Читать книгу Harrowmore Souls (Band 2): - Miriam Rademacher - Страница 11

Kapitel 4

Оглавление

»Nichts«, wiederholte Conny schon zum zweiten Mal, während er in einen höheren Gang schaltete. »Nicht eine Zeile ist im Netz über Hidden Manor zu finden gewesen. Es scheint fast so, als würde es diese Burg überhaupt nicht geben. Sie hat keine Geschichte, keine Vergangenheit. Wie sollen wir denn herausbekommen, was dort vor sich geht, wenn wir nichts über dieses Gebäude und seine Geschichte wissen? Und die Adresse auf dem Briefumschlag nannte gerade einmal die nächstgelegene Ortschaft als Bezugspunkt, ich weiß gar nicht, ob wir den Bau überhaupt finden.«

»Vielleicht ist Hidden Manor ja gar nicht so alt und hat deswegen keine Vergangenheit«, ließ sich Allison vom Beifahrersitz her vernehmen, wo sie mit angezogenen Beinen hockte und auf das Display seines Handys starrte, dessen Wegbeschreibung sie schon eine ganze Weile folgten. »Möglicherweise ist die Burg so ein Retro-Ding, das irgendein verträumter Spinner erst vor Kurzem aus dem Boden gestampft hat. Und wenn wir erst die nahe gelegene Ortschaft erreicht haben, gibt es dort sicherlich jemanden, den wir nach dem Weg fragen können.«

Der Rover rumpelte seit einer Viertelstunde über schlechter werdende Straßen, ließ Miranda auf der Rückbank auf und ab hüpfen und irritierte damit die Ente neben ihr so sehr, dass diese immer wieder kleine Flugversuche durch die Fahrerkabine unternahm.

»Du musst hier abbiegen«, verkündete Allison, ohne aufzublicken.

»Ich kann nirgends abbiegen, hier gibt es keine Straße.« Conny wusste, dass er genervt klang.

»Das ist aber schade.« Allison sah zum Fenster hinaus. »Denn der Weg, den es nicht zu geben scheint, hätte uns möglicherweise nach Hidden Manor gebracht.«

Conny wich fluchend einem Schlagloch aus, woraufhin Hng nervös zu schnattern begann. »Na großartig. Dieses Hidden Manor trägt seinen Namen wirklich zu Recht. Und was machen wir nun?«

»Wir nehmen einfach die nächste Straße rechts«, schlug Allison vor.

»Hier gibt es keine nächste Straße rechts, hier geht es stur geradeaus, siehst du das denn nicht?«, fauchte Conny und trat unvermittelt auf die Bremse, als der Rover an einem gut versteckten Feldweg vorbeischoss. Grummelnd legte er den Rückwärtsgang ein.

»Hidden Manor, da steht es ja auch.« Allison deutete auf einen Wegweiser, der fast zur Gänze in einem Ginsterbusch verschwand. »Muss doch schon älter sein, der Bau. Das Schild steht hier zumindest nicht erst seit gestern.«

Conny setzte mitten auf der verlassenen Straße zurück und folgte dem Wegweiser einen Hügel hinauf, der auf beiden Seiten des Pfades mit hohem Gras bewachsen war. »Das kann nicht wahr sein, dass irgendjemand seinen Landsitz so einfach in die Pampa setzt. Na gut, es heißt Landsitz, aber nicht Einödsitz. Und was will eigentlich Brian Lawrence auf dieser Burg im Nirgendwo? Ruhe und Frieden für sich und seine Gattin? Schwer zu glauben. Hier hat er gar kein Publikum. Unsere ganze Schulzeit hindurch war er ein großkotziger, angeberischer Besserwisser, der keine Gelegenheit ausließ …«

»… wirklich Geschmack zu beweisen«, vollendete Allison seinen Satz.

Sie hatten die Kuppe des Hügels erreicht und blickten hinunter in eine malerische Senke, in die die Hand eines Riesen großzügig ein paar Steinwürfel geworfen hatte, die sich als Gebäude entpuppten.

Ganz am Ende, dort, wo das Land wieder anstieg, stand einsam nahe den Klippen ein graues Gebäude, dessen runder Turm sicher schon seit Jahrhunderten dem Seewind trotzte.

