Читать книгу Hexenherz. Goldener Tod - Monika Loerchner - Страница 15

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Kapitel 8

»Da sind wir also«, stelle ich fest, als Kolja und ich die Lichtung betreten. Die anderen haben sich bereits versammelt: Adrian, Marzena, Simone, Désirée, zwei Männer, deren Namen ich mir nicht gemerkt habe, und meine beiden Lieblingsrebellen.

»Ich gehe dann mal«, erklärt Corey, bedenkt mich mit einem Blick, den er sicherlich geübt hat, der seine Wirkung bei mir aber völlig verfehlt, dreht sich um und geht. Zu meinem Verdruss scheint sich Gero ihm nicht anschließen zu wollen. Ob ich nachhelfen kann?

»Gero, Süßer«, schnurre ich und zeige mein schönstes Lächeln. »Husch, ab mit dir nach Hause, das hier ist nur was für große Kinder!«

Der Rebell reckt das Kinn. »Ich denke nicht daran, Helena! Und an deiner Stelle wäre ich schön vorsichtig! Immerhin kann ich vielleicht bald Magie benutzen!«

»Und dann?«

»Dann«, er grinst, »bin ich stärker als du!«

Ich bekomme einen Lachanfall.

Gero läuft hochrot an. Zu meinem Vergnügen müssen sich auch Adrian und Simone das Lachen verkneifen. Désirée hustet verdächtig und Marzenas Schultern zittern.

»Mama!«, flüstert mir Kolja vorwurfsvoll zu. Er weiß ganz genau, dass ich bei Gero einfach nicht anders kann. Ihm zuliebe versuche ich, mich zu beruhigen. Allerdings werde ich mir den dummen Gesichtsausdruck des Rebellen ebenso merken, wie die so herrlich amüsante Vorstellung, wie er vor mir steht und angefüllt mit Magie vor mir herumfuchtelt. Der würde doch seinen eigenen Hintern nicht finden, wenn er ihn nicht dauernd kratzen müsste! Der liebe Gero ist einmal mehr ein ganz wunderbares Beispiel dafür, zu welch absurden Vorstellungen dieser ganze Blödsinn von wegen Gleichwertigkeit der Geschlechter führt. Als ob es allein an der Magie läge, Männer haben einfach keine mentale Stärke! Nun ja, bis auf einige Ausnahmen natürlich.

»Helena?« Wie immer ist Simone vernünftiger als ich. »Wärst du dann so freundlich, uns zu sagen, was du weißt?«

Ich atme bewusst langsam ein und aus und meide den Blick auf Gero – sonst würde ich gleich wieder losprusten.

»Aaaaalso. Euer Problem ist, dass es zwar Kolja und einigen Frauen gelungen ist, Magie aus den Speichersteinen zu ziehen, nicht aber anderen Männern, richtig?«

Marzena nickt. »Wir haben die Steine überprüft, mehrfach, Kolja auch. Trotzdem und trotz Désirées Anleitung ist es keinem anderen Mann gelungen.«

Ich spüre, wie sich Kolja neben mir ein wenig weiter aufrichtet. Göttin, das mit dem Mann-Sein scheint ihm ja wirklich wichtig zu sein!

»Wer hat es denn schon alles ausprobiert, wenn ich fragen darf?« Ich deute auf den schmollenden Rebellen. »Also wenn es nur Gero war, dann … «

»Ich habe es ebenfalls versucht«, fällt mir Adrian ins Wort. »Wie du sehr wohl weißt. Ebenso übrigens Dennis und Sascha.« Er nickt den beiden anderen Männern zu. »Keinem von uns ist gelungen, was dein Sohn geschafft hat. Was auch der Grund dafür sein mag, wir haben ihn noch nicht gefunden.«

»Eieiei.« Ich grinse, so breit ich kann. »Kinder, könnt ihr denn gar nichts ohne mich?«

Adrian geht nicht auf mein Geplänkel ein. Vielmehr schüttelt er den Kopf auf eine Art, die mir zeigt, dass er jetzt nicht mehr zum Scherzen aufgelegt ist. Das hier ist ernst.

»Na schön«, sage ich. »Ich sage es euch ja. Ich meine, nicht, dass ich es mit absoluter Sicherheit wüsste, aber eine Idee habe ich schon. Dass euch das nie in den Sinn gekommen ist … Ich meine, was ist denn der große Unterschied zwischen Kolja und euch anderen Männern?«

Jetzt habe ich jederfraus Aufmerksamkeit. Auch mein Sohn sieht mich fragend an.

