Читать книгу Mia und der Erbe des Highlanders - Morag McAdams - Страница 5

Kapitel 1

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Missmutig starrte Mia das blassgelbe Kleid an, das auf einem gepolsterten Bügel an der Kleiderschranktür hing. Es würde schrecklich an ihr aussehen und ihren Teint noch heller erscheinen lassen. Fred würde davon begeistert sein, weil es perfekt zu ihrer Rolle passte. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum ausgerechnet ihr Freund diese Begeisterung für alles Historische hatte, die sie nicht teilen konnte. Grob zerrte sie an dem Kleiderbügel, bis sie ihn schließlich von der Tür nehmen konnte. Sie hielt sich das Kleid an den Körper und beäugte die Fremde im Spiegel. Ein junges Mädchen mit elegant hochgesteckten Haaren und unnatürlich heller Haut starrte zurück. Fred hatte sie überredet, ihn zum historischen Festival seiner Heimatstadt zu begleiten.

Dem Anlass angepasste Kleidung war dabei für ihn Pflicht und so begann sie seufzend, das Ungetüm von Kleid anzuziehen. Sie stieg in den Rock und schloss so viele Knöpfe wie möglich, bevor sie das Oberteil hochzog. Nach einigen Verrenkungen gab sie es auf, die verbliebenen Verschlüsse zu erreichen. Stattdessen schlüpfte sie in die schwarzen Schnürstiefel, die dazugehörten, und legte ein braunes Schultertuch um, das kratzte. Fred würde sich etwas einfallen lassen müssen, um das wieder gut zu machen. Mia genoss die Zeit mit ihrem Freund, obwohl ihre Interessen sich nicht immer deckten. Fred, in dessen braune Augen sie sich verliebt hatte, war ihr Halt im Leben. Möglicherweise liebte sie ihn, doch Mia hielt sich für zu jung, um eine Beziehung mit diesem Wort zu belasten.

Als es klingelte, wäre sie beinahe über ihre Röcke gestolpert. Mit klopfendem Herzen öffnete sie die Tür. Ein Grund, warum sie sich zu diesem Ausflug überreden lassen hatte, war, dass sie Fred in der ungewohnten Kleidung sehen wollte.

Sie wurde nicht enttäuscht. In seinem braunen Frack und der hellen Hose sah er umwerfend aus. Den Zylinder hielt er in der Hand, als er sich hinab beugte, um sie zu küssen. Sein Bart kratzte ein wenig auf ihrer Haut.

»Können wir los?«

»Erst musst du mir helfen, dieses verflixte Kleid zuzuknöpfen«, grummelte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ihr war der Blick nicht entgangen, den Fred ihr zuwarf, und sie hütete sich, ihn ins Schlafzimmer zu führen, obwohl sie ihr Aussehen im großen Spiegel gerne nochmals überprüft hätte.

»Wo ist deine Haube?«, fragte Fred, nachdem er zu lange damit beschäftigt gewesen war, die wenigen Knöpfe zu schließen, und verräterische Röte in Mias Wangen gekrochen war.

Sie zuckte mit den Schultern.

»Es war keine dabei. Und außerdem stecke ich mir doch nicht die Haare hoch und verstecke sie dann unter einem schmucklosen Stück Stoff!«

»Wusstest du«, begann Fred, als sie sich auf den Weg machten, »dass du gar kein Kostüm anhast?«

»Hmm? Nicht?«, fragte Mia abgelenkt, weil sich der Rock in ihrem Stiefel verfangen hatte.

»Wenn wir gleich zu den anderen stoßen, würdest du dich mit diesem Begriff lächerlich machen«, warnte er. Mia konnte es nicht glauben. Sie fragte sich, auf welches Abenteuer sie sich eingelassen hatte, wenn sie nicht einmal die Kostümierung beim Namen nennen durfte. Sie begann zu zweifeln, doch Fred riss sie aus ihren Gedanken.

»Es heißt ‚Gewandung‘. Ein Kostüm trägt man an Karneval.«

»Okay«, entgegnete sie langsam und hatte nicht den Eindruck, dass sie verstand, was ihr Freund meinte. Doch um seinetwillen wollte sie sich Mühe geben. Sie wollte ihn nicht blamieren.

Am Bahnhof angekommen, bestaunte Mia die schwarze Lokomotive, die eine schwere weiße Dampfwolke ausstieß. Es rauchte und zischte und dampfte überall aus der Maschine und nur, weil sie sich nicht vor Fred blamieren wollte, rannte sie nicht wie ein kleines Kind hin. Der altertümlich uniformierte Schaffner half gerade einer elegant gekleideten Frau, die Trittstufen zu einem der Waggons zu erklimmen. Fast jeder auf dem Bahnsteig war auf dieselbe Art gekleidet wie sie und Mia begann, sich zu entspannen. Die »zeitgemäße Anreise«, auf die Fred bestanden hatte, machte die aufgeplusterte Kostümierung wieder wett. Sie hatte bereits beinahe wieder vergessen, dass dieses Wort tabu war.

