Читать книгу Harrowmore Souls (Band 2): - Miriam Rademacher - Страница 10
Kapitel 3
ОглавлениеAls Conny, der bereits einen Leihwagen für das kommende Wochenende organisiert hatte, ebenfalls in der Kanzlei eintraf, platzte er in eine Unterredung zwischen Allison und Nigel, die nicht gerade einen konfliktfreien Eindruck machte.
Die Augen seines schon vor langer Zeit verstorbenen Freundes Nigel schienen zu glühen. Irgendetwas musste den Geist sehr erregt haben, und er vermutete stark, dass es mal wieder Allisons Worte gewesen waren. Taktgefühl war einfach nicht ihre Stärke.
»Du bist der einzige kaufsüchtige Tote, den ich kenne«, zischte seine Gefährtin gerade. »In den letzten Wochen hast du ein Planschbecken und ein Katzenklo für die Ente im Internet bestellt. Obendrein noch eine Wagenladung rosa Briefpapier. Was für eine Kanzlei verwendet rosa Briefbögen? Sie sind sogar parfümiert. Hier, riech mal.«
Sie hielt dem Geist ein blassrosa Blatt mit Blütendekor unter die Nase, aber Nigel wandte den Kopf zur Seite. »Ich bemühe mich lediglich um etwas Stil.« Es klang für Conny mehr nach einem Vorwurf als nach einer Entschuldigung. »Harrowmore Souls ist eine ganz besondere Kanzlei und jeder darf das wissen.«
»Ja, aber doch nicht unbedingt riechen!« Allison war laut geworden, fing sich aber sofort wieder.
Conny trat spontan zwischen die beiden Streithähne und ergriff das Wort: »Da wir schon bei ›wissen‹ sind: Wann wird denn die liebe Miranda erfahren, woran sie mit dir ist? Wir können nicht ewig vor ihr verheimlichen, dass ihr derzeitiges Leben keineswegs frei von Gespenstern ist. Nigel, ich fürchte sogar, sie ist drauf und dran, sich in dich zu verlieben.«
»Genau das vermute ich auch.« Nigel strich sich überflüssigerweise das gegelte Haar glatt. »Und ich gebe zu, dass ich diesen Umstand ein wenig genieße. Aber Liebe ist für mich seit jeher ein süßer Schmerz. Würde sie mich lieben, frage ich mich, wenn sie die Wahrheit über mich wüsste? Dass ich mich im Jahre 1956 aus Liebeskummer vor einen einfahrenden Schnellzug geworfen habe?«
»Vermutlich nicht«, antwortete Conny ehrlich. »Nach ihren bisherigen Erfahrungen mit Geistern wäre das für sie wohl Grund genug, um schreiend das Haus zu verlassen und nie mehr zurückzukommen.«
»Und das wäre doch tragisch. Unsere Liebe! Im Keim erstickt!«
Allison legte rasch den Zeigefinger auf die Lippen, woraufhin das Gespenst im Flüsterton fortfuhr.
»Miranda braucht noch mehr Zeit. Sie muss mir erst ganz und gar vertrauen, bevor sie die traurige Wahrheit erfährt.«
»Aber wie lange können wir diese Komödie noch aufrechterhalten? Und wo soll das überhaupt hinführen? Zum Happy End?« Allison wirkte ungeduldig wie immer. »Du bist ein Geist, ein sehr handfester Geist, aber eben doch nicht mehr. Noch dazu gebunden an deine eigene Taschenuhr. Durch sie ist dein Bewegungsradius gelegentlich etwas eingeschränkt. Wo ist die überhaupt?« Sie deutete auf Nigels Westentasche, an der keine Kette baumelte.
