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Kapitel 5 - Ende Februar 2004

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Thomas saß gemütlich im Wohnzimmer in seinem Lieblingssessel.

„Wir können in zehn Minuten essen, kannst du den Kindern Bescheid sagen, sie sind in Christians Zimmer“, rief Sabrina aus der Küche. Die Kasserolle mit den Kaninchenteilen und den Backofenkartoffeln befand sich zum Warmhalten im Ofen, das Rotkraut musste nur noch abgeschmeckt werden, auch der Topf mit der Soße stand schon fertig auf dem Herd. Sie hatte liebevoll den Tisch gedeckt und der Wein funkelte in den Kristallgläsern.

Als sie an dem runden Esstisch Platz genommen hatten, schellte das Telefon. „Ach, gerade jetzt, immer werden wir beim Essen gestört“, seufzte Sabrina, sie erhob sich, um das Gerät aus der Ladestation zu nehmen.

Thomas sagte zuvorkommend: „Bleib ruhig sitzen, ich gehe schon.“

Gleich darauf kam er mit ärgerlichem Gesicht zurück. „Das ist jetzt schon das dritte Mal, ich kann nur ein Atmen hören, dann ertönt ein seltsamer Pfeifton, und das Gespräch ist weg, Unverschämtheit!“, schimpfte er.

„Kannst du die Nummer nicht sehen?“, wollte Sabrina wissen.

„Nein, sie ist unterdrückt.“

„Meinst du, da will jemand kontrollieren, ob wir da sind, vielleicht ein Einbrecher?“, fragte Christian mit ernstem Gesicht, und Kerstin rief dazwischen: „Quatsch, jetzt sind doch keine Ferien, da sind sowieso alle Leute zu Hause.“

Christian zeigte ihr einen Vogel.

„Schluss jetzt“, unterbrach Thomas heftig das Gespräch, „ihr braucht keine Angst zu haben, sicher nur falsch verbunden.“ Sabrina warf ihm einen bestätigenden Blick zu, für die Kinder war das eine beruhigende Erklärung, auch sie selbst wollte liebend gerne daran glauben.

Nachdem sie die Mahlzeit beendet hatten, bat sie: „Räumt ihr bitte ab, ich mache inzwischen für Papa und mich noch einen Espresso.“

Unter Murren und Knurren stellten die Geschwister das Geschirr in die Spülmaschine, dann liefen sie wieder in Christians Zimmer hinauf. Sabrina stellte die Tassen auf den Glastisch im Wohnzimmer, dann setzte sie sich auf die Couch neben Thomas. „Sag mal, du hast doch nächste Woche Frühdienst“, wollte sie wissen, „außerdem das Wochenende sowieso frei, oder?“

„Hoffentlich sagt er ja“, dachte sie.

„Ja, weshalb denn?“

„Simone hat mich gefragt, ob wir zu ihrer Party kommen wollen?“ Sabrina sprach zu schnell, ihre Worte klangen etwas atemlos.

Thomas zog missmutig die Stirn in Falten. „Nein, ich habe keine Lust!“ Das klang hart und unnachgiebig.

Sabrina zog es den Magen zusammen, sie ärgerte sich maßlos darüber, dass er ihren Wunsch nicht einmal in Erwägung zog. „Warum nicht, ich würde so gerne dort hingehen. Komm, bitte, mir zu liebe.“ „Warum muss ich eigentlich betteln, wie ein kleines Kind, das ist doch zu doof“, dachte sie empört.

„Nein, wir gehen nicht, schon gar nicht zu Simone und Michael“, stellte Tom klar.

Sabrina versuchte es noch einmal, sie hatte sich schon so darauf gefreut. „Das verstehe ich nicht. Michael wird sicher nicht zudringlich werden.“

„Welchen Teil von NEIN hast du nicht verstanden?“

Sabrina merkte, wie ihr die Tränen über die Wangen flossen, schnell stand sie auf, dann lief sie ins Bad, um sich die Augen zu trocknen.

Als sich Sabrina wieder etwas gefangen hatte, ging sie ins Wohnzimmer zurück. Thomas hatte den Fernseher eingeschaltet und verfolgte das Fußballspiel auf der Mattscheibe. Sabrina fragte noch einmal mit zaghafter Stimme: „Also, gehen wir dann nicht auf die Party.“

Thomas war sichtlich sauer, dass sie noch einmal davon anfing, er wurde ernsthaft böse und schrie sie an: „Okay, jetzt reicht es, lass mich damit in Ruhe. Ich habe NEIN gesagt und dabei bleibt es. Wenn das so weiter geht, gehen wir künftig nirgendwo mehr hin. Mir macht das nichts aus!“

„Was ist, wenn ich alleine gehe?“, fragte Sabrina.