Staunend trat sie näher an das Ungetüm, das unter dem Namen Tornado bekannt geworden war. Es war eine typische Touristenattraktion, ein Nachbau des Exemplars der London and North Eastern Railway, und nicht so stilecht, wie ihr Freund dachte. Dieser Dampfloktyp wurde erst im zwanzigsten Jahrhundert gebaut – und verschrottet – und ihr Kleidungsstil gehörte sicher nicht in diese Zeit. Einige Jahre machten einen großen gesellschaftlichen und technischen Unterschied, hatte Fred ihr immer wieder gesagt, wenn er versuchte, sie für die Geschichte ihrer Heimat zu begeistern. Nur bei Dampflokomotiven kannte er sich nicht aus. Aber Mia war begeistert. Sie liebte Dampfmaschinen und Dampftriebwagen. Ihr Vater hatte ihr diese Begeisterung vererbt, und auch jetzt, als der langgezogene Pfiff ertönte, dachte sie mit Wehmut an glücklichere Tage als Familie zurück. Doch sie kannte diesen Schmerz und wusste, dass durch ihn die Reise umso kostbarer wurde. Freds Hand an ihrem Ellenbogen lenkte sie zum Waggon zurück.

Sie hatte gerade ihre Röcke und Unterröcke geordnet und mehr oder weniger elegant auf der leicht abgenutzten roten Polsterbank Platz genommen, als der Zug langsam anfuhr. Fred lächelte sie an und Mia legte, plötzlich befangen, ihre Hand in seine. Er wusste, wie sehr sie die Öffentlichkeit mied, doch mit seiner ruhigen Art hatte er sie dazu überredet, den Tag damit zu verbringen, im Rampenlicht zu stehen. Aber gleichzeitig hatte er mit seinem sanften Drängen dafür gesorgt, dass ein Traum in Erfüllung ging, den sie nicht mehr zu träumen gewagt hatte. Dieser Mann tat so viel und verlangte so wenig, und sie konnte ihm bisher nicht einmal sagen, was sie für ihn empfand.

Mia versuchte, ihr plötzlich rasendes Herz zu beruhigen. Sie schloss die Augen und lauschte auf das Rattern der Waggons. Freds Nähe ließ sie Sicherheit spüren, die sie so lange vermisst hatte. Sie konnte den Gedanken nicht aufhalten, der sich auf den Weg in die Freiheit gemacht hatte.

»Ich glaube, ich liebe dich«, flüsterte sie.

Fred lächelte und Mia fragte sich, woran es lag, dass sie ihm nach fast einem Jahr noch immer so verfallen war. Er war nicht im eigentlichen Sinne gutaussehend mit den schiefen Zähnen und der leicht passiven Körperhaltung, doch etwas an ihm hatte sie in seinen Bann gezogen.

»Ich würde dich ja küssen«, flüsterte er in ihr Haar. »Aber mit der Gewandung haben wir auch eine Rolle angenommen. Siehst du die grimmige Frau dort drüben?«, fuhr er etwas lauter fort, weil der Zug Fahrt aufgenommen hatte und die Geräuschkulisse anstieg. Er winkte der Dame zu, die Mia bereits beim Einsteigen gesehen hatte. Sie hatte ihren fülligen Körper in ein grünes Kleid gehüllt und sich so vorbildlich niedergelassen, dass später sicherlich keine einzige Falte zu sehen wäre. Mia nickte ihr höflich zu und fühlte sich klein.

»Das ist Marion. Sie hält sich für den Wächter der Authentizität innerhalb der Gruppe und schimpft, wenn wir uns nicht benehmen.«

Von dieser Aussicht nicht begeistert, aber auch nicht überrascht, faltete Mia die Hände im Schoß.

»Nun, Mylord, sagt mir, was mich heute erwartet.«

Trotz der geringen Geschwindigkeit – Mia wusste, dass die Tornado auf Ausflugsfahrten nicht mit maximaler Leistung fuhr – erreichten sie bald ihr Ziel. Hinter St. Andrews hatte der Zug noch einmal gehalten und fünf weitere Fahrgäste waren eingestiegen. Das gleichmäßige Rütteln während der Fahrt hatte ihre Mitreisenden träge gemacht. Die Gespräche waren verstummt und beinahe jeder hatte sich darauf beschränkt, aus dem Fenster zu sehen. Der historische Zug zog in jeder der kleinen Ortschaften, durch die er fuhr, die Aufmerksamkeit auf sich. An mehreren Bahnübergängen waren die Autofahrer sogar ausgestiegen und fotografierten die vorbeifahrende Dampflok.

Mia hatte jedes Stoßen, jedes Pfeifen genossen, während sie dem Geräusch der Räder lauschte, und sich gewünscht, diese Erfahrung mit ihrem Vater teilen zu können. Angespannt hatte sie auf ihrem Sitz gesessen und versucht, sich jedes Detail zu merken, damit sie ihm bei ihrem nächsten Besuch davon berichten konnte.