»Ist man erst einmal hier, liegt Hidden Manor kein bisschen versteckt«, stellte Allison fest. »Es befindet sich eher auf dem Präsentierteller. Und die Nachbarschaft scheint aus lauter netten kleinen Bauernhöfen zu bestehen. Eine Welt für sich, gleich hinter dem Hügel. Das hat was.«

»De facto ist diese Burg aber nicht irgendein neu erbauter Retro-Mist«, wandte Conny schlecht gelaunt ein und lenkte den Rover bedächtig die schmale Straße hinunter. »Wie kann es also sein, dass Hidden Manor nirgendwo erwähnt wird? Sicher gibt es schönere und bedeutendere Bauwerke als dieses, aber das ist doch kein Grund, von der Welt komplett ignoriert zu werden.«

»Nein.« Allison griff nach der Stockente, die soeben auf ihren Schoß geflattert kam, und strich ihr beruhigend über den Hals. »Das ist kaum anzunehmen. Es könnte aber eine ganz einfache Erklärung dafür geben. Brian Lawrence wird uns da bestimmt weiterhelfen. Er hat sicher bereits alles herausgefunden, was es über seinen Aufenthaltsort herauszufinden gibt.«

»Gar nichts, das sagte ich ja bereits«, wiederholte Conny ungehalten.

Allison warf ihm einen Blick zu. »Wenn wir deinem Ex-Klassenkameraden gleich gegenüberstehen, bemühst du dich aber um etwas bessere Laune, ja?«

Bald darauf erreichte der Rover ein eisernes Tor, das weit offen stand. Die Zufahrt des altertümlichen Gebäudes machte einen weitaus gepflegteren Eindruck als die Straßen, die sie hierhergebracht hatten.

Hidden Manor selbst wies eine Reihe von Neuerungen auf, die sich nur schlecht in das Gesamtbild des Bauwerks einfügten. Einsprengsel aus Glas und Metall durchsetzten die alten Mauern. Sie hoben bestimmt den Wohnkomfort im Innern, erschütterten aber den alten Charme der Burg.

Noch bevor sich einer von ihnen bemerkbar machen konnte, wurde die Tür geöffnet und ein recht junges Mädchen, sehr klein und sehr schlank, dessen Haar zu einem unvorteilhaften Knoten auf dem Kopf zusammengefasst worden war, erschien auf der Treppe.

Conny glaubte nicht eine Sekunde lang, dass dies Mrs Lawrence war. Sie hätte schon sehr viel Geld in die Ehe mit einem oberflächlichen Kerl wie Brian mitbringen müssen, um ihre unscheinbare Erscheinung aufzuwiegen.

»Willkommen auf Hidden Manor. Ich bin Dotty Prim, die persönliche Assistentin von Mrs Lawrence. Sagen Sie einfach Dotty zu mir. Mr Lawrence erwartet Sie bereits im kleinen Salon.«

»Ja, wo auch sonst?«, spöttelte Conny, rief sich aber selbst zur Ordnung.

Sein Neid würde ihn unprofessionell erscheinen lassen und das war das Letzte, was er jetzt wollte. Obwohl es ihn wurmte, dass ausgerechnet jemand wie Brian Lawrence auf einer Burg an der Küste residierte, während er selbst sich gerade mal ein Zimmer zur Untermiete in Kensington leisten konnte. Das Leben war eben ungerecht und würde es bleiben.

Miranda, die Ente auf dem Arm, folgte bereits dem Mädchen namens Dotty ins Gebäude, während Allison die Taschen und Koffer aus dem Kofferraum des Rovers wuchtete.

Connys Blick blieb für einen Moment an einer von Moosen und Ranken überwucherten Mauer hängen, die den Blick auf das, was hinter der Burg liegen musste, versperrte. Er vermutete, dass sich dahinter ein hübscher Garten in Nähe der Klippen befand, in dem Brian jeden Morgen lustwandelte und sich selbst erzählte, was für ein toller Kerl er doch war.

»Kommst du jetzt, Conny?« Allison stand bereits auf den Treppenstufen, ihr gesamtes Gepäck tragend.

