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Kapitel 2

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Miranda Banks verstand die Welt nicht mehr. Seit fast drei Wochen war sie jetzt hier in London. Das Abenteuer in Cumbria, das sie aus der Bahn geworfen hatte, lag schon eine Weile zurück. Und auch wenn sie ihre Stimme noch immer nicht zurückbekommen hatte, gab ihr Leben derzeit genug Anlass zur Zufriedenheit.

Sie hatte einen Job als Reinigungskraft in der Kanzlei Harrowmore Souls angenommen, eine zahme Ente namens Hng an ihrer Seite und ein Dach über dem Kopf. Da war nur diese eine Kleinigkeit, die ihr immer neue Rätsel aufgab, und die hieß Nigel.

Nigel Goodfellow arbeitete wie sie selbst in Connys und Allisons Kanzlei. Er war der Mann am Empfang und die gute Seele des Betriebs. Nigel begrüßte die Klienten, sorgte für ein ansprechendes Ambiente in den Räumen, nahm Anrufe entgegen und koordinierte die wenigen Termine seiner Brötchengeber.

Miranda gegenüber war er stets höflich und korrekt, ja manchmal sogar charmant. Obwohl sie hier nur die Putzfrau war und in einer Kammer neben den Büroräumen nächtigte, hatte er ihr nie das Gefühl gegeben, dass sie in der Rangordnung unter ihm stand.

Und doch musste es so sein. Wie sonst war es zu erklären, dass all ihre Bemühungen, ein Date mit diesem Mann einzufädeln, einfach ins Leere liefen? An ihrer Sprachlosigkeit konnte es kaum liegen, Miranda hatte es bereits mit geschriebenen Zettelchen und sehr eindeutigen Gesten versucht, aber sie kam einfach nicht an Nigel heran.

Was immer sie auch unternahm, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, seine Reaktion bestand aus einem höflichen Lächeln und einer Tasse Tee mit Gebäck. Miranda konnte schon keine Kekse mehr sehen.

Konnte der Kerl etwa schwul sein? Das wäre wirklich ein Jammer, denn er sah blendend aus, auch wenn er sich eher nach der Mode des letzten Jahrhunderts kleidete, und er entsprach genau ihrem Typ.

Vielleicht war ihr Typ Mann ja ein bisschen schwul? Das würde erklären, warum sie noch nicht den Richtigen fürs Leben gefunden hatte, und Nigel wollte diesen Platz in ihrem Leben ganz offensichtlich auch nicht haben.

Miranda seufzte, öffnete ein Fenster und schlug ihr Staubtuch kräftig aus. Ein schmutziges Wölkchen senkte sich auf die ebenso schmutzigen Straßen Hackneys herab.

Die Anwaltskanzlei für Geister und durch sie Betroffene lag nicht gerade in der besten Gegend. Der trockene Spätsommer, der nur langsam dem Herbst weichen wollte, ließ die ganze Welt staubig und trostlos erscheinen und trug nichts dazu bei, ihre Stimmung zu heben. Miranda seufzte zum zweiten Mal.

»Betrübt, meine Liebe?« Galant reichte ihr Nigel eine Tasse dampfenden Tee. Daneben lag einer dieser unvermeidlichen Kekse.

Sie hatte ihn nicht kommen hören. Miranda hörte Nigel seltsamerweise nie kommen und sah ihn auch niemals gehen. Er war immer irgendwie da. Über ein nennenswertes Privatleben verfügte er ganz offensichtlich nicht.

Warum konnte er dann nicht begreifen, dass sie sein Privatleben sein wollte?

Mit einem Lächeln steckte sie das Staubtuch weg, nahm den Tee entgegen und ignorierte den Keks. Das Getränk war nicht zu heiß, leicht gesüßt und mit einem Hauch Sahne verfeinert worden, es war ebenso perfekt wie Nigel.

Miranda verkniff sich den dritten Seufzer und betrachtete diesen Mann, der eine willige Frau wohl auch dann nicht als solche erkannt hätte, wenn sie sich nackt vor ihm auf dem Teppich rekelte. Oder sollte sie Letzteres einfach mal ausprobieren?

Ihre Gedanken wurden vom Schnattern der Kanzlei-Ente unterbrochen, welche die Ankunft eines Besuchers meldete. Doch es war kein zahlungsfähiger Kunde, der da zur Tür hereinkam, es war Allison. Und Miranda konnte ihr am Gesicht ablesen, dass es aufregende Neuigkeiten gab.