Als sie schließlich auf dem Bahnsteig standen, begann Mias Hand sich an ihren Platz auf Freds Unterarm zu gewöhnen. Mia selbst fühlte sich ausgeliefert. Selbstverständlich vertraute sie ihrem Freund und ein Teil von ihr genoss die Sicherheit seines Arms, doch sie war sich bewusst, dass sie so jede seiner gewählten Richtungen einschlagen musste. Für jemanden, der früh gelernt hatte auf eigenen Beinen zu stehen, fühlte sich diese Situation unnatürlich an. Die Lok gab ein letztes klagendes Pfeifen von sich und fuhr los. Mia spürte das ungewohnte Gewicht ihres Kleides und fühlte sich eingesperrt. Vor kurzer Zeit erst hatte sie, beinahe ohne es zu wollen, Fred ihre Gefühle offenbart und nun schien sie bereits an ihn gebunden zu sein.

Panik stieg in ihr auf, als er den ersten Schritt machte, und nur zögerlich folgte sie ihm. Nach wenigen Metern drehte er sich zu ihr um.

»Es ist nur eine Rolle, Mia. Du bist immer noch du. Entspann dich, Schatz.«

Sie holte tief Luft. Fred hatte recht. Eine Rolle. Damit konnte sie umgehen. Sie war schon in viele Rollen geschlüpft. Das nette Mädchen, die angepasste Schülerin, das freundliche Zimmermädchen, die aufopferungsvolle Tochter, und, wenn man ihrer Mutter Glauben schenkte, das lieblose Biest. Mia war sich manchmal nicht mehr sicher, wo in den vielen Rollen sie selbst zu finden war. Doch sie war sich bewusst, dass sie ihrem Selbst immer dann am nächsten war, wenn sie mit Fred zusammen war. Das war noch eine Sache, die ihr am Verliebtsein missfiel. Sie konnte sich nicht vor Fred verstecken, sich nicht verstellen, um einen besseren Eindruck zu machen. Doch auf der anderen Seite genoss sie jeden Moment mit ihm. Jetzt lag ein ganzer gemeinsamer Tag vor ihnen und sie würde sich daran freuen.

Sie ließ den angehaltenen Atem langsam entweichen, dann straffte sie die Schultern und wollte sich gerade vorbeugen, um Fred zu küssen, als eine laute Stimme nach ihnen rief.

»Wo bleibt ihr denn?«, schnaufte die korpulente Dame in Grün und eilte auf sie zu. »Also wirklich, Frederick, du solltest es besser wissen!«

Fred setzte sein einstudiertes Lächeln auf, entließ Mias Hand aus seinem Griff und zog den Hut.

»Entschuldige, Marion. Darf ich vorstellen: Marion, das ist meine Freundin Mia. Mia: Marion Stewart, Koordinatorin unserer Truppe.« Mia hörte den Spott, der Marion entging, als sie einen kritischen Blick über ihre Aufmachung gleiten ließ.

»Freundin also? Du weißt, was das für heute bedeutet, Frederick.«

»Ich hasse diesen Namen.« Er klang, als sei dieses Thema schon oft diskutiert worden.

»Ah ja, der Name. Da müssen wir auch noch etwas ändern.« Sie zog einen zerknitterten Zettel aus dem Stoffbeutel, der an ihrem Handgelenk baumelte. Mia fühlte sich überrollt.

»Was ist falsch an unseren Namen?«, fragte sie. Fred grinste plötzlich, und als Marion zu einer wahren Tirade ansetzte, biss sie sich auf die Lippe, um ernst zu bleiben. Alles an der dicken Frau war in Bewegung geraten, der Rock wogte, ihre Arme fuchtelten herum und sogar die Haare unter ihrer Haube begannen, sich zu lösen. Der Ausdruck aufrichtigen Entsetzens, der auf ihrem Gesicht erschien, war herrlich anzusehen, und Mia nahm sich vor, sie im Laufe des Tages noch mindestens ein weiteres Mal in Rage zu versetzen.

»Okay, schon gut«, lenkte sie schließlich ein, als Marions Kopf immer dunkler wurde. »Aber ich bin ganz bestimmt keine Emilia.«

»Das ist aber schade. Nicht wahr, Frederick?« Fred wurde rot und Mia war sich sicher, den Witz nicht verstanden zu haben.

»Emma«, schnaufte die Hüterin der Traditionen nach einer kurzen Pause und notierte etwas auf ihrem Zettel. »Es gab da mal einen Film und Sie sehen aus wie die Hauptdarstellerin, wenn auch mit etwas dunklerem Haar.«

»Emma? Jane Austens Emma? Ich bin doch kein hochnäsiges Weib, das den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht!«

»Nicht wie diese Emma, Liebes.« Marion hob angesichts dieses Kosewortes eine Augenbraue, sagte jedoch nichts. »Aber vielleicht wie Prinzessin Emma, die spätere Regentin und Königin-Mutter der Niederlande.«

Das ungesagte »Es ist nur eine Rolle« hörte Mia deutlich, doch der Vergleich mit einer Prinzessin schmeichelte ihr trotzdem. Das Wissen ihres Freundes um die Königshäuser Europas erstaunte sie immer wieder. Sein Interesse galt nicht nur seiner Heimatstadt und dem Clan der McLarens, sondern er schien auch fasziniert von den Adelsfamilien auf dem Kontinent.