Conny eilte ihr zu Hilfe und ging in Gedanken noch einmal genau die Rolle durch, die er heute darstellen wollte. Er war ein aufstrebender Anwalt, der sein Fachgebiet beherrschte, er hatte eine wundervolle Frau an seiner Seite, er war ein glücklicher und zufriedener Mensch. Zumindest würde er den Teufel tun, Brian Lawrence etwas anderes glauben zu lassen.

»Einen Sherry, Allison? Ich darf dich doch Allison nennen? Wozu die Förmlichkeiten, die hier draußen auf dem Lande sowieso niemanden interessieren?«

Allison, die zu Connys Zufriedenheit heute einmal auf ihre übliche Montur bestehend aus Overall und Stiefeln verzichtet hatte und einen sehr angemessenen dunklen Hosenanzug mit Weste und Fliege trug, nickte höflich und schien sichtlich Gefallen an Brian Lawrence zu finden.

Conny gefiel am besten, dass ihr Auftraggeber schon Fett ansetzte und die dämliche zerraufte Jungenfrisur bereits schütter wurde. Davon abgesehen hatte Brian sich kein bisschen verändert.

Vom ersten Moment ihrer Begegnung an hatte er den Burgherren gespielt, jovial und überheblich. Er tändelte gleichermaßen mit Miranda und Allison, fand Hng einfach köstlich, urkomisch und originell und ließ keine Gelegenheit aus, Conny vorzuführen, wie gut es das Schicksal mit ihm gemeint hatte.

Conny fand, dass es an der Zeit war, ihn an den Brief, der sie hergebracht hatte, zu erinnern.

»Du hast geschrieben, dass es bei dir im Privatleben gerade nicht so gut läuft«, begann er. »Was ist mit deiner Frau und was habt ihr beide hier in Hidden Manor beobachtet?«

Für einen kurzen Moment fiel Brian Lawrence aus der Rolle, senkte den Blick und schob verunsichert beide Hände in die Taschen seiner zweifellos maßgeschneiderten Hose. »Der Krebs hat Hillary aus der Bahn geworfen und mich gleich dazu. Gerade als alles so gut für uns lief.«

»Das tut mir leid.« Allison klang, als ob sie es ehrlich meinte, und auch Mirandas Miene drückte Mitgefühl aus.

»Als wir uns kennenlernten, war sie wunderschön.« Brian lächelte ein wenig hilflos. »Sie war ein gefragtes Model, müsst ihr wissen, mit Kontakten zu den erfolgreichsten und mächtigsten Leuten des Landes.«

»Klingt nach einer guten Partie für dich. Wie schade, dass das Glück euch nicht treu war.« Conny gab sich wirklich Mühe, den Spott in seiner Stimme kleinzuhalten, aber es kostete ihn eine Menge Selbstbeherrschung.

»Zuerst lief alles gut für uns«, fuhr Brian fort. »Ich hatte Erfolg, Hillary hatte Erfolg und dann kündigte sich unser Sohn Wilbur an.«

Conny biss sich auf die Lippen. Wilbur. Das arme Kind. Na, man konnte nicht immer Glück haben.

»Und eigentlich wollte Hillary so schnell wie möglich wieder arbeiten. Doch dann wurde bei ihr beinahe zufällig der Krebs entdeckt. Seitdem ist nichts mehr, wie es mal war.« Brian ließ den Blick durch den geschmackvoll eingerichteten Salon gleiten. Er blieb am knackenden Kaminfeuer hängen, das trotz des milden Wetters in den kühlen Räumen der Burg durchaus seine Berechtigung hatte. »Die Ärzte sagen, dass alles wunderbar geklappt hat, dass der Tumor entfernt und Chemo und Bestrahlung zu aller Zufriedenheit abgeschlossen wurden. Eigentlich könnte es jetzt wieder besser werden. Ein bisschen Ruhe und Erholung brauche sie noch, meinte der Spezialist, und das ist auch der Grund, warum wir hierhergekommen sind.« Er wies auf eines der hohen Fenster, hinter dem die Sonne auf blühende Beete schien. »Frische Luft und Ruhe gibt es hier reichlich. Für uns beide und auch für Wilbur. Doch bald fing Hillary an, seltsame Dinge zu sehen. Dinge, die einfach nicht da waren. Ich schob es auf die Chemo. So eine Behandlung kann eine Menge seltsamer Dinge im Gehirn eines Menschen anrichten.«

