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Trauma Cinema

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Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass das erste Strafverfahren, das jemals live im US-amerikanischen Fernsehen übertragen wurde – und zwar über Monate hinweg täglich auf CNN – ein Vergewaltigungsprozess war. Der berühmteste Fall der 1980er Jahre: Big Dan’s Rape Case. Wobei es sich bei dem »großen Dan« nicht um eine euphemistische Beschreibung des Täters handelte, sondern um eine Kneipe in New Bedford, Massachusetts. Dort wurde am 6. März 1983 eine Frau123 von einer Gruppe Männer auf dem Billardtisch vergewaltigt, während die anderen Kneipenbesucher zuschauten und die Täter anfeuerten. Dieses außerordentliche Fehlen von Mitgefühl erschütterte die Öffentlichkeit, die sich nahezu geschlossen hinter das Opfer stellte. Big Dan’s Rape Case gilt als Triumph des Feminismus, weil es das erste Gerichtsverfahren in einem Vergewaltigungsfall war, das sich explizit auf Argumente der Frauenbewegung bezog: So war die Jury bestürzt über die Versuche der Verteidigung, das Opfer mit Verweisen auf dessen sexuelle Vergangenheit zu diskreditieren;124 und als die Täter zu Höchststrafen verurteilt wurden, jubelte die Presse, endlich hätten auch Richter eingesehen, dass eine Frau keine Jungfrau sein müsse, um das Recht zu haben, nicht vergewaltigt zu werden.125

Dabei sah die Realität anders aus. Die Publizistin Helen Benedict kritisiert die einseitige Bewertung des Falles in ihrem Buch Virgin or Vamp. How the Press Covers Sex Crimes und betont: »Sie sollte im Gegenteil als das am schlechtesten behandelte Vergewaltigungsopfer der Dekade in die Annalen der Geschichte eingehen.«126 Der Hintergrund war, dass zwar vier der sechs Vergewaltiger verurteilt wurden, das Gesetz aber keine Handhabe gegen die grölenden Zuschauer hatte, die in den Augen der Öffentlichkeit noch »schuldiger« waren als die Täter selbst, so dass die Berichterstattung rasch rassistische Züge annahm. Nachdem sowohl Opfer als auch Täter und Zuschauer zu Beginn in den Medienberichten durch ihre Namen identifiziert worden waren, verwandelten sich die Männer bald in »portugiesische Immigranten aus der Arbeiterklasse«, im Gegensatz zu der Frau, die als »Mutter zweier Kinder« nicht durch ihre Herkunft markiert wurde, obwohl sie die sogenannten »Wurzeln« ebenso wie den sozialen Hintergrund ihrer Angreifer teilte.127 Die Aussage war klar: Die Anderen hatten das Verbrechen begangen und – noch weitaus schlimmer – es im Akt des Beobachtens autorisiert. »Tiefliegende rassistischsexuelle Ängste Kriminellen und anderen Außenseitern in den Mund zu legen, erfüllt seinen Zweck für das weiße Amerika, weil es ihm erlaubt, diese Haltungen auszusprechen, ohne sie eingestehen zu müssen«128, kommentierte der Medien- und Kulturwissenschaftler John Fiske. Schlagworte wie »Clash der Kulturen« fielen – als würden nur portugiesisch sozialisierte Personen vergewaltigen –, und es dauerte nicht lange, bis die Telefone der lokalen Radiosender schrillten und aufgebrachte Anrufer forderten, alle Portugiesen sollten »nach Europa zurückgeschickt«129 werden.