»Na schön«, gab sie nach und lächelte schelmisch. »Frederick.«

»Touché!«, lachte ihr Freund.

»Los jetzt!« Gemeinsam mit Marion schlossen sie sich endlich der Prozession der Gewandträger an.

Inmitten der Gruppe fühlte Mia sich wohl. Die Anspannung fiel von ihr ab, als sie nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Marions hektisch geflüsterte Anweisungen, sich ins Stadtbild einzufügen und ja an die Regeln zu denken, führten zu durchgestreckten Rücken und dazu, dass viele kleinere Grüppchen entstanden. Augenscheinlich verheiratete Paare schlenderten davon, Frauen gesellten sich zu ihren Freundinnen und ein weiteres Pärchen schloss zu ihnen auf. Der junge Mann zog seinen Hut und stellte sie vor.

»Ich bin Honoratus, und das ist Mildred.«

Mia lachte. »Und wie heißt ihr wirklich?«

»Patrick und Lily«, flüsterte das Mädchen, das versuchte, ihre Akne unter einer Makeupschicht zu verstecken. »Aber lass das bloß nicht Marion hören!«

Sie hatte wirklich Glück gehabt bei der Namensvergabe, stellte Mia fest. Doch trotzdem mochte sie sich nicht damit anfreunden, Emma zu sein. Sie dachte an alte Damen, die zu viel Parfum benutzten und einen echten Nerz trugen, während sie am Arm ihres Freiwilligendienstleistenden zum Bäcker um die Ecke gingen. Der Name Emma war so unmodern, dass er in den Augen mancher schon wieder schick war. Doch Mia dachte wie Marion an hochnäsige, besserwisserische Fräulein aus längst vergangenen Zeiten. Emma aus Jane Austens Roman hatte sich unbeliebt gemacht bei dem Versuch, das Leben ihrer Freundinnen zu regeln. Dabei hatte sie ihr eigenes kaum im Griff gehabt und musste auf einen Mann warten, der ihr schließlich die Augen öffnete und sie davor bewahrte, sich weiterhin überall einmischen zu müssen. Unnötig zu sagen, dass sie unsterblich in ihn verliebt war und er sie heiratete.

Mia seufzte genervt. Der Vergleich mit der Schauspielerin störte sie nicht und sie hörte ihn auch nicht zum ersten Mal. Es war der Name, der sie abschreckte. Emma zu sein bedeutete, nicht auf eigenen Beinen stehen zu können. Emma war ein Relikt und Mia eine moderne junge Frau, die wusste, was gut für sie war, und die danach handelte.

Doch dann erinnerte sie sich daran, dass sie sich heute in der Vergangenheit befand.

Wie einstudiert legte Mia ihre Hand wieder auf Freds Arm und die beiden Paare machten sich gemeinsam auf den Weg in die Innenstadt. Sie war mit ihrem Rollennamen versöhnt, obwohl sie nicht verstand, wozu er benötigt wurde. Schließlich würde niemand ihre privaten Gespräche hören. Sie begegneten immer mehr Schaulustigen, je näher sie dem Zentrum der Stadt und somit auch des Festivals kamen. Im Gegensatz zu der Gruppe, mit der sie angereist war, trugen viele der Zuschauer Kilts in den unterschiedlichsten Farben, was Fred zu missmutigen Kommentaren reizte. Nicht länger so unsicher wie noch am Morgen winkte Mia einem kleinen Mädchen zu, das sie mit offenem Mund anstarrte. Der Mutter war das offenbar peinlich, denn sie versuchte, die Kleine an der Hand zurückzuhalten. Doch sie riss sich los und stand dann atemlos vor der Gruppe.

»Seht ihr schön aus!«, staunte sie. »Warum habt ihr euch verkleidet?«

Ratlos sah Mia zu Fred und dem jungen Pärchen. Das war eine gute Frage, auf deren Antwort sie genauso gespannt wartete wie das Mädchen.

»Weißt du, kleine Lady«, Fred ging in die Hocke, damit er die Kleine besser ansehen konnte, »heute ist ein Fest, an dem wir uns daran erinnern, wie die Eisenbahn zum ersten Mal in die Stadt kam. Dadurch konnten Fabriken gebaut werden und die Leute Geld verdienen.«

»Und dann konnten sie schicke Kleider kaufen!«

»Ganz genau, kleine Lady.« Fred erhob sich wieder, als die Mutter des Mädchens es am Arm packte und nach einem knappen Zunicken mit ihrer Tochter in der Menge verschwand.

»Armes Kind«, bemerkte Mia, doch Lily – Mildred – zuckte mit den Schultern.