»Das mag wahr sein«, warf Conny ein. »Und es ist ja auch sehr praktisch, merkwürdige Vorkommnisse einfach der fehlenden Gesundheit eines Menschen zuzuschreiben. Doch nun hast du selbst etwas gesehen, richtig? Und dich hältst du ja für kerngesund.«

»Ja … nein … ich weiß nicht.« Brian machte eine hilflose Geste und wirkte auf einmal mehr denn je wie ein überforderter Schuljunge. »Es war noch früh morgens, ich hatte schlecht geschlafen, und es war auch recht dämmrig in diesem Treppenhaus. Ich kann mich geirrt haben. Ganz sicher habe ich mich geirrt und dich vermutlich umsonst hierher bemüht, alter Freund.« Sein Lächeln hatte wenig Überzeugungskraft.

»Was genau hast du denn gesehen?«, wollte Conny wissen. »War es ein Mann oder eine Frau? Ein Kind vielleicht? Trug die Gestalt altertümliche Kleidung?«

»Alt schien mir die Kleidung schon, aber sie wurde weder von einem Mann noch von einem Kind oder einer Frau getragen.« Brian Lawrence rang die Hände.

»Die Kleidung war ganz allein unterwegs?« Allison schlug ihre langen Beine übereinander und zog die Augenbrauen hoch. »Jetzt wird es interessant.«

Brian schüttelte den Kopf. »Nein, sie hing. An einem Kleiderständer.«

»An einem Kleiderständer?« Nun zog auch Conny die Augenbrauen hoch. »Du hast einen spukenden Kleiderständer in deiner Burg? Was hat der Ständer denn gemacht? Hat er dich angegriffen? Oder mit Hüten nach dir geworfen?«

»Er ist die Treppe hinuntergetanzt, hat sich ein paar Mal um die eigene Achse gedreht, wobei alle Mäntel, die an ihm hingen, durch die Luft schwangen, und ist dann verschwunden.« Brian Lawrence vermied es, einem seiner Gäste ins Gesicht zu blicken.

Doch die Tatsache, dass er nicht mehr versuchte, sein Erlebnis ins Lächerliche zu ziehen, verriet Conny, dass ihn die Begegnung mit dem tanzenden Kleiderständer mehr verunsichert hatte, als er zugab.

»Und dieses Möbelstück«, hakte Allison nach. »Es war dir völlig unbekannt, Brian? Es war nicht etwa so, dass ein dir vertrauter Kleiderständer plötzlich zum Leben erwacht ist, du hast das Ding wirklich noch nie zuvor hier gesehen?«

»Richtig.« Der Hausherr ging ein paar Schritte durch den Raum und nahm die Sherryflasche, aus der er zuvor Allison einen Drink eingeschenkt hatte, an sich. Mit zitternden Händen zog er den Korken heraus und goss sich selbst nach. »Wir haben gar keinen Kleiderständer. Unser neu gestalteter Garderobenraum beherbergt gleich mehrere massive Schränke.«

»Hier spukt ein Kleiderständer?« Conny konnte es nicht fassen. »Hör mal, Brian, wenn deine Burg über ein angemessenes Gespenst verfügt hätte, wäre das keine Überraschung für mich gewesen. Aber bei dir tanzen allen Ernstes die Möbel? Und zwar nicht deine eigenen, sondern fremde?«

»Das schließt Poltergeistaktivitäten aus. Dann würde sich nur unkontrolliert bewegen, was sowieso schon vorhanden ist.« Allison wippte mit dem Fuß und blickte nachdenklich auf Brian Lawrence, der ihr ein dankbares Lächeln schenkte.

»Und was hat deine Frau gesehen?«, bohrte Conny weiter. »Eine Kommode oder ein Bettgestell?«

»Ebenfalls Gegenstände«, gab Brian zu und sein Lächeln wirkte ein wenig gequält. »Verschiedene Gegenstände, die nichts miteinander gemein zu haben scheinen, außer dass sie eben nicht hierhergehören. Manche tanzen, manche schweben herum, und manche stehen einfach nur plötzlich da, wo vorher nichts war.«

»Das ist das Blödsinnigste, was ich je gehört habe.« Conny meinte es ernst. Er nahm seinem Schulfreund die Sherryflasche ab und schenkte sich ebenfalls ein.