Die Angriffe waren so massiv, dass sich die portugiesische Community von New Bedford rasch fühlte, als wäre sie und nicht die Frau vergewaltigt worden.130 Verschärfend kam hinzu, dass die ehemalige Walfang-131 und Holzschiffbaumetropole eine Stadt im Niedergang war und das Verbrechen zur Metapher für die wirtschaftliche und soziale Zerstörung der Stadt wurde. In Schlagzeilen wie »Eine Stadt und ihr Leid« und »Das Verbrechen, das eine Stadt befleckte« verwandelte sich der Körper der vergewaltigten Frau in den Körper der Stadt. John Bullard, der spätere Bürgermeister New Bedfords, führte aus: »Es verletzt uns mehr, als es andere Städte schmerzen würde. Es ist ein weiterer Nagel in unserem Sarg. ›Oh mein Gott, wir sind wirklich ein entsetzlicher Ort.‹ Und wir müssen uns noch viel mehr anstrengen, um auch nur wieder zurück zu null zu kommen.«132 Mit jedem neuen Bericht wandte sich die Stimmung innerhalb der Stadt mehr gegen die vergewaltigte Frau, nach dem Motto: Wenn sie als Opfer in der Lage war, mit ihrer Klage eine solche Verheerung anzurichten, musste sie auch in dem Vergewaltigungsfall irgendwie die Aggressorin gewesen sein.

Solche Reaktionen sind so häufig, dass es in der Psychologie eigene Bezeichnungen dafür gibt, wie Gerechte-Welt-Glaube und defensive Attribution. Die Rechtswissenschaftlerin Ulrike Lembke erläutert: »[D]ie solchem opferbeschuldigenden Verhalten zugrunde liegenden Wünsche [sind], dass in der Welt kein unbegreifliches Unrecht geschehen möge – weshalb das Opfer einfach irgendetwas falsch gemacht haben muss – und dass die eigene Person nicht in Gefahr sein möge – weshalb eine starke und abwertende Abgrenzung vom Opfer stattfindet.«133

Doch die Abwehr gegen das Opfer in dem New-Bedford-Fall ging weit darüber hinaus. Augenzeugen erinnern sich: »Leute gingen zu ihrem Haus … bewarfen es mit irgendwelchen Dingen und richteten Schaden an … Die Stimmung in der Stadt war wirklich blutrünstig. Ich habe noch nie etwas erlebt, das Mobhysterie mehr glich.«134

Nach dem Prozess floh die 22-Jährige aus der Stadt, sie wurde die Angst, ihre ehemaligen Nachbarn und Bekannten könnten ihr folgen, um sich an ihr zu rächen, nie los. Ein Freund schildert: »Sie hatte so große Angst, sie würden ihr folgen, und sie töten, dass sie, wenn sie Auto fuhr, stets wie gebannt in den Rückspiegel schaute.«135 Weniger als drei Jahre später kam sie bei einem Autounfall ums Leben.

Dass der Fall und sein tragisches Ende allgemein anders erinnert werden, liegt daran, dass er 1988 noch einmal inszeniert wurde – nur dieses Mal mit einem deutlich anderen Ausgang: In dem Kinofilm The Accused – auf Deutsch Angeklagt. Der Film mit seiner Starbesetzung – Jodie Foster in der Rolle des Opfers und Kelly McGillis als ihre Anwältin – ist das wahrscheinlich bekannteste Hollywoodwerk über eine Vergewaltigung. Die berüchtigte Vergewaltigungsszene – auf einem Flipperautomaten anstelle des Billardtischs – löste bereits im Vorfeld Kontroversen aus. Die Zuschauer strömten in Scharen in die Kinos, um sich ein eigenes Bild zu machen. Innerhalb der ersten 24 Stunden spielte der Film 18 Millionen Dollar ein, und Jodie Foster erhielt für ihre Darstellung sowohl einen Oscar als auch einen Golden Globe als beste Hauptdarstellerin. Häufig wird Angeklagt als der erste abendfüllende Spielfilm über eine Vergewaltigung bezeichnet, was jedoch nur teilweise korrekt ist. »Tatsächlich ist Vergewaltigung schon mit dem Beginn des Kinos verbunden und spielt eine prominente Rolle in Filmen wie D. W. Griffiths Die Geburt einer Nation von 1915«, präzisiert die Kommunikationswissenschaftlerin Tanya Horek. »Was Angeklagt besonders macht, ist jedoch, dass der Film das Ergebnis von mehr als zwei Jahrzehnten feministischer Aufklärungsarbeit zum Thema Vergewaltigung darstellt.«136

