mit einer Ausdruckslosigkeit, die ich selten erlebt hatte.

„Eigentlich nichts. Der Druck war weg, aber nicht wirklich. Ich wollte, dass er aufhört. Dass der Krieg aufhört. Ich glaube, ich wollte einfach nur den Feind ausschalten. Er hatte eine Grenze überschritten als er meine Penny angezündet hatte. Das Pferd war unschuldig, er hätte mich ja abfackeln können. Ich fühlte mich so, als hätte ich eine Gefahr beseitigt.“

„Das kann ich gut verstehen, er war ja eine Gefahr für Sie und alles, was Sie liebten.“

„So sah es zumindest aus.“

„Sie sind sich nicht sicher?“

„Nein, denn alles was geschah, war nicht wirklich auf ihn zurückzuführen. Man konnte es nie beweisen. Nehmen wir mein Pferd. Es kam brennend aus dem Stall gelaufen. Er war aber nicht da scheinbar. Angeblich war er unterwegs, das Auto stand nicht vor der Tür. Und doch brannte mein Pferd. Kein anderer konnte das gewesen sein, nur er hatte den Schlüssel zum Gelände. Als ich schlief musste er zurück gekommen sein. Denn am Morgen lag er ja im Bett.“

„Okay. Haben Sie noch andere Beispiele?“

Sie überlegte.

„Fast alles drehte sich um die Tiere. Ich fand meine Katze vergiftet vor. Nägel und Glas auf der Weide, auf der die Pferde standen. Wie von Geisterhand das ganze Heu nass, Futtermittel plötzlich unbrauchbar. Er vernagelte Tore zum Gehege, ich konnte so die Tiere nicht richtig versorgen. Es starben sechs Ferkel, weil er sich weigerte mir zu helfen, die Mutter vor der Geburt in eine Box zu treiben. Gab Wochen später vor, eine andere Sau zu betreuen, die in den Wehen lag, als ich zu einer Feier kommen sollte. Ich wollte absagen, aber er bestand darauf, sagte, dass er wirklich aufpassen würde. Er drängte mich geradezu, mich zu amüsieren und einen langen schönen Abend zu genießen.

Aber ich hatte ein ungutes Gefühl und ging nach ungefähr einer Stunde nach Hause.

Als ich wiederkam, musste der Tierarzt sofort kommen, sie war in Lebensgefahr.

Mein Mann hatte sich nicht um sie gekümmert, sondern sich wie üblich vor den Fernseher gesetzt und geschlafen.

Solche Dinge geschahen halt oft. Er baute Fallen auf und ich war damit beschäftigt, die zu umgehen oder wegzuschaffen.“

„Das zermürbt auf Dauer. Warum hat er das getan? Was glauben Sie?“

„Ich hatte mich von ihm abgewandt und anders konnte er mich nicht bestrafen. Er war ein typischer Narzisst. Er wollte unbedingt wieder auf das Podest, auf das ich ihn gestellt hatte zu Beginn unserer Beziehung.“

Sie sah zu Boden, als sie weitersprach.

„Ich hatte ihn vergöttert, er bestrafte mich dafür. Wohl zu viel Liebe? Als ich mich von ihm löste, wählte er einen anderen Weg. Als ich mich wehrte, gab er nach. War freundlich und zuvorkommend. Keine Fallen mehr. Doch das war nur von kurzer Dauer. Die Spielchen wurden subtiler, doch in den letzten Wochen auch mit härteren Konsequenzen zu Lasten der Tiere.. Er wusste genau, sie waren das wichtigste in meinem Leben.“

„Gab es noch andere Vorfälle?“

„Viele. Wenn ich etwas renoviert hatte, machte er es wieder kaputt. Hatte ich einen Zaun gebaut, machte er ihn wieder platt. Seiner Meinung nach war das alles nichts wert und er wollte es anders machen. Er bot mir an mich zu wichtigen Terminen zu fahren, regelmäßig kamen wir zu spät, weil er Umwege fahren wollte, die völlig unnötig waren. Es ging ihm nur darum sich durchzusetzen.“

„Er lockte Sie also mit angeblichen Gefälligkeiten, um Ihnen dann zu schaden? Konnten es nicht nur Zufälle gewesen sein?“

„Nein, es waren zu viele sogenannte Zufälle.“

„Wegen ihm sind Sie verarmt?“

„Ja, er hatte etliche Fehlentscheidungen getroffen, obwohl ich regelmäßig mein Veto eingelegt hatte. Er ignorierte es. Ich vertraute zuerst darauf, dass er wusste was er tat und erfahrener war als ich. Auch wenn ich den Sinn und die Gefahr dieser Entscheidungen abwägen konnte, war es mir nicht möglich ihn zu stoppen.“

„Warum nicht? Sie hätten doch jederzeit das Konto sperren und gehen können.“

„Unter normalen Bedingungen hätte ich das sicher auch getan. Aber er manipulierte mich. Ich denke, die Umstände meiner Vergangenheit haben mich so abhängig von ihm gemacht. Ich schrieb ja darüber. Ich war ihm verfallen. Nichts war mir wichtiger als Harmonie und seine Zufriedenheit, seine Liebe. Ich wollte das über die ganzen Jahre nicht riskieren. Obwohl es nur eine Show war.“

Ich betrachtete sie und sagte: „Aber nichts davon war echt. Und was war mit den Schlägen?“

Sie seufzte kurz.

