Читать книгу Hexenherz. Goldener Tod - Monika Loerchner - Страница 19
ОглавлениеÜber die Schöpfung
Einst schuf die Große Göttin die Weltkugel. Sie schob die Oberfläche an einigen Stellen zu Bergen zusammen und füllte die so entstandenen Täler mit Wasser.
Sie schuf den Tag und die Nacht, den Wind und den Regen, doch die Erde blieb öde und leer.
Da nahm sie einen Teil ihrer Göttinlichkeit, einen Funken bloß, ließ ihn von Wind und Sonne trocknen, zerrieb ihn und streute die Körner über das Weltenrund.
Wo die Samen auf die Erde trafen, wuchs Leben, das im Boden verhaftet war, und wo sie ins Wasser fielen, entstand das bewegliche Leben.
Der Göttin gefielen die Wesen, die sie erschaffen hatte. Sie berührte ein jedes von ihnen und ein jedes wuchs auf andere Weise, um ihr zu gefallen.
Viele Jahre lang schaffte die Göttin neues Leben. Doch mehr und mehr wurde sie sich ihrer Einsamkeit gewahr, denn keines ihrer Wesen vermochte sie zu erkennen. So wollte sie eines erschaffen, das mehr wahrnehmen konnte, als ihm seine Sinne verrieten. Die Göttin nahm von all ihren Lieblingswesen die besten Teile und fügte sie zu einem Ganzen zusammen. Sie nahm ein winziges Körnchen ihrer Göttinlichkeit, legte es in das Wesen und der Mann erwachte.
Die Göttin war sehr angetan von ihren neuen Geschöpfen, denn die Männer sprachen zu ihr, priesen sie und beteten sie an. Doch allzu bald änderte sich ihr Verhalten. Sie wurden mürrisch und streitlustig und nutzten die Kraft ihrer Körper und Geister, um sich die Schöpfung der Göttin untertan zu machen. Sie vergaßen, ihr zu huldigen, wurden wild und versehrten einander.
Die Göttin brachte es nicht über sich, die Mannheit zu töten, denn sie hatte sie lieb gewonnen und wann immer sie ihnen zürnte, sprachen die Männer wieder süße Worte, so dass ihr Kummer verging.
Doch mit der Zeit wuchs der Unmut der Göttin. Sie erkannte, dass der göttinliche Funke, den sie in die Männer gelegt hatte, erloschen war.
Da nahm sie erneut das Beste aller ihrer Lieblingswesen, doch nun fügte sie das Fruchtreiche der Erde selbst hinzu. Und jenen Wesen schenkte sie erneut einen winzigen Teil ihrer Göttinlichkeit und schloss ihn ein in das Fruchtbare, auf dass er nie verglimmen möge. Und so kamen die Frauen zu den Männern, um sie vor dem Zorn der Göttin zu erretten.
Die Männer waren in der Zwischenzeit längst wild geworden, außer sich in ihrer hilflosen Raserei aufeinander, denn sie hatten keine Aufgabe und waren ohne Lebenssinn.
Die Frauen, mit deren Körpern ein Teil der göttlichen Macht erblühte, huldigten der Göttin, aber nicht nur mit süßen Worten, sondern auch mit ihren Taten. Sie lebten in Einklang mit den anderen Geschöpfen, errichteten Heime und Kunst, in der sie die Wunderhaftigkeit der Göttin priesen und ehrten.
Die Große Göttin war sehr glücklich über die Frauen und beschloss, die Männer wieder von der Erde fortzunehmen. Doch die Frauen wiederum hatten die Männer mittlerweile lieb gewonnen. Als sie vom Vorhaben der Göttin erfuhren, baten sie um Gnade. Sie boten der Göttin an, fortan für die Männer verantwortlich zu sein, ihnen beizubringen, im Einklang mit der Schöpfung zu leben und ein Heim zu schaffen, mit ihrer Körperkraft für einander zu sorgen, Feuer zu machen und Bilder, Statuen und Musik zu Ehren der Göttin zu erschaffen. Als Zeichen dieses ewigen Bundes zwischen Frau und Mann nahmen sie einen winzigen Teil ihrer göttinlichen Macht und legten sie in den Schoß der Männer, so dass sie fortan nur noch mit ihnen gemeinsam neues Leben zeugen konnten.
Die Große Göttin zeigte Gnade, blieb aber argwöhnisch und verkündete den Frauen, ein Zeichen zu senden, das die Männer ermahnen möge: Wann immer ein Regenbogen am Himmel erscheint, sollen sich die Männer daran erinnern, alle Schöpfung, gleich welcher Form, Größe oder Farbe, zu achten und zu schützen und der Frau untertan zu sein. Sonst würde der Zorn der Göttin erneut über sie kommen und sie würde sie von der Erde nehmen bis in alle Ewigkeit.
Und so retteten die Frauen die Männer und gaben dafür einen Teil ihrer Göttinlichkeit her.