„Dann kannst du gleich deine Koffer mitnehmen!“ Mit zornigem Blick hob er die Hand, sein heftiger Schlag traf sie mit Wucht ins Gesicht. Sabrina schaute ihn entsetzt an, dann flüchtete sie wortlos ins Schlafzimmer.

Weinend warf sie sich auf das Bett und legte ihre kühle Hand auf die schmerzende Wange. Sie verstand seine Reaktion nicht, konnte sich nicht vorstellen, was ihn zu diesem Hieb veranlasste, sie wunderte sich darüber, dass sie ihn nicht zurückgeschlagen oder wenigstens angebrüllt hatte. Was wäre geschehen, hätte er es wirklich gewagt, sie zu verprügeln, das konnte sie sich nicht vorstellen. Ihr Leben kam ihr in diesem Augenblick so unsinnig und glanzlos vor.

Sabrinas Magen fühlte sich hart wie ein Stein an, ihr Kopf drohte zu zerbrechen, der Hals wurde ihr eng, dann schloss sie mutlos die Augen. „Wie in einem tiefen dunklen Brunnen, kalt und nach ekliger nasser Fäulnis riechend. Mit glatten, glitschigen Wänden, an denen ich versuche hochzuklettern, an denen ich immer wieder abrutsche. Oben, dort wo das Licht ist, da steht er, nagelt mit Brettern den Ausweg zu. Den einzigen Ausweg! Noch ein Brett und noch mehr Nägel, die Luft wird immer weniger, das Sonnenlicht verschwindet, ich verschwinde, löse mich langsam auf“, dachte Sabrina verzweifelt.

Sie weinte leise, ihre Nase füllte sich mit Schleim und brachte sie zum Husten, ein Taschentuch war nicht zu finden. Unwillig stand Sabrina auf, wusch sich das Gesicht und legte eine kühle Kompresse auf die gerötete Wange, danach ging sie wieder hinunter. Ihr war noch immer übel, in ihrem Bauch brannte ein loderndes Feuer und der Kopf schmerzte stark.

Pascha schlich sich zu ihr hin, Sabrina nahm ihn liebevoll auf den Arm.

Im Esszimmer knipste sie beide Tischlampen und zündete die Kerzen an, denn es war inzwischen dunkel geworden. Sie setzte sich mit dem Kater auf den Schaukelstuhl vor das Fenster. In ihrem Kopf war kein greifbarer Gedanke mehr vorhanden, es fühlte sich an wie ein großer Wattebausch im Gehirn. Leise wiegte sie sich hin und her, streichelte und herzte das Tier. Sie flüsterte ihm ins Ohr: „Na mein Dicker, mein Mäusefänger, mein süßer Tiger.“ Sabrina musste lächeln, sie küsste ihn zwischen die Ohren, sein Fell war kuschelig weich, es kitzelte sie zart an der Wange. Pascha rieb sein Näschen an ihrem Kinn, er freute sich tierisch über so viele Streicheleinheiten.

Kurz darauf klingelte das Telefon. Sabrina setzte den Kater vorsichtig auf den Boden, dann nahm sie den Anruf an, am anderen Ende der Leitung war ein merkwürdiges Schnaufen und Atmen zu hören. „Hallo, wer ist da?“, rief sie nervös.

Eine krächzende, offensichtlich verstellte Stimme flüsterte: „Er wird sterben! Er wird sterben, vielleicht weiß er auch warum! Und du, du bist schuld! Hörst du, sag ihm, dass er stirbt!“

„Was soll das? Wer sind Sie und was wollen Sie von uns?“, schrie Sabrina aufgebracht. Doch die Verbindung war schon unterbrochen.

Als Thomas, von ihrem Geschrei aufgeschreckt, zu ihr kam, war sie kreidebleich. „Wer hat angerufen, was war denn los?“, fragte er erstaunt. Sabrina erzählte ihm, leise und verängstigt, was der Anrufer gesagt hatte. Sie zitterte am ganzen Körper.

Thomas äußerte sich bestürzt: „Das ist sehr makaber und beängstigend.“

„Glaubst du, der Anruf war vielleicht gar nicht für uns?“, fragte Sabrina hoffnungsvoll. Sie konnte sich nicht vorstellen, wer einen Grund haben sollte, ihnen solche Drohungen auszusprechen.

„Ich weiß es nicht. Ja, wahrscheinlich hast du recht“, beruhigte Tom sie, „wir sollten eventuell mal die Nummer ändern lassen.“

Über ihr Gespräch und den Schlag ins Gesicht wurde nicht mehr gesprochen.

Begraben liegt mein Herz

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