Читать книгу Die mechanischen Katzen - Miriam Rieger - Страница 8
Оглавление6. Kapitel
Einige Tage später fand Bender beim Betreten seiner Wohnung ein Kuvert auf dem Boden, das jemand unter der Tür durchgeschoben haben musste. Sein Name stand darauf. Nichts weiter. Keine Briefmarke, kein Absender, nicht einmal die Adresse. Und doch – oder gerade deswegen – wusste Bender, von wem der Brief stammte. Er musste kurz an das letzte Gespräch mit Hellthal denken, das er mit dem Wissen beendet hatte, sich bei seinem Auftraggeber sehr unbeliebt gemacht zu haben.
Und doch lag nun dieser Brief da, und als Bender ihn öffnete, fiel ihm ein Blatt entgegen, auf dem der Grundriss eines Hauses eingetragen war. Mit klopfendem Herzen betrachtete Bender die Zeichnung. Wie auch immer es Hellthal gelungen war, an diese heranzukommen – sie war Gold wert. Zumindest wenn sie der Wahrheit entsprach und nicht einfach der Fantasie Hellthals entsprang.
Zehn Tage später stand Bender vor Frederick Martins Anwesen. Hellthal hatte seine Strippen gezogen und es geschafft, nicht nur eine Einladung für sich, sondern auch für eine Begleitperson zu erhalten. Bender hatte für seine Maskerade nicht nur viel Zeit vor dem Spiegel verbracht, sondern auch Hellthal überzeugen können, dass seine Hilfe ihrem gemeinsamen Plan und somit dem Auftraggeber selbst zugute kam. Er trug zu diesem feierlichen Anlass, bei dem er sich bereits vor dem Eintreten wie ein Fremdkörper vorkam, einen weinroten Frack, darunter ein weißes Hemd aus Seide und eine schwarze Hose. Auf seinem Kopf thronte ein Zylinder, darunter blitzten seine für diesen Anlass schwarz gefärbten Locken hervor. Um sich diese Verkleidung leisten zu können, hätte er ein Jahr lang arbeiten müssen, wenn Hellthal ihm nicht etwas geborgt hätte.
Am Tor zeigte Bender seine Einladung und wurde mit einem Lächeln durchgelassen, das die Augen des Portiers nicht erreichte.
Gemeinsam mit Hellthal schritt er die von Bäumen gesäumte Allee zum Anwesen entlang, vor dem bereits der Gastgeber wartete. Frederick Martin war ein groß gebauter Mann, dessen Pranken sicher ohne Probleme ein Bierfass heben konnten. Sein fester Händedruck quetschte Benders Finger unangenehm zusammen, und das Zucken in Hellthals Gesicht verriet, dass es diesem nicht anders erging.
„Hellthal, alter Freund“, ertönte ein tiefer Bass, gefolgt von einem Schulterklopfen, bei dem Hellthal sichtlich Mühe hatte, seine Schulter gerade zu halten. Doch auch hier schien die Freundlichkeit an der Oberfläche zu bleiben, Martins Blick war stechend und misstrauisch. Das änderte sich auch nicht, als der Bierbrauer sich wieder an Bender wandte.
„Und Sie sind ...?“
„Monsieur Thierry Dupont, ich bin Capitaine de police. Es ist mir eine Ehre und Freude, heute Ihr Gast sein zu dürfen“, stellte sich Bender vor, dankbar dafür, dass er vor etlichen Jahren Französisch gelernt hatte.
„Er ist französischer Polizist“, ergänzte Hellthal. „Aus dem fernen Paris.“
„Ein Franzose in meinem bescheidenen Zuhause“, tönte Martin. „Ich hoffe, meine Braukünste werden Ihrem von Wein und Baguette verwöhnten Gaumen gerecht!“
Die ebenso unehrliche wie übertrieben gespielte Bescheidenheit nervte Bender so sehr, dass er sich zu einem Lächeln zwingen musste.
„Bien sûr“, zwitscherte er, „Je suis certain que votre jus de chausette va me faire vomir! Ich bin überzeugt, dass Euer Bier köstlich mundet.“
„Zu freundlich. Ich wünsche den Herren einen angenehmen Abend. Leider muss ich mich empfehlen, um weitere Gäste zu empfangen.“ Martin deutete eine Verbeugung an, was bei seiner Statur eher plump wirkte, und eilte davon.
Mit einer Mischung aus Unglauben und Belustigung wandte sich Hellthal an Bender. „Ich bin überzeugt, dass Ihre Plörre mir Übelkeit verursachen wird. Sie haben Glück, dass Martin nicht des Französischen mächtig ist.“
Bender gelang es nicht, seine Überraschung darüber zu verbergen, von Hellthal verstanden worden zu sein. Dass sein Auftraggeber die Sprache beherrschte, hatte dieser während der Vorbereitung auf den Abend mit keinem Wort verlauten lassen. Nun lächelte er spöttisch. „Anders als der kleinkarierte Bierbrauer, der sich für einen Mann von Welt hält, weil er die hiesigen Bauerntrampel mit seiner – wie sagten Sie? – Plörre unter den Tisch säuft, mache ich auch außerhalb Deutschlands Geschäfte. Darunter in Frankreich, und dafür ist es unabdingbar, die Landessprache zu beherrschen. Sie glauben nicht, wie schnell man ansonsten über jenen Tisch gezogen wird, unter dem unser besoffener Gastgeber liegt.“ Hellthal zog mit einer theatralischen Geste seine Taschenuhr hervor und blickte darauf, wiewohl sich ihm gegenüber eine Standuhr befand und er die Uhrzeit kennen musste. „Auch ich muss mich empfehlen. Sie werden bereits geahnt haben, dass ich diese Feiern stets für Geschäftliches nutze. Halten Sie sich an den Plan!“
„Sie ebenso!“, knurrte Bender, doch Hellthal war bereits davongeschritten.