»Nun ja«, sagt er zögernd, »ich komme aus dem Großen Moldawischen Reich.«

Adrian winkt ab. »Daran kann es nun wirklich nicht liegen, Kolja.«

»Hm.« Simone legt den Kopf schief und mustert den Jungen an meiner Seite. »Ehrlich, Helena, ich kann keinen Unterschied entdecken, der eine Rolle spielen sollte. Außer vielleicht«, sie tippt sich an die Nasenspitze, »sein Alter? Sein Alter! Ja genau, das muss es sein! Die anderen sind aus irgendeinem Grund, den nur die Göttin kennt, zu alt dafür!«

Ich schüttele den Kopf. »Netter Versuch. Aber ehrlich gesagt vollkommener Blödsinn.«

»Was ist es dann?«

»Komm schon, Helena, spann uns nicht länger auf die Folter!« Marzenas Lächeln ist kein bisschen mütterlich, sondern im Gegenteil ganz schön fies. »Sonst fange ich wieder an zu weinen!«

Große Göttin, alles, bloß das nicht!

»Schon gut, ich verrate es euch ja! Also, ihr Heldinnen, es ist doch, so denke ich zumindest, im Grunde ganz einfach: Kolja hat etwas ganz Entscheidendes, etwas, das offenbar dafür gesorgt hat, dass er fähig ist, Magie zu benutzen.« Ich wette, dass ich gerade wie die Selbstgefälligkeit in Person aussehe. »Er hat mein Blut.«

Gero lacht auf. »Dein Blut? Na, da lässt sich drankommen! Andererseits – nun ja, liebe Helena, du hast ja immer schon dazu geneigt, dich selbst zu überschätzen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie du darauf kommst, dass ausgerechnet du hier mal wieder der Schlüssel bist. Ist ja schließlich nicht so, als wärst du Koljas biologische Mutter.«

Ignorieren oder töten? Ich entscheide mich für Ersteres. Göttin, ich werde alt.

»Damals in Annaburg«, wende ich mich an die anderen, »habe ich Kolja adoptiert.«

»Ja und?«

»Warst du nicht mit dabei?«

Marzena schüttelt den Kopf.

»Ich war erst später gekommen.«

»Ach ja, stimmt ja. Und bei der Gerichtsverhandlung warst du auch nicht, stimmt`s?«

»Genau.«

Erinnerungen steigen hoch. Eine Kerkerzelle, Kolja und ich. Birgit und Jenny, zwei Nordgardistinnen. Ihre Obere Frau Breuer. Ein Anwalt namens Devon und eine Bluthexe: Rona NicMara. Sie alle waren anwesend, als ich Kolja offiziell zu meinem Sohn gemacht habe, um ihn vor Heidrun von Borgentreich, der drittmächtigsten Frau im Reich, zu beschützen.

»Stimmt, keiner von euch war dabei. Aber ihr wisst doch, dass ich Kolja adoptiert habe.«

Adrian nickt. »Stimmt. Mit Blutmagie, habe ich recht?«

»Ganz genau. Nachdem ich ihn als Sohn angenommen habe« – die Erinnerung ist erstaunlich schmerzhaft – »hatte sich mein Magiemuster vollkommen verändert.«

»Nun mal langsam«, sagt Adrian und hebt den Arm. »Erzähl uns doch bitte ganz genau, wie das damals vonstattengegangen ist.«

Ich zucke mit den Schultern. »Viel zu erzählen gibt es nicht. Die Bluthexe hat Kolja und mir die Haut am Handgelenk aufgeritzt und dabei irgendwas vor sich hingemurmelt, Blutmagie eben. Sie hat unser Blut miteinander vermischt und es dann zurück in unsere Körper geschickt.« Ich entblöße mein linkes Handgelenk und zeige die dünne, rotgoldene Narbe, die geblieben ist.

Mein Sohn tut es mir gleich.

»Wie gesagt: Das war es auch schon. Seitdem ist Kolja mein Sohn, durch Blutmagie und vom Goldenen Gericht anerkannt.«

Désirée ist vorgetreten und mustert fasziniert unsere Narben.

»Damit seid ihr so verbunden, als wärt ihr tatsächlich miteinander verwandt?«

»Keine Ahnung. Rechtlich gesehen auf jeden Fall.«

Die Rebellin nickt. »Zwischen Mutter und Tochter besteht immer Magie, ebenso, wenn auch sicherlich schwächer, zwischen Mutter und Sohn. Liebe ist etwas Magisches, das sogar Nicht-Frauen mit einschließt. Ein mit Liebe und Blutmagie geknüpftes Band – ich kann mir nichts Stärkeres vorstellen.«

»Du willst damit also sagen, dass Kolja deshalb Magie anwenden kann, weil dein Blut in seinen Adern fließt?«

»Ist nur so eine Vermutung. Könnte aber was dran sein, oder?«

Marzena und Adrian tauschen einen Blick.