»Deswegen habe ich Hillary ja auch zuerst nicht geglaubt«, erwiderte Brian heftig. »Und mir selbst glaube ich nun auch nicht mehr. Wer glaubt denn überhaupt an Geistermöbel?«

»Ich.« Allisons Stimme klang sachlich. »Und es ist gar nicht so ungewöhnlich, wie die Herren meinen. Auch Gegenstände können spuken, und zwar eigenständig, ohne dass sie von Geistern bewegt werden. Man denke nur an die Phiole vom Tower.«

»Die was?« Für einen Moment versuchte Conny nicht mehr, erfahren und professionell auf Brian zu wirken. Er war einfach wieder er selbst und gerade völlig ahnungslos. »Davon habe ich ja noch nie gehört.«

»Im Tower von London hausen seit jeher viele Geister«, klärte Allison auf. »Eines von ihnen ist die gespenstische Phiole. Sie wurde nur ein einziges Mal, im Oktober 1817, gesichtet, enthielt eine weiß-blaue, strudelnde Flüssigkeit und schwebte über einen Tisch hinweg, bevor sie versuchte, einen der Zeugen zu packen.«

»Packen?« Conny glaubte, sich verhört zu haben. »Wie kann eine Phiole einen Menschen packen? So ganz ohne Arme?«

»Das weiß ich nicht, so ist es überliefert.« Allison stand aus ihrem Sessel nahe dem Feuer auf und stellte ihr Glas auf den Kaminsims. »Da die Phiole sich kurz darauf auflöste und nie wieder gesehen wurde, konnte das Phänomen nie genauer untersucht werden. Vielleicht gibt uns dieser Auftrag eine Gelegenheit, herauszufinden, was derjenige, der dieses Ereignis niederschrieb, mit ›packen‹ gemeint hat.«

»Der Gedanke, dass einer der Gegenstände meine Gäste packen könnte, gefällt mir gar nicht. Vielleicht ist doch alles nur ein Irrtum.« Brian klang kläglich. Sein Lächeln und sein weltgewandtes Gehabe waren wie weggewischt. »Als Dotty, unser Mädchen für alles, dazukam, hat sie nichts Ungewöhnliches bemerken können. Vielleicht bin ich ja nur einer optischen Täuschung erlegen.«

Conny verschränkte die Arme und versuchte cool und überlegen zu wirken. »Sicher. Möglich ist es. Mit deiner Erlaubnis möchte ich mich jetzt gern in deiner Burg umsehen. Ich habe nur noch eine Frage: Hidden Manor hat nicht immer so geheißen, oder? Ich nehme an, die Burg ist mehrfach umbenannt worden. Das ist an sich ja nicht ungewöhnlich. Neue Besitzer geben ihrem Heim gern einen neuen Namen. Es könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass es in der Geschichte dieser Burg einen dunklen Fleck gibt, den man lieber vergessen wollte. Seit wann führt dieses Haus den Namen Hidden Manor?«

»Ich weiß nicht«, bekannte Brian und sah verwirrt drein. »Wir haben den Namen nicht verändert, als wir hierherkamen. Wir wollen ja auch nicht für immer bleiben, es ist nur eine Zwischenstation. Dotty müsste etwas darüber wissen, die stammt von hier.«

Conny und Allison warfen sich einen langen Blick zu und waren sich einig. Mit dieser Dotty würde man noch zu reden haben.

Allison stand auf, stellte ihr leeres Glas zurück aufs Tablett und verkündete: »Ich würde jetzt gern auspacken und mich etwas frisch machen. Miranda geht es sicher ebenso. Kann uns jemand unsere Zimmer zeigen?«

Nachdem Miranda und Hng ein Dienstbotenzimmer hoch oben in der Burg bezogen hatten und Erstere mit Gesten verdeutlicht hatte, dass sie sehr gern durch die Gärten der Burg spazieren würde, anstatt auf den Fluren nach spukenden Möbeln Ausschau zu halten, warfen Allison und Conny ebenfalls einen Blick in ihre Unterkunft. Brian hatte ihnen ein Gästezimmer mit Aussicht auf das Meer herrichten lassen, dessen Einrichtung schlicht und edel zugleich wirkte.