Ergo ist die Geschichte, die in Angeklagt erzählt wird, nicht die Geschichte des Big Dan Case, sondern eine Art feministisches Idealszenario, wie vor Gericht und damit vor dem Gericht der öffentlichen Meinung eine Vergewaltigung verhandelt werden könnte. Ihr zentraler Konflikt ist, wie Jodie Fosters Filmcharakter ihre Wahrheit aussprechen und damit in das Gesetz einschreiben kann. Um dieses Ziel zu dramatisieren – damit die Situation nach den Regeln des aristotelischen Dramas zuerst schlimmer wird, bevor der Spannungsbogen zu einem happy ending hinaufschwingt –, stimmt ihre Anwältin Katheryn am Anfang des Films einem Vergleich zu, durch den die Täter nicht wegen Vergewaltigung, sondern wegen fahrlässiger Körperverletzung (reckless endangerment, so der ursprüngliche Titel des Films) verurteilt werden. Foster, die keinen portugiesischen, sondern den vermeintlich »neutraleren« Namen Sarah Tobias trägt, klagt Katheryn an, ihr die Chance genommen zu haben, ihre Geschichte vor Gericht zu schildern. Die Anwältin verteidigt sich mit dem Hinweis darauf, dass Sarah als alleinerziehende Mutter mit einer Vorstrafe für Haschischbesitz kein Vorzeigeopfer sei und demgemäß keine Chance auf einen fairen Prozess gehabt hätte.

Warum der Film die rassistisch motivierten Konflikte auf eine Klassenebene verschiebt, begründeten die Filmemacher damit, dass sie für alle Vergewaltigungsopfer sprechen wollten: als wäre ein nicht weißes, nicht anglo-amerikanisches Opfer nicht repräsentativ genug – aber auch, als gäbe es eine Geschichte, die nun erzählt würde. Ihre Absicht, »die Populärkultur mit einer zuverlässigen Darstellung der ›Realität von Vergewaltigung‹ zu versehen«137, wurde durch quasidokumentarische Elemente, wie das Einblenden von Vergewaltigungszahlen und Statistiken im Abspann,138 unterstrichen, »um zu zeigen, dass der Film auf einer realen Geschichte basierte, doch mehr noch um ihn als eine Art Denkmal für alle Vergewaltigungsopfer zu präsentieren«139, bemerkt Horek.

Das ambitionierte Ziel von Angeklagt war, als öffentliche Therapie zu fungieren, in der die Zuschauerinnen die Möglichkeit bekommen sollten, über ihre kollektive Verletzung zu trauern und mit Sarah zusammen die Widerstände, die ihrer Exkulpation entgegenstanden, aus dem Weg zu räumen. Als da wären:

– Dadurch, dass die Täter nicht für das eigentliche Verbrechen verurteilt wurden, ist Sarah im Auge des Gesetzes gar nicht vergewaltigt worden.

– Erst durch eine Verurteilung der Vergewaltiger würde sie des an ihr begangenen Verbrechens unschuldig gesprochen. Denn als Vergewaltigungsopfer ist sie gleichzeitig mit angeklagt.

– Eine Frau, deren Opferstatus nicht rechtlich anerkannt wird, ist Freiwild.

So begegnet Sarah in einer hochemotionalen Szene einem der Zuschauer aus der Kneipe, der sie sofort mit sexuellen Anzüglichkeiten bedrängt, bis sie ihr Auto in seinen Pick-up rammt. Als Katheryn die verletzte Sarah erschüttert besucht, stellt die klar, dass Katheryn Mitschuld an dem verbalen Übergriff auf der Straße habe. Weil sie durch ihren Vergleich das wahre Verbrechen, Vergewaltigung, als fahrlässige Körperverletzung bagatellisiert habe, würde Sarah zu einer Person, die man ungestraft angreifen dürfe (Freiwild). Sarah Tobias ist die Frau von der Straße, die die Wahrheit ausspricht, und die Wahrheit hört sich nicht von ungefähr so an, als stamme sie direkt aus den Seiten von Gegen unseren Willen.140 Die Situation ist nur durch eine symbolische Handlung im Gerichtssaal zu lösen. Also entscheidet Katheryn, die Zuschauer wegen Anstiftung zu einem Verbrechen zu verklagen, um Sarah eine zweite Chance zu geben, dass ihre Stimme gehört wird.