„Es konnte ja alles ein Versehen sein. Ich war nicht sicher, ob er einfach nur tollpatschig war. Oder nicht. Ich wollte ihm nichts unterstellen, ich war ja selbst nicht sicher, ob ich mir das alles nur einbildete, selbst als ich einen Zusammenhang zu unseren Streitereien sah.“

„Und jetzt?“

Sie hob hilflos die Schultern.

„Weiß ich es immer noch nicht.“

Ich hatte bereits genug Geschichten während meiner Laufbahn gehört, um ihr zu glauben. Und auch der Begriff Narzissmus war mir nicht fremd. Die letzte Fortbildung behandelte zufällig genau dieses Phänomen: Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung, die nicht dazu in der Lage sind, sich in andere hineinzuversetzen und auch keine Liebe empfinden können, sondern jegliche Zuneigung bekämpfen.

Sie finden immer ein Haar in der Suppe, verderben schöne Momente, sehen das Leben negativ. Auch sie sind Getriebene, brauchen mehr Anerkennung und Zuneigung als andere Menschen. Doch es ist nie genug, denn sie können diese Gefühle nicht als bereichernd sehen, ziehen keinen wirklichen Nutzen

oder ziehen Stärke daraus.

Sie hassen andere, die das können und bekämpfen sie, weil sie genau wissen, dass ihnen etwas wesentliches fehlt. Eine liebende Person in ihrer Nähe ruft Neid hervor, Hass, denn sie erinnert sie an ihre Unfähigkeit.

Deshalb sehen sie den Partner oft als Feind, den es bis zum Letzten zu vernichten gilt. Sie haben viele Masken, sind unglaublich charmant und intelligent. Damit können sie perfekt blenden und finden so ihre Opfer. Monatelang spüren sie auf, was der Partner braucht, studieren ihn, spiegeln seine Bedürfnisse und erfüllen sie, fesseln ihn damit an sich.

Die meisten Opfer berichten von einer absolut perfekten Beziehung, einer unglaublichen Wärme und Liebe, die sie wie eine Droge nach kürzester Zeit gefangen nimmt.

Danach zeigt der Narzisst sein wahres Gesicht, manipuliert die Partner, bestraft sie, lockt sie immer wieder an und stößt sie von sich. Die Opfer werden mehr und mehr ausgehöhlt, zweifeln an sich selbst und verlieren den Bezug zur eigenen Identität, ihren Willen und ihre Kraft. Sie scheitern immer öfter auch in anderen Bereichen, weil der Narzisst sie aussaugt. Der Narzisst findet immer wieder Menschen, die ohnehin in ihrem Selbstwert nicht stabil sind und in der Regel wenig soziale Kontakte haben.

Sie sind ohne Hilfe nicht in der Lage sich zu befreien. Es sind unfaire Machtspiele, die immer das Endziel einer Zerstörung des anderen bedeuten, dem Narzissten aber ein ein unglaubliches Gefühl der Macht beschert, dass ihn in seiner Existenz bestätigt. Oft stecken Traumata in der frühen Kindheit hinter dieser Störung. Eine Heilung gibt es nur in den seltensten Fällen.

Ein Zusammenleben mit einem Narzissten bedeutet Psychoterror pur für den Partner, sagt man.

Soweit das Ergebnis des Seminars.

Ich sah das allerdings nicht ganz so pathologisch. Für mich war das eher ungehobeltes Verhalten. Pech für hypersensible Personen, an jemanden zu geraten, der im Grunde über allem erhaben war und sich nicht seinen Gefühlen auslieferte.

Aber da nun einmal langsam aber sicher diese Eigenart als „Krankheit“ anerkannt war und in die Lehrbücher einzog, hatte ich mich dem zu fügen.

Ich sah auf die Uhr.

Unsere Stunde war um.

„Ich denke, das reicht für heute. Bitte ruhen Sie sich aus und denken Sie darüber nach, was sie mir über ihre Gefühlswelt berichten können.

Versuchen Sie, sich an Ihre Emotionen zu erinnern.

Schreiben Sie, was Ihnen einfällt. Ich möchte, nein, ich muss alles wissen, was Sie bewegt. Wir wollen

schließlich ein perfektes Gutachten, nicht wahr?“

Claire nickte zögerlich. „Kopf hoch“, ermunterte ich sie.

Aber diese Ermutigung prallte ab. Sie sah mich ausdruckslos an.

„Auf Wiedersehen.“

Ich richte dich!

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