»Wer weiß, warum die Mutter so ist. Ich bin früher meiner Mama auch immer weggelaufen, wenn es etwas zu sehen gab. Ich brauche ja anscheinend heute noch einen Aufpasser.«

»Jedenfalls ist das Marions Meinung«, pflichtete Patrick bei. Mia hatte seinen Decknamen vergessen, hielt es aber nicht für wichtig genug, um nachzufragen.

»Unverheiratete Paare dürfen nicht miteinander alleine sein!«, äffte er ihren Tonfall so gekonnt nach, dass sie kichern musste. Auch Fred lächelte, doch er war schnell dabei, die Frau zu verteidigen.

»Sei nicht so gemein. Ihr wisst genau, dass ohne Marion hier ein heilloses Durcheinander herrschen würde.«

»Was ist das eigentlich mit Marion?«, frage Mia. »Wieso lasst ihr euch von ihr herumkommandieren? Sie ist doch gar nicht von hier, oder? Müsste es nicht einen Koordinator vor Ort geben?«

»Tja, dass Marion bei der Laiengruppe das Sagen hat, liegt an zwei Dingen. Zum einen würde es ohne einen Koordinator drunter und drüber gehen. Keiner würde sich wirklich an die Kleider- und Gesellschaftsordnung halten, wenn sie nicht darüber wachen würde.«

»Und zweitens?«

»Zweitens – und das ist der Grund, warum es gerade Marion ist – ist sie sehr wohl von hier, wie du es ausgedrückt hast. Ihre Familie ist sehr stark in der Kommunalpolitik engagiert. Es war ihr Großvater, der als Bürgermeister dieses Festival ins Leben gerufen hat. Sie sieht es als ihre Pflicht an, das Bestehen auf ihre Weise zu sichern.«

Mia brummte nur. Sie war noch nicht von der Wichtigkeit der Frau überzeugt, doch Fred und die anderen hielten ihre Rolle für selbstverständlich und sinnvoll. Mia erinnerte sie ein wenig an die Praxisanleiterin während ihrer Ausbildung. Ständig lief sie hinter den Mädchen her, kritisierte hier eine Falte im Betttuch, dort eine rund gewischte Ecke und im Bad auch noch das millimeterkleine Staubkorn, das auf dem Spiegel zu sehen war. Doch sie hatte eingesehen, dass es ohne Mrs Watson keine von ihnen unter die Besten ihres Jahrgangs gebracht hätte, und wenn Marion für das Festival von so großer Bedeutung war, konnte sie das akzeptieren.

Auf den Straßen hatten Händler ihre Stände aufgestellt und boten Dinge an, die sie für historisch hielten. Es gab Silberschmuck, Schultertücher, Dolche und Broschen und sogar billige Kleider für Kurzentschlossene, und Fred, der in den letzten Minuten ungewohnt still gewesen war, wand sich plötzlich aus ihrer Hand.

»Ich glaube, ich habe da jemanden gesehen. Eine alte Freundin«, murmelte er und verschwand hinter einem der Zelteingänge.

»Was war das denn jetzt?« Mia blieb nichts anderes übrig, als langsam mit Mildred und Zorro – bestimmt war sein Rollenname ähnlich lächerlich – weiterzugehen. Die Häuser, an denen sie vorbeikamen, sahen allesamt wie kleine Burgen aus. Zorro, der ihr galant seinen freien Arm angeboten hatte und sichtlich zufrieden mit den zwei Frauen die Straße entlang flanierte, erklärte ihr, dass diese herrschaftlichen Häuser erst vor knapp zweihundert Jahren errichtet worden waren. Man hatte die alten Gebäude abgerissen, als mit der Eisenbahn und den Fabriken der Reichtum kam, und Häuser im Stil der Zeit gebaut. Damals war der schottische Baronialstil modern, als die Menschen begannen, sich wieder auf ihre Wurzeln zu besinnen. Auf die gut erhaltenen Fassaden der alten Hauptstraße war die Stadt stolz. Mia kam sich dumm vor, als sie zögernd fragte:

»Von welcher Zeit reden wir hier eigentlich? An welches Jahr erinnert das Festival?« Viele der Besucher waren im Kilt erschienen, doch das Fehlen dieser traditionellen Kleidung unter der Gruppe, mit der sie angereist war, fiel ihr erst jetzt auf.

»1845!« Mildred beugte sich nach vorne, um an Zorro vorbei zu Mia zu schauen. Sie zwang sich zu lächeln.

Mit jedem Schritt wurde sie unruhiger. Wo blieb Fred nur? Doch Zorro zog sie unaufhaltsam weiter, weg von dem mit schwarzen Stoffbahnen ausstaffierten Zelt, bei dem Fred verschwunden war. Mia hatte sich nie für jemanden gehalten, der ohne seine zweite Hälfte nicht gut leben konnte, doch hier in der fremden Stadt unter den seltsam gekleideten Menschen wurde ihr mulmig zumute. Ihr Herz klopfte bis zum Hals und sie folgte Zorros Führung zögerlich. Als er jedoch vor einem großen Platz anhielt, auf dem viele Pavillons standen, stockte ihr der Atem aus einem ganz anderen Grund.

