Читать книгу Die mechanischen Katzen - Miriam Rieger - Страница 5

Оглавление

3. Kapitel

„Ich hoffe, Sie bringen mich nicht in Teufels Küche!“, brummelte Cornelius Hartmann. Kaum waren die Worte gesagt, lief er rötlich an. „Das ... war nur so dahingeredet“, stammelte er, als befürchtete er, dem Teufel vorstellig zu werden, der nur darauf wartete, ihn mit Pfeffer zu würzen und in die Pfanne zu legen.

„Beruhigen Sie sich, Hartmann“, entgegnete Bender. „Ich bin ein gefallener Engel, aber nicht der Leibhaftige persönlich. Ich habe nicht vor, Sie in Bedrängnis zu bringen.“ Schmunzelnd beobachtete er den Kommissar. Vor einigen Jahren hatte Bender den damals fünfundzwanzigjährigen Hartmann als einen braven Polizisten kennengelernt, der während der Ausbildung seine Paragraphen gepaukt und heruntergebetet hatte, aber bei der Konfrontation mit der Realität den Kürzeren gezogen hatte. Umso erfreulicher war es, dass Hartmann im Laufe der Zeit ein kriminalistisches Gespür entwickelt hatte. Zudem war er als einziger Polizist bereit, Bender zu helfen und mit Informationen zu versorgen. Im Gegenzug dazu hatte Bender seinerseits Hartmann bei Fällen unter die Arme greifen können, bei der die Polizei ratlos gewesen war.

„Verstehe ich das richtig?“, fasste Hartmann zusammen, nachdem Bender ihm alles erzählt hatte. Fast hätte Bender schmunzeln müssen. So ungläubig und ratlos hatte der Kommissar ihn das letzte Mal angesehen, als er erfahren hatte, dass Bender ein Engel und kein gewöhnlicher Mensch war.

„Frederick Martin verfügt angeblich nicht über das nötige Kleingeld, um eine mechanische Katze aus der Fabrik Hellthals zu kaufen, leistet sich aber die Dienste eines Langfingers, der in die Fabrik einbricht und das Ding stiehlt?“

„Den Preis für eine Katze nannte Hellthal mir nicht, doch denke ich nicht, dass man sich an der Kasse mit Kleingeld zufrieden gibt. Dennoch wird Martin das Geld haben, allerdings, glaubt man den Worten Hellthals, nicht den Willen, es für die Katze auszugeben. Entweder sind die Dienste besagten Langfingers preiswerter oder derjenige schuldet Martin einen Gefallen. Jedenfalls war Hellthal bei der Polizei, und laut seiner Aussage fanden bereits Ermittlungen statt. Auch wenn diese nicht von Erfolg gekrönt waren, liegen sicher erste Ergebnisse vor. Ich bin für jede Information dankbar.“

Hartmann druckste ein wenig herum, nahm seine Taschenuhr in die Hand, ohne die Uhrzeit zu lesen, und legte sie wieder zurück.

„Ich besorge Ihnen die Informationen. Im Gegenzug halten Sie meinen Namen aus der Sache. Ich möchte weder mit Hellthal noch mit Martin Ärger.“

Erleichterung durchrieselte Bender. „Wann zog ich Sie jemals in etwas hinein? Sie können sich auf mich verlassen.“

Zwei Tage später saß Bender an seinem Tisch und brütete über seinen Unterlagen. Was er in Erfahrung gebracht hatte, war zu wenig und zu allgemein, als dass es ihm geholfen hätte. Auch von Hartmann gab es noch keine Neuigkeiten.

Frederick Martin hatte eine Brauerei, die in der Region das Monopol hatte. Seinen Erfolg bekamen dabei auch andere zu spüren. Vage erinnerte sich Bender an eine Brauerei, die vor einigen Jahren die Pforten und Sudpfannen hatte schließen müssen. Das Gebäude mit seinem angeschlossenen Biergarten war verwildert und der Natur zum Opfer gefallen. Wo einst Menschen gearbeitet hatten, krochen nur mehr Spinnen und am Wochenende betrunkene Jugendliche über den staubigen Boden.

Und Martin? Der hatte inzwischen drei Gaststätten eröffnet, belieferte verschiedene Hotels und füllte die Regale der Lebensmittelläden. Er selbst wohnte in einer Villa, die von außen nicht einzusehen war, den Erzählungen nach aber der von Hellthal in nichts nachstand. Bender seufzte. Wenn die Katzen überhaupt in Martins Besitz waren, mussten sie in der Villa sein. In seinen Büroräumen waren sie bestimmt nicht, denn wer würde auf die Idee kommen, Diebesgut, noch dazu so auffälliges, an seiner Arbeitsstelle in Szene zu setzen? Andererseits, welchen Sinn hatte es, einen solchen Aufwand zu betreiben, um einen Dekorationsartikel zu stehlen, wenn er nachher in einem Tresor sein Dasein fristete? Trotzdem, am wahrscheinlichsten befand sich die Katze im Privatdomizil Martins, das vielfach gesichert und für Bender unerreichbar war.

Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Grübeleien. Sein Kopf schoss nach oben, er eilte zur Tür und riss sie auf.

„Gut, dass Sie da sind, Hartmann“, sprudelte es aus ihm heraus, doch sein Wortstrom riss abrupt ab, als er gewahr wurde, wer vor seiner Tür stand.

Es war nicht Cornelius Hartmann, sondern eine Dame, deren Gesicht er unter dem Hut kaum erkennen konnte. Anders als der Fahrer, der versucht hatte, sich besser zu kleiden, als es sein Auskommen erlaubte, war es offensichtlich das Anliegen der Dame, sich einfacher zu kleiden, als es ihrem Stand gebührte. Ihr Kleid war mausgrau und unauffällig, jedoch war der Stoff zu teuer und die Schuhe aus echtem Leder, was sich hier in den Vierteln niemand leisten konnte. Bender tat, als fielen ihm diese Details nicht auf, und verbarg mühsam seine Enttäuschung, nicht den erwarteten Gast zu sehen.

„Was kann ich für Sie tun?“ fragte er kurz angebunden.

Die Dame hob den Kopf, sodass ein schmales Gesicht zum Vorschein trat, in dem die Augen beinahe übernatürlich groß wirkten. Sie sah hübsch aus, wirkte aber vor allem verzweifelt. „Ich hörte, Sie seien Detektiv, und ich benötige Ihre Dienste.“

„Was Sie nicht sagen. Ich dachte schon, Sie wollten meine Dienste als Friseur in Anspruch nehmen.“

Sie errötete. „Das auch.“ Sie klang schüchtern, doch der Augenaufschlag strafte dem Lügen. „Während wir über meinen Fall sprechen, können Sie mir die Spitzen schneiden und Lockenwickler in die Haare drehen.“

Die Antwort kam so unerwartet, dass Bender lachen musste und seine Meinung änderte. Er hatte vorgehabt, sie mit Verweis auf seinen Zeitmangel auf einen späteren Termin zu vertrösten, doch nun lenkte er ein und bat sie in seine Wohnung. Dass sie keine Verwunderung ob der kargen Möblierung zeigte, rechnete er ihr ebenso hoch an wie die Tatsache, dass sie sogleich zum Thema kam.

„Mein Name ist Constanze.“ Sie versuchte sich an einem Lächeln, doch das Kneten der Finger und das nervöse Zucken der Augen verrieten ihre Nervosität. „Sie sollen ... jemanden für mich finden.“

„Ist Ihnen Ihr Schoßhündchen davongelaufen?“

„Er frisst mir die Speisekammer leer und markiert überall, aber nein, mein Hund ist mir stets treu.“

„Im Gegensatz zu Ihrem Gatten“, schloss Bender. „Ich soll diesem nachspionieren und Ihnen mitteilen, wo er sich aufhält und vor allem, mit wem?“

Constanze strich Falten aus ihrem Kleid glatt, wobei Bender den Eindruck hatte, dass es ihr weniger um das Kleidungsstück selbst ging als vielmehr darum, den Augenkontakt zu vermeiden.

„Ja“, sagte sie schließlich. Ruckartig hob sie den Kopf und schaute Bender fast trotzig an. „Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt über mich denken. Untreue Gatten auszuspionieren ist vermutlich eine der langweiligsten Aufgaben, die Sie als Detektiv erledigen. Sie werden mich für ein Klischee auf zwei Beinen halten. Ich fühle mich selbst so“, fügte sie zögerlich hinzu. „Aber mein Mann versteckt etwas vor mir, ich weiß es.“

„Ihr Gemahl behauptet, länger arbeiten zu müssen. Er ist sehr verschlossen, führt heimlich Telefonate, und wenn Sie hinzukommen, legt er plötzlich auf, ebenso, wie Gespräche verstummen, die vor Ihrem Eintreffen noch lebhaft geführt wurden.“

Als sie nickte, musste Bender ein Seufzen unterdrücken. Er hätte ihr gern widersprochen, allein: Ihre Nöte waren tatsächlich nicht frei vom Klischee der gehörnten Gattin. Dennoch tat sie ihm Leid, denn auch wenn der Fall aus detektivischer Sicht uninteressant war, war ihm klar, dass sie unter der Situation litt.

„Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Da ich all meine Zeit und Ressourcen in jeden einzelnen meiner Fälle investiere, nehme ich stets nur einen an. Momentan hält mich einer sehr in Beschlag. Doch sobald dieser abgeschlossen ist, werde ich mich Ihnen widmen.“

Constanze verstand den Wink und reichte ihm die Hand.


Die mechanischen Katzen

Подняться наверх