Читать книгу Sieben Raben - Mika M. Krüger - Страница 11
Kapitel 8: Rückkehr
ОглавлениеTschechoslowakei, Dezember 20 Jahre zuvor
Auf dem Weg zurück zum Bauernhaus zitterte Krystof noch immer. Der süße Geschmack auf seinen Lippen war längst verflogen. Immer wieder knetete er unruhig seine Hände und versuchte, seine Fassung wiederzuerlangen. Sie hatten nur eine vage Gestalt gesehen. Nur einen Schatten oder etwas, was aussah, als verfolgte es sie, doch es hatte gereicht, um das Blut in seinen Adern gefrieren zu lassen.
Der Motor röhrte bedrohlich, denn Onkel Nemec fuhr schneller als bei der Hinfahrt. Der Geschwindigkeitszeiger pendelte zwischen Hundert und Hundertzwanzig Kilometern pro Stunde. Die Schlaglöcher in der schlecht ausgebauten Straße fühlten sich nun an wie metertiefe Gräben. Die Kurven nahmen sie schnell. Krystof wagte es nicht, Einsprüche zu erheben.
So fuhren sie durch die Winterlandschaft, bis Onkel Nemec plötzlich anhielt. Für einen Augenblick starrte er in die Ferne und dann schluchzte er. Tränen rannen ihm über die Wangen. Mit dem Handrücken wischte er sie aus dem Gesicht.
»Lass es nicht sie gewesen sein«, murmelte er und legte den Kopf aufs Lenkrad. »Bitte, nur dieses eine Mal.« Dabei schluchzte er immer wieder.
Krystof saß wie versteinert neben seinem Onkel und wusste nicht, was er tun sollte. Ihm war selbst zum Heulen zu Mute, doch die Kälte hielt ihn ab.
Nach einer Weile, als Onkel Nemecs Schluchzen leiser geworden war und die Stille zurückkehrte, meinte Krystof: »Wir müssen nach Hause.«
Onkel Nemec sah auf, seine Augen waren verquollen und dunkel gerändert. »Es tut mir so leid Krystof«, sagte er und blickte ihn stumm an. Womöglich wartete er auf eine Reaktion, doch Krystof fielen nicht die richtigen Worte ein. Er wollte nur zurück in die Geborgenheit des Bauernhauses.
Und irgendwann startete Onkel Nemec den Wagen. Sie legten in ruhigerem Tempo den restlichen Weg zurück.
Als das Bauernhaus in Sichtweite kam, war Krystof unendlich erleichtert. Das Haus war umgeben von einem Wald. Im schwachen Licht des abendlichen Winterhimmels war es nur undeutlich zu erkennen, doch durch die Fenster drang Kerzenschein und Qualm stieg aus dem Schornstein auf. Es war so unwahrscheinlich ruhig an diesem vergessenen Ort.
Schon aus einiger Entfernung sahen sie am Straßenrand eine Silhouette stehen. Es war Tante Nemec. Sie entdeckte den Wagen sofort und lief ihnen entgegen. Ihr Gesicht war von Sorge gezeichnet.
»Ist alles gut gegangen?«, fragte sie, als Onkel Nemec auf dem Hof geparkt hatte.
»Wir konnten keine Medikamente kaufen, weil wir etwas spät dran waren, aber sonst war alles in Ordnung.« Onkel Nemec rang sich ein Lächeln ab. Nur Krystof erkannte die Bitterkeit darin. Auch wenn ihn das Lügen störte, war ihm klar, dass jede Erwähnung der echten Vorfälle die Tante in Angst und Schrecken versetzt hätte. Manche Wahrheiten blieben besser hinter Schloss und Riegel, das hatte er früh gelernt.