Ein Schloss überragte die weißen Unterstände, erhob sich mit Zinnen und Erkern über drei Geschosse in den strahlend blauen Himmel. Der vordere Teil war eindeutig älter als die in Gelb gehaltenen Mauern, die ihn überragten und dem Bauwerk zu seiner imposanten Größe verhalfen. In den Fenstern und auf den Dächern spiegelte sich das Sonnenlicht. Es war ein Bild wie aus einem Märchenbuch.

»Wow!«, entfuhr es ihr.

»Schön, nicht wahr?« Mildred hörte man die Begeisterung an. Mit vielen Gesten und leuchtenden Augen begann sie, von der Geschichte von Donnahew Castle zu erzählen. Dabei erfuhr Mia auch, dass Mildred schon als kleines Mädchen an dem Festival teilgenommen hatte. Ihre Eltern hatten sie mitgenommen und nun hoffte sie, Zorro dafür begeistern zu können, auch im nächsten Jahr mitzukommen.

Die Burg, die die malerische Kulisse für das Gedenkfest des Industrialisierungsbeginns bildete, war bereits am Anfang des vergangenen Jahrtausends erbaut worden. In dieser Zeit hatte noch der Clan der McLarens über ein Gebiet geherrscht, das so viel Fläche umfasste, dass der Clanchief der Legende nach achtmal das Pferd wechseln musste, bevor er jedem seiner Dörfer auf einer Rundreise einen Besuch abgestattet hatte. Mia hatte sich Zweifel über die Qualität der Reittiere erlaubt, Mildred jedoch nicht unterbrochen. Die Jugendliche erzählte so eifrig, dass sie jeden Einwand vermutlich gekonnt überhört hätte. Dabei erfuhr sie auch, dass jeder Nachfahre der McLarens, der Oberhaupt des Clans wurde, automatisch den Beinamen »der Berserker« erhielt, ob er ein guter oder verwegener Kämpfer war oder nicht. Einer dieser Berserker hatte im achtzehnten Jahrhundert die Erdwälle hinter den Befestigungsmauern begradigen und einen großen Anbau vornehmen lassen, der in einem Schlossgarten endete. Es war derselbe Chief, der den Familiennamen McLaren zurück nach Donnahew Castle gebracht hatte. Er war angeblich ein Nachfahre eines Cousins des zweiten Berserkers, Ian McLaren, gewesen. Durch Erbstreitigkeiten und nach den Wirren mehrerer Kriege und Aufstände wurden die Ländereien schließlich aufgeteilt, und so kam es, dass der letzte der McLarens arm und kinderlos starb.

Mittlerweile waren in dem Prachtbau, vor dem mehrere Fahnen flatterten, Teile der Kommunalverwaltung untergebracht. Die Mauern, die einst den Innenhof umschlossen hatten, waren nur noch an wenigen Stellen erhalten.

»Warum hat man kein Hotel daraus gemacht?«

»Weil Frederick McLaren testamentarisch verfügt hat, dass Donnahew Castle den Bürgern zustehen sollte.« Unbemerkt war Fred wieder erschienen. »Es ist eigentlich eine tragische Geschichte. Der letzte Clanchief hatte vor seinem Amtsantritt eine Bürgerliche heiraten wollen. Aus Gram über seine verbotene Liebe hatte er erst im hohen Alter Emilia von Battenberg, eine Deutsche, zur Frau genommen. Sie starb bei der Geburt ihres einzigen Kindes und auch die kleine Prinzessin überlebte nicht. Man munkelt zwar, dass es einen illegitimen Erben gegeben hätte, doch niemand hat damals Anspruch auf das Land und den Titel erhoben.«

Mia wäre ihm vor Erleichterung über seine Rückkehr beinahe um den Hals gefallen. Gleichzeitig wurde sie wütend, weil er sie so unvermittelt und lange alleingelassen hatte. Also beließ sie es bei einem Lächeln und der unausgesprochenen Gewissheit, dass sie ihm darüber noch einiges zu sagen hatte. Fred hatte den Anstand, geknickt auszusehen.

»Die Stadt verwirklichte in einem Anfall von Patriotismus Frederick McLarens Willen.« Er zuckte mit den Schultern, als sei es ihm egal, doch Mia wusste, wie gern er es sähe, wenn Donnahew Castle vollkommen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt würde. Er hatte ihr schon viel von dem Gebäude erzählt und Mia hatte nicht erwartet, dass ihr erster Eindruck tatsächlich so überwältigend wäre. Möglicherweise lag es am Flair des Festes, doch vor ihrem inneren Auge sah sie Konzerte, Ausstellungen und eine alte Bibliothek, die für Interessierte offenstand. Sie fragte sich, wie Donnahew Castle von innen aussah und wie viel Schaden die öffentliche Hand durch die Nutzung der Räume angerichtet hatte. Verstehend drückte sie Freds Arm und nahm sich vor, seine Begeisterung für seine Heimatstadt nicht länger zu belächeln.