»Macht euch auf eine Geschäftsreise gefasst, wir haben einen Großeinsatz und ich brauche jeden verfügbaren Mann und jede Frau.« Allison, in ihrem dunkelblauen Overall ähnlich einem Handwerker gekleidet, stand breitbeinig wie ein Kapitän auf der Brücke seines Piratenschiffes, das Kinn in die Höhe gereckt. Es fehlte eigentlich nur noch ein Säbel, dachte Miranda. »Wir fahren nach Hidden Manor, denn dort wurden Erscheinungen gesichtet. Klingt eigentlich ganz niedlich, oder? Erscheinungen. Genauer hat sich unser Auftraggeber leider nicht ausgedrückt.«

»Hidden Manor?«, wiederholte Nigel. »Davon habe ich noch nie gehört. Wo versteckt sich dieser Ort denn?«

»Keine Ahnung, da verlasse ich mich ganz auf meinen Partner.« Allison klang heiter. »Unser Einsatz ist für das kommende Wochenende vorgesehen. Conny besteht darauf, dass wir uns für eine standesgemäße Anreise einen Wagen leihen, und er will uns chauffieren. Natürlich ginge es schneller, auf meine Weise zu reisen, aber bei Connys empfindlichem Magen …«

Miranda bemerkte Nigels scharfen Blick, der von Allison zu ihr und wieder zurück zu Allison wanderte.

Es war nicht das erste Mal, dass sie diesen Austausch von Blicken bemerkte, und es erweckte ihren Argwohn.

In Momenten wie diesen war sie sich sicher, dass man Geheimnisse vor ihr hatte. Ein Teil von ihr ärgerte sich darüber gewaltig, der andere Teil aber erinnerte sich an all die Schrecken, die sie in Cumbria erlebt hatte, und daran, dass es manchmal vielleicht ganz gesund war, nicht alles zu wissen.

»Ähm, Miranda?« Allison klang plötzlich unsicher. »Ist es okay, wenn ich bei diesem Auftrag auch auf dich zähle? Ich weiß wohl, dass du noch immer nicht wieder ganz auf der Höhe bist, und es könnte sich tatsächlich um bösen Spuk, kopflose Gespenster und ähnlich unappetitliche Dinge handeln. Also wenn du lieber nicht mitkommen möchtest, dann verstehe ich das natürlich. Obwohl es in Hidden Manor dieses Wochenende einen Maskenball geben wird, und das klingt doch nach einer netten Abwechslung auf Betriebskosten, oder?«

Einen Maskenball? Miranda spürte, wie ihr Herz einen Satz machte. Wie lange war es her, dass sie sich harmlosen Vergnügen hingegeben hatte? Und einen Ball hatte sie schon ewig nicht mehr besucht. Erneut fühlte sie sich hin- und hergerissen.

Der Gedanke, dass sie bei diesem Ausflug auf Gespenster treffen könnte, bereitete ihr sehr wohl Sorge. Doch die Aussicht auf eine rauschende Ballnacht überstrahlte diesen Urinstinkt bei Weitem.

»Schön.« Allison klang erleichtert. »Deinem Lächeln entnehme ich, dass du uns gern begleiten möchtest. Das ist gut. Du musst auch nichts weiter tun, als dich zu amüsieren und dabei ein Auge auf deine Umgebung zu haben. Ich brauche Späher. Und sobald du etwas Ungewöhnliches oder Beängstigendes siehst, rufst du mich oder Conny herbei. Ganz egal, was es ist.«

»Wenn es sich um einen Maskenball handelt, werden wir allesamt Kostüme tragen müssen.« In Nigels Augen glomm ein seltsames Feuer. »Ich könnte uns etwas im Internet bestellen. Es wäre mir eine große Freude.«

»Ja, das glaube ich sofort.« Allison seufzte. »Aber übertreib es bitte nicht, Nigel. Keiner von uns möchte zum Ballkönig oder zur Ballkönigin gewählt werden. Du benötigst sowieso kein Kostüm, du trägst quasi immer eins.« Sie deutete auf seine hellen Hosen und die längs gestreifte Weste, die aus einem anderen Jahrhundert zu stammen schienen. »Ich habe mich bereits für eine Kostümierung entschieden. Ich werde als Gänsemagd gehen, auf diese Weise komplettiert die liebe Hng quasi das Bild. Sie allein zurückzulassen, kommt ja auch gar nicht infrage. Alles, was es sonst noch dafür bedarf, leihe ich mir von Tante Ethel.« Sie beugte sich zu der Ente hinunter, die noch immer leise schnatterte und versuchte, die Schnürsenkel von Allisons Turnschuhen aufzuziehen.

»Dann also Kostüme für Miss Miranda und Master Conny. Darf ich wenigstens bei diesen beiden ein wenig über die Stränge schlagen?« Nigel klang leicht verschnupft.

Allison verdrehte die Augen, hob Hng hoch und überreichte sie Miranda. »Schau doch mal nach, ob du irgendwo eine hübsche Schleife für mein lebendiges Accessoire findest, ja?«

Miranda nickte und nahm die Ente entgegen. Sie wusste, dass sie weggeschickt wurde, weil sie den Rest der Unterhaltung nicht hören sollte. Und wieder einmal war sie nicht sicher, ob sie darüber verärgert oder erleichtert sein sollte.

Harrowmore Souls (Band 2):

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