Susan Brownmiller hatte erklärt, dass sie Feministin wurde, als sie erkannte, »dass Vergewaltigung eine permanente Bedrohung darstellt, die mein Leben von Grund auf beeinflusst hat«141. Entsprechend ist auch Sarahs Aussage vor Gericht in Angeklagt als ihre Subjektwerdung als Feministin zu verstehen: »Ich habe Nein gesagt. Ist Nein nicht genug?«142

Trotzdem ist der kathartische Höhepunkt des Filmes keineswegs Sarahs eigene Schilderung der Geschehnisse, sondern die eines männlichen Zeugen, der schließlich gegen seine Geschlechtsgenossen aussagt.143 Das ist umso verblüffender, als in dem »echten« Fall keine männliche Autorität benötigt wurde. Doch in Angeklagt war das Bedürfnis nach Eindeutigkeit so immens, dass er das Filmteam für den Paternalismus der Gerichtsszene blind machte. »Selten war ein Paar männlicher Augen mächtiger; ohne sein Zeugnis gäbe es keine Verurteilung – ja es gäbe, wie die Verteidigerin feststellt, nicht einmal eine Vergewaltigung«144, konstatiert die Medienwissenschaftlerin Carol Clover. Denn erst als der Zeuge die Tat beschreibt, wird die bis dahin ausgesparte Vergewaltigungsszene eingeblendet und dadurch zur filmischen Realität. Die Wahrheit ist zu sehen und damit auch zu glauben.

Angeklagt war der mediale Höhepunkt einer Debatte, die bewirkte, dass sich ein Wandel in der Mainstreamdarstellung von Vergewaltigung vollzog. So wurden Szenarien, in denen das Opfer das Verbrechen genoss, immer inakzeptabler, und der Empathieschwerpunkt verschob sich zugunsten der Frau, deren Abscheu und Ekel seitdem im Mittelpunkt stehen.145 Dabei beschreibt der Film die berühmte Szene auf dem Flipperautomaten weder mit Sarahs Worten, noch zeigt er sie aus ihrer Sicht, wie es etwa der Film Bandit Queen (1994) von Shekhar Kapur über die indische Banditin Phoolan Devi tut, in dem die Kamera buchstäblich Devis Position einnimmt und die nackten Beine ihrer Vergewaltiger filmt, die nacheinander in ihren Intimbereich eindringen. Das Gefühl, ganz nahe bei der Protagonistin zu sein, sozusagen in ihrer Psyche, wird in Angeklagt ausschließlich durch das Stilmittel der Rückblende erzeugt. Die Filmwissenschaftlerin Janet Walker bezeichnet dieses Verfahren als »trauma cinema«146, Werke über Erlebnisse aus der Vergangenheit, die in der Regel mit Hilfe von Rückblenden erzählt werden, analog den Flashbacks, die wir mit Traumata assoziieren.

In den 1980er Jahren war es eine populäre Überzeugung, dass traumatische Ereignisse vom Unterbewussten tatsächlich wie von einer Filmkamera festgehalten und später in Flashbacks »abgespielt« würden – und zwar genau so, wie sie stattgefunden hätten, und nicht so, wie sie in der Situation wahrgenommen wurden. Die »objektive« Rückblende in Angeklagt bewegt sich in dieser Vorstellungswelt. Durch sie erlebt Sarah ihr Trauma noch einmal, dieses Mal jedoch nicht alleine, sondern mit dem versammelten Gericht, das sie vom Stigma der lüsternen Frau, die sich nachts alleine in Kneipen herumtreibt, freispricht und nun richtig als Opfer identifiziert. Mit diesem Akt des Veräußerns ist die Therapie erfolgreich abgeschlossen und die Angeklagten erhalten – pars pro toto für die Mehrheit der männlichen Bevölkerung – das Urteil: schuldig.