Am Rand des pavillonbedeckten Platzes sammelten sich die Damen und Herren. Marion scheuchte die Gruppe hin und her, bis klar wurde, dass sie versuchte, Ordnung in das Chaos aus weiten Röcken und gebürsteten Zylinderhüten zu bringen. Mia erkannte, dass lockere Reihen aus je vier Personen gebildet wurden. Die Paare stellten sich dem Alter nach auf und Mia fragte sich kurz, ob wohl Freds oder ihr Alter ausschlaggebend sein würde, da waren sie schon auf ihrem Platz. Freds also. Sie blickte sich nach Zorro und Mildred um, die weit hinter ihnen standen. Viele der Gesichter hatte sie auf der Zugfahrt nicht gesehen. Einige der anderen, die wie sie in die Gewandung der Vergangenheit gekleidet waren, waren auf anderem Weg angereist oder stammten aus dem Ort. Ihnen allen war gemein, dass sie einen Ausdruck würdevoller Spannung auf dem Gesicht trugen. In dem Durcheinander, das noch herrschte, wollte Mia gerade nach dem Grund ihrer Versammlung fragen, als Fred ihre Hand tätschelte und sie mit unergründlichem Blick ansah.

»Jetzt, meine liebe Emma, gibt es kein Zurück mehr.«

Sie lächelte unsicher und zuckte zusammen, als zwei Paukenschläge ertönten.

»Ladys und Gentlemen, werte Stadt, begrüßen Sie mit mir aus Aberdeen: Mr Walter Mannel mit Gattin Helen. Aus St. Andrews: Mr Louis Pukka mit Gattin Elizabeth. Aus Aberdeen …«

Mit jeder Nennung rückten sie einen Schritt näher an den Eingang. Noch standen sie leicht verdeckt hinter einer Abgrenzung aus Kübelpflanzen. Mia konnte nicht sehen, was auf dem Platz vor sich ging.

»Was passiert jetzt?«, flüsterte sie hektisch.

»Jetzt gehen wir auf den Festplatz, begrüßen den Stadtrat und nehmen im Schatten auf unseren Stühlen Platz«, brummte Fred. »Lass dich einfach von mir führen. Ach ja, vor dem Stadtrat musst du knicksen.«

Sie starrte ihn an, während er unbekümmert einen Schritt nach vorne ging und sie mit sich zog. Deshalb brauchten sie also andere Namen. Ihre Prozession war Teil einer Vorstellung für die Abgeordneten der Stadtverwaltung und vermutlich auch für die Bürger, die sich hinter den Pavillons aufgestellt hatten. Es war zu spät für Mia, um sich umzudrehen und zu gehen.

»Aus Cosgailkirk: Mr William McGregor und Gattin Therese. Aus Cosgailkirk: Mr Frederick Pyrmont und Miss Emma.«

Die ersten Meter stolperte Mia neben ihrem Freund her, bis sie sich auf ihre Rolle besann. Freds Arm bot ihr Halt, doch mit jedem Schritt wuchs die Gewissheit, dass sie sich und ihn vor den Würdenträgern blamieren würde. Kurz fragte sie sich, warum Freds Geburtsstadt und nicht sein Wohnort genannt worden war, doch dann hatte sie keine Zeit mehr, um nachzudenken. Ihr Puls raste und ein Schweißtropfen kitzelte sie im Nacken. Dann ließ Fred ihren Arm los, zog den Hut und verbeugte sich leicht. Mia schaffte es, irgendwie die Knie zu beugen und den Kopf zu senken, da spürte sie Freds Hand wieder an ihrem Ellenbogen und ließ sich von ihm unter den Pavillon führen. Erst als sie vor zwei Stühlen standen und er sie auffordernd ansah, ließ das Rauschen in ihren Ohren nach. Umständlich sortierte sie ihre Röcke, dann atmete sie erleichtert auf, als sie sich endlich setzen konnte. Sie hoffte inständig, dass dies der schwierigste Teil des Tages gewesen war, doch ein Blick auf Fred ließ sie daran zweifeln.

Mia langweilte sich während der Eröffnungsrede des Bürgermeisters. Obwohl es erst später Vormittag war, schwitzte sie unter dem weißen Stoffdach. Sie beneidete die Damen, die sich mit einem Fächer Luft zuwedelten. Dass es dem gemeinen Volk in Alltagskleidung unter freiem Himmel noch schlechter erging, war ein schwacher Trost.

Endlich verließ der Stadtoberste unter höflichem Applaus das Rednerpult. Ein Dudelsackspieler in dem blau-grünen Tartan, der Mias Vermutung nach zum McLaren-Clan gehörte, stimmte Auld Lang Syne an. Es erschien ihr falsch, dieses Lied im hellsten Sonnenschein zu hören statt an einem Silvesterabend, doch immerhin war das die Botschaft dieses Festivals: Auf die Alte Zeit, mein Freund, um der alten Zeiten willen. Die Menge lauschte andächtig den verhallenden Tönen, dann begann ein Kammerorchester zu spielen und die leichten Melodien umwehten sie wie ein luftiger Schleier.