»Ich muss noch einmal den guten Geschmack unseres Auftraggebers loben«, sagte Allison und öffnete die beiden Flügel des Fensters. Sofort ließ der Seewind die Gardinen flattern. »Überhaupt erweckt er bei mir nicht den Eindruck, ein unausstehlicher Angeber zu sein.«

»Ist er aber.« Conny warf einen Blick auf den geheimnisvollen schwarzen Kleidersack in seinem Koffer, den er auf Nigels Geheiß noch kurz vor der Abfahrt eingepackt hatte. Was für ein Kostüm hatte der Geistersekretär wohl für ihn per Express liefern lassen? Conny befürchtete das Schlimmste. »Brian ruft uns hierher, weil er von einem Kleiderständer unbekannter Herkunft angetanzt wurde. Und jetzt glaubt er selbst nicht mehr so richtig dran, weil es ihm peinlich ist.«

Allison zuckte mit den Schultern, ließ sich auf der Bettkante nieder und prüfte die Weichheit der Matratze. »Viele Menschen verhalten sich genau wie er, nachdem sie ein Gespenst gesehen haben. Sie zweifeln lieber an ihren Sinnen als an ihrer Realität. Letzteres ist einfach zu gewagt und könnte sie ernsthaft erschüttern.«

»Und wir streifen nun durch die Gänge und suchen wie die Deppen nach verdächtigen Möbeln?«, wollte Conny wissen. »Wenn du mich fragst, ist der rotierende Kleiderständer tatsächlich nur eine Sinnestäuschung gewesen. Und diese Hillary hat möglicherweise wirklich eine Schraube locker. Das nennt man ein Chemohirn, wenn ich mich recht erinnere.«

»Und wenn nicht?« Allison sah ihn streng an. »Das Chemohirn erholt sich doch, wenn die Wirkung des Giftcocktails nachlässt. Und die Behandlung von Hillary Lawrence ist längst abgeschlossen. Wir müssen uns auf die Suche nach diesen Gegenständen machen, es ist der einzige Weg, um möglichst schnell eine Bestätigung für seine Geschichte zu bekommen. Außerdem können wir uns im Moment noch mit allen Bewohnern der Burg unterhalten. Heute Abend, wenn der Ball beginnt, wird niemand von denen mehr Zeit für ein Gespräch finden.«

»Sie werden auch jetzt schon viel vorzubereiten haben«, meinte Conny. »Diese Dotty war zumindest unheimlich schnell von der Bildfläche verschwunden. Fast, als ob sie Angst vor uns hätte.«

»Hat sie auch«, murmelte Allison. »Da bin ich mir ziemlich sicher.«

»Wie bitte?«

»Ich sagte: Überlass diese Dotty bitte mir«, erwiderte Allison gedehnt.

»Wirklich?« Conny wusste, dass er ein verdutztes Gesicht machte. »Hat aber zuerst ganz anders geklungen.«

Er ließ den geheimnisvollen Kleidersack seines Kostüms unangetastet und verließ zusammen mit Allison das Zimmer.

Als sich ihre Wege am Ende des Flures trennten, fiel Conny noch etwas ein: »Wenn es diese spukenden Möbel wirklich gibt, ist Miranda dann im Garten der Burg gut aufgehoben? Nicht dass ausgerechnet sie an einen rotierenden Kleiderschrank gerät oder von einem Beistelltisch verfolgt wird.«

Allison machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was sollten die Möbel wohl im Garten verloren haben? Nein, der Spuk ist hier drinnen beobachtet worden und hier werden wir auch nach ihm suchen. Jeder von uns beiden übernimmt einen Teil des Gebäudes. Viel Glück. Und lass dich nicht von etwas packen.« Damit sprang sie die Stufen einer Treppe hinunter und war bald aus seinem Sichtfeld verschwunden.

»Was immer dieses ›packen‹ bedeuten mag«, murmelte Conny und begann seine Wanderung durch die Flure von Hidden Manor.

Harrowmore Souls (Band 2):

Подняться наверх