»Jaaaa«, sagt sie schließlich langsam, »das könnte tatsächlich Sinn machen. Die Frage wäre nur, wieso das dann bei den anderen Männern nicht klappt.« Sie tätschelt ihren mittlerweile schon recht runden Bauch. »Die haben ja schließlich im Mutterleib auch das Blut einer Frau bekommen.«

Sie lächelt. »Ha, aber ohne Magie! Das könnte der springende Punkt sein: Sobald eine Frau schwanger ist, kann sich ihre Magie nicht erneuern! Während der gesamten Schwangerschaft nicht. Als du Kolja adoptiert hast, hattest du aber noch Magie, nicht wahr?«

»Genau. Sie war gefesselt, aber vorhanden. Sonst hätten wir ja auch keine Magiemuster anlegen können.«

Einen Moment lang hängen wir alle unseren Gedanken nach. Gut, bis auf Gero vielleicht, der einfach nur dumm aus der Wäsche guckt.

Ich lächele ihn an. »Nur, damit auch du das jetzt verstehst, lieber Gero-Spatz: Mein Blut nützt dir jetzt also nichts mehr! Keine Magie, kein Nutzen. Kannst also aufhören, davon zu träumen, mich mit deinem Kartoffelmesser zu piksen!«

Bevor der Rebell etwas erwidern kann, tritt Marzena vor mich hin und umarmt mich dann zu meiner Verblüffung.

»Helena, du bist genial!«

Ich mache mich stocksteif. Muss das sein? Ihr Bauch ist erstaunlich fest, ich hatte mir das weicher vorgestellt. Dennoch hätte ich auf diese Erfahrung gern verzichtet.

Endlich löst sie sich von mir und strahlt mich an. Rundherum – mit Ausnahme natürlich von Mister Vollpfosten – glückliche, geradezu fröhliche Gesichter, deren Augen auf mich gerichtet sind. Hilfe!

Eine Hand schiebt sich in meine. Mojserce. Wie immer beruhigt mich sein vorsichtiger Händedruck. Dennoch mache ich vorsichtshalber einen Schritt rückwärts. Nicht, dass hier noch eine auf die Idee kommt, mich durchzuknuddeln!

Es ist schließlich Simone, die in ihrer durchdachten, ruhigen Art die Dinge zusammenfasst.

»Wir müssen also nichts weiter tun, als Frauen Männer und Fräulein adoptieren zu lassen. Dafür brauchen wir willige Frauen – das dürfte kein Problem sein« – Adrian nickt. »Ich schicke gleich eine rüber zu Martinas Gruppe.« – »Willige Männer, ebenfalls kein Thema, und, und das dürfte zweifellos das größte Problem sein, eine Bluthexe, die bereit ist, uns zu helfen.«

»Das können wir knicken«, sagt Désirée betrübt. »Jede Bluthexe muss sich in Annaburg registrieren lassen und einen Eid schwören, der Goldenen Frau zu gehorchen und niemals zu schaden.«

»Das verlangt ja auch keine!«

»Trotzdem. Wir können keine Bluthexe auf unsere Seite ziehen, ohne ihr zu erklären, was wir vorhaben.« Désirée rümpft die Nase. »Und wenn wir das tun, kann sie schwerlich so tun, als würde das der Goldenen Frau nicht langfristig schaden oder gegen deren Gesetze verstoßen. Es ist ja eine Menge möglich in dieser Welt, aber nicht, einen blutmagischen Eid auszutricksen.«

Kolja neben mir schaudert. »Oh ja!«

»Also was ist die Alternative?« Adrian beginnt, hin und her zu gehen. »Wir brauchen eine Bluthexe, die uns hilft, ungewöhnliche Adoptionen durchzuführen. Eine, die keine Fragen stellt, weil sie uns nicht mehr helfen wird, wenn wir sie beantworten.«

Marzena nickt langsam. »Du meinst, so tricksen wir sie aus: Durch Nichtwissen.«

»Ganz genau.«

»Das ist doch vollkommen lächerlich!«, plustert sich Gero auf. »Keine Bluthexe auf der ganzen Welt würde uns helfen, ohne den Grund zu wissen!«

Kolja zupft mich am Arm.

»Was ist denn, mein Schatz?«

Er weicht meinem Blick aus, windet sich.

»Ich hätte da eine Idee.«

Es liegt nicht in Koljas Natur, sich in den Vordergrund zu drängen. Auch vor anderen spricht er nur ungern, vor allem, wenn es so viele sind wie hier. Ich fürchte, da muss er aber durch.

»Kolja hat eine Idee«, wiederhole ich laut, so dass es alle hören können.

»Und welche?« Adrian hält inne und lächelt Kolja aufmunternd zu.

Mein Sohn holt tief Luft. »Die Bluthexe in Annaburg!«

Hexenherz. Goldener Tod

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