Mia hätte sich entspannen können, wenn Fred nicht unruhig gewesen wäre. Immer wieder nestelte er an der Brusttasche seines langen Jacketts, veränderte den Stand seiner Füße und setzte sich zurecht. Sie konnte fühlen, wie er ihr immer wieder Blicke zuwarf, doch wenn sie sich zu ihm drehte, lächelte er sie beruhigend an, als wäre alles in bester Ordnung. Mia wurde nicht schlau aus seinem Verhalten. Vielleicht hatte es mit seinem hastigen Weggang auf dem Weg vom Bahnhof zu tun. Er hätte eine alte Freundin gesehen, hatte er gesagt. Mia fragte sich, was das zu bedeuten hatte, und wurde nervös. Es begann als leichtes Drücken in der Magengegend, als sie an diese andere Frau dachte, und wurde zu einem zugeschnürten Hals, als sie überlegte, in welcher Beziehung Fred zu ihr gestanden hatte oder noch stand. Konnte seine Nervosität bedeuten, dass er eine Entscheidung getroffen hatte, die sie ausschloss? Möglicherweise hatte sie ihn mit ihren forschen Worten am Morgen in die Enge getrieben und er suchte nun einen Ausweg. Er würde die andere Frau als Möglichkeit zur Flucht nutzen und sie bliebe allein zurück.

Angst lähmte ihre Gedanken und als nach dem Verklingen der Musik leise Gespräche geführt wurden und Fred aufstand und ihr die Hand reichte, sah sie ihn verständnislos an.

»Wollten wir nicht noch die eine oder andere Regel brechen?«, grinste er. »Ich schlage vor, wir fangen damit an, dass ich dir meine Stadt zeige – ganz allein!«

Mia nickte mechanisch, obwohl alles in ihr »Nein!« schrie. In Gesellschaft zu bleiben war sicher, da würde Fred nichts sagen, was ihre Welt ins Wanken bringen konnte. Doch sie mahnte sich zur Contenance, erhob sich, nahm Freds Arm und ließ sich von ihm führen. Es war nichts anders als eine weitere Rolle und sie war eine gute Schauspielerin. Sie würde so aussehen, als wäre sie vollkommen gelassen, während sie sich einzuprägen versuchte, wie sich Freds Arm unter ihrer Hand anfühlte, wie leicht er seine Schritte ihren kürzeren Beinen anpasste, wie sein Aftershave roch, das sicher nicht ins neunzehnte Jahrhundert passte.

Die Junisonne stand hoch am Himmel, doch in der Ferne ballten sich Gewitterwolken zu einem graugelben Berg, als Fred sie eine große Allee entlangführte. Er schwieg und Mias Nervosität stieg. Mit Anstrengung gelang es ihr, ihre verkrampfte Hand zu lösen. Sie hatte keinen Blick für den hübsch angelegten Teich übrig, den sie auf einem Schotterweg umrundeten. Hinter ihnen erhob sich Donnahew Castle, doch noch waren sie allein in dem kleinen Park. Das Geräusch ihrer Schritte erinnerte sie an zerbrochenes Glas und Mia hasste sich dafür, so abhängig von ihrem Freund geworden zu sein. Es war so einfach gewesen, sich an ihn zu lehnen, und nun fürchtete sie sich davor, den Halt zu verlieren.

Jeder Schritt tönte »nein, nein, nein« und »bitte, bitte, bitte«, als sie die Häuser der Stadt hinter sich ließen und die ersten freien Flächen der Highlands betraten. Fred nestelte an seiner Tasche und schwieg. Die Wolkenwand begann, sich vor die Sonne zu schieben. Mia wartete. Sie wartete so sehr, dass sie stolperte, als Fred sie in den Bogen einer hufeisenförmigen Mauer führte und stehen blieb. Angst griff nach ihr, als er sie losließ. Das war es, das Ende.

Sie sah Fred einen Gegenstand in der Hand halten. Er wirkte nervös. Mias Blut rauschte in ihren Ohren und übertönte beinahe seine Worte. »Willst du mich heiraten?«

Sie erstarrte und versuchte, einen Sinn hinter dem Gesagten zu erkennen. »Was?«, krächzte sie mit enger Kehle.

»Ich liebe dich, Mia. Willst du mich heiraten?«

Die Erleichterung bahnte sich ihren Weg und Mia begann zu lachen. Erst war es ein Kichern, das sie stoppte, indem sie die Arme um Freds Hals schlang und ihn küsste. Seine Bartstoppeln kratzten und seine Lippen waren kalt, doch es war perfekt. Sie küsste gerade ihren Verlobten! Das Lachen wurde hysterisch, als sie nach Luft schnappte und realisierte, dass sie ihm antworten musste. Doch in ihrem Lachanfall war sie nicht in der Lage, das einsilbige Wort zu artikulieren. Keuchend hielt sie die Hände vor sich und versuchte, zu Atem zu kommen. Fred wich zurück.

Als Mia die Hand nach ihm ausstreckte, rollte der Donner heran, ein mächtiger, tosender Donnerschlag, und dann wurde alles dunkel um sie.

Mia und der Erbe des Highlanders

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