»Terror strahlt aus dem Mann, Terror erleuchtet sein Wesen, Terror ist sein Lebenszweck«147, gab die Schriftstellerin und Aktivistin Andrea Dworkin bekannt, deren Texte in den 80er Jahren für eine kurze Zeit überraschend einflussreich waren, ebenso wie die Arbeiten von Catharine MacKinnon, die erklärte, dass heterosexuelle Sexualität nur schwer von einer Vergewaltigung zu unterscheiden sei, denn: »Männliche Dominanz ist sexuell. Das bedeutet, dass vor allem Männer, wenn nicht nur Männer, Herrschaft sexualisieren.«148 Demgegenüber gab es die nicht minder breit rezipierte These, dass der Feminismus Männer so sehr in ihrer Identität gefährde, dass sie durch das Wegbrechen der »stabilen Geschlechterordnung« zu Vergewaltigern würden – besser bekannt als »Krise der Männlichkeit«-Theorie.149 Es ist eine Ironie des Schicksals, dass dieser vehement geführte politische Kampf das Problem letztendlich entpolitisierte, indem er es sexualisierte. Doch zwischen den Polen »Männer vergewaltigen, weil sie schlechte Menschen sind« und »Männer vergewaltigen, weil Feministinnen schlechte Menschen sind«150 war eine Menge verbrannter Erde.

Die Reaktionen auf den Big Dan Case sind charakteristisch für das angespannte Verhältnis zwischen den Geschlechtern zu diesem Zeitpunkt. In einem Artikel für Ms rang die spätere Journalismusprofessorin Mary Kay Blakely damit, dass ihre eigenen Söhne eines Tages unter den jubelnden Zuschauern einer Vergewaltigung sein könnten. Sie adressierte ihren Text an einen der »34 Prozent Männer, die sich von sexualisierter Gewalt gegen Frauen abgestoßen fühlen«151. Abgesehen von der Frage, woher Blakelys Statistik kam, ist vor allem die durchdringende Bedrohung bemerkenswert, die im historischen Rückblick wie ein Szenario aus einem totalitären Regime wirkt, in dem Eltern nicht einmal ihren Kindern trauen können, wenn diese männlich sind. Angeklagt war das cineastische Manifest dieser Haltung. Die Filmkritikerin Penny Ashbrook lobte, der Film komme beeindruckend nahe an eine Umsetzung von Susan Brownmillers berühmter Aussage, dass »Vergewaltigung eine Methode bewußter systematischer Einschüchterung ist, durch die alle Männer alle Frauen in permanenter Angst halten«152.

Tatsächlich war »die weibliche Angst«153 zu diesem Zeitpunkt ein Synonym für das Gefühl der allgegenwärtigen Bedrohung durch Vergewaltigung geworden, das Susan Griffin in ihrem einflussreichen Artikel »Rape: The All-American Crime« mit den Worten beschrieben hatte: »Ich war niemals frei von der Angst vor Vergewaltigung. Von klein auf war Vergewaltigung für mich, wie für die meisten Frauen, ein Teil meiner natürlichen Umgebung – eine Bedrohung wie Feuer oder Blitzschlag.«154 Vergewaltigung galt als »alles durchdringende und kontinuierliche Conditio der weiblichen Existenz«155. Damit hatte der Anti-Rape-Aktivismus – so viel wir ihm auch zu verdanken haben, und das will ich auf keinen Fall schmälern, auch wenn ich nicht immer mit seiner Rhetorik übereinstimme – paradoxerweise eben das erreicht, was Brownmiller als Absicht »allen Männern« unterstellte, nämlich dass ein signifikanter Teil der weiblichen Bevölkerung in konstanter Furcht lebte, einer Furcht, die es selbstverständlich auch davor gegeben hatte, jedoch nicht in demselben Ausmaß. Denn Furcht funktioniert wie ein sozialer Virus, der zwar nicht unbedingt durch Publizität erzeugt, aber vervielfältigt wird. »Nach den ganzen Workshops und Flugblättern über Date Rape, Safer Sex und sexuelle Belästigung, bleiben wir – egal wie mutig und erwachsen, wie rebellisch und sorglos wir auch sein mögen – mit dem Gefühl von unmittelbarer Gefahr zurück«156, kommentierte Katie Roiphe.

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