»Ich verwahre sie an einem sicheren Ort.« Nigel sah empört aus. »Ich hätte keine ruhige Minute, wenn ich wüsste, dass meine Uhr gestohlen oder zerstört werden könnte.«
Allison nickte verständnisvoll. »Ein sicherer Ort für deine Uhr ist dir wichtiger als die Sicherheit eines geliebten Menschen. Wo ist sie also jetzt? Hast du im Internet einen Safe für sie gekauft? Nun, liegt die Uhr eingesperrt, bist es auch du. Miranda dürfte bereits bemerkt haben, dass du hier festklebst und das Haus nie verlässt. Es dürfte ihr Misstrauen schüren.«
»Das weiß ich alles«, zischte Nigel und hob den Kopf, um sich zu vergewissern, dass Miranda noch immer keine Anstalten machte, zu ihnen zurückzukehren. »Und ich habe noch keine Lösung für dieses Problem gefunden. Meine Uhr ist meine Droge, ich bin abhängig von ihr. Und ja, ich weiß sie gerne in Sicherheit. Aber ich bin auch entschlossen, Miranda zumindest eine wundervolle Ballnacht zu bescheren. Auf Hidden Manor wird sich doch irgendwo ein gutes Versteck für meine Uhr finden lassen, es muss einfach so sein. Ihr müsst sie mitnehmen und meine Uhr wird mich unweigerlich zu sich rufen. Dann werden Miranda und ich eine ganze Nacht zusammen tanzen.« Seine verklärte Miene verfinsterte sich plötzlich. »Hoffentlich können mich die anderen Gäste alle sehen, sonst dürfte es peinlich werden.«
Allison betrachtete ihn mitleidig. »Da kann man nur hoffen. So mancher Besucher des Balles ist vielleicht nicht in der Lage, einen Geist wahrzunehmen. Aber darauf haben wir keinen Einfluss. In dem Fall wird er die einsame Tänzerin mit dem verliebten Augenaufschlag eben für bescheuert halten, das können wir Miranda nicht ersparen. Ich hoffe allerdings darauf, dass du diesen Fall nicht noch unnötig komplizierst.«
Nigel hob eine Hand zum Schwur. »Ich werde ein vorbildlicher Geist sein. Ich will nur Miranda eine ganze Nacht lang beim Tanzen in den Armen halten. So wird sie ihre schreckliche Erfahrung mit den Geistern in Cumbria endlich vergessen und mit mir glücklich sein können. Klingt das nicht wunderbar?«
»Märchenhaft«, bestätigte Allison. »Ich frage mich nur, wer von euch beiden die Cinderella sein wird, die um Mitternacht aus dem Ballsaal flieht. Vergiss über all deinen Liebesschwüren nicht, warum wir auf Hidden Manor sind. Ich brauche dich wachsam. Was immer auch dort umgeht, wird sich in dieser Nacht vielleicht nicht zurückhalten. Aber wenn niemand zu Schaden kommt, haben wir zumindest den einen Teil unseres Jobs zu aller Zufriedenheit erledigt und können ganz entspannt auf die Suche nach den Erscheinungen gehen. Willst du mir deine Uhr vielleicht jetzt schon überlassen, damit ich sie in meinen Koffer packe?«
»Sehr ungern.« Nigel ging um den Schreibtisch herum, schloss eine der Schubladen auf und holte das Stück Silber und Glas, das seine Seele zusammenhielt, hervor. Zögernd gab er es an Allison weiter.
»Du darfst mir vertrauen, Nigel.« Allison ließ das kostbare Stück in eine Tasche mit Reißverschluss gleiten. »Deiner Uhr wird nichts geschehen.«
»Ich weiß.« Nigel zupfte seine ohnehin akkuraten Manschetten zurecht. »Und trotzdem fühlt es sich an, als würde ich meinen letzten Herzschlag, meinen letzten Atemzug hergeben.«
»Hast du beides nicht mehr. Du bist ein Gespenst, weißt du noch?«, erinnerte ihn Conny freundlich.
»Ich bin viel mehr als das«, widersprach Nigel. »Und noch bevor es in der Ballnacht Mitternacht schlägt, wird Miranda eingesehen haben, dass nicht jedes Gespenst eine Gefahr für sie darstellt. Dann hat unsere Liebe vielleicht eine Chance. Und wenn sie meine Uhr sicher und geborgen an ihrem Herzen trägt, könnte ich mit ihr in den Sonnenuntergang reiten und …«
Das Knarren einer Tür kündigte die Rückkehr Mirandas an und alle verstummten im selben Augenblick. Die Ente auf ihrem Arm trug jetzt ein rotes Samtband um den Hals.
Schließlich sagte Nigel: »Die Herrschaften werden also gemeinsam mit Miranda und Hng nach Hidden Manor aufbrechen und ich komme nach, sobald ich hier alles erledigt habe.«
Conny nickte beifällig. »Vielen Dank, Nigel. So machen wir es. Wir brechen am Samstag in aller Frühe auf.« Nachdem er Allisons Blick aufgefangen hatte, korrigierte er sich: »Wir brechen gegen Mittag auf. Die Zeit bis dahin werde ich nutzen und das Internet durchforsten, ob sich dort irgendetwas über Hidden Manor und seine Geschichte finden lässt.«
Mit einer gewissen Genugtuung registrierte er Allisons anerkennendes Kopfnicken.
Ja, er verstand seinen Job als Anwalt der Geister. Er war vielleicht kein Zeitreisender und kein Gespenst, aber er entwickelte sich langsam, aber sicher zu einem Experten auf seinem Gebiet und wusste, dass eine gute Recherche unerlässlich war.
Hidden Manor war eine weitere Herausforderung und er hatte sie angenommen. Dem arroganten Brian würde er bei dieser Gelegenheit vielleicht nicht den Kopf ins Klo stecken, aber ihn von seinem hohen Ross herunterholen können.
Nur dieser Ball mit all seinen ahnungslosen Gästen lag ihm noch schwer im Magen. Da durfte nichts schiefgehen, niemand sollte zu Schaden kommen. Der Name seiner Kanzlei sollte nicht im gleichen Atemzug mit einer Katastrophe genannt werden.